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Marie-Pascale Wortedrechsler
M Alter: 62 Beiträge: 50 Wohnort: Kreis Lörrach
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M 11.12.2012 22:51 Mir ist kalt von Marie-Pascale
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„Mir ist kalt“, sagt Sandra. Sie hockt zusammengekauert auf dem Boden, dicht an die Heizung gepresst, und hat die Ärmel ihres Wollpullis weit über die Hände nach vorn gezogen.
„Komm endlich hinterm Ofen vor und geh mit mir snowboarden“, habe ich zu meiner Schwester gesagt. Gestern bin ich allein gegangen, aber dazu bin ich sie schließlich nicht besuchen gekommen. „Mensch, Sandra, was ist los mit dir, so kenne ich dich ja gar nicht! Warm wirst du, wenn du an die frische Luft gehst und dich ordentlich bewegst!“
Doch Sandra bleibt vor der Heizung hocken und starrt mit hochgezogenen Schultern vor sich hin.
„Der Schnee ist fabelhaft, das bekommst du nicht so schnell wieder!“
Sandra zieht ihren Wollpulli enger um sich.
„Dann lass uns wenigstens eine Runde durch den Wald zum Café Bergblick laufen“, versuche ich sie zu locken.
Erst glaube ich, sie würde überhaupt nicht reagieren, aber dann gibt sie nach und lässt sich zu einem Spaziergang überreden. Langsam und mechanisch stapft sie neben mir her, eingemummelt in ihren dicksten Anorak. Im Café sagt sie wenig und scheint sich nur an ihrer heißen Schale Cappuccino festzuhalten. Langsam werde ich unruhig.
Daheim angekommen, koche ich uns eine große Kanne Früchtetee, Sorte „Kaminzauber“, hole die bauchigen Keramiktassen aus dem Küchenschrank, stelle ein paar Teelichter auf den Boden und das Tablett mit Kanne und Tassen daneben, ich lege Sandra, die wieder an der Heizung sitzt, eine Fleecedecke um die Füße, schenke ihr und mir Tee ein und hocke mich zu ihr.
„Sandra, nun erzähl endlich. Was ist los mit dir?“
Sandra schaut mich an. Aus ihrem Auge rollt eine Träne. Mehr Tränen folgen. Sie erzählt. Langsam und stockend.
Draußen wird es dunkel.
Einmal klingelt das Telefon, doch es geht uns nichts an.
Der Tee in den Tassen, in der Kanne wird kalt.
Lange redet keine mehr ein Wort.
Dann stehe ich auf, kaure mich dicht bei ihr an die Heizung.
„Mir ist kalt“, sage ich.
Weitere Werke von Marie-Pascale:
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Trearu Eselsohr
Alter: 16 Beiträge: 342 Wohnort: Jenseits der Legenden
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12.12.2012 13:45 Re: Mir ist kalt von Trearu
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Persönliche Meinung eines Leihen.
Marie-Pascale hat Folgendes geschrieben: | „Komm endlich hinterm Ofen vor und geh mit mir snowboarden“, habe ich zu meiner Schwester gesagt. |
Wirkt verdächtig.
Zitat: | Daheim angekommen, koche ich uns eine große Kanne Früchtetee, Sorte „Kaminzauber“, hole die bauchigen Keramiktassen aus dem Küchenschrank, stelle ein paar Teelichter auf den Boden und das Tablett mit Kanne und Tassen daneben, ich lege Sandra, die wieder an der Heizung sitzt, eine Fleecedecke um die Füße, schenke ihr und mir Tee ein und hocke mich zu ihr. |
Ein recht langer Satz.
Die 'Idee' hinter deinen Text (sofern ich sie richtig verstanden habe) finde ich genial.
Zwischendurch habe ich mich etwas gelangweilt,
aber der letzte Satz ...
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Papagena rara avis
Beiträge: 697 Wohnort: zwischen Kisten und Kartons
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12.12.2012 14:08 Re: Mir ist kalt von Papagena
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Oh ja, ein guter Text mit starkem Ende. Das lässt den Text noch mal in etwas anderem Licht erscheinen und lässt genügend Spielraum für eigene Gedanken. Sehr gut, finde ich.
Sprachlich könnte man an der ein oder anderen Stelle noch was machen. Ich geh mal in den Text; das meiste ist wohl Geschmackssache, also nimm, was du magst.
Marie-Pascale hat Folgendes geschrieben: | „Mir ist kalt“, sagt Sandra. Sie hockt zusammengekauert auf dem Boden, dicht an die Heizung gepresst, und hat die Ärmel ihres Wollpullis weit über die Hände nach vorn gezogen.
„Komm endlich hinterm Ofen vor und geh mit mir snowboarden“, habe ich zu meiner Schwester gesagt. (Wann wurde das gesagt? Gestern? Vorhin? Der Sprung von Präsens in Vergangenheit müsste motivierter, finde ich.) Gestern bin ich allein gegangen, aber dazu bin ich sie schließlich nicht besuchen gekommen. „Mensch, Sandra, was ist los mit dir, so kenne ich dich ja gar nicht! Warm wirst du, wenn du an die frische Luft gehst und dich ordentlich bewegst!“
Doch Sandra bleibt vor der Heizung hocken und starrt mit hochgezogenen Schultern vor sich hin.
„Der Schnee ist fabelhaft, das bekommst du nicht so schnell wieder!“
Sandra zieht ihren Wollpulli enger um sich.
„Dann lass uns wenigstens eine Runde durch den Wald zum Café Bergblick laufen“, versuche ich sie zu locken. (Ich würde "Bergblick" streichen; "zum Café laufen" reicht.)
Erst glaube ich, sie würde überhaupt nicht reagieren, aber dann gibt sie nach und lässt sich zu einem Spaziergang überreden. Langsam und mechanisch stapft sie neben mir her, eingemummelt in ihren dicksten Anorak. Im Café sagt sie wenig und scheint sich nur an ihrer heißen Schale Cappuccino festzuhalten. (Cappucchino aus einer Schale?) Langsam werde ich unruhig.
Daheim angekommen(Komma weg) koche ich uns eine große Kanne Früchtetee, Sorte „Kaminzauber“, hole die bauchigen Keramiktassen aus dem Küchenschrank, stelle ein paar Teelichter auf den Boden und das Tablett mit Kanne und Tassen daneben, ich lege Sandra, die wieder an der Heizung sitzt, eine Fleecedecke um die Füße, schenke ihr und mir Tee ein und hocke mich zu ihr.
„Sandra, nun erzähl endlich. Was ist los mit dir?“
Sandra schaut mich an. Aus ihrem Auge rollt eine Träne. Mehr Tränen folgen. Sie erzählt. Langsam und stockend.
Draußen wird es dunkel.
Einmal klingelt das Telefon, doch es geht uns nichts an. (Den mag ich, den Satz.)
Der Tee in den Tassen, in der Kanne wird kalt.
Lange redet keine mehr ein Wort.
Dann stehe ich auf, kaure kauere mich dicht bei ihr an die Heizung.
„Mir ist kalt“, sage ich. |
Gruß
Papagena
_________________ "Die Technik allein macht's nicht."
-Johnny Castle in Dirty Dancing- |
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Kätzchen Klammeraffe
Alter: 33 Beiträge: 713 Wohnort: Katzenkörbchen
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12.12.2012 14:09
von Kätzchen
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Hallo.
Ich mag deinen Text. Allerdings geh ich immer vom Schlimmsten aus. Mord Vergewaltigung, was ist es denn?
_________________ Wir sind, wer wir sind.
Ich tippe und rede schneller, als mein Hirn denken kann.
Erwachsener und unvernünftiger als je zuvor. |
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lady-in-black Bitte nicht füttern
Beiträge: 1474 Wohnort: Killer Förde
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12.12.2012 14:16
von lady-in-black
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Also für den Schlussszene (und nachträglich für den Anfang) kriegt der Leser auf jeden Fall das hier:
Aber du solltest unbedingt noch etwas zu tun, damit er nicht während der Vorstellung vorzeitig aus dem Saal läuft.
Wollpulli und heiße Getränke gibt es doppelt. Tee kriege ich sogar dreifach geboten. 3 + 1 = Heizung. Da es keine dieser bewusst eingesetzten Wortwiederholungen (als Stilmittel) sind, machen sie den Text etwas eintönig.
Im Café Bergblick könntest du daher z.B. statt eines Cappus einen Feuerkorb geben, an den Sandra unbewusst immer näher herangeht, bis ihre Schwester sie schnell zurückzieht, um Verbrennungen zu verhindern.
Wäre jetzt eine Möglichkeit von vielen, um mehr Abwechslung reinzubringen. Lass dir was einfallen, ist ja schließlich dein Text.
_________________ - Ich würde mich gerne geistig mit Dir duellieren ... aber ich sehe Du bist leider unbewaffnet.
- Nein, Stil ist nicht das Ende vom Besen.
- Ich spreche fließend ironisch, auch im sarkastischen Dialekt. |
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Poolshark Klammeraffe
Alter: 42 Beiträge: 827 NaNoWriMo: 8384 Wohnort: Berlin
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12.12.2012 14:31
von Poolshark
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Ich hab mich nicht gelangweilt. Und das passiert nicht oft. Mir gefällt deine Sprache - so klar und so erfrischend wenig selbstverliebt.
Davon lese ich gerne mehr.
_________________ "But in the end, stories are about one person saying to another: This is the way it feels to me. Can you understand what I'm saying? Does it also feel this way to you?"
-Sir Kazuo Ishiguro |
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Marie-Pascale Wortedrechsler
M Alter: 62 Beiträge: 50 Wohnort: Kreis Lörrach
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Papagena rara avis
Beiträge: 697 Wohnort: zwischen Kisten und Kartons
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12.12.2012 22:49
von Papagena
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Ob Cappuccino oder Milchkaffee soll mir egal sein. Ich find nur ... Schale? Wie Obstschale?
Ach du je!
Wikipedia hat Folgendes geschrieben: | Unter dem Begriff „Schale“ versteht man allerdings im Ober- und Mitteldeutschen auch eine „Tasse“ (dafür auch „Schälchen“). |
Ich hatte keine Ahnung.
Ich höre "Schale" und denke ... na, eben an eine flachere Schüssel. Und da trinkt man weder das eine noch das andere draus. ... glaub ich.
_________________ "Die Technik allein macht's nicht."
-Johnny Castle in Dirty Dancing- |
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Marie-Pascale Wortedrechsler
M Alter: 62 Beiträge: 50 Wohnort: Kreis Lörrach
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Papagena rara avis
Beiträge: 697 Wohnort: zwischen Kisten und Kartons
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13.12.2012 17:42
von Papagena
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Marie-Pascale hat Folgendes geschrieben: | Hallo Papagena,
ja, da seid ihr in quasi Holland vielleicht nicht auf dem laufenden. |
Entweder das oder ich bin als Nicht-Kaffeetrinker einfach unbedarft. Keine Ahnung, woraus man hier trinkt. Tassen? Große Tassen? Bauchige Tassen?
Fakt ist, eine Bildungsreise durch Deutschland würde nicht schaden.
_________________ "Die Technik allein macht's nicht."
-Johnny Castle in Dirty Dancing- |
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Kätzchen Klammeraffe
Alter: 33 Beiträge: 713 Wohnort: Katzenkörbchen
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14.12.2012 14:28
von Kätzchen
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Oh bitte ich platze gleich um was gehts denn nun in dem Text
Mit meinen schlimmsten Vorahnungen male ich mir die grässlichsten Szenarien aus und kann nicht mehr schlafen
_________________ Wir sind, wer wir sind.
Ich tippe und rede schneller, als mein Hirn denken kann.
Erwachsener und unvernünftiger als je zuvor. |
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Marie-Pascale Wortedrechsler
M Alter: 62 Beiträge: 50 Wohnort: Kreis Lörrach
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M 15.12.2012 22:31
von Marie-Pascale
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Kätzchen hat Folgendes geschrieben: | Mit meinen schlimmsten Vorahnungen male ich mir die grässlichsten Szenarien aus und kann nicht mehr schlafen |
Oh, armes Kätzchen, da tut es mir aber leid, dass ich gestern nicht im Forum war ...
Nun meine Vorstellung davon, was passiert sein könnte, ging so ungefähr in die Richtung, dass bei der Schwester eine kurze, heftige Beziehung in die Brüche gegangen war und sie dann abgetrieben hat.
Aber der Ursprung meines Textes ist eigentlich ein völlig anderer. Ich nehme nämlich an einem Schreibtreff teil; wir treffen uns einmal im Monat und schreiben dazu etwas zu einem vorher abgesprochenen Thema. Das Thema für das nächstemal ist "Kälte". Und da wollte ich einen Text schreiben, in dem der Grund des Sich-kalt-Fühlens kein äußerer ist, sondern ein innerer. Und so ist dann dieser Text entstanden.
Also, eine wirklich aufregende Story, die ich dann verheimlicht hätte, gab es eigentlich nie.
Wie gut für dich! Du wirst vielleicht enttäuscht sein, aber du wirst wieder schlafen können
Marie-Pascale
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Kätzchen Klammeraffe
Alter: 33 Beiträge: 713 Wohnort: Katzenkörbchen
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17.12.2012 08:29
von Kätzchen
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Liebe Marie,
ich bin keineswegs enttäuscht. Ich meine Abtreibung klingt jetzt krass, aber es hat meine Horrorgedanken bestätigt, das du an etwas Schlimmes gedacht hast. Vielen Dank für die Auflösung
Und unter dem Gesichtspunkt deines Schreibtreffs, finde ich du hast die Kälte von Innen wirklich sehr gut dargestellt
LG
Mietzekatze
_________________ Wir sind, wer wir sind.
Ich tippe und rede schneller, als mein Hirn denken kann.
Erwachsener und unvernünftiger als je zuvor. |
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