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Sandmann Gänsefüßchen
Alter: 45 Beiträge: 41 Wohnort: Kiel
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10.12.2012 15:37 Morgenroutine von Sandmann
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Moin, liebes Forum! Ich hab schon länger nicht mehr geschrieben und will mich dem langsam wieder annähern. Daher übe ich ein bisschen, indem ich einfach (scheinbar) belanglose Dinge und Ereignisse verschriftliche, einfach, um die Worte mal wieder frei fließen zu lassen und Texte zu produzieren.
Ich würde mich freuen, wenn ein paar von Euch sich zu Stil, Formulierungen, Glaubwürdigkeit usw. äußern würden. Gern auch, welche Abschnitte Bilder vor Eurem inneren Auge erzeugt haben (falls überhaupt).
Hier der erste:
Morgenroutine
Sechs Uhr Fünfzig. Der Wecker meines Handys reißt mich aus dem Schlaf. Das erste Mal. Ich stelle mir morgens den Wecker immer zweimal, mit zehn Minuten Abstand zu einander. Das erste Klingeln reißt mich aus der Tiefschlafphase, und das zweite weckt mich endgültig. Klappt eigentlich immer.
Ich fummele also über den Nachttisch, bis ich mein Handy gefunden habe. Ich lege es immer mit dem Front nach unten hin, damit es morgens nicht das ganze Schlafzimmer zur Disko macht. Das grelle Display blendet mich, und ich fluche. Leise, um meine Frau nicht zu wecken, die neben mir liegt. Ich drücke den Alarm weg und schließe wieder die Augen. Gefühlte zwei Sekunden, dann klingelt es erneut. Gleiches Spiel: mein Finger tasten ungelenk über den Nachttisch, bis sie das nervende Gerät erwischen.
Ich drücke den Alarm weg, bleibe diesmal jedoch auf dem Rücken liegen und starre mit brennenden und verklebten Augen die Decke an. Ich ertappe mich dabei, wie ich nach einer glaubhaften Ausrede suche, heute nicht zur Arbeit zu müssen. Diese Phase geht jedoch schnell vorbei, und ich quäle mich aus dem Bett. Langsam, um meine Frau nicht zu wecken, denn unsere Matratze quietscht.
Meine Klamotten für heute habe ich am Vorabend säuberlich auf einem leicht zu ergreifenden Haufen neben dem Bett gestapelt. Würde ich das nicht jeden Abend tun, müsste ich morgens entweder im Dunkeln nach Hose, Shirt und Unterwäsche tasten oder das Licht einschalten, um alles zusammen zu suchen. Aber ich möchte meine Frau nicht wecken. Also sorge ich Abends vor.
Leise schleiche ich aus dem Schlafzimmer. Ich lehne ich die Tür abends immer nur an. So entsteht erst dann ein Geräusch, nachdem ich das Schlafzimmer verlassen habe. Wenn meine Frau dann aufwacht, ist aber wieder alles still, und sie wird sich später nicht daran erinnert haben, überhaupt wach geworden zu sein.
Schlafzimmer: Check.
Ich schlurfe durch den Flur und lege mein Handy auf dem Schuhschrank ab, neben der Schale mit den Schlüsselbunden. Das mache ich, weil ich nicht riskieren möchte, das mein teures Smartphone durch den Wasserdampf im Badezimmer beschädigt wird. Ich pflege meine Investitionen genau so wie meine Ehe.
Im Bad lege ich meine frische Wäsche auf der Waschmaschine ab und entleere meine Blase. Da ich im Sitzen pinkle, fällt mein Blick auf die digitale Personenwaage auf der anderen Seite des Bads. Ich denke kurz darüber nach, mich zu wiegen, verwerfe dann aber den Gedanken. Zuviel Schokolade gestern.
Ich betätige die Spülung mit dem Ellbogen und benutze selbigen, um den Klodeckel zu schließen. Und obwohl ich gleich duschen werde, wasche ich mir die Hände. Keime sind ein ernstes Thema, auch im Bad.
Ich seife mich mit Duschgel ein: Haare, Achselhöhlen, und vorne und hinten unter der Gürtellinie. Shampoo benutze ich nicht. Bei meiner Haarlänge lohnt sich das nicht. Außerdem spart es Geld. Noch schnell abgeduscht, und schon kralle ich nach dem Badehandtuch am Halter. Es hängt direkt neben dem meiner Frau. Meines zeigt eine einsame Insel mit dem einfallsreichen Piraten von Monkey Island darauf, nebst einem dreiköpfigen Affen. Ihres zeigt Prinzessin Yasmin aus dem Sindbad-Film von Disney. Beide Handtücher sind alt und knotig, aber wir hängen an den Erinnerungen, die sie verkörpern.
Ich hüpfe ungrazil auf den Badläufer und rubbele mich mit dem Handtuch ab. Dann gesellt sich der Pirat wieder zu Prinzessin Yasmin auf dem Handtuchhalter, und ich bemühe meinen Deoroller. Dann die Klamotten, immer in derselben Reihenfolge: Unterhose, T-Shirt, Socken, Hose (Shirt in die Hose), Pulli düber.
Dann werfe ich den Fön an. Ich gehöre zu der Sorte Kerl, die den Besuch beim Frisör scheuen und die, nachdem sie sich mal wieder dazu überwunden haben, danach über Monate hinweg immer wieder ihre Art des Haar-Stylings anpassen müssen, einfach, weil die Matte immer länger wird. Im Augenblick sieht es wieder einfach unmöglich aus, aber mit Haargel kann man einiges retten.
Dann noch schnell den Q-Tip in die Ohren und die Zähne geschrubbt. Bei meinem letzten Besuch beim Zahnarzt hat die Zahnarzthelferin mich entsetzt gefragt, ob ich ein „Schrubber“ sei. Auf meinen fragenden Blick hin sagte sie, dass „Schrubber“ immer einfach mit der Zahnbürste feste über die Zähne schrubben, um sie zu säubern, ohne dabei Rücksicht auf das arme Zahnfleisch zu nehmen. Mein Zahnfleisch sei schon so weit zurück gegangen, dass ich einfach ein Schrubber sein müsse. Ich gestand reumütig, und die darauf folgende, etwas peinliche Belehrung, dass man immer von rot nach weiß putze, und das immer 3 Minuten, gerne auch nach dem Mittagessen, weckte unangenehme Erinnerungen an meine Kindheit. Diese Zahnarzthelferin hat es geschafft, dass diese Erinnerungen nun jeden Morgen an die Oberfläche drängen, denn ich bin noch immer ein „Schrubber“.
Badezimmer: Check.
Nach dem Zähneputzen sammle ich meine Schmutzwäsche auf und trage sie ins Arbeitszimmer, wo ich sie auf meinen Bürostuhl fallen lasse und diesen unter den Schreibtisch schiebe. Der Wäschekorb befindet sich im Schlafzimmer, und dort schläft meine Frau. Ich sammle die Schmutzwäsche immer nachmittags ein, wenn ich von der Arbeit komme.
Auf dem Rückweg aus dem Arbeitszimmer sammle ich mein Handy vom Schuhschrank ein und lasse es im meine Hosentasche gleiten. Dann verschwinde ich noch einmal kurz ins Badezimmer, um mir die Hande zu waschen (wegen der Unterwäsche und weil ich mir gleich Brote schmieren würde).
In der Küche angekommen, schließe ich als erstes die Tür. Dann fische ich das Schwarzbrot aus dem Brotkorb, die Margarine und den Aufstrich aus dem Kühlschrank und die Tupperdose aus der Einbauküche. Ich schmiere zwei Brote und stopfe sie in die Dose, dann verstaue ich alles wieder dort, wo es hingehört.
Küche: Check.
Zu guter letzt drehe ich eine Runde durch die Wohnung, stelle sicher, dass nirgends elektrische Geräte an sind oder Fenster offen stehen. Dann wickle ich mir meinen Schal um den Hals, schlüpfe in die dicke Jacke, ziehe mir den Reißverschluss bis zum Kinn und schnappe mir meinen Rucksack. Ich nehme Haustür- und Autoschlüssel vom Schuhschrank und trete leise hinaus ins Treppenhaus. Mein neuerlicher, von Routine geprägter Tag in der Außenwelt beginnt damit, dass ich leise die Wohnungstür hinter mir zu ziehe. Ich sperre alles, was an einem kalten Dezembermorgen wohlig, warm und angenehm ist, hinter mir ein, um es für meine Rückkehr in Sicherheit zu wähnen. Was meine Frau angeht, so darf man diesen Ausdruck sicherlich nicht wörtlich nehmen, aber an jedem Morgen kommt es mir so vor. Und ich bin sicher, dass ich sie nicht geweckt habe.
Meine Frau erzählt mir immer wieder, dass sie in jenem Augenblick, in dem der Wecker klingelt, ebenfalls hellwach werde, und dass sie so lange meine Routineschritte durch die Wohnung verfolgen könne, bis ich schließlich die Haustür hinter mir zuzöge. Erst dann könne sie überhaupt wieder einschlafen. Sie sagt, ich brauche mir gar keine Mühe geben, leise zu sein, da sie ohnehin immer wach läge, bis ich gegangen sei.
Ich bemühe mich aber trotzdem, leise zu sein, denn wer weiß: vielleicht hat sie eines Tages einen schönen Traum und wird nicht von meinem Wecker aus dem Schlaf gerissen. Und wenn dieser Morgen kommt, kann jedes kleine Geräusch sie verraten und das große, graue Untier namens Dezember auf sie aufmerksam machen.
Weitere Werke von Sandmann:
_________________ Hail to the king, Baby! |
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Neraka Wortedrechsler
Alter: 31 Beiträge: 70
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11.12.2012 11:40
von Neraka
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Hallo Sandmann!
Erst einmal muss ich sagen, dass grade deine Einleitung sehr dazu beigetragen hat, dass der Text sich gut lesen ließ. Normalerweise hätte ich mich vermutlich gefragt "Und was passiert jetzt? Irgendetwas muss doch passieren!"
Aber da du schon vor dem eigentlichen Text sagtest, normale Alltagssituationen zu beschreiben, konnte man sich sehr gut auf den Text einlassen und die dargestellte Situation auf sich wirken lassen.
Ich finde den Text sehr gelungen. Die Beschreibungen sind ausführlich, und trotz einer eigentlich eher alltäglichen Situation ist das Lesen nicht langweilig geworden. Besonders gefallen hat mir die Beschreibung der Handtücher, und ich kann nicht einmal genau sagen, woran das liegt
Es hat das Duscherlebnis einfach "aufgelockert" und man hat genau bemerkt, dass die Hauptperson ihre Frau augenscheinlich sehr genau kennt.
Ein schöner Text, der ein recht normales Frühaufstehen nicht langweilig werden lässt
Liebe Grüße,
Neraka
_________________ Wait, until you take a look inside yourself -
Recognize, what is growing there.
Oh seeker,
A leaf in this garden,
Means more than all leaves
You will find in paradise.
-Faun- |
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Nicki Bücherwurm
Alter: 68 Beiträge: 3613 Wohnort: Mönchengladbach
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11.12.2012 12:29
von Nicki
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Hallo Sandmann,
komischerweise war ich gerade nach den ersten Sätzen geneigt abzubrechen, aber da ich von Natur aus ein neugieriger Mensch bin, habe ich den Rest auch noch gelesen. Interessant, wie man aus alltäglichen Begebenheiten eine lesenswerte Geschichte schreiben kann. Den Charakter hast du gut gezeichnet.
Das Einzige, das mich etwas rausgeworfen hat, waren seine Haare. Sie sind zu kurz, um sie mit Shampoo zu waschen aber trotzdem so lang, dass er über einen Friseurbesuch nachdenkt.
Für mein Empfinden ist das ein Widerspruch.
Besonders gefallen hat mir ebenfalls die Stelle mit den Handtüchern
_________________ MfG
Nicki
"Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist." Henry Ford
"Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt." A.Einstein
*Sommerblues* September 2017 Eisermann Verlag
*Trommelfeuer* November 2017 Eisermann Verlag
*Silvesterliebe* 30. November 2018 Eisermann Verlag
*Gestohlene Jahre* Work in Progress |
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Iane Gänsefüßchen
I
Beiträge: 39 Wohnort: hinter Bayern, in der ADHS-WG
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I 11.12.2012 21:18
von Iane
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Hallo Sandmann,
dein Text hat mich berührt. Er ist irgendwie "echt". Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Wiederholungen bezüglich der Frau, die nicht geweckt werden soll, echte Fürsorge ausdrücken sollen, oder ob da etwas Ironisches anklingt. Dazu würde auch dieser Satz passen:
Ich pflege meine Investitionen genau so wie meine Ehe.
Andererseits macht diese Frage (liebt er sie? Wo ist der Hacken?) den Text spannend.
LG, Iane.
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Rheinsberg écrivaine émigrée
Alter: 64 Beiträge: 2251 NaNoWriMo: 35000 Wohnort: Amman
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12.12.2012 05:18
von Rheinsberg
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Ich denke, der Text entspricht durchaus deinen Absichten, wie Nicki schon feststellte.
Stilistisch finde ich ihn in Ordnung, bei den Formulierungen sind ein paar sehr nette dabei, der von Iane zitierte Satz, aber auch der letzte Absatz, der mir mit am Besten gefällt.
_________________ "Write what should not be forgotten…" Isabel Allende
"Books are written with blood, tears, laughter and kisses. " - Isabel Allende
"Die größte Gefahr ist die Selbstzensur. Dass ich Texte zu bestimmten Themen gar nicht schreibe, weil ich ahnen kann, welche Reaktionen sie hervorrufen." - Ingrid Brodnig |
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Sandmann Gänsefüßchen
Alter: 45 Beiträge: 41 Wohnort: Kiel
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13.12.2012 14:40
von Sandmann
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Hallo! Vielen Dank für Eure Kritik, ich werde sie zum Anlass nehmen, die eine oder andere Stelle noch einmal zu überarbeiten.
Der Text drückt tatsächlich echte Fürsorge aus (ich muss es wissen, denn sie ist echt). Interessant wäre es, zu erfahren, welche Passagen da Zweifel aufgeworfen haben. Der Satz mit den Investitionen und der Ehe möchte ich aufgrund der Kritik von Iane gern überarbeiten. Und auch der Widerspruch mit den Haaren ist eine Revision wert. Ich poste das Ergebnis dann die Tage.
Vielen Dank Euch schonmal!
_________________ Hail to the king, Baby! |
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Sandmann Gänsefüßchen
Alter: 45 Beiträge: 41 Wohnort: Kiel
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16.12.2012 18:02
von Sandmann
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Hier die überarbeitete Fassung:
Morgenroutine
Sechs Uhr Fünfzig. Der Wecker meines Handys reißt mich aus dem Schlaf. Das erste Mal. Ich stelle
mir morgens den Wecker immer zweimal, mit zehn Minuten Abstand zu einander. Das erste Klingeln
reißt mich aus der Tiefschlafphase, und das zweite weckt mich endgültig. Klappt eigentlich immer.
Ich fummele also über den Nachttisch, bis ich mein Handy gefunden habe. Ich lege es immer mit der
Front nach unten hin, damit es morgens nicht das ganze Schlafzimmer zur Disko macht. Das grelle
Display blendet mich, und ich fluche. Leise, um meine Frau nicht zu wecken, die neben mir liegt. Ich
drücke den Alarm weg und schließe wieder die Augen. Gefühlte zwei Sekunden, dann klingelt es
erneut. Gleiches Spiel: mein Finger tasten ungelenk über den Nachttisch, bis sie das nervende Gerät
erwischen.
Ich drücke den Alarm weg, bleibe diesmal jedoch auf dem Rücken liegen und starre mit brennenden
und verklebten Augen die Decke an. Ich ertappe mich dabei, wie ich nach einer glaubhaften Ausrede
suche, heute nicht zur Arbeit zu müssen. Diese Phase geht jedoch schnell vorbei, und ich quäle mich
aus dem Bett. Langsam, um meine Frau nicht zu wecken, denn unsere Matratze quietscht.
Meine Klamotten für heute habe ich am Vorabend säuberlich auf einem leicht zu ergreifenden
Haufen neben dem Bett gestapelt. Würde ich das nicht jeden Abend tun, müsste ich morgens
entweder im Dunkeln nach Hose, Shirt und Unterwäsche tasten oder das Licht einschalten, um alles
zusammen zu suchen. Aber ich möchte meine Frau nicht wecken. Also sorge ich abends vor.
Leise schleiche ich aus dem Schlafzimmer. Ich lehne die Tür abends immer nur an. So entsteht erst
dann ein Geräusch, nachdem ich das Schlafzimmer verlassen habe. Wenn meine Frau dann aufwacht,
ist aber wieder alles still, und sie wird sich später nicht daran erinnert haben, überhaupt wach
geworden zu sein.
Schlafzimmer: Check.
Ich schlurfe durch den Flur und lege mein Handy auf dem Schuhschrank ab, neben der Schale mit den
Schlüsselbunden. Das mache ich, weil ich nicht riskieren möchte, dass mein teures Smartphone durch
den Wasserdampf im Badezimmer beschädigt wird. Ich pflege meine Investitionen.
Im Bad lege ich meine frische Wäsche auf der Waschmaschine ab und entleere meine Blase. Da ich
im Sitzen pinkle, fällt mein Blick auf die digitale Personenwaage auf der anderen Seite des Bads. Ich
denke kurz darüber nach, mich zu wiegen, verwerfe dann aber den Gedanken. Zuviel Schokolade
gestern.
Ich betätige die Spülung mit dem Ellbogen und benutze selbigen, um den Klodeckel zu schließen. Und
obwohl ich gleich duschen werde, wasche ich mir die Hände. Keime sind ein ernstes Thema, auch im
Bad.
Ich seife mich mit Duschgel ein: Haare, Achselhöhlen, und vorne und hinten unter der Gürtellinie.
Shampoo benutze ich nicht. Noch schnell abgeduscht, und schon kralle ich nach dem Badehandtuch
am Halter. Es hängt direkt neben dem meiner Frau. Meines zeigt eine einsame Insel mit dem
einfallsreichen Piraten von Monkey Island darauf, nebst einem dreiköpfigen Affen. Ihres zeigt
Prinzessin Yasmin aus dem Sindbad-Film von Disney. Beide Handtücher sind alt und knotig, aber wir
hängen an den Erinnerungen, die sie verkörpern.
Ich hüpfe ungrazil auf den Badläufer und rubbele mich mit dem Handtuch ab. Dann gesellt sich der
Pirat wieder zu Prinzessin Yasmin auf dem Handtuchhalter, und ich bemühe meinen Deoroller. Dann
die Klamotten, immer in derselben Reihenfolge: Unterhose, T-Shirt, Socken, Hose (Shirt in die Hose),
Pulli düber.
Dann werfe ich den Fön an. Ich gehöre zu der Sorte Kerl, die den Besuch beim Frisör scheuen und die,
nachdem sie sich mal wieder dazu überwunden haben, danach über Monate hinweg immer wieder
ihre Art des Haar-Stylings anpassen müssen, einfach, weil die Matte immer länger wird. Im
Augenblick sieht es wieder einfach unmöglich aus, aber mit Haargel kann man einiges retten.
Dann noch schnell den Q-Tip in die Ohren und die Zähne geschrubbt. Bei meinem letzten Besuch
beim Zahnarzt hat die Zahnarzthelferin mich entsetzt gefragt, ob ich ein „Schrubber“ sei. Auf meinen
fragenden Blick hin sagte sie, dass „Schrubber“ immer einfach mit der Zahnbürste feste über die
Zähne schrubben, um sie zu säubern, ohne dabei Rücksicht auf das arme Zahnfleisch zu nehmen.
Mein Zahnfleisch sei schon so weit zurück gegangen, dass ich einfach ein Schrubber sein müsse. Ich
gestand reumütig, und die darauf folgende, etwas peinliche Belehrung, dass man immer von rot nach
weiß putze, und das immer 3 Minuten, gerne auch nach dem Mittagessen, weckte unangenehme
Erinnerungen an meine Kindheit. Diese Zahnarzthelferin hat es geschafft, dass diese Erinnerungen
nun jeden Morgen an die Oberfläche drängen, denn ich bin noch immer ein „Schrubber“.
Badezimmer: Check.
Nach dem Zähneputzen sammle ich meine Schmutzwäsche auf und trage sie ins Arbeitszimmer, wo
ich sie auf meinen Bürostuhl fallen lasse und diesen unter den Schreibtisch schiebe. Der Wäschekorb
befindet sich im Schlafzimmer, und dort schläft meine Frau. Ich entsorge die Schmutzwäsche immer
nachmittags, wenn ich von der Arbeit komme.
Auf dem Rückweg aus dem Arbeitszimmer sammle ich mein Handy vom Schuhschrank ein und lasse
es im meine Hosentasche gleiten. Dann verschwinde ich noch einmal kurz ins Badezimmer, um mir
die Hände zu waschen (wegen der Unterwäsche und weil ich mir gleich Brote schmieren würde).
In der Küche angekommen, schließe ich als erstes die Tür. Dann fische ich das Schwarzbrot aus dem
Brotkorb, die Margarine und den Aufstrich aus dem Kühlschrank und die Tupperdose aus der
Einbauküche. Ich schmiere zwei Brote und stopfe sie in die Dose, dann verstaue ich alles wieder dort,
wo es hingehört.
Küche: Check.
Zu guter Letzt drehe ich eine Runde durch die Wohnung, stelle sicher, dass nirgends elektrische
Geräte an sind oder Fenster offen stehen. Dann wickle ich mir meinen Schal um den Hals, schlüpfe in
die dicke Jacke, ziehe mir den Reißverschluss bis zum Kinn und schnappe mir meinen Rucksack. Ich
nehme Haustür- und Autoschlüssel vom Schuhschrank und trete leise hinaus ins Treppenhaus. Mein
neuerlicher, von Routine geprägter Tag in der Außenwelt beginnt damit, dass ich leise die
Wohnungstür hinter mir zu ziehe. Ich sperre alles, was an einem kalten Dezembermorgen wohlig,
warm und angenehm ist, hinter mir ein, um es für meine Rückkehr in Sicherheit zu wähnen. Was
meine Frau angeht, so darf man diesen Ausdruck sicherlich nicht wörtlich nehmen, aber an jedem
Morgen kommt es mir so vor. Und ich bin sicher, dass ich sie nicht geweckt habe.
Meine Frau erzählt mir immer wieder, dass sie in jenem Augenblick, in dem der Wecker klingelt,
ebenfalls hellwach werde, und dass sie so lange meine Routineschritte durch die Wohnung verfolgen
könne, bis ich schließlich die Haustür hinter mir zuzöge. Erst dann könne sie überhaupt wieder
einschlafen. Sie sagt, ich brauche mir gar keine Mühe geben, leise zu sein, da sie ohnehin immer
wach läge, bis ich gegangen sei.
Ich bemühe mich aber trotzdem, leise zu sein, denn wer weiß: vielleicht hat sie eines Tages einen
schönen Traum und wird nicht von meinem Wecker aus dem Schlaf gerissen. Und wenn dieser
Morgen kommt, kann jedes kleine Geräusch sie verraten und das große, graue Untier namens
Dezember auf sie aufmerksam machen.
_________________ Hail to the king, Baby! |
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Meth Budlack Gänsefüßchen
M
Beiträge: 16
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M 16.12.2012 19:17
von Meth Budlack
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Hallo Sandmann!
Mich hat dein Text nicht berührt. Klar, das sind alles Sachen, die man kennt. Aber deshalb ist es ja noch keine Geschichte.
Eigentlich sollte man doch mit dem Einstieg den Leser davon überzeugen, dass er die Geschichte fertig lesen muss. Hier ist das: Zitat: | Sechs Uhr Fünfzig. Der Wecker meines Handys reißt mich aus dem Schlaf. Das erste Mal. Ich stelle
mir morgens den Wecker immer zweimal, mit zehn Minuten Abstand zu einander | Ich weiß nich. Du darsft dir alle möglichen Szenairien der Welt vorstellen, du kannst den leser Dinge erleben lassen, die er niemals erleben wird. Aber dein Prot wacht vom Wecker seines Handys auf, und dann drückt er den Alarm weg. Findest du das wirklich lesenswert? Ich meine, würdest du eine Geschichte lesen wollen, die so beginnt? Ich nicht. Deshalb hab ich sie auch nicht richtig gelesen.
Jetzt kannst du sagen: "Wenn du das Ding nicht richtig gelesen hast, kannst du dir auch kein Urteil erlauben."
Dann sage ich:"Wenn mich eine egschichte nicht dazu bringt, dass ich weiterlesen will, dann kann ich zumindest sagen: Der Anfang hat mich abgeschreckt. Das ist nicht gut, denn besonders die ersten Zeilen sollten gut sein, den leser hineinziehen.
Habs dann überflogen, gebe ich zu, aber da stand auch nur, wie der Prot. sich die zähne putzt etc. ich weiß nicht, wo da eine Handlung sein soll, um was es hier geht. Wenn man jemandem eine Geschichte erzählen will, dann hat man doch eigentlich was zu erzählen. Würdest du dich ans Lagerfeuer setzen und sagen: "Jetzt erzähle ich euch eine Geschichte:Der Wecker meines Handys reißt mich aus dem Schlaf. Das erste Mal. Ich stelle
mir morgens den Wecker immer zweimal, mit zehn Minuten Abstand zu einander ...
Also hier zum Beispiel: Zitat: | Ich sperre alles, was an einem kalten Dezembermorgen wohlig,
warm und angenehm ist, hinter mir ein, um es für meine Rückkehr in Sicherheit zu wähnen. Was
meine Frau angeht, so darf man diesen Ausdruck sicherlich nicht wörtlich nehmen, aber an jedem
Morgen kommt es mir so vor. Und ich bin sicher, dass ich sie nicht geweckt habe | Da sieht man ja, dass du mit Worten umgehen kannst, dass du Humor hast. Da sieht man vieles in diesem Satz. Aber du bräuchtest eine erzählenswerte Handlung.
Gruß
Meth Budlack
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Gast
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16.12.2012 19:27
von Gast
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mich hat dein text erwartungsgemäß ratlos gemacht.
erwartungsgemäß, weil du es ja angekündigt hattest.
ich habe ihn durchgelesen, von anfang bis ende, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass du wirklich gar nichts zu erzählen hattest.
es ein bisschen so wie das hineinzappen in big brother. man wartet mehrere minuten mehr verstört als gebannt, weil man einfach nicht glauben kann, das wirklich nichts passiert.
noch viel ratloser macht mich die überwiegend positive resonanz.
für mich ist eine geschichte eine geschichte, wenn sie eine geschichte ist.
ich will verblüfft werden, oder gefesselt, oder zumindest amüsiert.
das alles tust du nicht.
dabei schreibst du flüssig.
deine schreibe hätte weit besseres verdient als das, was ich eben gelesen habe.
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Sandmann Gänsefüßchen
Alter: 45 Beiträge: 41 Wohnort: Kiel
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17.12.2012 16:01
von Sandmann
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@Meth und LeiLa; Vielen Dank für Euer Feedback. Vorab: ich halte es für Unsinn, dass man eine Geschichte nicht beurteilen kann, bevor man sie nicht komplett gelesen hat.
Aber in diesem Falle wollte ich ja explizit keine Geschichte erzählen, sondern nur eine belanglose Situation schildern, einfach um schreibtechnisch in Gang zu kommen. Theoretisch hat LeiLa mir, indem sie sagt, ich könne schreiben (danke dafür), den Erfolg meines Vorhabens abgestempelt. Dass ich langweile, war fast schon vorprogrammiert. Daher gilt mein Dank Euch umso mehr, da Ihr Euch durchgerungen habt, wenn schon nicht, den Text zuende zu lesen, ihn doch zumindest zu kommentieren. Dankeschön. Ab sofort kommen nur noch Geschichten, versprochen.
_________________ Hail to the king, Baby! |
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Harrison Schneckenpost
Alter: 69 Beiträge: 5
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17.12.2012 20:23
von Harrison
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Wie Du selbst in der Ankündigung geschrieben hast sollte es ja auch keine " Geschichte " sein sondern, so wie ich das sehe, eine "Fingerübung".
Ich habe mir den ganzen Text durchgelesen und abgesehen von 1-2 Grammatikfehlern möchte ich nur eines sagen.
Ich würde mich freuen von Dir eine Geschichte zu lesen und könnte mir in Anbetracht Deiner Wortwahl sehr gut vorstellen das diese dann auch Spannend werden könnte.
Lg
Harrison
Ps: und ja eine gewisse Ähnlichkeit im Ablauf konnte ich bei mir sehen
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