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Gespräch mit Laura


 
 
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ricochet
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 68
Beiträge: 389
Wohnort: Graz


Beitrag07.12.2012 08:48
Gespräch mit Laura
von ricochet
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

1. Szene – Vorher


Licht an. Auf der Bühne sitzt ein 57jähriger Mann einer jungen, blonden Frau am Tisch gegenüber. Auf dem Tisch stehen ein Monitor, eine Tastatur und ein Tasse aus Keramik.

Laura: Wer bist du?
Anton: Nein, nein, zu allererst fragt man sich, wer man selber ist. Das gehört sich so und klingt viel philosophischer.
Laura: Aber ich sehe nicht mich, ich sehe dich. Ein Gesicht mit Drei-Tage-Bart, die Tastatur, die Viertellitertasse mit billigem Instant-Kaffee … Lass mich raten – er ist kalt.
Anton: Vom kalten Kaffee wird man schön. Sollte ein Witz sein ...
Laura: Jaja, selten so gelacht. Und wieso ist die Tasse eigentlich knallrot?
Anton: Politisch korrekt.
Laura: Aha, was immer das heißen soll. So, wie du mich anstarrst brauchst du eine Brille, weigerst dich jedoch aus Gründen der Eitel...
Anton: Schon gut, schon gut. Also ich bin Anton. Und du bist Laura, die Heldin meiner Erzählung Am Ende aller Wege.
Laura. Und wenn ich nicht Laura hieße? Wäre ich dann jemand anders?
Anton: Natürlich nicht.
Laura: Also hast du meine Frage eigentlich gar nicht beantwortet.
Anton: Kannst du anstrengend sein. Aber so habe ich dich erschaffen in der Konzeptphase des Projektes. Da entwirft man die Identitäten seiner Protagonisten und Antagonisten.
Kann man doch die Identität des Subjekts als den Fokus verschiedener kultureller und sozialer Gegebenheiten sehen, letzten Endes als Konstrukt verschiedener über- und untergeordneter, einander sogar widersprechender Gegebenheiten, wie soziale und sexuelle Gruppenzugehörigkeit, religiöser und kultureller Hintergrund etc.
Laura: Dann bist du also Gott. Ein Gott, der Anton heißt ...
Anton: Um Gottes Willen, nenn mich bloß nicht Gott.
Laura: Warum nicht?
Anton: Politisch nicht korrekt.
Laura: Verstehe ich nicht, aber es wird seine Bewandtnis haben. Wenn du mich erschaffen hast, dann frage ich mich, wer dich erschaffen hat.
Anton: Das weiß ich nicht.
Laura: Warum nicht?
Anton: Das geht dich gar nichts an.
Laura: Du meinst, dir gehen die Klugheiten aus?
Anton: Ja, aber doch nicht in diesen Worten.
Laura: Verstehe. Wenn ich dich richtig verstanden habe, halluzinierst du mich auf irgendeine Weise. Wer sagt mir denn, dass nicht ich es bin, der dich halluziniert?
Anton: So habe ich es noch nie gesehen, aber die Idee hat etwas.
Laura: Warum gerade ich?
Anton: Ich habe mir immer eine Tochter gewünscht. Geworden sind es drei Söhne. Ich beschwere mich nicht, liebe ich doch jeden heiß und innig, aber die fehlende Tochter erfinde ich mir einfach in meinen Büchern hinzu.
Laura: Und was soll ich in deiner Erzählung tun?
Anton: Ich werde dich auf eine Reise durch das extremste aller meiner Bücher schicken.Lass dich überraschen. Ich möchte dir ja nicht die Spannung verderben.
Laura: Werde ich verliebt sein?
Anton: Ja, aber ob das immer ein Anlass zur Freude ist, sei dahingestellt. Nichts kann dir so weh tun wie das schönste Gefühl auf dieser Welt. Wenn ich nur mein eigenes Leben hernehme. Wenn ich an die eine denke, dieses Miststück aus meiner Jugendzeit ... Wie hat sie nur geheißen ...?
Laura: Werd nicht banal.
Anton: Du bist ganz schön vorwitzig, wenn ich bedenke, dass du meine Erfindung bist, die ich bald durch Höhen und Tiefen schicken werde..
Laura: Wirst du bei mir sein?
Anton: Freilich werde ich das, ich bin doch der Autor. Und es kann schon sein, dass ich mich einmal melde, wenn es gar zu bunt wird. Das ist dann wie die Stimme aus dem Off im Film.
Laura: Stimme aus dem Off …???
Anton: Ja, das ist wenn einer dreinquatscht und du siehst ihn nicht. Lass uns weiterreden, wenn die Erzählung fertig ist.

Es wird halbdunkel. Jemand liest aus dem Off die Erzählung „Am Ende aller Wege“. Dann wird es wieder hell. Die Zuschauer, die in der Zwischenzeit eingeschlafen sind, werden dezent per Riechsalz aus dem Reich der Träume abgeholt.

2. Szene - Nachher


Laura: Du hast mich ja durch ein ordentliches Feuer geschickt.
Anton: Ich habe jemanden gebraucht, der in dem ganzen Saustall ...äh, in dem Wirbel, meine ich, steht wie der Fels in der Brandung, der einfach das Normale repräsentiert. Das warst du. Und du hast dich wacker gehalten. Herzlichen Dank dafür.
Laura: Und was ist mit den anderen? Du hast sie reihenweise in die Hölle geschickt und nur einer kam zurück. Der war nicht einmal ich.
Anton: Ich weiß. Wenn ich könnte, ginge ich durch meine eigene Erzählung und bedankte mich bei allen fürs Mitmachen. Sogar den Uvall, das Kamel, würde ich umarmen. Weißt du, ich bin Kamelen zum ersten Mal 1974 bei meinem UNO-Einsatz in Ägypten persönlich begegnet. Die strahlen so viel Würde aus, gepaart mit stoischer Gelassenheit. In ihrer Genügsamkeit ruhen sie in sich, gesegnet mit dem Blick fürs Wesentliche … Sogar ihre getrocknete Scheiße kann man verbrennen, damit es in der Nacht nicht so kalt ist. Also, wenn Kamele nicht der Haupttreffer sind!?
Laura: Aber das in deiner Erzählung ist ein Dämon.
Anton: Dämonen stecken in uns allen. Die Frage ist nur, ob wir sie rauslassen und welche Gestalt sie dann annehmen. Aber etwas anderes: Wie ist es dir ergangen in der Erzählung?
Laura: Es war aufschlussreich. Ich war verliebt, und es ging um das, was in die Welt im Innersten zusammenhält, und was sie in Gang hält. Und dass jeder Mensch seinen ganz eigenen, unverwechselbaren Weg geht. Und wohin all das führt. Mag sein ein bisschen viel. Und verstanden habe ich gar nichts.
Anton: Es geht nicht darum ...
Laura: … dass wir verstehen, sondern darum, dass wir das Richtige tun, obwohl wir nicht verstehen. Ich weiß, dank Gerlinde. Ich denke, das wenigstens habe ich begriffen. Was passiert jetzt mit mir, wo die Erzählung zu Ende ist?
Anton: Du sickerst in den kulturellen Hintergrund der Leute ein, die deine Geschichte gelesen haben. Und eines Tages werden vielleicht ein paar von denen gemeinsam im Gasthaus sitzen und einer fängt von dir zu erzählen an. Ein anderer wirft ein: Ach, das ist doch die Geschichte von der Laura und ihrem verrückten Apotheker. Und wieder ein anderer ergänzt: Ja, mit dem blöden Zensurstempel, da, wo es am meisten interessant geworden ist.
Laura: Weißt du, was ich mich frage?
Anton: Was denn?
Laura: Ob Pepito wirklich die Weltformel herausgefunden hat.
Anton: Das möchte ich auch gerne wissen.
Laura: Du hast dir alle Mühe gegeben, mir zu erklären, ich sei nur ein Konstrukt. Ich werde mir diese Mühe mit dir nicht geben. Ich sage dir einfach: Nimm es nicht persönlich, aber du bist mein Konstrukt und ich werde dich nunmehr dekonstruieren. So wie man eine Nachtlampe abschaltet und dann ist es finster.

Licht aus. Es ist finster.

Laura: Bist du noch da, Anton?
Anton: Nein.
Laura: Du bist ein Schelm.
Anton: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm … Ich mag dich sehr, sehr gern, Laura.
Laura: Ich dich auch, Anton.

Man hört wie sie aufstehen und die Bühne verlassen.



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Nr. 5
Geschlecht:weiblichLachfaltensammler

Alter: 42
Beiträge: 1162
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Beitrag07.12.2012 09:15

von Nr. 5
Antworten mit Zitat

Klasse! Ich grinse von Ohr zu Ohr. Was soll ich dazu sagen? Wohow
Ich möchte mehr lesen. Von Laura, vom Apotheker und das Kamel will ich auch kennenlernen! Buch

Es sollte Pflicht für alle sein, am Anfang ein Interview mit dem/der Protagonistin zu führen. Das ist so aufschlussreich.


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"Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende." Oscar Wilde
"Gilt übrigens auch für Überarbeitungen." Die Fünf
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ricochet
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 68
Beiträge: 389
Wohnort: Graz


Beitrag08.12.2012 10:57

von ricochet
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Herzlichen Dank für das Lob, Nr. 5.  Very Happy Das Buch ist übrigens veröffentlicht. (Für nähere Hinweise einfach den Link oben verfolgen.)

LG


rico


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