18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> 6. FFF
Odile

 
 
Gehe zu Seite 1, 2  Weiter
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Aiyra
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

Alter: 28
Beiträge: 76



Beitrag03.12.2012 01:00
Odile
von Aiyra
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Odile


Der eisige Winterwind wehte durch die dämmrige Gasse, wirbelte Schneeflocken und winzige Eissplitter durch die Luft. Das riesige Plakat, das gegenüber dem heruntergekommen Pfandhaus hing, war alt und verblichen. Eine tanzende Ballerina war darauf abgebildet, die Augen geschlossen. Sie wirkte entrückt, wie in einer anderen Welt. Schneeverwehungen auf dem Plakat zauberten ihr eine lange, fedrige Schleppe an ihr weiß-glitzerndes Kostüm. Die blonden Haare waren zu einem kunstvollen Knoten geschlungen, auf ihnen strahlte eine Federkrone. In geschwungenen Lettern prangte der Titel des beworbenen Stücks über ihrem Kopf: „Tschaikowskis Schwanensee“. Der Termin lag schon mehrere Jahre zurück, und dennoch strahlte die einsame Ballerina eine sonderbare Anziehungskraft aus.

Estelle zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden. Fröstelnd vergrub sie ihr Gesicht in ihrem Schal und strebte zur Tür des Pfandhauses. Begleitet von einem hellen Glöckchengeklingel betrat sie den wohlig warmen Raum. In einer entfernten Ecke des Zimmers brannte ein Feuer im Kamin, der restliche freie Platz war bis zur Decke mit Antiquitäten aller Art vollgestopft. Ein bestimmtes System ließ sich nicht erkennen, Lampenschirme stapelten sich auf Lederkoffern, Telefone waren in einen Schrank  gehäuft. Die Luft roch muffig, eigentümlich alt, abgestanden. „Genau das Richtige“ murmelte Estelle und sah sich nach dem Besitzer um. Aus einem Hinterzimmer drang lautes Poltern, gefolgt von einem Fluch. Kurz darauf erschien ein untersetzter Mann im Türrahmen und eilte auf Estelle zu.
„Entschuldigen Sie, ich habe die Glöckchen gar nicht gehört!“. Außer Atem stand er vor ihr und klopfte sich den Staub von seiner roten Samtjacke. „Mein Name ist Manuel Bartolli, was kann ich für Sie tun?“
Estelle musterte den kleinen Mann. Seine rote Samtjacke mit den goldenen Knöpfen hatte schon bessere Tage gesehen, in seinen Haaren hingen Spinnweben. Seine Augen hinter der runden Brille glänzten erwartungsvoll, als er auf ihre Antwort wartete.
„Ich heiße …“, sie zögerte. „Mein Name tut eigentlich nichts zur Sache. Ich habe etwas bei mir, dass ich gerne beleihen würde.“
 „Oh, oh! Ich bin sehr erfreut, dass Sie ihren Weg hierher zu mir gefunden haben! Wie Sie sehen, habe ich viele viele Gegenstände hier, aber es kommt so selten jemand vorbei, um etwas zu kaufen. Die großen Pfandhäuser machen es einem kleinen Unternehmen wie mir sehr schwer.“ Er seufzte tief. „Nun ja, aber Sie wollen ja nichts kaufen, nicht wahr? Dann zeigen Sie mir doch bitte, was Sie mitgebracht haben!“ Er führte Sie zu einem Tischchen, das von einer Hängelampe beleuchtet wurde.
Estelle stellte ihre Handtasche ab und holte vorsichtig einen Zeitungspacken hervor. Sie schlug die Zeitungen auseinander und offenbarte den Inhalt ihrem Gegenüber.
Pfeifend zog Monsieur Bartolli die Luft ein. „Madame, was für ein schönes Stück! Darf ich, also, ich meine …“ Er streckte die Hände nach dem Gegenstand aus.
Estelle nickte huldvoll. „Nur zu, deshalb bin ich hier“.
Monsieur Bartolli nahm das Schmuckkästchen behutsam in seine Hände und betrachtete es genau. Das teure dunkle Holz war sauber verarbeitet, der Deckel mit einem wunderschönen Motiv einer blumenumrankten Ballerina verziert. Er öffnete das Kästchen. Innen war es mit bordeauxrotem Samt ausgeschlagen. Eine kleine Tänzerin hatte sich beim Öffnen aufgestellt und drehte sich nun zu den sanften Klängen von „Schwanensee“ im Kreis. Das Uhrwerk klickte leise. Verzückt blickte der Mann sie an. „Das ist wunderschön! Und Sie wollen es sicher hierlassen? Ich meine“ er verschluckte sich und hustete, “bei mir ist es natürlich bestens aufgehoben, aber trotzdem. So ein persönliches Stück!“
Sie lächelte. „Nein nein, das passt schon alles. Sie haben sicherlich persönlichere Dinge als das hier“.
Er blickte die Ballerina erneut an. Sie trug ein schneeweißes Kleid und sogar winzige Ballettschuhe. Ihr blondes Haar war zu einem Knoten hochgesteckt. In der Innenseite des Deckels war ein Name eingraviert: Madeleine Simanti. „Kennen Sie diese Madame Simanti? Oder sind SIE das?“ Er blickte sie erstaunt an.
„Ich? Nein!“ wehrte Estelle ab. „Bitte, ich habe es eilig. Welchen Preis schlagen Sie vor?“ Sie tippte ungeduldig mit ihrer Schuhspitze.
Bartolli stellte die Spieluhr ab und dachte kurz nach.
„Sie ist wunderschön und war augenscheinlich einmal sehr teuer. Ich schlage ihnen einen Preis vor von etwa …“. Er machte eine Pause, sie sah sein Gehirn förmlich rattern. „375 Euro, was halten Sie davon?“
Estelle nickte zustimmend. „Das klingt gut, sehr gut. Vielen Dank.“
Ein Strahlen huschte über Bartollis Gesicht. „Einen Moment, ich hole nur schnell das Geld!“ Er eilte davon in die Untiefen des Zimmers, wo in einer Ecke eine alte Kasse stand. Er tippte auf die Zahlen und drehte eine Kurbel. Klingelnd öffnete sich das Geldfach. Er entnahm die Scheine, drückte die Schublade wieder zu und drehte sich strahlend um.
Das Zimmer war leer.

Draußen, im Schneetreiben, stand eine einsame Gestalt. Ihr schwarzer Mantel war eng um die schmale Taille geschnürt, der Kragen hochgestellt. Die rabenschwarzen Haare waren zu einem Knoten gesteckt, einzelne Strähnen hatten sich gelöst und wehten im Wind.
Sie blickte zurück zu dem Pfandhaus, dann zu dem Plakat. „Auf Wiedersehen, Madeleine“. Ein kaltes Lächeln verzierte ihre porzellanenen Züge, strahlte in den eisblauen Augen.
Der Wind trug ihre Atemwolke hoch empor. Schwarze Federn stoben auf.
Stille. Die Gestalt war verschwunden.

Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
KeTam
Geschlecht:weiblichUngeduld

Alter: 49
Beiträge: 4947

Das goldene Gleis Ei 1
Ei 10 Ei 8
Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag03.12.2012 11:09

von KeTam
Antworten mit Zitat

Richtig schön ist das. Ich habe Gänsehaut bekommen, sehr atmosphärisch, verzaubert. Du hast das alles so beschrieben, dass ich es wie in einem Film vor mir sah.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Nordlicht
Geschlecht:weiblichWaldschrätin


Beiträge: 3755



Beitrag04.12.2012 00:24

von Nordlicht
Antworten mit Zitat

Hey, nach so vielen lustigen Geschichten mit abzugebenden Lebewesen liest sich das hier erfrischend anders smile Super Einbindung der Plakatvorgabe. Deinen Text finde ich atmosphärisch gelungen, der Schnee, muffige Laden, spinnwebenbesetzte Besitzer (hat mich etwas an "Die unendliche Geschichte erinnert wink ), das Schmuckkästchen und dann das Ende – fein.
Sprachlich gefällt er mir, einzig negativ aufgefallen sind mir die vielen Adjektive wink


_________________
If I waited for perfection, I would never write a word - Margaret Atwood
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Duffydoof
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 34
Beiträge: 121
Wohnort: Municia


Beitrag04.12.2012 14:38

von Duffydoof
Antworten mit Zitat

Ich blicks nicht, ganz ehrlich, ich habe keinen Plan was du mit dem Ende sagen willst, ausser das simpelste: Sie wollte kein Geld und ist gegangen. Dann blick ichs aber trotzdem nicht. Wieso hat sie es erst so eilig? Wieso möchte sie unbedingt einen Preis wissen? Es ist schön beschrieben, man fühlt sich so weihnachtlich in der Geschichte - ein Geschenk zu Weihnachten? Ich weiß es nicht. Jedenfalls verstehe ich es nicht. Tut mir Leid.

_________________
Es trägt nicht immer faulende Früchte, wenn man einem zweifelnden Rebellenbaum Sonnenstrahlen schenkt.

11618
2166
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
hexsaa
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 56
Beiträge: 1826
Wohnort: im Schneckenhaus
Ei 6 Extrem Süßes!


Beitrag04.12.2012 19:28

von hexsaa
Antworten mit Zitat

Ich gebe zu, am Ende habe ich Verständnisprobleme. Trotzdem gefällt mir die Geschichte gut. Sprachlich und inhaltlich ist sie überzeugend, sehr schön sogar, vor allem wenn man die kurze Zeit bedenkt. Eine klarere Auflösung hätte mich trotzdem gefreut.

LG
hexsaa


_________________
Ich lebe in meiner eigenen Welt.
Das ist okay, man kennt mich dort.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beobachter
Klammeraffe


Beiträge: 617



Beitrag04.12.2012 20:32

von Beobachter
Antworten mit Zitat

Ich gestehe, ich verstehe es nicht. Tatsache ist, es ist wunderschön geschrieben, aber für mich ist das wie Althebräisch. Du musst mir die Geschichte unbedingt erklären, wenn der Wettbewerb vorbei ist, ja?

_________________
Stil ist die Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach zu sagen - nicht umgekehrt.
- Jean Cocteau
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag05.12.2012 15:31

von Jenni
Antworten mit Zitat

Noch eine Geschichte, deren Ende sich mir nicht wirklich erschließt.
Die Beschreibung am Anfang finde ich sehr gelungen, das Pfandhaus und die Spieluhr auch sehr schön beschrieben. Aber die Geschichte an sich verstehe ich nicht. Die Spieluhr stellt die Tänzerin von dem Plakat dar, oder hat ihr gehört. Aber wer ist Estelle? Hm. Lässt mich leider ratlos zurück.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
adelbo
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1830
Wohnort: Im heiligen Hafen


Beitrag05.12.2012 20:41

von adelbo
Antworten mit Zitat

Hallo Inka/o

Diese Geschichte verstehe ich leider nicht. Er Einstieg war nicht schlecht, aber dann verlor ich vollkommen das Interesse. Ich habe dafür Verständnis, denn zwei Stunden sind sehr wenig Zeit.

Sollte die Protagonistin eine Hexe sein? Warum hatte sie es erst nicht eilig, dann auf einmal sehr eilig. Weil der Pfandleihe fragte ob sie das sei?

Tut mir Leid, ich verstehe deine Geschichte nicht.

Freundliche Grüße
adelbo


_________________
„Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“

Bertrand Russell
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Dienstwerk
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 55
Beiträge: 1254
Wohnort: Gera/Markkleeberg
DSFo-Sponsor Goldene Harfe


Beitrag06.12.2012 00:16

von Dienstwerk
Antworten mit Zitat

Mit der Lyrik bin ich durch, da waren meine Bewertungen geringfügig detailfreudiger. Bei der Prosa erlaube ich mir einen neutralen Befederungskommentar. Zu den Texten, die mir besonders gut gefallen haben, schreibe ich später evtl. noch ein paar ausführlichere Zeilen.

Quergelesen habe ich bereits - es sind ein paar sehr tolle Geschichten dabei. Wirklich schlechtes Textmaterial habe ich nicht gefunden. Trotzdem werde ich der Fairness halber die Federmöglichkeiten von 1-9 ausschöpfen - der Abgrenzung wegen. Wer also eine 1 von mir bekommt, hat deswegen keine grottenschlechte Geschichte, sie ist halt nur nicht so gut wie die mit einer 9. wink

Daumen hoch für alle, die die Vorgaben begriffen haben und in der kurzen Zeit eine stimmige Geschichte in die Tasten hauen konnten. Ich Depp habe sowohl das Essen als auch das Plakat am Anfang ignoriert und mein Text wurde disqualifiziert.

Aber wenn ihr dann alle eure Federchen habt, dürft ihr meinen geistigen Erguss trotzdem lesen. So lange kann ich auch noch warten. smile

LG, Ana
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
crim
Geschlecht:männlichsex, crim & rock'n'roll


Beiträge: 1578
Wohnort: München
Die lange Johanne in Gold Lezepo 2015
Pokapro und Lezepo 2014 Pokapro VII & Lezepo V



Beitrag06.12.2012 09:11

von crim
Antworten mit Zitat

Erstaunlich atmosphärisch vor allem im Mittelteil, denn da hatte ich mich entweder an die Adjektive gewöhnt oder sie waren nicht ganz so häufig wie bei der Beschreibung des Plakats im ersten Absatz. Trotzallem ist das alles von großem handwerklichen Können umweht. Also nochmal: Der Mittelteil steht für mich wirklich da, wie in Stein gemeißelt. Das ist ganz groß und bildlich und hat mir sehr gefallen, auch der abschließende Absatz. Hier sehe ich leider nicht ganz die Verbindung, vermute es ist Estelle, die da steht und sich schließlich auflöst. Welche Beziehung sie zu Madeleine hat, ist mir unklar. War sie das selbst? Ehrlich gesagt, ich grüble noch immer. Ich gebe nur acht Federn. Du siehst schon, dieses "nur". Werte das mal als Lob an deinen Text und eine Frage an mich selbst, ob da nicht doch die neun "richtiger" für mein Empfinden gewesen wäre, weil der Text auch einiges auf einer Gefühlsebene mittransportiert - auch hier grüble ich noch immer. Mein zweitliebster Text. Klarer Favorit.

LG Crim
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
mati
Eselsohr
M


Beiträge: 203



M
Beitrag06.12.2012 09:41

von mati
Antworten mit Zitat

Plot: Manche Texte verstehen es, eine Aura zu schaffen, die, wenn man sie antippt, den Schnee einer Glaskugel aufwirbeln, aber die Welt darin unantastbar erscheinen lassen. Es gibt viele mystische Spuren, die der schwarze Schwan hinterlässt und es ist egal, welcher man folgt, denn diese Geschichte ist großartig ...

Stil: ... genauso wie die Worte, die gewählt wurden. Es war ein Genuss.

P.S.: Mein Lieblingswort war 'huldvoll'.


_________________
____________
________
_____
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
lady-in-black
Bitte nicht füttern


Beiträge: 1474
Wohnort: Killer Förde
Der goldene Käfig Extrem Süßes!


Beitrag06.12.2012 12:21

von lady-in-black
Antworten mit Zitat

Moin,  smile

sehr fantasievoll.  Daumen hoch

Allerdings muss ich zugeben, dass ich aus Schwanensee nicht viel kenne, absolut kein Ballettfan bin. Daher war es eigentlich nur dem Wettbewerb geschuldet, dass ich dann, bei einem (zum Verständnis notwendigen) zweiten Lesedurchgang, spontan nach "Odile" gegooglet hatte. Erst dadurch machte es "klick(chen)" bei mir. D.h., ich verstehe jetzt einiges mehr, aber vermutlich noch nicht alles. Embarassed


_________________
- Ich würde mich gerne geistig mit Dir duellieren ... aber ich sehe Du bist leider unbewaffnet.
- Nein, Stil ist nicht das Ende vom Besen.
- Ich spreche fließend ironisch, auch im sarkastischen Dialekt.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden MSN Messenger
Zauberstift
Geschlecht:weiblichHonigkuchenpferd

Alter: 44
Beiträge: 389



Beitrag06.12.2012 15:11

von Zauberstift
Antworten mit Zitat

neutraler Kommentar. lg
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
wunderhuhn
Leseratte


Beiträge: 171

Der bronzene Spiegel - Prosa


Beitrag06.12.2012 23:58

von wunderhuhn
Antworten mit Zitat

Sprachlich sehr angenehm zu lesen, sichere, treffende Wortwahl, die schlicht und ohne Umschweife vermittelt, was geschieht: hat mir gefallen.

Inhaltlich ist die Geschichte in Ordnung, aber meiner Meinung nach auch ein bisschen "leise" und unauffällig (kommt vielleicht auch durch den Schreibstil).
Ich vermute, Estelle ist die Frau, die auf dem Plakat abgebildet ist, und vielleicht will sie mit ihrer Rolle abschließen, indem sie eine Figur, die von ihr gemacht wurde, weggibt? (Ich habe kurz im Internet gesucht und kann nun zumindet den Bezug zwischen "Schwanensee" und dem Titel der Geschichte herstellen, aber für mehr reicht es nicht Embarassed ) Meiner Meinung nach bleibt die Geschichte hier sehr an der Oberfläche, da über Estelles Motive, die Tänzerinnenschatulle wegzugeben, so gut wie nichts ausgesagt wird.
Etwas verwirrt hat mich der letzte Absatz: Vielleicht haben mich die "rabenschwarzen" Haare da auf die falsche Fährte geführt, aber bei "Schwarze Federn stoben auf" dachte ich, Estelle würde sich in einen Raben verwandeln und davonfliegen… ^^

Noch zwei kleinere Sachen:
- "Haare zu einem Knoten gesteckt/geschlungen" kommt insgesamt dreimal vor, die ersten zwei Male für den Zusammenhang okay, beim dritten Mal hat es mich leicht genervt (vor allem, da das zweite Mal noch nicht lange her war).
- Die Spinnweben in den Haaren des Pfandleihers finde ich etwas übertrieben.


Insgesamt finde ich die Geschichte ganz nett, aber auch nicht atemberaubend.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Nordlicht
Geschlecht:weiblichWaldschrätin


Beiträge: 3755



Beitrag07.12.2012 01:52

von Nordlicht
Antworten mit Zitat

Ich befedere diesmal nicht, möchte dir aber sagen, dass du mein zweiter Favorit bist smile

_________________
If I waited for perfection, I would never write a word - Margaret Atwood
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
OrangeHair
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 53
Beiträge: 108
Wohnort: Wien


Beitrag07.12.2012 13:18

von OrangeHair
Antworten mit Zitat

Geschrieben ist es schön flüssig und es hat Spaß gemacht, die Geschichte zu lesen. Allerdings bin ich entweder zu blöd für den Schluss oder es fehlt mir eine zusätzliche Information.
Wieso geht Estelle ohne das Geld zu nehmen, bzw. wer ist die geheimnisvolle Gestalt mit den schwarzen Haaren? Odile? Und wenn ja: wer ist Odile?
Madeleine Simanti scheint die Balletttänzerin vom Plakat zu sein...

Oder wolltest du noch weiterschreiben und die Zeit war zu knapp?
läßt mich irgendwie unbefriedigt zurück.

LG Orange
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
nebenfluss
Geschlecht:männlichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5982
Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
Podcast-Sonderpreis


Beitrag07.12.2012 14:26

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Ich bin mit der Handlung des Schwanensees nur rudimentär vertraut. Odile ist wohl das "böse" Gegenstück zu Odette, die in einen weißen Schwan verwandelt wurde. Die schwarzen Federn am Schluss sollen also wohl auf Odile als schwarzen Schwan hindeuten.

Wie die Person Estelle und der Name Madelaine Simanti da reinpassen, habe ich allerdings nicht verstanden. Damit ist mir vermulich die Intention des Stoffs flöten gegangen.

Sprachlich finde ich die Geschichte überdurchschnittlich, angesichts der kurzen Entstehungszeit. Etwas unlogisch fand ich die Begrüßung des Pfandleihers, der kaum etwas verkauft, aber sich trotzdem zu freuen scheint, wenn ihm jemand noch weiteren "Plunder" bringt.

LG
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Stimmgabel
Geschlecht:männlichPapiertiger


Beiträge: 4370
Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag07.12.2012 16:32

von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-

Ein toller Text – in seiner inneren Stimmung gelungen umgesetzt. Eine Anlehnung an Tschaikowskis Schwanensee – sehr interessant in die Atmosphäre eines Pfandhauses hinein transportiert smile Inszeniert nun als eine Odile-Odette Pfandhaus Sequenz - zwar in sich szenisch geschlossen, und dennoch deutungsweit in seiner inneren Aussage.
Hier im Text wird nun mMn auch (u.a., oder, oder ...) das Selbsttäuschungsspiel aufgeblättert
 
/ also, Odette = Madleine mit Odile’eske Spuren als Selbsttäuschung ..., die sie nun endgültig erkannt hat  - mit dem Pfandleiherbegehren, die Musikdose kaufen zu wollen, ob ihrerer inneren, bezaubernden Tanz-Ballerina Schönheit, / ..., und damit diese falsche Odile in sich endgültig ablegen kann ...

Im Schwanensee ist da Odette, quasi das Bild der reinen, liebevollen Frau, verzaubert in eine Schwänin, die mit dem Liebesschwur(auf immer) des Prinzen wieder ihre normale Gestalt und Schönheit zurückgewinnt.
Und da ist die trügerische Odile (quasi die Gegenfigur - in der Bezeichnung auch als die ’ schwarzen Odette ’) – jene Erscheinung, die für die trügerische, tückische Verführung steht, und in Ihrem Streben/Funktion u.a. Lieben zu zerstören versucht. – konkret die Liebe von dem Prinzen Siegfried und Odette.
In jeder dieser bühnischen Tschaik. Ballet-Versionen (die variieren) erreicht es Odile, den Prinzen verführend zu täuschen – sie, die falsche, tatsächlich und verble/indet als Odette zu empfinden.

Also das Grundthema, inwieweit das äußere Erscheinungsbild (die inszenierte, ICH-lose Hülle) den Gegenüber verführen, faszinieren und verblinden kann – inwieweit sich der Gegenüber von einer Äußerlichkeit aus seinen inneren Regeln/Tugenden entgleisen lässt.
Umsomehr das Thema
– wie man selbst seinem eigenen, aufgebauten Abbild selbsttäuschend, dieser unwirklichen Pseudorealität komplett erliegen kann, tatsächlich meint, dieses Spiel real zu leben.

Mal meine Deutung (als für mich eine mögliche interessante unter mehreren Wink ) zum Text:

Die ehemalige Primaballerina Madeleine ( = Odette) – nun nur noch auf vergessen gebliebenen Plakaten im öffentlichen Blickwinkel  sichtbar (vllt noch vereinzelt als damalige erkannt?), bietet ihre Spiel-Ballerina Dose (als Abbild ihrer vergangenen Hype-Selbsttäuschungszeit) zum Verkauf/Verleih? an – quasi als Abschluss jener Zeit, vllt auch als Versuch, diese damalig trügende Zeit des Erfolges (in Anlehnung an die Jetzt-Realität) auslöchen, mindestens quasi-stabil verdrängen zu können.

Hier passt für mich auch dieser Satz bzgl des Fluches gut rein:

Zitat:

Aus einem Hinterzimmer drang lautes Poltern, gefolgt von einem Fluch.


Da Madelaine, vllt für sich, diese damalige Glitzer-Zeit zur immer Anders-Wirklichkeit - heute als Fluch ihrer eigenen Täuschung (dieses Odile’eske) empfindet.

Und nun passiert aus der Begeisterung des Pfandleihers zur Spieldose (und ihm wohl sich aufblätterne damalige Flair-Tanzwelt Zeit) plus seines adäquat guten Preises - in Madelaine ( = Odette) eine innerlich natürliche Wende zu diesem quasi alten Erfolgsfluch

derart, dass sie nun für sich erkennt - zum einen darf in ihr weiterhin diese abgeschlossene Glanzzeit leben (muss nicht verdrängt werden), wie aber auch die Danach-Wirklichkeit ohne Ruhm (also ihr Jetzt) nun anders existieren will (und muss),
als hätte sie sich mit der Begeisterung des Bartolli genau von diesem alten Fluch, in dieser Sekunde befreien können. Als dürfe endlich in ihr die Vergangenheit, wie aber auch die Gegenwart und neue Zukunft real leben.

Sie erkennt weiterhin - diese, ihre Abbild Spieldose (ihr altes Leben) nun nicht mehr verleihen/verkaufen (verdrängen) zu müssen – und verschwindet ohne weitere Absicht aus dem Pfandhaus. / Und draußen wird mMn mit dem nun auftauchenden ’ schwarzen Odette ’ = Odile-Abbild

Zitat:

Draußen, im Schneetreiben, stand eine einsame Gestalt. Ihr schwarzer Mantel war eng um die schmale Taille geschnürt, der Kragen hochgestellt. Die rabenschwarzen Haare waren zu einem Knoten gesteckt, einzelne Strähnen hatten sich gelöst und wehten im Wind.
Sie blickte zurück zu dem Pfandhaus, dann zu dem Plakat. „Auf Wiedersehen, Madeleine“. Ein kaltes Lächeln verzierte ihre porzellanenen Züge, strahlte in den eisblauen Augen.
Der Wind trug ihre Atemwolke hoch empor. Schwarze Federn stoben auf.
Stille. Die Gestalt war verschwunden.


und dem sich Auflösen dieser Odile-Gestalt im Winde, mit den aufstiebenden Federn, usw ..., dieser Moment der echten Odette aufgezeigt, in dem sie scheinbar ihre Trug-Vergangenheit endgültig abgelegt hat.
Und mit diesem

 „Auf Wiedersehen, Madeleine“ im Blick zum Plakat,
verabschiedet sie sich einerseits aus dieser abgeschlossenen Vergangenheit – aber zugleich ist sie nun in der Lage, genau diese Vergangenheit, eben als solche, weiterhin leben lassen zu können – parallel zu ihre anderen Jetzt-Wirklichkeit.

Mal soviel zu meiner, dieser Deutungsvariante – hätte noch viele auf Lager smile / z.B. genau dieser Version, dass nun tatsächlich Odile in das Pfandhaus geht – und dann sich letztlich selbst aus ihrem missglückten Trugspiel im Winde eliminieren muss ...., usw ...

Hat mir echt Freude und Spaß gemacht, mich derart in Deinen sehr gelungenen Text reinfallen zu lassen.
Auch klar – mein zweiter, absoluter Top-Favorit unter den Texten smile / viele sinds nicht mehr, die ich lesen muss ...

sage liebe Grüße, Stimmgabel



-


_________________
Gabel im Mund / nicht so hastig...
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin & Verkaufsgenie

Moderatorin

Beiträge: 4298

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
Der silberne Scheinwerfer Ei 4
Podcast-Sonderpreis


Beitrag07.12.2012 19:31

von hobbes
Antworten mit Zitat

Erst einmal die Klein(lich)keiten smile:

Die Sache mit der Zeichensetzung bei der wörtlichen Rede solltest du dir noch einmal anschauen.
Hm, oder war es doch nur die fehlende Zeit? Mal ist es richtig, mal nicht.

Und einige Wörter finde ich ein bisschen unglücklich gewählt, dieses hier zum Beispiel:
Zitat:
Er blickte sie erstaunt an.

Da hätte ich eher "neugierig" erwartet.

Jetzt aber mal zur Geschichte an sich. Diese märchenhafte Schwanensee-Stimmung fängst du gut ein. Dass es schneit passt auch gut. Und der Herr Bartolli mit seinem Samtjäckchen.
Die ganze Geschichte ist ja irgendwie ein Märchen. So ganz durchschaut habe ich das allerdings noch nicht. Der "gute", helle Schwan - Madeleine Simanti. Und der "böse", dunkle Schwan - Odile. Bzw. Estelle? Wobei - ist der helle nicht immer auch der schwarze Schwan? Also zumindest auf der Bühne, beim Tanzen (= eine Tänzerin für beide Rollen)?
Aber der letzte Absatz und das „Genau das Richtige“ vom Anfang deuten doch eher daraufhin, dass hier zwei Frauen mitspielen und dass die Böse die Gute (in einer Spieluhr gefangen) im Pfandhaus abgeben will.
Aber vielleicht habe ich das auch komplett falsch verstanden. Oder ich sollte mehr über Schwanensee wissen, um das zu verstehen.

Egal. Auch wenn ich es nicht ganz verstehe, die Geschichte gefällt mir.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Gast







Beitrag08.12.2012 08:30

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo smile

Odette/Madeleine ist in einer Spieluhr gefangen. Odile/Estelle ist nun die erste Tänzerin. Sie nimmt das Geld nicht, also hat sie auch nicht vor, das Kästchen auszulösen. Eine Variante der Verwünschung. So habe ich deine Geschichte schliesslich verstanden. Eine gute Idee, ein märchenhafter Touch und ein offenes Ende. Gern gelesen.
LG
Lorraine
Nach oben
halcyonzocalo
Geschlecht:männlichEinsamer Trancer

Alter: 34
Beiträge: 1202
Wohnort: Irgendwo im Nirgendwo


Beitrag09.12.2012 18:24

von halcyonzocalo
Antworten mit Zitat

Eine hübsche Momentaufnahme mit einem zauberhaften Ende. Zwar ist die Geschichte nicht sonderlich spektakulär, aber sie lässt sich gut lesen und ist zudem sehr schön geschrieben. Gelungener Schreibstil, detailliert, aber nicht ausufernd. Sehr schön! Nichts Umwerfendes, aber sehr solide Leistung. Von mir gibt's 6 Federn.

_________________
Die minimaldeterministische Metaphernstruktur mit ihrer mytophoben Phrasierung spiegelt den ideeimmanent abwesenden Bedeutungsraum.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
MosesBob
Geschlecht:männlichGehirn²

Administrator
Alter: 44
Beiträge: 18339

Das Goldene Pfand DSFo-Sponsor



Beitrag09.12.2012 18:24

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Hallöchen!

Bei der sprachlichen Umsetzung will ich nicht anfangen, Erbsen zu zählen. Daher: Gefällt mir. Schon die Schneewehen-Schleppe am Anfang zeugt von einer lebhaften Fantasie. Atmosphärisch schwant mir (haha), wohin die Reise führen sollte, dennoch sprang der Funke nicht auf mich über. Mit dem Ende bin ich immer noch ein bisschen am Kämpfen. Vielleicht fehlen mir Insider-Infos, damit sich mir der Gedanke, den du hattest, vollends entschließt. Allerdings habe ich mir bei diesem Wettbewerb vorgenommen, nicht so sehr auf dem Ende herumzuhacken. Meins habe ich nämlich vergeigt.  Laughing

Ich gebe sechs Federn. Hätte mich die Geschichte atmosphärisch tiefer reingezogen, hätte ich gerne noch eine mehr vergeben. So oder so hast du hier einen richtig soliden Text abgeliefert. Daumen hoch!

Viele Grüße,

Martin


_________________
Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)

Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)

Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 2 Gehe zu Seite 1, 2  Weiter

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> 6. FFF
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  

EmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuch

von Thomas74

von hexsaa

von TheSpecula

von Mogmeier

von Nordlicht

von Boro

von Mogmeier

von MShadow

von Lapidar

von MT

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!