Das Mädchen mit den wunderschönen Augen

[Tiefgang]

Vom dritten Stuhl links
Von der Bühne aus gesehen
Konnte ich
Jeden deiner Geigenstriche
Krächzen hören
Ich konnte
Vom Holzstuhl aus gesehen
Das Raue spüren
Wie es guten Stimmen ähnlich
Ständig eine Nuance
Daneben fiel
Es war vollkommen
So wie das Bühnenlicht
Vollkommen daneben war
Und immer nur
Auf den Frontmann fiel
Wie eine Nuance nur
Schon ausgereicht hätte
Um die Farbe deiner Locken
Zu erkennen
Vom dritten Stuhl links
Von der Bühne aus gesehen
Hatten sie die Farbe
Deiner Lidstriche
Ich glaube schwarz
Nur eine Nuance davon
Im Rampenlicht
Hätte ausgereicht
Um meine Augen aufzuhellen
Deine waren tief
Tief versunken in E-Moll
Und auf den Geigenstrich gerichtet
Ich ahne
Dass sie vollkommen sind
Und wähne mich
In ihrem Blick
Es wäre vollkommen gewesen
Wie der Geruch von nassem Holz
Vollkommen ist
Ein junges Glück im frischen Gras
Vollkommen ist
Vom dritten Stuhl links
Von der Bühne aus betrachtet
Kann man sich viel
Zusammenreimen
Doch von der Nähe aus betrachtet
Wurde ich Holzkopf
Einfach nur
Links liegen gelassen

[tagedieb]

Ein lustiges Wortspiel mit der Vollkommenheit, von der man, wie sie es manchmal zu tun pflegt, gerne auch mal links liegen gelassen wird ...  
Volkommen daneben, eben...

[Tiefgang]

tagedieb, das freut mich, wenn ich dir mit den Zeilen nicht deine Zeit bzw. deinen Tag gestohlen hab.

[catch2211]

hi gerold

männliche lis werden immer dann besonders unwiderstehlich
wenn sie eine ihrer stärken
die sebstkritische betrachtung
offenbaren
ein subtiler trick
mit artistischem charakter
sehr gerne gelesen

viele grüsse
tini

[Eredor]

Gerold!

Das ist ein toller Text.
Ich hatte dasselbe Trauma dieses Jahr beim Konzert von Thees Uhlmann.
Diese Pianistin war der Hammer! Und der Typ hinter mir hat seine Kippe unwissentlich an meinem Unterarm ausgedrückt. Hat sich mir eingebrannt, der Moment.

Auf jeden Fall finde ich, du solltest Absätze reinbauen. Also richtige Absätze. Der Text hat so eine gute Gliederung, die leider erst nach dem zweiten, dritten Lesen vollkommen ersichtlich wird. Wobei die gegliederte Ungegliedertheit des Gedichts natürlich auch zur Thematik passt. Bin mir unschlüssig.

Das Ende ist richtig gut, mir gefällt wie du den Leser damit aus dem Konzertschlamassel ziehst. Die Faszination des LI endet mit dem Auftritt der Band und der Realismus kommt zurück. Gute Sache.

Freut mich, mal wieder was von dir gelesen zu haben!  

lg Dennis

[gitano]

Hübsche kleine Episode!
... nur sind mir die Zeilenbrüche völlig unklar, weil. das ist doch lupenreine Prosa, hm *kopfkratz*, in Sprechtakte zerhackt.
Warum nicht:
Vom dritten Stuhl links, von der Bühne aus gesehen, konnte ich jeden deiner Geigenstriche krächzen hören. Ich konnte vom Holzstuhl aus gesehen,
das Raue spüren, wie es guten Stimmen ähnlich, ständig eine Nuance
daneben fiel. Es war vollkommen ...

Wozu bedarf es der Zeilenumbrüche?

Grüße aus dem Dachstübchen im Taunus
gitano

[Tiefgang]

Dennis, hey!

Da bleibt mir nur DANKE zu sagen, bei so viel positiven Feedbackworten. Zu den Absätzen komme ich gleich noch ...

bei gitano, auch dir ein Hallo!

Danke vorweg mal fürs Feedback. Das mit den Zeilenumbrüchen ist so ein Ding und es ist witzig, dass du das ansprichst. Nicht zuletzt entstand aus genau dieser Diskussion heraus dieser DSFo-Dauerbrenner.

Es ist sicherlich richtig, dass das auch als Prosa funktionieren würde und es mit klassischer Lyrik wenig bzw. gar nichts am Hut hat. Ich finde die Zeilenumbrüche allerdings nicht unwichtig, weil sie dem Ding eine gewisse Struktur verleihen und so sowohl die Wiederholungen als auch die Umdrehungen deutlicher werden. Es ist aber natürlich Geschmackssache, denn auch Dennis hat nicht unrecht, wenn er sagt, dass die andere Richtung, also "echte Zeilenumbrüche", auch nicht verkehrt sein könnte.

So oder so, vielen Dank & Gruß