Winteranfang

[lilli.vostry]

Winteranfang

Der Sommer kam
noch einmal kurz
zurück mit Dir

Wir saßen im Garten
die Wärme legte sich
über die Schatten

Heute fiel der erste Schnee
wirbelt alles durcheinander
Der Wind der Herzräuber
reißt alles mit sich fort
kennt kein Sehnen
kein Halten

im Flockenwirbel die gelbe Postfrau
setzt unbeirrt ihren Weg fort
durch nasses Herbstlaub

farbtrunken leuchten noch
meine Balkonpflanzen benetzt
von Eiskristallen
stehe ich frierend und warte
auf ein Zeichen von Dir

[duluoz]

Hallo lilli.vostry !
Wunderbar lyrisch und sanft poetisch. Tut gut, in dieser kalten Welt, auch ohne Winter. Hat mir rundherum gut gefallen... beste Grüße...duluz

[lilli.vostry]

Hallo Duluz,

freut mich sehr, dass Du mein Wintergedicht poetisch findest und mein Empfinden dabei nachvollziehbar wird.
Ich mag diese Jahreszeiten-Klischees - Winter kalt, Sommer warm, Herbst bunt - nicht besonders. Verwende aber gern Natur-Bilder um innere Stimmungen auszudrücken und die Gegensätze/Widersprüche zu verweben und sie auch versöhnlich zu sehen. Kalte Winterluft hat z.B. auch etwas sehr Klares, Frisches und Beruhigendes, Besinnendes, lenkt den Blick wieder mehr auf sich selbst zurück.

Viele Grüße,
Lilli

[firstoffertio]

Mir gefallen die Bilder hier auch sehr gut. Bilder für eine zu Ende gehende gemeinsame Zeit? Ich habe gerade auch dein neuestes Gedicht gelesen, und es kommt mir wie eine Fortsetzung von diesem vor.
Trotzdem wirkt dein Stil, deine Lust an den Bildern, optimistisch auf mich.

Hier gefallen mir vor allem die Bilder in den beiden letzten Strophen.

[Aranka]

Hallo Lilli,

sehr schöne Bilder und kleine Szenen holst du vor mein Auge. Ich mag dieses kurze Aufleuchten der Dinge in deinem Gedicht: die Rückkehr des Sommers, das Gartenbild, der erste Schnee, der Wind, das Auftauchen der Postfrau, ihr Gelb, ihre Unbeirrtheit, das Aufleuchten der Balkonpflanzen, darauf die Eiszapfen und in all diesen Bildern das Frieren und Warten des LI auf ein Zeichen.

Mir gefällt auch, wie du die Bilder hintereinander baust, so dass sie sich selbst untereinander verbinden.

Einzig bei dem "Herzräuber" habe ich ein wenig gestutzt. Da fühle ich mich als Leser ein wenig arg geschubst. Läse das Gedicht keine Spur anders, wenn es nicht da stünde.

Aber das ist sicher Geschmacksache. Du verstehst es gut, mich in deine Bildern und Gedanken hinein zu holen. Gerne gelesen.

Gruß Aranka

[Enfant Terrible]

Ich möchte an dich ein allgemeines Kompliment aussprechen: Du schaffst es meistens, sogar mich erklärten Romantik-Muffeln mit deinen ebenso sanften wie farbenfrohen Gedichten Mal um Mal zu becircen.
Auch dieses hier hat es mir angetan, gelungen finde ich die Parallele zwischen dem Jahreszeitenwechsel und der Beziehung der involvierten Personen.
Ebenso wie Aranka finde ich jedoch die dritte Strophe die schwächste im ganzen Gedicht: zu banal, zu erklärend, scheint mir eher wie eine Verlegenheitsbrücke. Es wäre ebenso aussagekräftig, wenn du davon nur den ersten Vers stehen ließest. Kürzen, umformulieren oder weglassen, dann würde das Gedicht in sich geschlossen rund laufen.

[lilli.vostry]

Hallo alle miteinander,

hab mich sehr gefreut über Eure detailliert einfühlsamen Kommentare, die gedankenreich erfrischend und auch herzwärmend sind.

Zu den Details:

Firstoffertio: beide Gedichte gehören schon zusammen, doch zuerst war das "Haus der Liebe" da, dann der "Winteranfang". Für mich ist es ein Stimmungsbild, angeregt vom äußeren für diese Jahreszeit recht ungewöhnlichen noch mal Wärme- und Kälteeinbruch und dem auf emotionaler Ebene in kurzer Zeit erlebten Wechselbad der Gefühle.
Schön, dass Du beide Gedichte magst. Ich brauche bei aller Wehmut immer auch einen Hoffnungsschimmer, den ich anklingen lasse....
Es hat auch diesmal geholfen.

Aranka: Genau wie Du beschreibst, ging es mir beim Schreiben dieses Gedichts. Wunderbar wie gut Du Dich immer wieder in dieses und andere Texte hineinversetzt! Der Vers mit dem "Herzräuber" ist mir mit der wichtigste und das Verbindungsstück zwischen Sommer- und Winterteil, wo draußen und drinnen alles durcheinander gewirbelt wird. Dem Wind ist das alles herzlich egal, er räubert wo er kann - daher das Wort.
Der Wind steht als Gegenkraft zur (sonnen)gelben Postfrau, die sommers wie winters ihre Post austrägt und zum LI das hin und her gerissen zwischen den Jahreszeiten steht und all das woran ihr Herz hängt (blühende Farbenpracht, Schönheit, Wärme...) gehen lassen muss...

Enfant Terrible: Danke sehr für Dein Kompliment, schön dass meine Zeilen Deine romantische Ader weiter hervorlocken. Ich wiederum lese gern Deine oft hinterrücks-ironischen, skurrilen GefühlsGedichte und würde auch gern mal in dieser Richtung mich ausprobieren. Mit dieser gewissen Herztraurigkeit und zugleich leiser Komik zu schreiben finde ich eine tolle Mischung!!
Den Mittelvers mit dem Wind brauche ich wie gesagt als Verbindungsbrücke - wie Du ja auch erkannt hast - zwischen letzten Sonnentagen und Winteranfang. Doch ich werd mir diese Strophe noch mal anschauen ob sich da noch was verfeinern lässt.

Liebe Grüße,
Lilli