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Staub


 
 
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Kissa
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 630
Wohnort: Saxonia
Der silberne Spiegel - Lyrik Silberne Neonzeit


Beitrag13.07.2012 16:30
Staub
von Kissa
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

    Immer dann, wenn sie, auf der Fußbank stehend, ihren Blick durch das Ochsenauge zwängt, den Waldrand fixiert und versucht, Kleinigkeiten wie ein Blatt oder gar einen Vogel auszumachen, dann verschwimmt ihr Sehen, und der ganze Wust von Sonnenflittern, Stämmen, Blättern und Grasnarben zerfließt kurz und intensiv zu einem einzigen goldgrünen Traum.

    Und dann endlich kann sie ihre Gedanken ausschütteln. Staubpartikel aus Schmerz mischen sich mit den Aufwinden und legen sich auf die bebenden Flügel der Königsweihe, die auf der Krone einer riesigen Kiefer in der Sommerbrise schwingt.

    Wenn sich der Vogel irgendwann mit einem Wiiiieeh … in die Luft erhebt, wirft sie ihm ein weiteres Stück ihres staubigen Herzens zu. Er krallt den blutiggrauen Fetzen und trägt ihn bis hinter den Horizont, um seine daunigen Jungen zu atzen und in Ruhe das Gefieder zu reinigen.

    Und sie, sie steigt von der Fußbank, unsicher, mit der neuen Läsion und den alten Narben und hebt ihre Flasche, um das lästig zuckende Überbleibsel abermals zu ertränken.



_________________
"Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur nicht die langweilige."

Voltaire (1694 - 1778)
eigentlich François-Marie Arouet,
französischer Philosoph der Aufklärung, Historiker und Geschichts-Schriftsteller

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TintenFisch
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 30
Beiträge: 202
Wohnort: München


Beitrag14.07.2012 17:21

von TintenFisch
Antworten mit Zitat

Hallo Kissa,

irgendwie übt dein Text auf mich eine seltsame Faszination aus. Es könnte sich dabei um eine spontane Impression handeln, die du ohne viel Nachdenken niedergeschrieben hast. Er könnten aber genau so gut aus einer längeren Geschichte stammen. Zum Nachdenken sehr anregend...

Die Bilder, die du erzeugst, sind sehr eindrucksvoll und vermitteln eine starke Atmosphäre. Mich hast du gefesselt. Ich musste sofort an ein surrealistisches Gemälde denken. Wink
Vor allem, weil dein Text viele Rätsel aufwirft, absurd und auf dieser metaphorischen Ebene in sich total realistisch wirkt. Der Versuch, sich seelischen Schmerzen zu entwinden, finde ich schön unterschwellig eingebaut, dass er zwar durchgängig zu spüren, aber auch nicht zu offenkundig wird...

Viele Wörter waren mir vollkommen neu, die musste ich erst mal googlen, obwohl ich ihren Sinn auch so schnell verstanden habe.
Die Königsweihe zum Beispiel, von der hab ich noch nie gehört (jaja, die Jugend von heute) und eher an einen amselähnlichen Vogel gedacht als an einen stolzen Raubvogel. Das könntest du theoretisch in deinem Text noch deutlicher machen, hat jedenfalls Einfluss auf die Atmosphäre.

Mit atzen assoziiert die heutige verblödete Jugend irgendwie immer "Die Atzen", fürchte ich.  Confused

Mit dem Ochsenauge meinst du einen Schmetterling, oder? Geniales Bild. Wär mir ehrlich gesagt ohne Google entgangen (Schande über mein kümmerliches Vokabular!), am Anfang hat mich dieses Wort nur verwundert und mich zum Lesen angeregt...

Normalerweise gefallen mir Laute wie dieses "Wiiiieeh" in einem Text nicht sonderlich gut. Aber je öfters ich ihn lese, desto eher bin ich gewillt, dir zu verzeihen.  Wink

Das ist aber nur mein persönlicher Eindruck. Für solche Texte bin ich grundsätzlich zugänglich...  Smile

Liebe Grüße
Sophia


_________________
Das Leben fröhlich weiterwinken, heiße Schokolade trinken!
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Marcel A. Zons
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
M

Alter: 38
Beiträge: 17
Wohnort: Flensburg


M
Beitrag14.07.2012 17:58

von Marcel A. Zons
Antworten mit Zitat

Ich bin da anderer Meinung als mein Vorredner. Ich empfand es als sehr verwirrend und weiss ungefähr gar nicht, was da passiert...
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Gast







Beitrag14.07.2012 22:13

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo Kissa,

dein Text gefällt mir sehr gut – er stimmt mich nachdenklich.
Ich frage mich, ob dein PI real eingeschlossen ist oder „nur“ metaphorisch. Sie blickt hinaus, durch dieses besondere Fenster und Sehnsucht überkommt sie. So schmerzhaft, dass jedes Mal ein Stück ihrer Seele rausgerissen wird und sie den Schmerz aufs Neue ertränken muss.

Sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße
Monika
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firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
Podcast-Sonderpreis Silberner Sturmschaden


Beitrag15.07.2012 00:03

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Der Text beeindruckt mich sehr, und er ist sprachlich wunderbar formuliert.
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lilli.vostry
Wortschmiedin


Beiträge: 1219
Wohnort: Dresden


Beitrag15.07.2012 00:41
aw:staub
von lilli.vostry
Antworten mit Zitat

Hallo Kissa,

ich finde diesen surealen Text von Dir sehr schön, traurig und berührend. Ein Blick in die Gefühlwelt einer alten einsamen Frau, die in einer kleinen Dachstube haust und nur nur durch das winzige Fenster Kontakt zur Außenwelt hat, aus halbblinden Augen mehr erahnt als sieht.
Das Bild mit dem Vogel, für dessen Junge sie sich Stücke ihres Herzens herausreißt, damit es ihnen als Nahrung diene, hat etwas Verzweifeltes aber auch Rührendes, dass ihr Herz trotz allem nicht kalt und leer geworden ist, sondern immer noch geben kann.
Zu klischeehaft hingegen der Griff zur Flasche, mit dem sie ihren Kummer ertränkt...
Als Textende wirkt das etwas unschlüssig und unfertig.
Wäre sicher noch mehr rauszuholen aus diesem kurzen Text.
Viele Grüße, Lilli


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Gast







Beitrag15.07.2012 00:47

von Gast
Antworten mit Zitat

Eine Frau ertränkt ihren Schmerz, immer wieder. Ein staubiger Dachboden, ein rundes Fenster, zu hoch für sie. Um den Greifvogel zu sehen, stellt sie sich auf eine Fussbank. Die Schönheit draussen, der Sommer, sie sehnt sich danach, hat den Kontakt aber verloren, "verfüttert" Stück für Stück ihr krankes Herz, verschenkt die Reste ihrer Hoffnungen.
So lese ich das.

"... das lästig zuckende Überbleibsel abermals zu ertränken." schreibst du, "ertränken" würde für mich den Tod bedeuten. Stimmiger wäre für mich gewesen, diese Momente als "Versuche" einzuordnen.

Das kurze Stück hat mich ebenfalls berührt, lässt mich aber auch ein wenig unbefriedigt zurück, wie es Fragmentarisches eben manchmal tut.

Grüsse von
Lorraine
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Kissa
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 630
Wohnort: Saxonia
Der silberne Spiegel - Lyrik Silberne Neonzeit


Beitrag15.07.2012 07:31

von Kissa
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe Sophia,
ich bin nun schon etwas älter, und mir geht es oft selbst so, dass ich ein Wort nicht kenne und trotzdem oder gerade deswegen dessen Bedeutung wissen möchte. Man kann immer wieder Neues lernen und seinen Horizont erweitern.
Also, ich freue mich sehr, dass du mir meine Leichtsinnigkeit, vorauszusetzen, dass der Leser meine Wortwahl versteht, nicht nachträgst, sondern dich eigenständig informierst!  Und versuchst zu verstehen.

Diese Geschichte ist ein Ausriss aus dem Leben einer Trinkerin, welcher eigentlich voller Klischees steckt, die ich jedoch hinter Metaphern verstecken möchte.
Zum Text:
Sie schaut, wie so oft, durch ein rundes kleines Fenster in die unerreichbare Freiheit, denn hier oben trinkt sie, heimlich. Hier kann sie träumen, der Welt ihr Weh klagen, und sie verschenkt tagtäglich ihre Hoffnungen an das Unerreichbare, an die Freiheit, an den roten Milan (hier gefiel mir Königsweihe wegen der Erhabenheit des Namens, denn die, die nicht trinken, sind unwissend, über Alkoholiker sehr oft erhaben) an die (für sie) unerreichbare Welt, und sie ist doch realistisch, weiß, dass sich diese in Luft auflösen - wie das eben so ist mit Wunschträumen. Um nicht mehr über ihr elendes, unbrauchbares (verstaubtes) Leben nachdenken zu müssen, ertränkt sie ihre Gefühle, den kläglichen Rest ihres Stolzes. Wie jeden Tag. Und hier schließt sich der Kreis wieder.
Ich danke dir sehr für dein Lesen und Verstehenwollen!

Lieber Marcel,
das macht nichts; es gibt auch für mich Texte, die ich nicht verstehe! Ich hoffe, dass ich mit meiner Erklärung etwas Licht ins Dunkel gebracht habe.
Vielen Dank für deine Rückmeldung.

Liebe Monika,
ja, du hast den Sinn der Geschichte im Grunde erkannt. Und darüber freue ich mich sehr!
Vielen Dank!

Liebe firstoffertio,
ich freu mich! Sehr sehr sehr!
Dankeschön!

Liebe Lilli,
die ganze Geschichte ist ein Klischee, nur dass ich sie aus dem Blickwinkel der Trinkerin erzählt habe, was, wie ich finde, öffentlich leider viel zu selten zu lesen ist.
Und das Ende? Ja, das ist der Anfang. Wie jeden Tag ...
Ich freue mich sehr, dass dir der Text gefällt.
Vielen Dank dir!

Liebe Lorraine,
so ist es. Genauso, wie du es beschreibst, ich könnte es nicht besser.
Ertränken ist sterben, sagst du? Wie kann man sterben, wenn man schon tot ist? Weißt du, was ich meine?
Ich danke dir sehr!

Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Sonntag!

Kissa


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Voltaire (1694 - 1778)
eigentlich François-Marie Arouet,
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