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molloko23 Schneckenpost
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Beiträge: 5
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M 15.07.2012 16:42 Krieg und Gott von molloko23
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Eben wieder Bilder gesehen. Offiziere, die sich wie Gentlemen begrüßen, und sich dann über Lagekarten beugen. Feindliche Truppenbewegungen analysieren, eigene beschließen. Massen herumschieben, deren kleinste Einheit ein Menschlein ist, viel braucht man nicht: zwei Arme zwei Beine, einen Rumpf, der alles schön zusammenhält, und einen Kopf, der das nötigste lenkt. Und die Waffe nicht zu vergessen, die Waffe ist wichtig, um eben jene Körperlichkeit beim Feind durcheinanderzubringen, ihn zu zerstreuen, oder auch nur metallisch zu durchdringen, bis er kampfunfähig ist, soll heißen: Seine Möglichkeit, deine Körperlichkeit zu stören, erloschen ist.
Das große alte Spiel. Schnellste Bevölkerungsbewegungen. Auf zwei Seiten einer Linie leuchten Lämpchen auf, und tritt man weit genug zurück, sieht man nur ein Flimmern um diese Spiegelachse. Es werden tausend kleine Schalter umgelegt, eben hast Du noch gefühlt, gedacht, gespürt, du bist doch ein Mensch!, im nächsten Moment bist im Tode verschwunden, und auf deinen Platz sickert 1 Körper nach, schnaufend noch ersetzt er dich, denn du bist nur 1 Mensch.
Und weil es dem Einzelnen in Frage gestellt wird, gerät es auf den Plan. Du spürst die Finger, durch die der Sand rieselt. Der drohende Tod bestimmt die Agenda: Leben, dieses große Wort, drängt sich dir auf, erst als bloße Todesvermeidung, doch die Schatten reißen Fragen mit sich: Wie, wofür, warum habe ich bisher gelebt? Was sind meine Ziele, wenn ich Kugeln, Feuer, Metall umgehen kann und irgendwann wieder einen bloßen Namen habe, und keinen Rang?
Lass Gott aus dem Spiel, sagt die Logik: Wie sollte ein Gott dieses viehische Schlachten zulassen können, wenn es ihn gibt, und was sollte das dann für ein Gott sein? Es mag ja sein, dass dich die Welt umgibt, aber den anderen umgibt sie auch... Wieso sollte Gott der Tod des Nächsten lieber sein als deiner, was wäre das für ein Gott, und wäre es dann nicht besser, wenn es ihn nicht gebe?
Wisse Gott auf deiner Seite, sagt die Furcht, weil Atheismus die schlechteste aller Spielstrategien ist. Ein Menschenhirn will den großen Plan mitdenken?, sagst du dir und flüchtest ins Unwissen: Du glaubst.
Das große alte Spiel und die große alte Frage. Wofür sind Menschen nicht schon in den Krieg gezogen, wofür sind Menschen nicht schon gestorben... Deine Einzigartigkeit soll sich in der Welt entfalten, das legt man dir nahe, aber der Kugel ist stumpf gegenüber den Gedanken, die sie zerstäubt und wegwischt, wenn sie deine Schädeldecke aufsprengt. Und mögen sie noch so einzigartig sein, mögen es schillernde Farben sein, die du eines fernen Tages befreien kannst, mögen es herrliche Gedanken sein, der große Weltrettungsplan, es bleibt davon nichts übrig als hervorquellende Biomasse, die du auch bei dem finden kannst, den du bereits getötet hast.
Verachte das Alter und heilige den Krieg, sagen die anderen. Diese möchte man nicht verschweigen. Tauch ein in den Krieg, sagen sie, Krieg ist ein Mittel und er ist gut, wenn er für eine gerechte Sache geführt wird. Und solange es Unrecht auf der Welt gibt, wird es Krieg geben. Also immer. Sie sagen: Entfalte dich im Krieg, auch wenn es nur vorgezeichneter, beschränkter Weise geht, verbinde deinen Namen mit diesem Krieg, und sei es auf Gefallenendenkmälern.
Das große, alte Spiel.
Weitere Werke von molloko23:
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Einherjer Klammeraffe
Beiträge: 545
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15.07.2012 21:07
von Einherjer
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Starker Text. Einige wirklich gute Bilder und Aussagen über die man diskutieren und streiten kann.
Gott hätte es aber weder im Titel, noch in den Textpassagen gebraucht, um einen wirklich starken Text zu einzustellen.
Im Gegenteil, gerade die Passagen über Gott und seine Absichten gehören zu den schwächeren.
Zitat: |
Deine Einzigartigkeit soll sich in der Welt entfalten, das legt man dir nahe, aber der Kugel ist stumpf gegenüber den Gedanken, die sie zerstäubt und wegwischt, wenn sie deine Schädeldecke aufsprengt. Und mögen sie noch so einzigartig sein, mögen es schillernde Farben sein, die du eines fernen Tages befreien kannst, mögen es herrliche Gedanken sein, der große Weltrettungsplan, es bleibt davon nichts übrig als hervorquellende Biomasse, die du auch bei dem finden kannst, den du bereits getötet hast. |
Gerade diese herrlichen Gedanken liegen doch den Kriegen zu Grunde. Des einen herrliche Gedanken - sind mein schlimmster Albtraum. Sein Weltenrettungsplan - sehe ich als Angriff auf meine Freiheit.
Zitat: | Diese möchte man nicht verschweigen. Tauch ein in den Krieg, sagen sie, Krieg ist ein Mittel und er ist gut, wenn er für eine gerechte Sache geführt wird. Und solange es Unrecht auf der Welt gibt, wird es Krieg geben. |
Ich würde sogar noch weiter gehen. Solange es frei denkende Menschen auf dieser Welt gibt, wird es Krieg geben.
Wo frei denkende Menschen sind, gibt es unterschiedliche Meinungen. Wo unterschiedliche Meinungen existieren, gibt es Konflikte. Die extremste Austragung eines Konfliktes ist der Krieg.
Einherjer
_________________ Stil ist die Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach zu sagen - nicht umgekehrt (Jean Cocteau)
Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist der gleiche wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen. (Mark Twain) |
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Keren Eselsohr
Alter: 29 Beiträge: 260 Wohnort: Die alte Kaiserstadt
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15.07.2012 23:56
von Keren
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Guten Abend,
schöner Text. Ich kann mich meinem Vorredner nur anschließen, du arbeitest mit tollen Bildern und starken Texten. Auch die Frage die dein Text aufwirft bzw die Problematik finde ich sehr interessant.
Zitat: |
Verachte das Alter und heilige den Krieg, sagen die anderen. Diese möchte man nicht verschweigen. Tauch ein in den Krieg, sagen sie, Krieg ist ein Mittel und er ist gut, wenn er für eine gerechte Sache geführt wird. Und solange es Unrecht auf der Welt gibt, wird es Krieg geben. Also immer. Sie sagen: Entfalte dich im Krieg, auch wenn es nur vorgezeichneter, beschränkter Weise geht, verbinde deinen Namen mit diesem Krieg, und sei es auf Gefallenendenkmälern.
Das große, alte Spiel. |
Die Frage ist, wie man Recht und Unrecht definiert. Wenn ich Recht habe, tue ich dem anderen damit nicht unrecht? Das ist genauso wie mit der Gerechtigkeit: was für den einen gerecht ist ist für den anderen der blanke Hohn.
Zitat: | Ich würde sogar noch weiter gehen. Solange es frei denkende Menschen auf dieser Welt gibt, wird es Krieg geben.
Wo frei denkende Menschen sind, gibt es unterschiedliche Meinungen. Wo unterschiedliche Meinungen existieren, gibt es Konflikte. Die extremste Austragung eines Konfliktes ist der Krieg. |
Was aber wenn wir die Möglichkeiten des Austragens unterbinden? Wenn wir unsere Konflikte ohne Waffengewalt klären, ohne Staaten, ohne Politiker sondern nach unserem eigenem Gewissen? Absolut frei?
Es käme wahrscheinlich wieder zu Konflikten, aber wir könnten sie ohne den Kriegsausbruch austragen. Ohne Menschenopfer, ohne Kriegsdenkmäler.
Ich mag solche Gedankenspiele.
_________________ Ich weiß, dass ich nichts weiß.
- Sokrates
Und der Tod warf die Sense hin und stieg auf den Mähdrescher, den es ward Krieg. |
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Herbert Blaser Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 313 Wohnort: Basel
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16.07.2012 08:48
von Herbert Blaser
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Gould beschreibt treffend, dass es für den Menschen keine nachweisbare Möglichkeit gibt, die Mechanismen kleinstmöglicher Komplexität (linke Wand) und derer höchstmöglichen Entwicklung (rechte Wand) zu ergründen oder begreifen. Alles was dazwischenliegt sei zufällig und würde sich kein zweites Mal auf gleiche Art manifestieren.
Angesichts der Tatsache, dass auf unserer Welt einerseits Dorfkulturen existieren die sich nach der Steinzeit kaum weiterentwickelt haben, andererseits die gleiche Menschenrasse Computer entwickelt hat, ist auch unsere moderne Zivilisation als zufällig und nicht zwingend notwendig zu beurteilen.
Sie nahm ihren Anfang in der Kräftekomprimierung mittels Sklavenhaltung und ihre nächste Rechtfertigungskampagne war der Eroberungskrieg im Namen Gottes. Gott und Krieg gehören für unsere Zivilisation untrennbar zusammen.
_________________ Wie haben wir den Mut in einer Welt zu leben, in der die Liebe durch eine Lüge provoziert wird, die aus dem Bedürfnis besteht, unsere Leiden von denen mildern zu lassen, die uns zum Leiden brachten?
Marcel Proust |
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Klaus Eselsohr
K Alter: 73 Beiträge: 247 Wohnort: Irgendwo im Nirgendwo
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K 18.07.2012 10:19
von Klaus
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Zitat: | Gould beschreibt treffend, dass es für den Menschen keine nachweisbare Möglichkeit gibt, die Mechanismen kleinstmöglicher Komplexität (linke Wand) und deren höchstmöglicher Entwicklung (rechte Wand) zu ergründen oder begreifen. Alles was dazwischenliegt sei zufällig und würde sich kein zweites Mal auf gleiche Art manifestieren. |
Nichts ist zufällig, und kann sich deshalb jederzeit ein zweites Mal, oder sogar mehrmalig, auf dieselbe und/oder gleiche Art manifestieren – wenn wir es zulassen.
Zitat: | Angesichts der Tatsache, dass auf unserer Welt einerseits Dorfkulturen existieren die sich nach der Steinzeit kaum weiterentwickelt haben, andererseits die gleiche Menschenrasse Computer entwickelt hat, ist auch unsere moderne Zivilisation als zufällig und nicht zwingend notwendig zu beurteilen. |
Jeder Mensch wächst an seinen Aufgaben. Zusätzlich eine Frage des Gleichgewichts.
Der Begriff "Rasse" findet heute nur noch in der Klassifikation von Zuchtformen Anwendung. Das Wort „Rasse“* ist mit so vielem negativ belastet (Rassismus, Holocaust), dass wir es in der Spezifizierung der Menschen nicht mehr benutzen. Die frühere Verwendung dieses Begriffes* in der Biologie und der anthropologischen Wissenschaft findet heute nicht mehr statt. Sie entspricht auch nicht mehr dem heutigen Stand der Wissenschaften. Wir reden heute von Arten (Homo Sapiens) und Artenvielfalt.
Zum Text:
Errichtet von einer Handvoll
Ein Haus aus Zeit
auf den Skeletten derer
die ihrer Zeit beraubt wurden
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Herbert Blaser Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 313 Wohnort: Basel
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19.07.2012 11:27
von Herbert Blaser
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Ich meine es genau so unwissenschaftlich, wie ich es schreibe. Der Mensch ist für mich ein Rassenzuchtprodukt seiner Gier und seiner dummdreisten Machtansprüche.
Der ökologische Fussabdruck unserer Spezies in der "ersten Welt" ist so gross, dass wir viele Erden brauchen würden, wenn die Maxime von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für alle Erdenbürgerinnen und -bürger gelten sollte. Oder wir bauen die Zweiklassengesellschaft konsequent aus und nehmen die soziale Schere grosszügig in Kauf (solange wir ja zu den Begüterten gehören, nicht wahr?).
So oder so - ich sehe keine Erhabenheit und nur sehr wenig Intelligenz in der Gehrichtung von uns allen.
_________________ Wie haben wir den Mut in einer Welt zu leben, in der die Liebe durch eine Lüge provoziert wird, die aus dem Bedürfnis besteht, unsere Leiden von denen mildern zu lassen, die uns zum Leiden brachten?
Marcel Proust |
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