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anuphti Trostkeks
Alter: 58 Beiträge: 4320 Wohnort: Isarstrand
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18.06.2012 20:00 Alles ist anders von anuphti
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Das Bekannte überhaupt ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt.
(G.W.F. Hegel, aus: Phänomenologie des Geistes)
Mein Kopf löst sich auf.
Pranayama. Achtsamkeit und Kontrolle. Diese Atemübungen habe ich schon tausendmal gemacht, aber dieser Zustand ist mir neu. Schwindel habe ich öfter und wie immer ignoriere ich ihn konsequent. Die Doppelbilder schreibe ich der Einfachheit halber meinem letzten Nachtdienst zu. Aber dieses subtile Unwohlsein entwickelt sich gerade in Richtung ausgewachsene Übelkeit. Und jetzt auch noch Kopfschmerzen; Nirwana habe ich mir anders vorgestellt. Splitter bohren sich in meinen Nacken, gleißende Spuren ziehen bis in die äußersten Winkel meines Bewusstseins. Meine Wirklichkeit zerreißt, Fetzen taumeln durch mein Blickfeld. Selbst jetzt noch versuche ich mich gegen diesen Jungspund von Notarzt durchzusetzen und erkläre ihm, dass ich mich ganz sicher nicht intubieren lasse.
Dann gewinnt die Dunkelheit.
Einsam bin ich, wie ein Leuchtturm. Immer enger ranken sich wabernde Nebel um mein stählernes Skelett. Möwen schweifen im Zwielicht, tröstliche Schattenrisse vor einem bleigrauen Himmel. Wassermassen, klar wie Glas, branden unablässig an meine Felsen und ich erzittere unter der Wucht des Schwerelosen. Der Grund des Meeres wankt, alles in mir ist Schiffbruch. Hilflos trotze ich dem Sturm. Dämmerungsstrahlen streifen den Horizont.
Brandungstosen. Weiß gekrönte Brecher überfluten den Strand, bedecken alte Spuren, hinterlassen Treibgut, verblichene Schmerzen, rostige Träume und zersplitterte Ängste. Filigrane Spitzen aus fiedrigem Meeresschaum wirbeln durch die Luft, sprühen in mein Gesicht. Gischt? Ich spüre nichts in Träumen.
Ich öffne meine Augen.
Kahle Wände begrenzen meinen Bildausschnitt. Zackenlinien blinken gelassen auf einem Monitor, zahlreiche Kabel und transparente Schläuche hängen wie Lianen vor meinen Augen. Sanftes Rauschen mischt sich mit dem gleichmäßigen Zischen eines Respirators. Ich kenne diesen Raum von zahlreichen Bereitschaftsdiensten. Alles ist wie immer. Vertraut. Und doch anders.
Ich schließe meine Augen.
Seit Tagen sitzt er da und lässt die Ocean Drum zwischen seinen Händen rotieren, lässt sie rauschen und tosen. Er lässt sie nicht allein. Er cremt ihre trockenen Lippen ein und zerstäubt Meerwasser über ihrem Gesicht. Wie ein Schleier schweben Myriaden feinster Dunstperlen durch die Strahlen der Abendsonne, schimmernd wie ein Regenbogen. Er wartet.
Nachts legt er sich hinter sie, atmet synchron mit ihr und bewacht ihren Schlaf. Alle zwei Stunden dreht er sich mit ihr, polstert aufs Neue ihre empfindliche linke Schulter, entwirrt ihre Haare und sucht nach der Spur eines Lächelns. Jeden Morgen legt er eine frisch aufgeblühte Teerose auf ihr Kissen. Und hofft, dass der intensive Duft neue Fäden in ihrem Bewusstsein knüpft.
Eine Melodie mischt sich in den Gesang des Meeres ... "I set fire to the rain ...". Töne, zart wie Spuren im Schlick. Flüchtig, vergänglich. Dann auf einmal leidenschaftlich, wie der Tanz von Gewitterwolken. Dein Gesang gräbt sich in meine Erinnerung. Am Ende eines zerschlissenen Tages.
Ich höre dich singen. Du singst viel zu selten. Was machst du hier?
Sie hat die Augen geöffnet, zum zweiten Mal. Sie hat ihn angesehen, aber nicht erkannt. Jetzt schläft sie wieder und behutsam webt er ein Nest aus Eigensinn und Geduld. Mit seiner Ocean Drum holt er sie beharrlich zurück in die Gegenwart.
Ich liege in den Dünen, spüre den Wind im Gesicht und deine Wärme hinter mir. Du hältst mich, wie immer. Du streichst mir eine verwegene Strähne aus den Augenwinkeln, wie immer. Du flüsterst mir Unsinn ins Ohr, wie immer. Ich lache, aber du hörst mich nicht. Wieso hörst du mich nicht?
Wieso bist du plötzlich so wütend?
Ich lasse meine Augen lieber geschlossen.
Der Sommer ist vorbei und Herbststürme treiben sich draußen herum. Feinster Sand häuft sich zu Miniaturverwehungen auf der Terasse vor der Intensivstation. Er öffnet die Glastüren so weit es geht, legt sich hinter sie und erzählt ihr die Geschichte vom Wolf im Schafspelz. Immer, wenn er durch ihre Haare streicht, wird ihr Herzschlag ruhiger.
Bis zur Visite. Die Ärzte geben ihr nur wenig Chancen. Er scheucht sie hinaus, wütend, weil sie es wagen, zu zweifeln. Sie sagen, er müsse die Realität anerkennen. Er sagt, dass er wisse, dass sie ihn hören kann. Und er werde bis zu dem Tag warten, an dem sie ihn wiedererkennt. Die Ärzte wiegen bedauernd ihre ergrauten Köpfe, verweisen auf Studien und Statistiken, auf die neueste Forschung und die Koryphäen aus den USA. Er schweigt und lächelt.
Der Sturm hat sich gelegt, sanft laufen die Wellen auf den Strand. Die Abendsonne hat ihren glitzernden Bernsteinteppich ausgerollt und probt ihren Untergang. Du wirkst wie ein Schatten im Gegenlicht. Deine Ocean Drum singt leise und du lächelst. Dein Blick fängt meinen. Alles ist gut, sagst du. Schlaf ein bisschen, morgen ist ein neuer Tag. Immer wieder.
Sie hat ihn angesehen, richtig angesehen. Kurz die Augen geschlossen und wieder geöffnet. Und dann ist sie wieder in ihre Welt zurückgekehrt. Er legt seine Ocean Drum vor ihr Bett und verlässt ihr Zimmer. Er will es den Ärzten erzählen, diesen Kleingeistern; seit Wochen reden sie von Wachkoma, aber er weiß es besser. Er weiß, dass sie ihn hört. Und er weiß, dass sie noch Zeit braucht. Morgen vielleicht. Morgen wird er sie fragen.
Du massierst meine Füße. Ist es schon so spät? Du massierst mir jeden Abend nach dem Dienst die Füße. Langsam taste ich mich in die wache Welt und öffne meine Augen einen schmalen Spalt weit. Einen sehr schmalen Spalt. Guten Morgen sagst du und strahlst über das ganze Gesicht. Wie sehr habe ich dieses Strahlen vermisst. Alles ist gut, wenn du so strahlst. Ich strahle zurück.
...
Keine Reaktion. Du siehst mich immer noch forschend an. Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich mache die Augen zu und wieder auf. Du strahlst immer noch und fragst mich, ob ich endlich wach bin. Ich nicke.
...
Korrektur.
Ich versuche zu nicken, aber es geht nicht. Ich mache die Augen zu. Und wieder auf und versuche es noch einmal. Aber es geht nicht. Wenn du nicht so strahlen würdest, hätte die Panik jetzt leichtes Spiel mit mir. Und ich spiele nicht gerne mit dieser geringfügig exaltierten Dame. Ich konzentriere mich daher auf dein Gesicht. Du sagst, ich habe einen Schlaganfall gehabt. Basilaristhrombose. Vor fünf Wochen. Und dass ich außer meinen Augen im Moment nichts bewegen kann. Und ich solle meine Augen schließen, wenn ich dich verstanden habe.
Ich mache die Augen wieder zu und überlege, ob das einer deiner schlechteren Scherze ist. Der Versuch, dir mein klassisches "ich-glaube-dir-kein-Wort"-Lächeln zu zeigen, geht gründlich schief. Lächeln geht nicht. Lachen geht nicht. Sprechen geht nicht. Nicht einmal Atmen geht. Dabei erinnere ich mich entfernt daran, dass ich dem Notarzt verboten hatte, mich zu intubieren. Wenn ich es genau nehme, hat mir dieser Jungspund mit seiner Ignoranz das Leben gerettet. Nun ja, Zeit für Dankbarkeit ist später.
Er sieht, wie sie begreift und hält den Atem an, als sie langsam die Augen wieder zumacht. Die Zeit dehnt sich, bis sie nur noch als hauchfeiner Faden vor ihm schwebt.
Ich mache meine Augen wieder auf.
Weitere Werke von anuphti:
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Beobachter Klammeraffe
Beiträge: 617
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18.06.2012 21:16
von Beobachter
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Ich gebe zu, zuerst war ich durch den ständigen Perspektivwechsel verwirrt. Doch dann begriff ich und ja. Sehr, sehr coole Umsetzung der Vorgaben. Der Anfang ist ein bisschen zu überladen und neigt dazu, den Leser abzuschrecken mit all den Metaphern, aber auf den ganzen Text verteilt passt es. Doch, ja. Well done.
_________________ Stil ist die Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach zu sagen - nicht umgekehrt.
- Jean Cocteau |
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Schreibmaschine Klammeraffe
Beiträge: 529
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19.06.2012 09:50
von Schreibmaschine
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Die Idee finde ich gut. Sie passt zum Thema. Allerdings hat mich das ständige Wechseln des POV's und der Erzählform (1. und 3. Person) extrem irritiert.
Daneben fand ich es stellenweise zu abstrakt und zu ... gewollt.
Das Hin- und Her, scheinbarer Fortschritt, gefolgt von Enttäuschung war von der Handlungsstruktur gut überlegt.
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TomNeuter Gänsefüßchen
Alter: 68 Beiträge: 37 Wohnort: Berlin
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19.06.2012 18:59
von TomNeuter
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Wieder eine sehr lyrische Version des Themas und zum Teil auch sehr erschütternd. Gefällt mir gut!
"Seit Tagen sitzt er da und lässt die Ocean Drum zwischen seinen Händen rotieren, lässt sie rauschen und tosen." wirkt allerdings etwas unverständlich.
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gold Papiertiger
Beiträge: 4943 Wohnort: unter Wasser
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19.06.2012 19:48
von gold
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hallo,
nach viermaligen Lesen glaube ich endlich verstanden zu haben, um was es geht.
Du malst eindrucksvolle Stimmungen mit deinen Worten. Es gibt keinen Bruch, die Bilder fügen sich harmonisch ineinander, gleiten dahin.
Jedoch erschließt sich mir das Motto nicht.
Viele Grüße
_________________ es sind die Krähen
die zetern
in wogenden Zedern
Make Tofu Not War (Goshka Macuga)
Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso) |
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BlueNote Stimme der Vernunft
Beiträge: 7304 Wohnort: NBY
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19.06.2012 20:12
von BlueNote
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Sehr sehr gut geschrieben. Der trockene Humor steht hervorragend im Kontrast zur Situation der Komapatientin. So kann die "getrübte" Wirklichkeit recht gut in Worte gefasst werden, ohne dass es jammernd wirkt.
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4295
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19.06.2012 23:46
von hobbes
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Hast Du die Myriaden eigentlich wegen der 10.000 eingebaut? Ist ja witzig.
Ansonsten ist das natürlich nicht witzig. Was dann? Rührend, irgendwie, wenn sich das Wort nicht so schmalzig anhören würde. Zart und sanft und eindringlich. So irgendwie.
Und der Ocean Drummer ist mein (heimlicher) Held der Geschichte.
Sie auch, ist ja auch eine Heldin und ich habe Unsinn erzählt, es ist natürlich doch Witz drin, man glaubt es ja kaum.
Wenn ich jetzt wollte, könnte ich noch so ein paar Dinge aufzählen, die ich Dir eventuell ankreiden könnte, aber da habe ich gar keine Lust dazu, bin total eingesponnen.
Eine meiner Lieblingsgeschichten in diesem Wettbewerb.
Gefangen im eigenen Körper also. Übrigens noch so ein Pluspunkt - diese Geschichte wurde ja nun auch schon einige Male (so ähnlich) erzählt ("Schmetterling und Taucherglocke" zum Beispiel), macht aber nix, jedenfalls mir nicht.
Und das Zitat - das passt ja eigentlich auf alles und nichts, stelle ich gerade fest. Wie Du es wohl gemeint hast? Das, was man hat, schätzt man erst dann, wenn man es nicht mehr hat - sowas in die Richtung? Rhetorische Frage eher, eine Antwort brauche ich eigentlich gar nicht. Passt schon alles.
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Piratin Exposéadler
Alter: 58 Beiträge: 2186 Wohnort: Mallorca
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20.06.2012 17:49
von Piratin
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Lieber Teilnehmer / Liebe Teilnehmerin,
ich finde das Thema ist schön umgesetzt und der Text enthält außergewöhnliche und ansprechende Metaphern. Für gelungen halte ich die Perspektivwechsel, die dem Ganzen eine eigene Stimmung geben. Gerne gelesen,
liebe Grüße
Piratin
_________________ Das größte Hobby des Autors ist, neben dem Schreiben, das Lesen. |
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Kissa Klammeraffe
Beiträge: 630 Wohnort: Saxonia
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20.06.2012 18:21
von Kissa
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GÄNSEHAUT!
Viel viel Glück!
Kissa
_________________ "Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur nicht die langweilige."
Voltaire (1694 - 1778)
eigentlich François-Marie Arouet,
französischer Philosoph der Aufklärung, Historiker und Geschichts-Schriftsteller
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Fao wie Vendetta
Alter: 33 Beiträge: 1994
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20.06.2012 22:23
von Fao
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Hallo Zehnler,
Wie bei allen Kommentaren, bei denen ich den Autor nicht gerade mit Lob überschütte, also eher ins negative, leider, gerade, - aber hoffe, konstruktiv zu bleiben - bitte ich dich natürlich darum, mir nicht bös zu sein
Zu erstmal das positive. Deine Geschichte ist solide geschrieben, einige Stellen gefallen mir, wie etwa
Zitat: | Brandungstosen. Weiß gekrönte Brecher überfluten den Strand, bedecken alte Spuren, hinterlassen Treibgut, verblichene Schmerzen, rostige Träume und zersplitterte Ängste. Filigrane Spitzen aus fiedrigem Meeresschaum wirbeln durch die Luft, sprühen in mein Gesicht. Gischt? Ich spüre nichts in Träumen.
Ich öffne meine Augen. |
Redunanzen oder unnötige Wiederholungen konnte ich kaum finden, klare Sprache, aber auch nichts ungewöhnliches, kein Kick, kein wow, kein "außergewöhnlich" schön oder anrührend, was auch immer.
Die Perspektivenwechsel sagen mir nicht wirklich zu / auch sprachlich ist mir hier zu wenig Differenzierung.
Insgesamt eine Geschichte, die ich scheints schon sehr oft gelesen habe, die ich selbst nicht aufgeschrieben hätte, oder zumindest nicht auf die Art. Denn, ja, man kann auch aus ausgekauten/ "0815"-(kitschig-berührenden)-Texten was machen, dafür braucht es dann aber etwas. Etwa eine besondere Umsetzung in Form von Stil/Sprache. Oder einen tieferen Einblick in die Figur. Warum soll ich mit dieser Frau, deren Character und Schicksal mir völlig unbekannt ist, mitfühlen? Warum soll mich das berühren? Was soll es mir sagen, was bringt mir dieser Text?
Bewertet wird am Ende im Vergleich. Leider nicht über 5. Vielleicht 4 Federn.
LG
Fao
Anm.: Leider muss ich aufgrund von Zeitmangel relativ schnell mit bewerten und kommentieren vorangehen. Das ist etwas ungünstig, allerdings versuche ich, mir trotzdem so viel Mühe wie möglich zu geben. Zwischen lesen & bewerten liegt mind. ein Tag. Texte, bei denen ich allerdings von Anfang an das Gefühl habe, dass hier (für mich) nicht viel rauszuholen gibt, werden von mir niedrig eingestuft, auch der subjektive Geschmack spielt hierbei eine Rolle.
_________________ Begrüßt gerechte Kritik. Ihr erkennt sie leicht. Sie bestätigt euch in einem Zweifel, der an euch nagt. Von Kritik, die euer Gewissen nicht anerkennt, lasst euch nicht rühren.
Auguste Rodin - Die Kunst. |
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DoroThea Wortedrechsler
Alter: 57 Beiträge: 90 Wohnort: Dresden
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21.06.2012 17:35
von DoroThea
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Eine wunderbare lyrisch-poetische Geschichte, obschon es um solch ernstes Thema geht. Gefangen in sich selbst, die Perspektive gewechselt, ungläubig, unwissend, langsam begreifend. Die Erzählweise hat mich sehr angesprochen, der Wechsel zwischen beiden Protagonisten verhindert eine einseitige Sichtweise und gibt Möglichkeiten vor ohne sie zu setzen. Da federe ich mit 8.
_________________ DoroThea |
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Jenni Bücherwurm
Beiträge: 3310
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21.06.2012 21:26
von Jenni
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Dieser Text liest sich rund und schön und watteweich. Beim ersten Lesen hat er mir sehr gut gefallen. Beim zweiten Lesen hatte ich dann ein bisschen das Gefühl, da müsste nun eben doch noch etwas nachkommen. Für mich ein bisschen zu schön und watteweich und alles wird gut für das Thema.
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Pat Langdon Reißwolf
Alter: 59 Beiträge: 1052 Wohnort: Siegburg
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22.06.2012 13:47
von Pat Langdon
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Diese Situation in deiner Geschichte kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich finde sie sehr ergreifend. Gut umgesetzte Vorgaben.
LG
Traumfänger
_________________ "Wirklich gut bist du nur, wenn du einmal mehr aufstehst, als du gefallen bist" (Pat Langdon)
#Palliative Begleitung - Abschied nehmen" Pat Langdon |
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lilli.vostry Wortschmiedin
Beiträge: 1219 Wohnort: Dresden
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22.06.2012 23:48 aw:allesistanders von lilli.vostry
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Eine wunderbare berührende Geschichte über einen gravierenden Einschnitt im Leben einer Frau, die von einem Moment zum anderen von der Helfenden zur absolut Hilflosen wird und dies - aus dem Koma erwacht sich noch einmal zurückversetzt - und diese schwer vorstellbaren Momente voll Leichtigkeit, Behutsamkeit und leisem Humor beschreibt ohne rührselig zu werden. Krankenhaus- und Urlaubs/Meer-atmosphäre wechseln und wecken die Lebensgeister. Schön anschaulich auch der Wechsel der Erzählperspektive zwischen ihr und ihm, innen und außen so dass man beide Seiten genau nach-erleben und mitfühlen kann.
Großartig!!
Neun Federn geb ich dafür.
Lilli
_________________ Wer schreibt, bleibt und lebt intensiver |
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Nemo Klammeraffe
Alter: 38 Beiträge: 963 Wohnort: Dresden
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23.06.2012 11:34
von Nemo
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Liebe/r Autor/in,
du wagst mit dem Perspektivenwechsel im Text einiges. Das musst du freilich auch, denn anders wäre der Text zum Ende hin nicht verständlich. Wenn man dann sein Funktionsprinzip verstanden hat, erscheint der Aufhänger etwas einfach gestrickt, wenngleich die Themenumsetzung durchaus gelungen ist: Schlaganfall, Koma und Traumwelt, die Liebe des Partners und schließlich ein auf Happy-End gezielter Schluss - ob diesbezüglich getroffen wurde, mag ich jetzt nicht mit Bestimmtheit sagen. Transzendenz durch komatöse Entrückung ist - funktional für die Geschichte gesprochen - ein Schwellenübertritt durch äußeren Konflikt und mir persönlich dadurch zu flachschürfend. Mehr Wirkung hätte entfaltet werden können, wenn innere Konflikte in den Fokus gerückt worden wären. In diesem Zusammenhang hätte ich mir gewünscht, dass die Transzendenz-Erfahrung der/des Prota irgendeine innere Neugeburt, eine Neuausrichtung des Charakters und/oder seiner Weltperspektive mit sich gebracht hätte. Aber die Komawelt steuert diesbezüglich nichts bei. Ein Hauch irgendeiner Veränderung/Erkenntnis gibt es nur bezüglich des jungen Notarztes. Das ist mir aber persönlich zu wenig. Und so frage ich mich, ist die stärkere Geschichte nicht die des Partners, der entgegen der ärztlichen Ratschläge aus Liebe an der Hoffnung festhält? Das stärkere Ende wäre hier sicher die Enttäuschung dieser Hoffnung gewesen, aber gut, du hast dich anders entschieden. Dennoch liegt aus meiner Sicht die Gewichtung beider Teile, die sich durch ihre unterschiedliche Perspektive voneinander abheben, leicht daneben, wenn diese Geschichte des Partners nur der Erklärung dient und der Schwerpunkt auf der komatösen Traumwelt liegt. Vermutlich liegt hier der Schwerpunkt deshalb, weil sich diese Welt für eine ganze Kavalkade von Beschreibungen anbietet, die für sich genommen durchaus sehr gelungen sind, wenngleich auch sehr adjektivhaltig, aber darauf bin ich bereit mich einzulassen. Das Problem, das ich sehe, liegt vielmehr darin, dass diese Traumwelt in sich auch sehr einseitig gezeigt wird, sie stellt sich immer im gleichen, harmonischen Bild dar. Es gibt hier nichts Störendes für die Protagonistin, keinen Zweifel, dass etwas nicht stimmt - ich weiß, dass das Gefangenheitsmotiv zu Beginn nicht präsent sein soll, aber zumindest beim Fortschreiten der Beschreibungen hätten sich Dissonanzen einschleichen können. Hier hätte ich mir eine differenziertere Darstellung gewünscht, um die Aspekte dieser Transzendenzerfahrung gegeneinander in ein stärkeres Spannungsverhältnis rücken zu können. Da diese Traumwelt eigentlich in ihrer Umfänglichkeit der Geschichte wenig beisteuert (außer freilich einer beachtenswerten Atmosphäre), nimmt sie mir zu viel Raum ein und wirkt, als habe die Poesie sich über die Handlung erhoben - freilich eine Besinnung auf die Stärken des Wortes, der Literatur gegenüber bspw. dem Film.
Beste Grüße
Nemo
_________________ Kunst ist Leben. Also lebe! |
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Mr. Curiosity Exposéadler
Alter: 35 Beiträge: 2545 Wohnort: Köln
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23.06.2012 12:18
von Mr. Curiosity
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Hallo Inko,
bei diesem Wettbewerb habe ich mir einen anderen Bewertungsmaßstab zurechtgelegt, als bei den bisherigen. Hier ist speziell E-Literatur gefordert, dementsprechend anspruchsvoll und tiefgängig sollten die Texte sein, dementsprechend schwierig sind sie zu schreiben. Die inhaltlichen und stilistischen Anforderungen sind höher. Daran angepasst befedere ich.
Dies geschieht nach folgendem Schema:
1. Inhalt: Setzt der Text das Thema um oder mogelt er sich drumherum? Erfüllt der Text die Ansprüche, die er an sich selber stellt, bzw. ist er in sich schlüssig? Ist der Inhalt der Vorgabe "E-Literatur" entsprechend, d.h. bleibt er an der Oberfläche oder präsentiert er sich vielschichtig?
Für den Inhalt vergebe ich maximal 4 Federn.
2. Stil: Passt der Stil zum Inhalt? Zeigt der Text sprachliche Finessen? Gibt es stilistische Mängel oder kommt der Text pseudo-literarisch aufgeblasen daher?
Für den Stil vergebe ich maximal 4 Federn.
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Zum Text "Alles ist anders":
Inhaltlich vergebe ich drei Federn. Die Umsetzung finde ich gut gewählt. Eine beklemmende Situation. E-Literatur? Weiß ich nicht.
Stilistisch vergebe ich zwei Federn. Teilweise schöne Bilder, insgesamt aber auch ziemlich pathetisch. Mehr Understatement wäre m.E. wirkungsvoller gewesen. Da liegt eine Patientin, ist quasi gelähmt und verfällt in Poetik. Finde ich eingebettet in eine Live-Handlung, also in Präsensform, eher unpassend. Daher erweckt es auf mich oft eher den Eindruck, dass dieser Text aufgeblasen ist, um wie E-Literatur zu klingen. Nichtsdestotrotz müssen die Mühe und einige gute Momente honoriert werden.
Zusammen mit der obligatorischen einen Feder ergibt das sechs Federn .
Weitere Anmerkungen kann ich auf Wunsch nach dem Wettbewerb machen.
LG David
_________________
"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."
(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris") |
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Herbert Blaser Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 313 Wohnort: Basel
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23.06.2012 16:12
von Herbert Blaser
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Eine Flut von Gemütszuständen und poetischen Bildern. Mir fehlt die Geschichte. Wer ist er? Wer ist sie? Wie lange sind sie schon zusammen? Wer stirbt? Ist die Ocean Drum ein Schiff?
4 Federn
_________________ Wie haben wir den Mut in einer Welt zu leben, in der die Liebe durch eine Lüge provoziert wird, die aus dem Bedürfnis besteht, unsere Leiden von denen mildern zu lassen, die uns zum Leiden brachten?
Marcel Proust |
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anuphti Trostkeks
Alter: 58 Beiträge: 4320 Wohnort: Isarstrand
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23.06.2012 20:14
von anuphti
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Naja, mal sehen, ob irgendwer sich bis zum Locked In Syndrom hin googled, oder ob alle Leser glauben, dass es sich hier um eine Komapatientin handelt ...
_________________ Pronomen: sie/ihr
Learn from the mistakes of others. You don´t live long enough to make all of them yourself. (Eleanor Roosevelt)
You don´t have to fight to live as you wish; live as you wish and pay whatever price is required. (Richard Bach) |
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Malaga Klammeraffe
Beiträge: 826
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24.06.2012 11:02
von Malaga
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D.h. sie stirbt also nicht? Oder habe ich das falsch verstanden? Die Intubation und die Liebe halten sie am Leben?
Ähnliches Thema war schon im Wettbewerb.
So richtig berührt mich die an sich schreckliche Situation nicht, leider.
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Flush Wortedrechsler
Alter: 50 Beiträge: 74
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24.06.2012 13:05
von Flush
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Hallo,
dies ist eine Geschichte, die so gefühlvoll geschrieben unter die Haut geht.
Schrecken, der mit ein klein bisschen Hoffnung endet.
Gefangen im Körper, ich finde nur noch keinen richtigen Bezug zu Hegels Zitat... Sind es die Ärzte, die die Frau aus jahrelanger Erfahrung heraus schon aufgeben haben, bzw. zweifeln?
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Mercedes de Bonaventura Metonymia
Alter: 40 Beiträge: 1254 Wohnort: Graz
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24.06.2012 18:24
von Mercedes de Bonaventura
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durchdachter und interessanter Aufbau, stilistisch sattelfester Text (viele kurze Sätze, passend zur jeweiligen Sichtweise.)
Zitat: | Meine Wirklichkeit zerreißt… |
_________________ "Every secret of a writer's soul, every experience of his life, every quality of his mind is written large in his works."
(Virginia Woolf) |
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Hitchhiker Eselsohr
Alter: 34 Beiträge: 227 Wohnort: Münster
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24.06.2012 19:33
von Hitchhiker
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Liebe/r Freund/in der gehobenen Literatur,
da ich selbst noch absolute Schreibanfängerin bin und zudem die Texte leider unter einem gewissen Zeitdruck lesen und kommentieren musste, kann es passiert sein, dass ich deinen Text miss- oder im schlimmsten Fall gar nicht verstanden habe und aufgrund dessen zu wenig Federn gelassen habe.
Ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel, ich habe nach bestem Wissen und Gewissen bewertet und jeden Text aufmerksam gelesen.
So, genug gelabert, jetzt geht’s ans Eingemachte.
Inhalt:
Eine Frau erleidet einen Schlaganfall und ihr Bewusstsein gleitet in eine Zwischenwelt, in der sie weder wach ist, noch schläft. Währenddessen gibt ihr Partner die Hoffnung nicht auf, deutet kleinste Zeichen als Beweise ihrer baldigen Genesung.
Der Inhalt der Geschichte hat mich berührt, muss ich sagen. Das Delirium der Frau wird unglaublich deutlich, was vor allem mit der …
Sprache:
...Sprache zu tun hat. Dein Text liest sich an sehr vielen Stellen schon lyrisch und kristallisiert die Gefühle und Empfinden der Frau meiner Meinung nach sehr klar heraus. Ich hatte das Gefühl, dass ich mit diesem Text treibe, dass mich die Bilder durch den Text tragen und ich gar nicht merke, dass ich lese.
Allerdings habe ich mich manchmal gefragt, ob es nicht vielleicht an manchen Stellen schon zu viel ist. Einiges wirkt durch die ganzen Bilder und Metaphern überladen, sodass die eigentliche Geschichte zwar in ihnen aufgeht, aber gleichzeitig davon erdrückt wird und nicht richtig für sich selbst sprechen kann.
Klar sind einige bombastische Formulierungen drin, aber trotzdem driften die Bilder meiner Meinung nach manchmal zu sehr ab.
Thema:
Gefangen in seinem eigenen Körper ist nicht wirklich neu und einfallsreich, allerdings macht die Umsetzung die fehlende Originalität einigermaßen wieder wett, sodass man es beim Lesen trotzdem irgendwie neu empfindet.
Fazit:
Gefällt mir durchaus gut, Punktabzug gibt es nur für die meines Empfindens nach an manchen Stellen ausufernde Bildsprache, die für mich keinen erkennbaren Inhalt transportiert.
6 Federn
_________________ Das hier ist 'ne verdammt harte Galaxis. Wenn man hier überleben will, muss man immer wissen, wo sein Handtuch ist! |
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