unter meridianen

[Perry]

unter meridianen


und du liegst im gras
das auf den schnitt wartet
fühlst dich halmkauend jung

und du schaust
den kondensstreifen nach
die nähe mit ferne verbinden

wie sie zerfleddern
federn lassen in strömungen
die auseinandertreiben

[seppman]

Moin

Der Titel gefällt mir.. mehr aber auch nicht, leider..
Ich finde die 3 Strophen unzusammenhängend aneinandergereiht..
Ich komm da nicht rein..

Grüße seppman

[Perry]

ja an dem Titel habe ich auch einige Zeit gefeilt,  
denn unter den Mittagskreisen spielt sich ja so einiges ab. Hier geht's um Jugendträume und ihre Vergänglichkeit (Schnitt/Schnitter, Strömungen/Schicksalswege).
Danke für dein Interesse und LG
Perry

[Aranka]

Hallo Perry,

der Titel hat mich schon gelockt. „Meridian“. Im Meridian erreichen die Fixsterne ihre größte Höhe. Hier ist also irgendeine Mitte erreicht? Auch kenne ich den Begriff aus der  Chinesischen Medizin. Es sind die Bahnen, in denen das Qi fließt.

Da ich nun deine Gedichte häufiger lese, ahne ich, dass es hier vielleicht um die Überschreitung der Lebensmitte geht.

Dann finde ich in der ersten Strophe gleich ein sehr vertrautes Bild: im gras liegen und sich halmkauend jung fühlen. Ich finde hier das ganze Gefühl des Jungseins sehr schon in zwei schlichte Zeilen eingefangen (Z1 und Z3). Dazwischen schieben sich ernstere Töne: „das auf den schnitt wartet“. Zu meiner Jugendzeit, wurde das hohe Gras gesenst und da ist das Bild des Sensenmannes irgendwie, zwar sehr dezent, aber dennoch nicht überhörbar in der Zeile drin. Für mich jedenfalls.

Der dort liegt, hat den Meridian überschritten, fühlt sich rückblickend noch einmal jung, schaut den Flugzeugen nach und auch hier finde ich eine sehr schöne Formulierung: sie zerfedern.
Auf so ein Wort muss man kommen. Wer hat nicht schon einmal versucht das Phänomen dieser Streifen am Himmel festzuhalten: zuerst messerscharf gezogen und im NU „zerfedern“ sie. Ich bin begeistert. Ich habe es vor Augen.  Wie oft hat man sich nicht irgendwo hingeträumt, als man jung war: Später, hat man gesagt, später. Und das Land der Träume lag am Ende des Kondensstreifens.

Du belässt es aber nicht bei dem „zerfedern“, das sich auf die Kondensstreifen bezieht. Es folgt die Wendung: „federn lassen“. Das beziehe ich jetzt eher auf den Träumer im Gras, auf die Träume der Jugend, die ein paar Federn verloren haben. Nicht alle sind zu Ende geträumt worden, nicht alle in Erfüllung gegangen, manche sind auseinander- und durcheinandergeraten.

Sehr schöne Bilder, ein sehr schöner Ton: ausbalancierte Melancholie.

Einzige Frage: Muss das „und“ in der ersten Strophe stehen? Möchtest du damit sagen, „ehe du dich versiehst“, …...  Willst du bewusst irgendwo mitten in eine Reihung von „Tagen/Situationen“ einsetzen?

Ich würde es gerne nachvollziehen können. In der zweiten Strophe ist es für mich klar.

Gerne gelesen. Schöne Gedanken. Danke. Gruß Aranka

[Perry]

danke fürs Einlassen auf die Bilder und dein (wiedermal) treffendes Reflektieren.
Ja der Meridian ist ein vieldeutiger Begriff und eignet sich gut einen "Bogen" übers Leben zu spannen.
Die eingetreuten dunklen Bilder "wartet auf den Schnitt und federn lassen" zeichnen das Bild eines lebensgeprägten LI, dass sich meditativ von den Kondensstreifen in unbeschwerte Jugendtage entführen lässt.
Es heißt übrigens tatsächlich "zerfleddern" im Sinn von Zerreißen.
LG
Perry

[Aranka]

Hallo Perry,

ich sollte die Brille anziehen. Aber das Ding ist immer überall und nirgendwo. Ein Verleser, der mir wahrscheinlich so gut gefiel, dass ich es nicht gemerkt habe. Zerfleddern kenne ich auch, sagt man auch bei uns.
Gruß Aranka