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Der weisse Sommer


 
 
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cascail
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 72
Beiträge: 410
Wohnort: frankreich


Beitrag22.02.2012 14:00
Der weisse Sommer
von cascail
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Hier ist der Anfang von dem Roman, an dem  ich gerade  schreibe. Es handelt sich um eine parallele Geschichte, die in zwei Zeiten spielt. Vielleicht geht das gar nicht?


            Ninon träumte. Wehen durchzogen ihren Leib. An die Oberfläche kommend, beruhigte sie sich. Es war ja nur ein Traum. Schliesslich war sie Hebamme und Geburten waren ein alltägliches Ereignis für sie. Doch hier passierte etwas ganz anderes. Sie bekam das Kind, nicht eine ihrer Patientinnen. So ein Quatsch! Sie konnte kein Kind bekommen, dazu hätte sie ja erst einmal schwanger sein müssen! Doch der Körper antwortete ihr, dass sie sich irren musste. Die Wehen wurden stärker. Jetzt war sie ganz wach. Das Ziehen tief unten in ihrem Rücken zu stark, um es zu ignorieren. Vorsichtig tastete ihre Hand hinunter, zu ihrem rebellischen  Bauch.
     Was sie  fühlte ließ sie wie von der Tarantel gestochen in die Höhe fahren. Ihr Bauch war riesig, hart und geschwollen. Gerade packte sie eine neue Wehe.
    „Verdammt, was geht hier vor sich?”,  panisch tastete sie nach dem Schalter der Nachttischlampe. Sie fand ihn nicht. Verwirrt öffnete sie ihre Augen. Sie war nicht in ihrem gewohnten Zimmer. Eine Kerze, am Fussende das Bettes in dem sie jetzt aufrecht sass, beleuchtete unzureichend einen Raum, den sie noch nie im Leben betreten oder   in dem  sie, geschweige denn,  geschlafen hatte!
   „Was um Himmelswillen!”, entfuhr es ihr jetzt laut. „Wo bin ich?”
Neben dem breiten Baldachinbett, welches mit roten Samtvorhängen umhängt war, saß eine ältere Frau in einem Sessel und schlief.
Schwerfällig wälzte sie sich auf die Seite.  Die nächste  Wehe liess sie laut aufstöhnen. „Verdammt noch mal! Träume ich  denn immer noch?“ Verzweifelt kniff Ninon sich in den Arm. Nein, sie war wach. Alles um sie herum existierte wirklich.
           Nachdem die Wehe abgeklungen war, wälzte sie sich beschwerlich auf die Seite und näherte  sich der Frau. Sie zog sie am Ärmel. Aber die Frau schnarchte mit geöffnetem Mund leise weiter. Ninon zog  fester an dem dicken, groben Stoff. Die Schlafende zuckte erschrocken zusammen und richtete sich auf. Entsetzen und Unglauben malten sich auf ihr faltiges Gesicht. Ihre Hand flog zum Mund, um den in ihrer Kehle aufsteigenden Schrei zu ersticken. Dann bekreuzigte sie sich dreimal.
  „Das kann nicht sein, !”, stieß sie heftig auf Patois hervor.  „du bist tot!”,sie zitterte heftig
 „Nein”, wisperte Ninon, „ Leider kein Traum! Schön wär es! Du und ich, wir sind beide wach”
Unwillkürlich hatte sie in dem Dialekt ihrer Kindheit geantwortet.
  „Nein,nein!”, stammelte die Alte mit schreckengeweiteten Augen, ,„der Priester und der Arzt waren bis vor einer Stunde da.  Der Priester gab dir auf Anraten des Arztes die letzte Weihe. Verstehst du! Du bist tot! Da tatest  du deinen letzten Atemzug!“ Sie starrte Ninon  an und machte ein Zeichen gegen den bösen Blick.  „ Du bist ein Geist, ein Gespenst! Scher dich dahin, wo du hergekommen bist! Du bist eine Ausgeburt des Teufels!”  wieder bekreuzigte sie sich.
Ninon wurde von der nächsten  Wehe ergriffen und sie veratmete sie so gut es ging. Sie hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging aber eins war sicher und das sagte sie sogleich nach dem Abklingen der Wehe laut und wütend:
  „ Es ist mir völlig egal,  was du glaubst aber eins weiss ich genau, nämlich, das ich demnächst ein Kind bekomme.”
Die Frau musterte Ninon jetzt eingehend und ein Ausdruck  des Zweifels  wich der Panik und machte sich auf ihrem wachsfarbenen Gesicht breit. Sie schüttelte ein paarmal ratlos den Kopf.
 „Wer bist du?” fragte Ninon die Frau.
 Statt auf ihre Frage zu antworten sagte die Frau:
„ Seltsam! Du siehst aus wie meine Enkelin Alazaïs, aber wenn du sprichst, klingt es ganz anders. Nein, du hast nur ihr Aussehen, aber sonst... ”  Sie musterte Ninon. „Und wie redest du überhaupt? Doch wenn du nicht vom Teufel gesandt wurdest, um mich zu  Tode zu erschrecken, wer bist du  dann?” Sie führte ein kleines goldenes Kruzifix, welches sie an einem Band um den Hals trug, an den Mund und fing an zu beten. Misstrauisch sah sie wieder zu Ninon hinüber  und anklagend murmelte  sie: „ Das ist alles so unheimlich. Ich habe Angst!”
  „Und ich? Glaubst du denn, mir macht das hier Spaß?” Ninon war jetzt fast hysterisch: „Ich weiß nicht wo ich bin und wie ich hierhergekommen bin! Ich bin auf gar keinen Fall deine Enkeltochter und normalerweise bin ich auch nicht schwanger!”
Die Alte nickte heftig.
 „Ja! Alazaïs war schüchtern  und sanft, aber du! Nein, du bist anders! »
Wieder schüttelte Ninon eine Wehe. Als sie abgeklungen war, atmete Ninon ein paarmal tief durch. Verzweifelt versuchte sie einen klaren Gedanken zu fassen. Sie kam zu dem Schluss, dass es jetzt erstmal keine Rolle spielte, die näheren Umstände zu erforschen. Das Einzige was zählte, war die unumstössliche  Tatsache, dass sie demnächst ein Kind bekommen würde und dass sie dazu die Hilfe der Frau an ihrer Seite brauchte. Danach konnten sie weiter sehen. Sie konzentrierte sich auf die nächste Wehe, die noch heftiger war, als die vorhergegangenen.
       Die alte Frau hatte sich jetzt wieder soweit gefasst, dass sie normal redete. Besorgt sah sie Ninon an:
 „Wie häufig sind  deine Wehen? Glaubst du, dass alles gut gehen wird? Muss ich die Hebamme  aus dem Dorf holen lassen oder schaffen wir beide es allein, diesem Kind sicher in die Welt  zu verhelfen? ”



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lady-in-black
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Beitrag22.02.2012 18:24

von lady-in-black
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Kurzer Eindruck:

Der Anfang macht Lust auf mehr.  Cool
Ist nicht mein Genre, aber ich habe es gerne und mit Neugier gelesen.

Kleiner Kritikpunkt: Das Verhalten der alten Frau ist für mich noch nicht 100%ig stimmig. Für meinen Geschmack erkennt/begreift sie zu schnell, dass es sich nicht um ihre Enkelin handeln kann.


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- Ich würde mich gerne geistig mit Dir duellieren ... aber ich sehe Du bist leider unbewaffnet.
- Nein, Stil ist nicht das Ende vom Besen.
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cascail
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Beitrag22.02.2012 18:54

von cascail
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In Ordnung! Ich werde dran arbeiten!

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Gast







Beitrag23.02.2012 10:27

von Gast
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Hallo cascail,

den Beginn finde ich durchaus gelungen und ich würde gerne weiterlesen. Allerdings meine ich, du müsstest sprachlich noch daran arbeiten und auch die Interpunktion ist sehr fehlerhaft. Ich glaube, in der Werkstatt wäre deine Geschichte besser aufgehoben.

Liebe Grüße
Monika
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cascail
Geschlecht:weiblichEselsohr

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Beitrag23.02.2012 11:58

von cascail
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Uuuuups! Ich dachte, ich hätte das in der Werkstatte eingestellt! Embarassed

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kskreativ
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Beitrag23.02.2012 13:07

von kskreativ
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Gefällt und macht Lust auf mehr. Nur die Reaktion der alten Frau kommt auch bei mir nicht so richtig glaubwürdig rüber. Nach deiner Beschreibung und dem Dialekt tippe ich mal so auf etwa 1600plus. Erzkatholisches Frankreich, tiefster Aberglaube, die Alte wäre da nicht sitzen geblieben, sondern vermutlich schreiend hinausgerannt.

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cascail
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Beitrag23.02.2012 13:13

von cascail
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Nee 1728, und sie hatte Angst, weil in dem Haus einiges im argen lag und sie es deswegen nicht an die grosse Glocke hängen will. Aber das kommt alles erst noch Rolling Eyes Andererseits dachte man damals ja hinter jeder Ecke steckt der Teufel. Das war Alltag.

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cascail
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Beitrag23.02.2012 13:14

von cascail
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Upps, doppelt gepostet! Embarassed  Embarassed  Embarassed  Embarassed

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kskreativ
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K
Beitrag23.02.2012 13:15

von kskreativ
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Sorry, ich stellte mir da jetzt so eine mittelalterliche Kemenate vor. 1728, Ludwig XV. Geile Epoche.

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MT
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Beitrag27.02.2012 11:30

von MT
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Hi cascail,

ein interessantes Thema, das Lust auf mehr macht! Daumen hoch

Die sprachliche Umsetzung ist aus meiner Sicht jedoch an mehreren Stellen (noch) ein wenig zu ungelenk. Sieh mal hier:

Zitat:
Ninon träumte. Wehen durchzogen ihren Leib. An die Oberfläche kommend, beruhigte sie sich. Es war ja nur ein Traum. Schliesslich war Sie war Hebamme, und Geburten waren ein alltägliches Ereignis alltäglich für sie. Doch hier passierte etwas ganz anderes. Sie bekam das Kind, nicht eine ihrer Patientinnen [ich finde, Hebammen haben keine "Patientinnen"] Fremde. So ein Quatsch! [Aus meiner Sicht zu umgangssprachlich. Vielleicht: Welch ein Unsinn,...] Sie konnte kein Kind bekommen, dazu hätte sie ja erst einmal schwanger sein müssen! Doch der Körper antwortete ihr, dass sie sich irren musste. Die Wehen wurden stärker. Jetzt war sie ganz wach. Das Ziehen tief unten in ihrem Rücken zu stark, um es zu ignorieren. Vorsichtig tastete ihre Hand hinunter, zu ihrem rebellischen Bauch.
Was sie fühlte, ließ sie wie von der Tarantel gestochen in die Höhe fahren. Ihr Bauch war riesig, hart und geschwollen. Gerade packte sie eine neue Wehe.


Du verwendest sehr viele Füllwörter und Adjektive. Das macht einen Text aus meiner Sicht sehr oft etwas platt. Weniger ist mehr.

Mit etwas Überarbeitung kann da ein sehr nettes Stück draus werden. Trau Dich!

LGMT


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Siegfried Lenz
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Gewaexhausgewaex
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Wohnort: Jena


Beitrag08.04.2012 04:57

von Gewaexhausgewaex
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Hallo,

ich widerspreche MT zum Teil.

Zitat:
Ninon träumte. Wehen durchzogen ihren Leib. An die Oberfläche kommend, beruhigte sie sich. Es war ja nur ein Traum.
Diese Sätze geben ein zu schnelles Tempo vor. Ein paar Sätze würden das Ganze angehm in die Länge ziehen, z. Bsp. so:
Zitat:
Ninon träumte. Wehen durchzogen ihren Leib. Bilder aus ihrer Arbeit zogen vor ihrem träumenden Auge vorbei; Bilder voll Blut und Schmerz. Sie erwachte. Langsam an die Oberfläche kommend, beruhigte sie sich wieder.


Zitat:
An die Oberfläche kommend,...
ist eine recht ungewöhnliche Metapher. (Was ist Oberfläche, Traum oder "Realität"?)  Der Hinweis das es nur ein Traum ist, klärt aber schnell auf.

Zitat:
Es war ja nur ein Traum.
- das kleine Wörtchen "ja" ist ein schönes kleines begleitendes Wort der Erleichertung, da es ja eben einfach nur ein Traum ist.

Aber zu oft darf man es nicht verwenden:"
Zitat:
...,dazu hätte sie ja erst einmal schwanger sein müssen!"


Zitat:
Schliesslich war Sie Hebamme,  und Geburten waren ein alltägliches Ereignis für sie
> gefällt mir so besser, ich kann es mir nicht erklären, aber Adj. UND Nomen geben dem Satz mehr Schwung als von MT vorgschlagen, damit es aber nicht zu schwungvoll klingt fände ich es ohne "und" besser.

Patientin oder Fremde, beides klingt nicht so, besser wäre Schutzbefohlene, denn das ist eine Frau in diesem Moment, insb. in der von dir verwendeten Zeit.

Zitat:
So ein Quatsch!
, klingt danach das die Protagonistin aus der Neuzeit kommt, was sich dann auch wieder besser liest, wenn es denn so ist.

Zitat:
Jetzt war sie ganz wach.
> "richtig wach", "komplett wach" oder "gänzlich wach" liest sich für mich besser.

Zitat:
Das Ziehen tief unten in ihrem Rücken zu stark, um es zu ignorieren.
- gut das du nicht noch einmal "war" verwendet hast. Abwechslung im Schreibstil bringt mehr Spannung ins Spiel.

Zitat:
„ Du bist ein Geist, ein Gespenst! Scher dich dahin, wo du hergekommen bist! Du bist eine Ausgeburt des Teufels!”
> "..., du Ausgeburt des Teufels!" hat zum Abschluss was wuchtigeres und würde so besser in den Kontext passen, sozusagen als Begründung warum sie sich davon scheren soll.

Zitat:
...und normalerweise bin ich auch nicht schwanger!”
, ordentlich daneben, als wäre es ihre Gewohnheit nicht schwanger zu sein, was eine Frau ja sein kann - nie schwanger - aber das Wörtchen "normaleresie" verwendet man besser und eher bei Aussagen wie "normalerweise tinke ich keinen Alkohlol, oder "normalerweise esse ich kein Fleisch", du verstehst was ich meine?

Ansonsten gefällt mir deine Story. Und ja, man kann von zwei parallelen Zeiten erzählen. Die Phantasie macht alles möglich.

Grüße, GHG
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Schreibmaschine
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 529



Beitrag11.04.2012 13:36

von Schreibmaschine
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Die Idee scheint gut zu sein, aber du solltest noch mal einen erfahrenen Betaleser kommentieren lassen. Hier im Forum kann man ja eigentlich nur das Grobe anmerken.

Mir fällt z.B. auf, dass es POV-Verstöße gibt und eine Menge telling drin ist.

Ich schau mir mal nur die ersten drei Sätze an:
"Ninon träumte" ist telling. Noch schlimmer, es ist telling direkt am Anfang. Es ist dazu noch POV Fremd.
Warum bleibst du nicht ganz strikt in der Sichtweise von Ninon? Du kannst alle ihre Eindrücke und Gedanken dazu nutzen, um dem Leser das Setting und die Emotionen des Charakters nah zu bringen.
"Wehen durchzogen ihren Leib" ist umständlich formuliert und wieder telling.
"An die Oberfläche kommend, beruhigte sie sich" ist meiner Meinung unglücklich fomuliert. Und abgesehen davon, ist es telling.

Versuch doch mal die Ereignisse der ersten drei Sätze ganz anders dazustellen, nämlich indem du dem Leser zeigst, anstatt sagst, was passiert und emfpunden wird.

Ein Beispiel:
Schmerz. Alles schmerzte. Ninon riss die Augen auf. Sie brannten. Von Dunkelheit umgeben sorgte nur eine halb abgebrannte Kerze für ein bisschen Licht. Doch selbst das blendete sie noch. Wo bin ich? Träum' ich?
"Ah!" Ninons Unterleib fühlte sich an, als würde jemand mit einem Messer darauf einstechen. Ihr Blick fiel auf ihren kugelrunden Bauch. Ein Traum, ja, es muste ein Traum sein. Sie war nicht schwanger.

Gut, mein Beispiel ist jetzt mal eben schnell geschrieben und würde sicherlich keinen Blumentopf gewinnen, aber es soll den Unterschied zwischen telling und showing demonstrieren und auch die strikte Einhaltung des POV verdeutlichen.

Noch mal, ich finde die Idee der Geschichte wirklich gut und ich denke, dass sich eine gründliche Überarbeitung absolut lohnen würde!
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cascail
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 72
Beiträge: 410
Wohnort: frankreich


Beitrag12.06.2012 17:43

von cascail
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Ich habe es jetzt etwas verändert. Vielleicht schlechter? Ich weiss nicht, bin mir nicht schlüssig Rolling Eyes  Wink


    Ninon stöhnte im Traum laut auf. Bohrender Schmerz schnitt wie ein stumpfes Messer durch ihre Eingeweide.
„Nein! Nicht! Aufhören!" keuchte sie „Keine Wehen!“
Verwirrt versuchte sie die Nebelfetzen des Traumes zu durchdringen. Als sie halbwegs klar denken konnte, war der grausame Schmerz verschwunden.
 „Eine Wehe! Wie absurd!“ Sie schüttelte leicht amüsiert den Kopf. Wenn das eine echte Wehe gewesen wäre, hätte sie ja schwanger sein müssen! Es war neunzehn Jahre her, dass   sie Carlo, ihren einzigen Sohn geboren hatte und sie hatte nicht vor, jetzt nochmal ein Kind in die Welt zu setzen.
„Es muss mit meinem Beruf als Hebamme zusammenhängen“, seufzte sie resigniert und dachte an die letzte Geburt, die sie gestern Nacht betreut hatte. Die Frau hatte sich schwer getan. Ninon wünschte sich sehnlichst, dass manche der Frauen, die sie entband, sich ein wenig mehr damit auseinander setzen würden, was bei einer Geburt auf sie zu kam. Diese Frau war einfach völlig unvorbereitet. Sie kam schon bei zwei Zentimetern Eröffnung ins Krankenhaus, mit leichten Wehen und verlangte sofort eine Periduralanesthesie. Natürlich kam das zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht in Frage, es hätte den Geburtsvorgang zum Stillstand gebracht. Dann, als die Wehen etwas stärker wurden, verlangte sie hysterisch nach einem Kaiserschnitt. Ninon hatte alle Mühe gehabt, der Frau verständlich zu machen, dass es völlig normal sei, Schmerzen zu haben und dass man sie bis zu einem gewissen Grad erleichtern konnte, indem man sich entspannte und gut veratmete.  Sie versuchte ihr anhand  des Plakats an der Wand des Kreissaals, dass schematisch die verschiedenen Phasen des Geburtsvorgangs darstellte zu erklären, was da gerade vor sich ging. Aber sie hätte genauso gut mit der Wand reden können. Die Frau bekam dann auch ihren Kaiserschnitt, weil niemand sich in der Lage sah, sie soweit zu beruhigen, dass sie eine normale Geburt hätte durchstehen können.
Ninons Gedanken drifteten dem Schlaf entgegen.

 Gerade, als sich die ersten Traumbilder wieder einstellten, attackierte die nächste Welle dumpfen Schmerzes.
„Oh nein! Nicht schon wieder“ stöhnte sie entsetzt. Ihre Hände fuhren panisch zu ihrem gequälten Bauch hinunter.
   Einen heiseren Schrei ausstoßend fuhr sie in die Höhe. Die letzten Reste Schläfrigkeit wichen entsetztem Unglauben. Ihr Bauch war riesig, hart und geschwollen.
 „Verdammt noch mal! Was geht hier vor sich?“ stöhnte sie hilflos. Der Schmerz ließ sie ihre Umgebung für den Moment vergessen. Als er sie endlich wieder losließ, riss sie ihre Augen auf und starrte in das schwache Flackern von zwei dicken Kerzen, die zu jeder Seite des Fußendes des Bettes auf dem sie lag, auf großen gusseisernen Kerzenständern brannten.
    „Was um Himmels Willen....! Wo bin ich?“ Hilfesuchend tastete sie nach ihrem Mann.
 „Alain, wach auf!“ stöhnte sie.
  Doch Alain, ihr Mann, lag nicht wie gewohnt neben ihr. Das Zimmer war ihr völlig fremd. Sie sah die schwachen Umrisse der Möbel. Verwirrt schaute sie sich um. Neben dem mit dunkelroten Samtvorhängen umhängten Baldachinbett saß eine alte Frau in einem Sessel und schlief einen unruhigen Schlaf.                                               
    Vorsichtig versuchte sie sich zu erheben. Da   rollte schon die nächste Wehe über sie hinweg und riss sie erneut in den Tumult des Schmerzes. Verzweifelt aufstöhnend fragte sie sich.
  „Himmel nochmal! Träume ich denn, immer noch?“ Um  sich
zu vergewissern, dass sie  jetzt wirklich wach war, kniff sie sich heftig in den Arm. Doch es gab keinen Zweifel! Alles um sie herum existierte tatsächlich. Nachdem die Wehe abgeklungen war, wälzte sie sich beschwerlich auf die Seite und näherte sie sich der Frau. Sie berührte sie leicht am Arm, doch die Schlafende zuckte  nur leicht zusammen. Ninon zerrte jetzt energisch am Ärmel  der Frau. Diesmal hatte sie mehr Erfolg. Die Alte fuhr erschrocken zusammen und richtete sich auf.
  „Nein! Oh nein!“ Hauchte sie schwach. Entsetzter Unglaube malte sich auf ihr faltiges Gesicht. Heftig zitternd fuhr die Hand zum Mund, um den in ihrer Kehle aufsteigenden Schrei zu ersticken. Dann bekreuzigte sie sich dreimal.
  „Das kann nicht sein!“ stieß sie stammelnd auf Patois, dem Dialekt der Gegend, hervor. „Du bist tot! Ich habe einen Traum!”
  „Nein, hast du nicht“, entfuhr es Ninon rau, „du träumst nicht. Wer immer du auch sein magst. Ich und du, wir sind beide wach und ich für meinen Teil bin kein bisschen tot!“ Unwillkürlich hatte sie in dem Dialekt geantwortet, den ihre Großeltern noch immer bei sich zu hause sprachen und den sie als Kind gelernt hatte.
    „Nein, nein!“ stöhnte die Alte leichenblass geworden, mit weit aufgerissenen Augen, sich an der Sessellehne festklammernd,
„der Priester und der Arzt waren vor einer Stunde da.“ Jetzt hob die am ganzen Leib bebende Frau abwehrend die Hände, als wolle sie sich Ninon vom Leibe halten. Fassungslos starrte sie die junge Frau an, die wie ihre Enkeltochter aussah aber ganz offensichtlich nicht ihre geliebte Alazaïs war.
   „Der Priester gab dir auf Anraten des Arztes die letzte Weihe und vor einer halben Stunde tatest du deinen letzten Atemzug! Du bist tot! Du bist ein Geist, ein Gespenst! Scher dich dahin, wo du hergekommen bist! Du bist eine Ausgeburt des Teufels!“ jetzt schrie sie die Alte fast. Wieder bekreuzigte sie sich: „Du bist tot!“
 Ninon wurde von der nächsten Wehe ergriffen und sie veratmete sie so gut es ging. Sie hatte keine Ahnung, was hier passierte, aber eins war sicher, und das sagte sie sogleich nach dem Abklingen der Wehe laut und wütend:
 „Oh verdammt! Ich bin genauso lebendig wie du! Außerdem, falls du es noch nicht mitbekommen haben solltest, kriege ich gerade ein Kind!”
 
   Die Frau musterte Ninon jetzt eingehender. Ein Ausdruck des Zweifels wich der Panik und machte sich auf ihrem faltigen Gesicht breit. Immer noch zitternd schüttelte sie ein paarmal verwirrt den Kopf. Wieder flogen die Finger, mehrmals das Zeichen des Kreuzes machend
  „Und wer bist jetzt überhaupt du?”, fragte jetzt Ninon wütend  am Ende ihrer Geduld angelangt.
„Was? Du weißt nicht wer ich bin? Du hast es vergessen?“, fragte die Frau schockiert aber dann besann sie sich und nickte: „Gewiss! Da du anscheinend nicht meine Enkeltochter bist, kannst du natürlich nicht wissen wer ich bin” Sie musterte Ninon einen Moment ärgerlich. „ Und was führst du für eine gotteslästerliche Sprache! Wie du fluchst! Das ist unziemlich!“ sie hielt einen Moment inne. „ Doch wenn du nicht vom Teufel gesandt wurdest, um mich zu Tode zu erschrecken, wer bist du dann?”
 Sie führte ein kleines goldenes Kruzifix, welches sie an einem Samtband Band um den Hals trug an den Mund und fing an zu beten.
    Misstrauisch sah sie wieder zu Ninon hinüber und mit Tränen in den Augen sagte sie: „ Ich habe Angst!
„ Ich habe auch Angst!” Ninon war jetzt fast hysterisch: „ Ich weiß nicht wo ich bin und wie ich hierhergekommen bin! Ich bin auf gar keinen Fall deine Enkeltochter, und als ich am Abend schlafen gegangen bin, war ich kein bisschen schwanger! ”
 Die alte Frau runzelte die Stirn: „ Deine Stimme ist anders als die ihre und du hast eine seltsame, nicht sehr wohlerzogenen Art zu sprechen. Alazaïs war schüchtern und sehr sanft, aber du! ”, sie schüttelte den Kopf, „ nein, du bist ganz anders” Die nächste Wehe kündigte sich mit bohrendem Schmerz an und Ninon schüttelte nur abwehrend den Kopf.
     Als sie wieder zu Atem kam sagte sie: „ Aber eigentlich ist es jetzt erst einmal egal, wer ich bin. Wir sollten uns   zusammenreißen, um die dringendsten Angelegenheiten regeln. Ich glaube, das Einzige was im Moment zählt, ist die Tatsache, dass ich demnächst dieses Kind gebären werde und du mir dabei helfen musst, dann sehen wir weiter! ”
   Die alte Frau hatte sich jetzt so weit gefasst, dass sie normal reden konnte und nickte:
  „Was wir danach machen, können wir später noch bereden.” Sie sah Ninon besorgt an:
 „ Wie häufig sind denn deine Wehen? Glaubst du, dass alles gut gehen wird? Muss ich die Weise Frau aus dem Dorf holen lassen, oder schaffen wir beide es allein, diesem Kind sicher in die Welt zu verhelfen? ”Ninon sah sich Suchend im Raum um.
 „ Hast du denn keine Uhr in diesem Zimmer?” Verwundert sah die Frau Ninon an.
 „ Eine Uhr?”
Ninon sah sie entgeistert an. Ihr schwante Schreckliches:
  „ Du weißt nicht was eine Uhr ist? Vielleicht heißt es ja auch Zeitmesser? Beunruhigt fragte sie: „In welchem Jahr sind wir denn?”
    Sie sah sich jetzt genauer in dem Raum um. Die Wände waren einfach weiß gekalkt und vor dem Fenster hing ein schwerer Samtvorhang in dem gleichen tiefen Dunkelrot wie um das Bett. Über dem monumentalen Kamin hing ein großes, mit ein paar vertrockneten Buchszweigen geschmücktes Holzkruzifix. Keine Teppiche bedeckten den nackten, aus breiten dunklen Bohlen bestehenden Fußboden. Ninon bekam jetzt noch mehr Angst, als sie bis jetzt ohnehin schon verspürt hatte.
    Sie schaute sich das Kleid, welches die Frau trug an. Auch dies war altmodisch. Ihre Aufmachung ähnelte den Garderoben von Frauen, die auf den düsteren Leinwänden alter Meister abgebildet waren. Eine weiße, gestärkte Schürze bedeckte ein dunkles Wollkleid mit hohem Kragen und langen Ärmeln. Das Haar verbarg eine schlichte, weiße Haube. Zögernd kam die Antwort:
 „Hast du es nicht gehört? Die Kirchturmuhr hat gerade Mitternacht geläutet und wir schreiben das Jahr der Herrn siebzehnhundertachtundzwanzig.”
   „ Ach du liebes Bisschen!” stöhnte Ninon, „ ich bin im falschen Film! Gott, lass mich sofort aufwachen, das ist nicht mehr lustig! In welchem Monat sind wir? ”
„Ich glaube es ist der dritte Mai. Der Priester sagte so etwas, als er kam und dir die letzte Weihe gab”, sie besann sich kurz. „ Doch das war vor Mitternacht! Folglich haben wir jetzt den vierten. ”
   Wieder atmete Ninon tief ein, um die nächste Welle, die sie mit zu reißen drohte, besser bewältigen zu können.
 „ Ich glaube, es kann nicht mehr lange dauern, bis das Kleine kommt“, sagte sie, nach dem Abklingen der Wehe, die noch heftiger als die letzte gewesen war.
  „Wer ist denn der Vater?”
  „ Alazaïs ist,- ich mein sie war-“, verbesserte sie sich, „ die Maitresse des Sieur Arnault, dem Baron in Montegut und Dame Catherine, seine Frau, hat es herausgefunden. Gestern Mittag kam eine Magd vom Château vorbei. Man hatte sie mit einem feinen Gericht für meine Enkelin mit der Nachricht, dass es ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft zu gute kommen würde, hierher geschickt. Sie hat vorgegeben, dass der Herr sie gesandt hätte und Alazaïs hat das Gericht gegessen. ” Verstohlen wischte sie eine Träne weg, die sich über die faltige Wange stahl.
  „ Daraufhin wurde sie sehr krank und dann ist sie unter Krämpfen gestorben. Dem Herrn sei Dank war ihr Leiden kurz. ” Ihr Gesichtsausdruck zeigte jetzt bitteren Hass: „ Jetzt weiß ich natürlich, dass das Gericht nicht vom Herrn stammte, sondern von seiner Frau. Aber da war schon alles zu spät. Der Herr ist untröstlich. Er hat seinen eigenen Arzt geschickt, um Alazaïs zu retten aber auch das Schröpfen, die Bäder und Tropfen die er ihr eingeflößt hat haben nichts mehr ausrichten können. ”

      Ninon war fassungslos. Entrüstet entschlüpfte ihr:
 „Das sind ja charmante Methoden, eine Geliebte loszuwerden!“ Dann schwieg sie einen Moment betreten, bevor sie sich besann und fortfuhr:
   „Aber jetzt müssen wir uns erst mal um dieses Baby,“ sie verbesserte sich, „ich meine das Kind kümmern, welches so stürmisch das Licht dieser verrückten Welt erblicken möchte. Kannst du mir Wasser und Tücher besorgen, ach ja, und eine Schüssel? Windeln und eine Decke? Wir dürfen ja wohl in Anbetracht der Umstände nicht wissen lassen, dass dieses Kind trotzdem auf die Welt kommt, oder irre ich mich da? ”
   Die Alte nickte und ein milderer Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht, ja, Ninon glaubte sogar den Anflug eines schwachen Lächelns zu erkennen.
  „Ich heiße Berthe, du wirst mich vielleicht nicht Ahne nennen wollen? Es wäre zwar besser, denn wir könnten immer noch behaupten, du seist nur scheintot gewesen. So etwas soll ja vorkommen.“
Doch dann schüttelte sie den Kopf und murmelte:
  „Nein, das wird nicht angehen, jeder der Alazaïs kennt würde sofort bemerken, dass du nicht das geringste mit ihr gemein hast! Das Einzige, was ihr entspricht, ist dein Äußeres. Aber sowie du den Mund auftust, hört man, dass du aus einer anderen Welt kommst!“ Nachdenklich fügte hinzu: „Sicher wäre es das Beste wenn du so schnell und heimlich es geht von hier verschwinden würdest, sobald das Kind geboren wurde. Ich glaube nicht, dass die Baronin es bei ihrem ersten Versuch bewenden lassen wird! Und wenn sie davon Wind bekommt, dass es ein lebendes Kind gibt wird sie alles dran setzen, es zu beseitigen.” Von einer neuen Wehe gebannt nickte Ninon nur und als sie wieder zu Atem kam sagte sie:
 „ Ich heiße Ninon und ich komme von sehr weit her, das heißt, zeitlich gesehen. Ich komme aus dem Jahr Zweitausendzehn, also fast dreihundert Jahre von jetzt, aus der Zukunft! Dort verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt als Hebamme und Naturopathin. Ich weiß also sehr gut, wie das mit dem Kinderkriegen funktioniert. Ich werde gleich untersuchen, wie weit ich bin, wenn du mir das Wasser und die Tücher gebracht hast.”
   Ein erleichterter Ausdruck glitt über Berthes faltiges Gesicht, als sie dies hörte. Der Gedanke, dass diese fremde Enkeltochter wissen würde, was zu tun war, beruhigte sie ungemein.

      Sie verließ den Raum und Ninon untersuchte sich rasch selber. Sie war bei etwa acht bis neun Zentimetern Eröffnung und die Übergangsphase stand ihr kurz bevor. Die Wehen kamen jetzt sehr heftig und fast ohne Pause und sie hatte alle Schwierigkeiten, sie zu veratmen. Verzweifelt versuchte sie eine Position zu finden, die ihr die Wehen erträglicher machten. Als Berthe wieder in den Raum zurückkehrte, hatte Ninon die erste Presswehe. Schwitzend und frierend zugleich klammerte sie sich am Bettpfosten fest .Ihr Körper wurden von unregelmäßigen Wellen Schüttelfrost ergriffen. Mit Gesten, die alle ihre verbliebene Energie forderten, wies sie Berthe an, die Tücher unter ihr auf dem Holzfußboden auszubreiten.
  „ Hast du eine Schere und Schnur zum Abbinden der Nabelschnur und kann man sie in dem Kessel, der im Kamin hängt, abkochen?”, fragte sie Berthe in einer kurzen Wehenpause. Diese öffnete eine der Schubladen der großen Kommode, die an der Stirnseite des Raumes stand und holte das Gewünschte hervor. Ninon wies auf den Kamin,  in dem an einer langen Eisenkette ein großer Kessel hing.
Das Feuer war zwar ziemlich heruntergebrannt aber es würde sich mit ein paar Scheiten leicht wieder anfachen lassen.
  „Ist Wasser in dem Kessel“, fragte sie deswegen. Berthe nickte.
  „Es ist eine Infusion von Heilkräutern, die der Arzt dir eingeflößt hat. Ich glaube, es ist noch eine ganze Menge davon darin!“
  „Kannst du die Bänder und die Schere da hinein tun?” Berthe nickte, fragte aber verwundert warum dies denn nötig sei. Nach der nächsten Wehe erklärte ihr Ninon außer Atem ein wenig die Hygienevorstellungen ihrer Zeit und Berthe schüttelte erstaunt den Kopf.
    „ Und das hilft gegen Krankheiten, wenn man alles sehr sauber behandelt? ”
   „Ja, es verhindert, dass Keime, das sind, naja, unglaublich winzige Tierchen, die in die Wunden gelangen, eindringen können. Starker Alkohol dient auch zum reinigen von Gegenständen, die bei Krankheiten, wie bei dem Vernähen einer Wunde benutzt werden.”
    Das Gespräch wurde von der nächsten Wehe unterbrochen. Ninon kniete sich an den Rand des Bettes und nach einigen starken Presswehen, bei dem sie sich an den Rand des hohen Bettes festhielt, spürte  sie, wie der Kopf einschnitt und hielt mit sehr viel Mühe die nächste Wehe zurück. Sie presste jetzt ganz vorsichtig, ließ das stützende Bett los, und leitete den Kopf des Kindes mit den Händen, damit sie am Damm nicht einriss. Nach zwei weiteren Wehen war der Kopf geboren und der Rest des Kindes glitt mühelos bei der nächsten Wehe heraus. Es brach lautes, protestierendes Geschrei aus, das aber rasch in leises Gewimmer überging.
 Berthe reichte ihr ein Tuch, um den kleinen, schlüpfrigen Körper besser greifen zu können. Erschöpft und schweißgebadet ließ Ninon sich mit dem Oberkörper auf den Rand des Bettes sinken. Nach dem sie sich ein wenig ausgeruht hatte,  sagte sie zu Berthe:
  „Jetzt lege einige Tücher auf das Bett, damit wir es nicht beschmutzen können. Du solltest vielleicht auch dafür sorgen, dass alle Dinge, die auf eine Geburt hinweisen, verbrannt werden.“

     Nachdem Berthe Ninon  aufgeholfen hatte,  ging sie, neues Holz auf das Feuer zu schichten, damit weiter hell brannte. Erleichtert sank Ninon in die weichen Kissen. Sie befreite das kleine Wesen mit einem Tuchzipfel vom Mukus der Geburt und sagte lächelnd:
 „ Es ist ein kerngesunder kleiner Junge!”
Berthe kamen Tränen der Rührung.
  „Wenigstens etwas, was ich von meiner  kleinen Alazaïs behalten darf! Wie schön er ist! Er ist Wunderbar!”
Sie beugte sich über das Bett und betrachtete das Neugeborene. Sanft strich sie über den feuchten Flaum seines Köpfchens.
  „ Er sieht aus wie sein Vater!” lächelte sie.
  „ Ah, dann ist sein Vater also blond?”
Berthe nickte: „ Ja er ist groß und blond. Er hat Augen, so blau wie ein Sommerhimmel!”
     Ninon wartete auf das Auspulsieren der Nabelschnur. Sie ließ sich die beiden Schnüre reichen, mit denen sie sie an zwei Stellen abband, bevor sie sie mit der Schere durchtrennte. Der Kleine jammerte leise vor sich hin. Sie bat Berthe ihr eine Schüssel für die Nachgeburt bereitzustellen.
  Ninon war sehr zufrieden, dass sie es geschafft hatte, den Kleinen so sanft in diese Welt befördert zu haben. Es hatte sie viel Kraft gekostet, einige Male nicht laut vor Schmerzen zu schreien aber hier, in diesem Haus, gab es bestimmt noch andere Menschen, die es sehr seltsam gefunden hätten, Schreie aus dem Zimmer der verstorbenen jungen Frau zu vernehmen.

   Berthe half ihr den Säugling an die Brust zu legen, wo er dem Reflex zufolge, sofort kräftig zu saugen anfing. Für Ninon ein zwiespältiges Gefühl. Dies war, trotzdem sie es in diese Welt geboren hatte, nicht ihr Kind und sie hatte das letztemal gestillt, das war schon gar nicht mehr wahr, so lange war das her. Ihr Sohn war jetzt schon zwanzig und studierte in Montpellier Computertechnik. Er kam nur selten nachhause. Er führte ein ausgefülltes Studentenleben und in den Ferien schwirrte er weiß-Gott -wo in der Weltgeschichte herum. Lediglich an Weihnachten fiel ihm ein, dass er noch eine Familie hatte und das vielleicht auch nur, weil etliche Skipisten nur einen Katzensprung von dem Haus seiner Eltern entfernt waren. Er brachte meistens ein paar Jungen und Mädchen mit und das Haus hallte von lauter Musik, Gelächter und jungen Stimmen wieder. Doch selbst dann sahen Ninon und Alain die Bande nur zum Essen oder zum Frühstück, da er und seine Freunde Besseres vorhatten, als sich mit langweiligen Eltern zu unterhalten.
   Was würde aus ihnen werden? Ihrem Mann, Alain ? Um Carlo machte sie sich nicht allzu viele Sorgen. Er lebte sein Leben. Seine Eltern waren höchsten wichtig, wenn er knapp bei Kasse war, ansonsten hatte er anders im Kopf, als sich um seine Ninon und Alain zu kümmern. Sie fand das eigentlich ganz normal und deswegen sorgte sie sich vor allem um Alain. Alain war ein sogenannter Traumehemann, so dachten jedenfalls ihre Freundinnen, die oft nicht so glücklich mit ihren Ehemännern waren. Sie liebte Alain auch nach zwanzigjähriger Ehe noch auf eine kameradschaftliche Weise. Ein großes Feuerwerk war es für sie noch nie gewesen. Für ihn war das anders, das wusste sie. Sie hatte eine große, schmerzhafte Liebesgeschichte hinter sich, als sie Alain in Paris kennengelernt hatte und sie von dem anderen Mann schwanger mit Carlo war. Alain hatte die Wunden, die ihr Herz nach dieser traurigen Episode erlitten hatte, mit viel Geduld und Zuwendung, geheilt. Er war einfach da, stark, zuverlässig und freundlich, und so war es nur natürlich, dass sie nicht einen Moment zögerte, als er sie bat sie zu heiraten. Ihn störte es auch nicht, dass sie schon im vierten Monat von dem anderen Mann schwanger war. Er liebte sie, und das Kind war für ihn ebenso sein Sohn, als wenn er der leibliche Vater gewesen wäre. Dies alles ging ihr durch den Kopf.
  „Absonderlich“, dachte sie, „ dass man nach einer Geburt mit so völlig anderen Gedanken beschäftigt sein kann!“
Aber für sie waren es Prioritäten. Das fremde Kind war ihr längst nicht so wichtig, wie ihr eigenes Schicksal und das, was nun auf sie zukommen würde. Tausend Fragen stürmten nun, da die Geburt fast vorüber war, auf sie ein. Wie konnte sie wieder dorthin zurückkehren, wo sie hergekommen war und vor allem, warum war dies passiert? Das Ganze erschien ihr so surrealistisch wie einer dieser Phantasyfilme, die ihr Sohn oft sah, wo es um Hexen, Zauberer, Fabelwesen, Zeitreisen und was sonst noch alles ging.

    Als Ninon wieder einen leichten Drang zum Pressen verspürte, schob sie die Schüssel unter ihr Gesäß und drückte mit der Handkante fest direkt über ihrem Schambein nach unten und die Nachgeburt kam heraus. Sie legte den Kleinen beiseite und nahm die Schüssel und untersuchte sorgfältig die Plazenta. Sie war vollständig und sie brauchte sich keine Sorgen um irgendwelche Komplikationen, wie eventuelle Nachblutungen, zu machen.

     Etwas wackelig auf den Beinen stand sie auf und nahm eines der vielen Tücher, welche Berthe gebracht hatte und zerriss es, um eine provisorische Binde daraus zu machen. Danach untersuchte sie das Neugeborene genauer. Sie prüfte die Reflexe. Alles war bestens in Ordnung und jetzt schaute sie sich den kleinen Mann genauer an. Er hatte feinen blonden Flaum auf dem Kopf und große, blaugraue Augen, wie die meisten Babys in dieser Lebensphase. Er war nicht allzu zerdrückt. Sie war dankbar über diese leichte Geburt, denn sie wusste, wie oft in ihrer neuen Zeit die Frauen qualvoll im Kindbett gestorben waren.
  „Du bist ein bildhübsches Kerlchen! Du bringst gut und gerne deine sieben bis acht Pfund auf die Waage.“ flüsterte sie dem Kleinen zu.
Zu ihrer Überraschung flutete plötzlich eine für sie völlig aus heiterem Himmel kommende Woge von Zärtlichkeit in ihr Herz, und mit Erstaunen erkannte sie, dass sie dieses fremde Kind angefangen hatte zu lieben!
 „ Das ist absurd“, murmelte sie vor sich hin, „ wie soll ich ein wildfremdes Kind lieben, nur weil es mir zufälligerweise aus dem Bauch gekrochen ist? Das müssen die Hormone sein! Oxytocin vermutlich!“
   Berthe war in der Zwischenzeit wieder zu der Kommode zurückgekehrt und suchte dort Sachen zusammen, die sich als wunderbar gearbeitete Neugeborenenkleidung entpuppten. Weiche Tücher dienten als Windeln und eine festgestrickte kleine Hose hielt das Ganze zusammen. Ein feines Basisthemdchen folgte und ein Kittelähnliches Kleid, dann wurde er fest in ein Tuch gewickelt. Das kannte Ninon von den Anthroposphen.
  „Ach, du puckst ihn”, sagte sie und Berthe lächelte sie an und fragte:
  „Und man macht das bei euch in eurer neuen Zeit genauso?” Ninon lächelte zurück und sagte:
  „Man hat das bis vor fünfzig oder sechzig Jahren genauso gemacht und dann lange Zeit nicht mehr und jetzt haben die Menschen unserer Zeit festgestellt, dass es die Kinder beruhigt, so gewickelt zu werden und diese nicht mehr so eine ausgeprägte Schreiphase am Abend zu haben scheinen.”
Als Letztes setzte Berthe dem Winzling eine kleine reichbestickte, spitzenbesetzte Haube auf.

 Nachdem Ninon Berthe geholfen hatte, die Sachen zusammen zu räumen sagte sie:
  „ Ich gehe in die Küche hinüber, um noch etwas Holz und eine Schale Milch für dich zu besorgen. Es darf nicht die kleinste Spur von den Vorgängen dieser Nacht zurückbleiben. Ich traue nicht allen Menschen, die hier im Hause leben. Alazaïs hat einige Neider! Du musst weg, bevor irgendjemand mitbekommt, dass das Kind, der Erbe des Barons, trotz der niederen Machenschaften der Frau Baronin das Licht der Welt erblickt hat. Denn selbst wenn er nur ein Bastard ist, so ist er doch der einzige Sohn. Seine Frau hat zwar drei Mädchen in die Welt gesetzt, aber der Herr hat sich sehnlichst einen Sohn gewünscht. Ich denke, wir müssen ganz genau nachdenken, wie wir weiter vorgehen sollen. Es wird nicht einfach werden. Der Herr hat Alazaïs dieses Haus mit fünf Bediensteten geschenkt.“ Während sie redete, packte sie Dinge   aus der groß Kommode zusammen. „Dazu gehören einige Aar sehr gutes Ackerland, einige fette Wiesen ein kleiner Wald, und einige Tiere. Ich habe mit ihm gesprochen. Er hat gesagt, ich könne alles behalten. Also kann ich dieses Haus auch veräußern und wir gehen in meinen alten Hof in den hohen Bergen zurück. Ich bin das einzige Kind meiner Eltern gewesen und der Hof dort oben gehört immer noch mir. Es ist sehr einsam dort und ich denke, wir könnten den Knaben dort großziehen, ohne dass die Außenwelt es mit bekommt. Aber jetzt muss ich alles für die Abfahrt vorbereiten und du solltest einen Moment versuchen zu ruhen.”
   Sie schickte sich an, den Raum zu verlassen aber Ninon hielt sie zurück „Wie komme ich ungesehen dort hin?”, fragte sie. Sie hatte nicht die geringste Lust sich in den Bergen herumzutreiben, bis dieser Knabe erwachsen sein würde, aber vorläufig mussten wohl einige Vorkehrungen für ihrer beider Sicherheit getroffen werden und da war es sicherlich nicht das Dümmste, für eine Weile von der Bildfläche zu verschwinden. Dann konnte man weiter sehen. Berthe drehte sich zu ihr um:


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