Volle Taschen - leere Taschen

[Harald]

Volle Taschen - leere Taschen

Er kommt ungewaschen
mit Schritten, ganz raschen,
sammelt Plastikflaschen
in Supermarkttaschen.
Hinterm Zaun aus Maschen
sucht er mehr zu erhaschen.

Ich denk: Arme Sau,
ich weiß ganz genau
nachher bist Du blau -

und liegst ungewaschen
unter Plastiktaschen.
Suchst im Traum zu erhaschen

den Sinn des Lebens -
vergebens ...
_______________

[Eredor]

Hi Harald,

was mir vor allem an deinem Gedicht gefällt, sind die Reime und die unverblümte Ausdrucksweise, die genau da hineinpasst.

Aber ich habe ja Probleme mit dem Verstehen von den meisten lyrischen Texten...
Sagt dieses Gedicht mehr aus, als dass, salopp gesagt, Penner, die saufen, keine Zukunft haben?

Oder willst du sagen, dass das Leben keinen Sinn hat und nur die eine Routine ist, die sich immer und immer wieder wiederholt?

Ach, ich bin lieber still, bevor ich zu sehr abschweife

Du hast allerdings zweimal das Wort "erhaschen" benutzt. Vielleicht findest du da etwas anderes, denn das klingt nicht so gut.. zweimal derselbe Reim

Ansonsten: Tolles Gedicht!

lg Dennis

[Harald]

Das Gedicht ist eigentlich eine Wortspielerei, der Versuch, mit möglichst vielen gleichen Endungen in kurzen, knappen Sätzen den Leser zu fesseln - und auf diese Weise mir wichtige Aussagen an die Frau / den Mann zu bringen.

Wie schnell jemand zum  " Penner " wird habe ich bei einem ehemaligen Musikerkollegen gesehen:

Elternlos bei einem Onkel aufgewachsen, geheiratet, guter Job, mit Frau und Sohn im Zweifamilienhaus mit den Schwiegereltern gewohnt, und dann - Schwiegervater starb, Sohn heiratete und zog aus, Frau war schwer krank, er musste sie pflegen und dafür den Job aufgeben, sie starb, Schwiegermutter musste gepflegt werden, starb auch - das alles über einen Zeitraum von drei Jahren. In der Zwischenzeit hatte er zu trinken angefangen, flog aus der Kapelle und war plötzlich allein zu Haus.

Als es geldlich nicht mehr ging verkaufte der Sohn das Haus mit lebenslangem Einsitz des Vaters - und dort sitzt er nun und säuft sich die Sch ... Welt schön. Ende vohersehbar aber noch offen.

Solche Schicksale hatte ich beim Schreiben vor Augen

LG

Harald

[Eredor]

Dann ist es sehr interessant, dass sich da noch mehr hineininterpretieren lässt. Auf jeden Fall ist dir das "Fesseln" wunderbar gelungen

lg Dennis

[Walküre]

Ja, auch mich fesselt Dein Text, lieber Harald. Abgesehen von den perfekten Reimen, Metrik und Klang, rührt dieses Gedicht den Leser/die Leserin bis in den innersten Winkel des Herzens.

Es sind traurige Texte, die Du schreibst, aber sie enthalten so ungeheuer viel Lebensweisheit, dass man eine Gänsehaut bekommt. Und keiner soll denken, ihm könnte das nicht passieren. Niemand ist gefeit vor der Willkür des Schicksals. Wenn es ihm beliebt, schlägt es zu, hart und grausam, kennt weder Gnade noch Erbarmen.  

Ich sehe den Protagonisten förmlich vor mir, so bildreich hast Du ihn beschrieben, und werde eingehüllt von Mitleid und dem Gefühl der Hilflosigkeit.

Es grüßt eine bedrückte
Walküre

[Harald]

Nun ja, das waren mal Ausflüge in ernstere Themen, normalerweise bevorzuge ich den althergebrachten Humor à la Heinz Erhardt.

Bin dann mal kurz weg

LG

Harald