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Das Glück...


 
 
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Maestro
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 67
Beiträge: 337



Beitrag15.03.2012 16:05
Das Glück...
von Maestro
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Mahlzeit zusammen,

Nachdem ich ja nun viele sehr konstruktive und anregende Kommentare zu
http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=34024&start=0&postdays=0&postorder=asc&highlight=  und
http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=34118&start=0&postdays=0&postorder=asc&highlight=

bekommen habe, (weitere Kritik willkommen!) und nun eine ganze Menge Arbeit vor mir liegt, möchte ich euch schon mal ein weitere KG von mit vorstellen. Keine Angst, ist ganz kurz (nicht mal 1000 Worte) und heißt:

Das Glück wohnt gegenüber

Wie  jeden Morgen hastet der Hausherr durch das kleine Tor zum Vorgarten Richtung Garage. Jenes kleine Tor, das nun so gar nichts Besonderes an sich hat. Für mich aber ist es von großer Bedeutung.
Es ist Punkt sieben Uhr vierzig. In der Hand hält er einen Stoffbeutel, in dem sich – so vermute ich – sein Frühstück befindet. Er steigt in seinen schwarzen Kombi, und braust davon. Weit kann der Weg zur Arbeit nicht sein. Was ist er wohl von Beruf? Jedenfalls muss er gut verdienen, wenn er sich so ein Auto und so ein Haus leisten kann. Jetzt öffnet seine Frau die Haustür und sieht um die Ecke Richtung Auffahrt. Das tut sie jeden Morgen, so als wolle sie sich überzeugen, dass er auch wirklich weggefahren ist. Wenn es nicht täglich das gleiche Ritual wäre, könnte man vermuten, er habe etwas vergessen  Um acht Uhr wird auch sie das Haus verlassen. Im Gegensatz zu ihm, schaut sie sich erst mal im Vorgarten um, so als wolle sie sich überzeugen, dass noch alles da sei. Dann tritt auch sie durch das Tor auf die Straße und geht davon. Sie wird um elf Uhr dreißig wieder zurück sein. Ich denke, sie hat irgendwo einen Minijob gefunden, und verdient etwas Geld nebenbei. Ich sitze an meinem Küchentisch und stelle mir vor, wie sie noch vor ihrem Mann aufsteht, Kaffee kocht, und das Frühstück bereitet  Und das schon seit vielen Jahren tagein, tagaus. Sie sind beide nicht mehr jung. Wahrscheinlich ebenso wie ich Mitte der fünfzig. Und genau das ist es, was die Faszination für mich ausmacht.
 Ich wohne auf der falschen Straßenseite. Ich könnte derjenige sein, der abends um siebzehn Uhr von der Arbeit heimkehrt. Im Gegensatz zum Hausherren, für den dies das normalste der Welt ist, wäre es für mich etwas ganz Besonderes dieses Gartentor zu öffnen, und zu denken, ich habe es geschafft. Dies alles gehört mir, und bringt allen Sicherheit. Ich brauche mir keine Gedanken über die Zukunft zu machen.
Stattdessen sitze ich in einer kleinen, etwas heruntergekommenen Mietwohnung, und weiß manchmal nicht, wovon ich nächsten Monat die Miete bezahlen soll. So ziemlich jeden Tag, überlege ich, warum das so ist. Was ist in meinem Leben schief gelaufen? So ziemlich alles!
Die erste Kurve, die ich nicht gemeistert habe, war der Tod meines Vaters. Er starb mit achtunddreißig Jahren, nach dreijähriger Krankheit an Leberzirrhose. Ich war fünfzehn.
Das Folgende war ein Leben im Abseits. Der Wille alles besser zu machen war da, aber Alkohol, Dummheit und eine schier unglaubliche Naivität machten mein Leben zu einer Achterbahnfahrt, immer mit der Gefahr endgültig aus der Kurve zu fliegen, und dem krampfhaftem Klammern, in der Spur zu bleiben.
Die Familie hat zwei Töchter; beide blond und fast im gleichen Alter. Beide sind verheiratet und haben ihrerseits jeweils eine blonde Tochter. Und sie fahren einen schwarzen Kombi derselben deutschen Nobelmarke wie ihr Vater, obwohl ihre Männer erst um die dreißig sind. Das ist schon fast unheimlich. Offensichtlich leben sie ihr Leben nach einem ganz genau festgelegten Plan.
Eine Tochter ist mir einmal begegnet, als ich vom Einkaufen zurück kam. Sie hat mich sehr freundlich gegrüßt, und dabei sogar gelächelt. Keine Spur von Arroganz; obwohl sie es sich hätte leisten können, denn sie musste wissen wer ich bin. Immerhin wohne ich schon dreizehn Jahre gegenüber. Ich bin derjenige, der früher stets gegen achtzehn Uhr mit einer Tasche in der leere Flaschen klimperten auf die Straße trat, und kurz darauf mit einer viel schwereren Tasche zurück kam. Manchmal hielt ich es nicht aus, und nahm schon auf der Straße einen Schluck aus dem Flachmann. Immer taumelte ich beim Gehen hin und her, als ob ich volltrunken sei. Das lag daran, dass meine Beine mir nicht mehr gehorchen wollten. Der Alkohol hatte schon mein Gehirn angefressen. Ich ging stets auf °meiner“ Straßenseite, und war immer froh, wenn mir niemand begegnete.
Heute gehe ich extra an diesem Tor, welches mich so fasziniert vorbei, und hoffe, dass mir einmal der Vater oder die Mutter begegnen. Ich möchte unbedingt wissen, ob sie mich ebenso freundlich grüßen, oder ob sie mich einfach ignorieren.
Zwar gehe ich heute nicht mehr abends zum Kiosk, denn ich trinke nicht mehr. Aber ich bin immer noch derjenige, der hinter dem ungeputzten Fenster mit den vom Zigarettenrauch braun gefärbten Gardinen sitzt. Das wissen sie.
Am Wochenende kommt offensichtlich sehr häufig die ganze Familie zusammen, meist hier bei den Eltern. Sehr groß ist jedes Mal die Freude, die Enkelkinder zu sehen. Und auch den Kleinen scheint es offensichtlich Freude zu bereiten. Sie mögen jetzt circa vier Jahre alt sein. Als ich einmal vom Einkaufen zurück kam, konnte ich durch das geöffnete Garagentor einen Blick in den Garten hinter dem Haus werfen. Auf dem Rasen konnte ich eine Schaukel und einen aufblasbaren Pool für Kinder entdecken. Die Töchter bringen abwechselnd Kuchentabletts und Salatschüsseln mit. Ich stelle mir vor, wie die ganze Familie am großen Gartentisch sitzt, Kuchen verzehrt und die Kleinen im Pool herumtoben. Wie gerne wäre ich jetzt dabei!  Auch wenn es nicht mein Garten ist. Manchmal träume ich, es wäre so. Ich vergesse die Realität um mich herum. „Geduld“, sagt mein schönes Spiegelbild. „Du bist auf einem guten Weg. Nur noch etwas Geduld. ° Wie lange noch frage ich mich. Ich warte doch schon so lange, fast vierzig Jahre. Und hier springt mich mein hässliches Spiegelbild an. „Es ist zu spät, viel zu spät! Nichts wirst du mehr erreichen. Keine Kinder, keine Enkel, kein Haus, ja nicht mal mehr ein Auto. Zu spät!“ Ich weiß genau, wer recht hat. Ich möchte ja auch nur hinüber gehen, um zu reden. Alle beglückwünschen zu der kleinen Welt, die sie sich geschaffen haben, und in der alle glücklich sein können. Nein, ich bin nicht neidisch. Ich möchte nur einmal durch dieses kleine Tor gehen und diese große Barriere, die es für mich darstellt einreißen. Das würde mir genügen.
Meine Frau sieht in mein nachdenkliches Gesicht. „Mit dir kann man nicht glücklich sein“ sagt sie.  

Ich hoffe, auch hier eine rege Resonanz zu bekommen
(vielleicht mit etwas weniger Arbeit für mich)


Noch einen schönen Frühlingstag wünscht allen

Maestro



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Psychosus
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 34
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Beitrag15.03.2012 19:26
Re: Das Glück...
von Psychosus
Antworten mit Zitat

Hey Maestro,

ich kann auf jeden Fall gut nachvollziehen, dass der Protagonist kaputt ist. Jemand der sich irgendwie was besseres erwartet hat und es nicht mehr schafft sich auf sein eigenes Leben zu konzentrieren, stattdessen in Fantasien lebt, der Vergangenheit die Schuld gibt. Er ist noch in der Lage zu staunen und erlebt vielleicht durch die Beobachtung der Familie gegenüber so etwas wie eine wehmütige Freude, eine Sehnsucht nach einem Wunder das sein Leben ändert: dass er noch staunen kann, gibt dem Text eine helle Seite, sodass ich mich zumindest nicht über das wenig originelle Thema geärgert hab; sowas finde ich klasse, wenn man aus alten Themen (und was anderes gibts ja gar nicht mehr..?) durch einen kleinen, aber eleganten Handgriff (das Staunen) noch etwas ziehen kann. Also psychologisch interessant!

Grüße


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Rheinsberg
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Beitrag16.03.2012 13:30

von Rheinsberg
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Erster Eindruck: gefällt mir, gern gelesen.
Wenn ich suchen gehe, was man vielleicht verbessern könnte: Der Anfang. Der erste Absatz und der erste Satz des zweiten ließen sich vielleicht geschickter zusammenfassen.

Dazu kommt, dass ich im Laufe des Texts beim zweiten Lesen eine ganze Reihe von Füllwörtern bemerke, da wäre eine Überarbeitung auch noch möglich.

Das ist aber in meinen Augen alles.


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Maestro
Geschlecht:männlichEselsohr

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Beiträge: 337



Beitrag16.03.2012 15:14

von Maestro
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@Psychosus  Solches aus dem berufenen Munde eines Studiosus macht mich schier sprachlos. Hoffentlich hält das nicht lange an.
Habe da noch eine KG, die deine Interpretation 100%ig unterstützen wird.
Interessiert?

@ Rheinsberg  Bin mir nicht sicher, ob ich da was ändern soll. Muss noch mal drüber nachdenken.

Vielen Dank nochmals, freue mich sehr über eure Meinungen

Schönes sonniges Wochenende

Maestro[/img]


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Nathaniel
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Beitrag17.03.2012 21:41

von Nathaniel
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Hi Maestro,

um es kurz zu machen: Ich mag deine Texte, besonders die Metaphorik, die darin steckt.
Zitat:
Ich möchte nur einmal durch dieses kleine Tor gehen und diese große Barriere, die es für mich darstellt einreißen.

cooles Bild Wink, gefällt mir.

Allerdings solltest du dir deine Texte immer noch einmal auf fehlende Kommata (wie zum Beispiel auch in obigem Zitat) und Tippfehler durchschauen. Öfters steht statt einem " " " ein " ° ".


Nathaniel


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Wobei das -nebenbei bemerkt- mehr ist als ein Wort.
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Fjodor
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1485



Beitrag19.03.2012 11:51

von Fjodor
Antworten mit Zitat

Zitat:
Das tut sie jeden Morgen, so als wolle sie sich überzeugen, dass er auch wirklich weggefahren ist. Wenn es nicht täglich das gleiche Ritual wäre, könnte man vermuten, er habe etwas vergessen Um acht Uhr wird auch sie das Haus verlassen. Im Gegensatz zu ihm, schaut sie sich erst mal im Vorgarten um, so als wolle sie sich überzeugen, dass noch alles da sei.


da ist zweimal die gleiche Wendung "als wolle sie sich überzeugen" -  Vorschlag: einmal: "wie um sich zu vergewissern"

Und korrekter ist: "sich  d a v o n überzeugen, dass"

Inhaltlich verführt der Text durchaus konstruktiv zum Nachdenken darüber, wie aus menschlichem Nebeneinander ein Miteinander werden könnte.

LG, Fjodor
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