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Von Angst und Moral


 
 
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MT
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Beitrag06.03.2012 19:01
Von Angst und Moral
von MT
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Der Beginn einer neuen Idee. Was hält die Schreibergemeinde davon?



Von Angst und Moral


Ich lernte Matthias Paulsen im März 2012 kennen. Zu jener Zeit befand sich Deutschland in einer bundespräsidentenlosen Phase, es hatte sich eine Glocke der nationalen Empörung übers Land gestülpt wegen des soeben aus dem Amt geschiedenen Christian Wulffs, eines Christdemokraten, der bei Amtsantritt vor gerade einmal zwanzig Monaten sein Parteibuch, wie es die Verfassung verlangte, beiseite gelegt hatte und fortan für alle da war. Die Meinungen über ihn waren schon immer weit auseinander gegangen. Die einen sahen in ihm, dem Juristen mit mäßigen Abschlüssen, nichts weiter als einen Emporkömmling aus dem Osnabrücker Sumpf. Andere, vor allem ältere Frauen, wünschten sich ihn als Schwiegersohn, weil er mit dem immer gleichen, zur Seite gekämmten dichten hellbraunen Scheitel und der rahmenlosen Brille die Personifizierung schwiegermütterliche Wünsche in Hellblau und Pink zugleich war.
Der ganze Aufschrei hatte zum Ende des vorangegangenen Jahres seinen Anfang genommen. Man warf dem Präsidenten Vorteilsnahme zu Zeiten, als er noch niedersächsischer Ministerpräsident war, vor. Er, der Mann aus armen Verhältnissen, der Sohn ohne Vater und der Bruder mit auf die schiefe Bahn gekommener Schwester, genoss Urlaube auf der Insel Sylt, die ihm wohlhabende Unternehmerfreunde spendiert haben sollten. Er, der Junge aus der Mietwohnung, einer von uns sozusagen, der jetzt ein Reihenhaus besaß, für das er sich eine halbe Million Euro von Freunden geliehen hatte. Er, der Ausnahmeakademiker aus Arbeiterverhältnissen, der sich unter die Schönen und Reichen des Landes mischte und nicht zierte, mit ihnen die bunten Blätter des Boulevards zu füllen. Immer mit einem zurückhaltenden Lächeln auf den Lippen, mit einem Gesichtsausdruck postmoderner Frömmigkeit. Ein Punker in Abendgarderobe, die Reinkarnation des Wolfs im Schafspelz. Ihm traute man alles zu, und inzwischen war es nicht mehr viel Gutes. Und so wunderte es niemanden, dass seine Frau Bettina, eine hochgewachsene Siebenunddreißigjährige mit selbstbewusstem Funkeln in den Augen und langer blonder Mähne, ein Tattoo auf dem rechten Oberarm trug. Ein Tattoo, das einen weiteren Keil in die Gesellschaft trieb. Eine First Lady mit Tätowierung? Die Frau des Bundespräsidenten mit Körperschmuck wie ein durchgeknallter Teenager? Nein, das konnte nicht sein, nicht hier in unserem Land. So etwas gehörte sich nicht. Und so etwas gehörte sich auch nicht für den höchsten Amtsträger im Staate. Erst forderten ein paar, kurze Zeit später einige Viele und schließlich die große Mehrheit seinen Rücktritt. Wulff aber blieb standhaft, sprach von großem Rückhalt in der Bevölkerung und Vertrauen, das er nicht zerstören wolle. Inzwischen wandten sich erste Christdemokraten von ihrem einstigen Vorzeigeparteifreund ab, und als im Februar 2012 seine Immunität aufgehoben werden sollte, um den Weg für eine Anklage frei zu machen, da stellte sich das Opfer der Medien, das Opfer einer beispiellosen Hetzkampagne, wie er es nannte, das Opfer eigener, unerfüllter Sehnsüchte, wie es Kommentatoren der Zeitungen nannten, vor die Kameras und legte, wie er sagte, sein Amt aus politischen Gründen nieder.
Durchatmen konnte das gebeutelte Volk nicht, fehlte es doch dem Land an geeigneten Neukandidaten. Außerdem nahm sich der scheidende Präsident heraus, das für sich zu beanspruchen, was ihm nach dem Gesetz rechtmäßig zustand: einen Ehrensold von rund zweihunderttausend Euro im Jahr, dazu einen Dienstwagen mit Chauffeur, ein Arbeitszimmer und Personenschutz auf Lebenszeit. Die Nation schrie auf, und in dieser Situation blanken und allgegenwärtigen Entsetzens, in dieser Situation des kollektiven Kopfschüttelns und wütender Ohnmacht, die so laut gebrüllt wurde, wie Ohnmacht immer laut gebrüllt wird, wenn Neid und Missgunst ihre Samen sind, rief Matthias Paulsen in meiner Kanzlei an und ließ sich einen Termin geben. Über meine Mitarbeiterin richtete er aus, er benötige Zeit, mehr Zeit als ich vermutlich für durchschnittliche Fälle ansetzen würde, denn bei seinem Fall handele es sich um eine besondere Delikatesse, so hatte er sich ausgedrückt: eine besondere Delikatesse, und so stand es jetzt in meinem Kalender.
Es war mir zur Gewohnheit geworden, die Namen meiner Mandanten vor einem ersten Gespräch im Internet zu überprüfen, ich wollte vorbereitet sein, vor allem auf Delikatessen, von denen die meisten meiner Kunden glaubten, sie würden sie mir präsentieren und ich, eine Hure der Nation, wie mein Vater über Anwälte einst gesagt hatte, würde darauf brennen, die Sache zu übernehmen. Ich wollte vorbereitet sein, um rechtzeitig abbrechen und das Mandatsverhältnis ablehnen zu können. Und so hatte ich schnell einen Überblick über jenen Mann gewonnen, der nebenan im Wartezimmer saß und der in weniger als fünfzehn Minuten drei Tassen Kaffee getrunken hatte, was mir meine Sekretärin mit groß aufgerissen Augen steckte.
Matthias Paulsen war kein unbeschriebenes Blatt, aber nicht im negativen Sinn. Er war seit vielen Jahren Richter an einem Strafgericht im südlichen Bayern. Die Gene des Juristen lagen ihm im Blut, sein Vater war Staatssekretär im Reichsjustizministerium gewesen. Ihn hatte man im Dezember 1947 während der Nürnberger Prozesse zu lebenslanger Haft verurteilt, zehn Jahre später aber begnadigt. 1960 starb er an Krebs, da war der kleine Matthias  gerade drei Monate alt.
Matthias Paulsen galt gemeinhin als Vorzeigejurist. Er hatte – offenbar um jedem Anschein einer affinen Bindung an die Überzeugungen des Vaters von Anbeginn den Garaus zu machen – nicht irgendwo Rechtswissenschaften studiert, sondern im rot getünchten Bremen, war in Rekordzeit und mit Prädikat durchs erste Examen gekommen und nach Referendariat und zweitem Examen (das er als Jahrgangsbester abschloss) in den Richterdienst des Landes Bayern eingetreten. Viele hatten ihm, dem hochgewachsenen jungen Mann mit dunklen Haaren und asketischem Äußeren, eine glanzvolle Karriere vorausgesagt, was für bayerische Verhältnisse bei einem Absolventen der Bremer Universität gewiss keine Selbstverständlichkeit war. Doch Matthias Paulsen, für den die Konflikte der Jugendlichen mit dem Strafrecht schon im Studium einen Schwerpunkt gebildet hatten, besann sich auf seine Stelle als Jugendstrafrichter, die er bis heute bekleidete. Auf Stellen an Land- und Oberlandesgericht bewarb er sich nicht, und als man ihm einen Posten als Ministerialrat im bayerischen Justizministerium anbot, lehnte er ab; vielleicht wog ihm die Erinnerung an seinen Vater zu schwer.

(...)

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Nathaniel
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Beitrag06.03.2012 22:50

von Nathaniel
Antworten mit Zitat

Hallo inkognito,

um ehrlich zu sein, meine erste Reaktion auf deinen Text war "Och nö, nicht schon wieder der...". Ich weiß nicht, wie viele andere noch so denken, aber durch die ganze Affäre um Wulff hängt einem das Thema langsam zum Hals raus. Das sollte man meiner Meinung nach erst einmal ruhen lassen. Aufgeregt hat es in letzter Zeit zu sehr. Nur so als kleine Warnung und ohne eine politische Debatte starten zu wollen...
Ich würde es zumindest nicht an den Anfang stellen, das schreckt ab.
Lass ein bisschen Zeit verstreichen, nutze es dann als direkten Bezug zu Matthias Paulsen (sonst sehe ich keinen Sinn in dieser Umschreibung), je nach dem, was du mit dieser Figur noch alles vor hast.

Ansonsten ist die Konstellation Richter besucht Anwalt in Kombination mit dem Titel interessant, ich wäre gespannt, was man daraus alles entwickeln könnte.


Nathaniel


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gold
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Beitrag06.03.2012 22:54
Re: Von Angst und Moral
von gold
Antworten mit Zitat

hallo Incognito,

deine beschreibung von Wulff hat mich sehr amüsiert. Du könntest den Bogen noch weiterspannen, das wäre noch amüsanter!  Wink


 PAndere, vor allem ältere Frauen, wünschten sich ihn als Schwiegersohn, weil er mit dem immer gleichen, zur Seite gekämmten dichten hellbraunen Scheitel und der rahmenlosen Brille die Personifizierung schwiegermütterliche Wünsche in Hellblau und pink zugleich war.  (der Wulff´sche hellbraune Pelz!)

das finde ich- gelinde gesagt, nicht Gerlinde gesagt - klasse! Endlich drückt einer aus, was mir immer ein grummelndes Unbehagen auslöste!!!
hellblau und pink...

ja so ein braver Bubi, so treudeutsch teutonisch brav...so ohne Ecken und Kanten (obwohl sein Kopf eher einem Kasten gleicht)



[color=red]
[color=blue][/color]Ein Punker in Abendgarderobe, [/color]

ich finde der Punker in Abendgarderobe passt nicht unbedingt...als den kann ich ihn nicht sehen.

so etwas konnte nicht sein der Ausdruck ist m. E. zu platt.

Auf Stellen an Land- und Oberlandesgericht bewarb er sich nicht, und als man ihm einen Posten als Ministerialrat im bayerischen Justizministerium anbot, lehnte er ab; vielleicht wog ihm die Erinnerung an seinen Vater zu schwer.

das finde ich redundant.


vielleicht kannst du ja noch etwas vom Zapfenstreich mit ´reinbringen und Wulffs Wunsch von vier Liedern, anstatt von drei...

bin jedenfalls gespannt, wie es weiter geht!

LG Gold
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gold
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Beitrag06.03.2012 22:57

von gold
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sorry, das mit der Markierung der Zitate hat nicht so ganz geklappt. Sad

Aber du weißt ja, was von dir und was von mir stammt!

Lg Gold
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Rufina
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Beitrag07.03.2012 00:50

von Rufina
Antworten mit Zitat

Hallo Inko,

Nathaniel hat Folgendes geschrieben:

um ehrlich zu sein, meine erste Reaktion auf deinen Text war "Och nö, nicht schon wieder der...".

Leider dito ... ich mag es auch nicht mehr hören. Das ganze Ding war medial aufgeblasen bis zum Dorthinaus, eine Politschlammschlacht vom Feinsten, aber gut ...

Dadurch bedingt, hatte ich auch eigentlich keine große Lust mehr, mir die Nacherzählung der Ereignisse (erneut) komplett zu geben, habe es aber nichtsdestotrotz getan, weil du a) nichts für die Berichterstattung kannst und b) ich den Text gleichzeitig sehr ordentlich geschrieben finde, auch wenn er mich noch nicht wirklich nah an die Personen ranbringt, sondern es zunächst bei der Gegenüberstellung der Lebensläufe belässt.

Ich hoffe, der bis hierhin makellose, aalglatte und moralisch einwandfreie Matthias Paulssen wird seine Kanten noch bekommen. Ich werde weiterlesen, schon allein weil ich wissen will, ob er was angestellt hat, wenn ja was und ob hier letztlich der moralische Zeigefinger erhoben wird oder nicht.

Je nachdem, wann du vorhast, das zu veröffentlichen, kannst du ja mal darüber nachdenken, ob Wulffs Geschichte in den nächsten 2-3 Jahren in den Köpfen der Leute nicht so präsent sein wird, dass du da kürzen könntest.

Übrigens, nur aus Interesse, nicht als Kritik, woher kennst du Wulffs Examensnoten?

Viele Grüße
Rufina


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MT
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Beitrag07.03.2012 10:09

von MT
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Nathaniel hat Folgendes geschrieben:
um ehrlich zu sein, meine erste Reaktion auf deinen Text war "Och nö, nicht schon wieder der...". Ich weiß nicht, wie viele andere noch so denken, aber durch die ganze Affäre um Wulff hängt einem das Thema langsam zum Hals raus. Das sollte man meiner Meinung nach erst einmal ruhen lassen. Aufgeregt hat es in letzter Zeit zu sehr. Nur so als kleine Warnung und ohne eine politische Debatte starten zu wollen...
Ich würde es zumindest nicht an den Anfang stellen, das schreckt ab.
Lass ein bisschen Zeit verstreichen, nutze es dann als direkten Bezug zu Matthias Paulsen (sonst sehe ich keinen Sinn in dieser Umschreibung), je nach dem, was du mit dieser Figur noch alles vor hast.

Hi Nathaniel,

Du hast sicher Recht, gegenwärtig nervt das Thema. Doch ich beabsichtige, den Text als Roman in - vielleicht 1,5 bis 2 Jahren einer Agentur anzubieten. Dann wird das Thema wieder "erzählbar" sein. Im Übrigen soll es als eine Art gesellschaftlicher Überbau dienen, nicht als Hauptstrang. Ich brauche das gesellschaftliche Werteverständnis für eine (sehr) persönliche Problematik und Liebe meines Protagonisten Paulsen.

Nathaniel hat Folgendes geschrieben:
Ansonsten ist die Konstellation Richter besucht Anwalt in Kombination mit dem Titel interessant, ich wäre gespannt, was man daraus alles entwickeln könnte.

Viel. Cool

Ich danke Dir fürs Lesen und Kommentieren.

I.


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MT
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Beitrag07.03.2012 10:12
Re: Von Angst und Moral
von MT
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gold hat Folgendes geschrieben:
hallo Incognito,

deine beschreibung von Wulff hat mich sehr amüsiert. Du könntest den Bogen noch weiterspannen, das wäre noch amüsanter!  Wink


 PAndere, vor allem ältere Frauen, wünschten sich ihn als Schwiegersohn, weil er mit dem immer gleichen, zur Seite gekämmten dichten hellbraunen Scheitel und der rahmenlosen Brille die Personifizierung schwiegermütterliche Wünsche in Hellblau und pink zugleich war.  (der Wulff´sche hellbraune Pelz!)

das finde ich- gelinde gesagt, nicht Gerlinde gesagt - klasse! Endlich drückt einer aus, was mir immer ein grummelndes Unbehagen auslöste!!!
hellblau und pink...

ja so ein braver Bubi, so treudeutsch teutonisch brav...so ohne Ecken und Kanten (obwohl sein Kopf eher einem Kasten gleicht)



[color=red]
[color=blue][/color]Ein Punker in Abendgarderobe, [/color]

ich finde der Punker in Abendgarderobe passt nicht unbedingt...als den kann ich ihn nicht sehen.

so etwas konnte nicht sein der Ausdruck ist m. E. zu platt.

Auf Stellen an Land- und Oberlandesgericht bewarb er sich nicht, und als man ihm einen Posten als Ministerialrat im bayerischen Justizministerium anbot, lehnte er ab; vielleicht wog ihm die Erinnerung an seinen Vater zu schwer.

das finde ich redundant.


vielleicht kannst du ja noch etwas vom Zapfenstreich mit ´reinbringen und Wulffs Wunsch von vier Liedern, anstatt von drei...

bin jedenfalls gespannt, wie es weiter geht!

LG Gold

Hi Gold,

herzlichen Dank auch an Dich! Ob manches zu platt ist oder anderes zu bildverzerrt oder redundant, kann ich zur Zeit noch nicht sagen. Das hängt davon ab, wie ich weitermache, und das ist in den Details noch nicht sicher.

Und der Zapfenstreich kommt (natürlich!) noch mit rein. Und Guttenberg auch und noch manches Andere...

Danke!

I.


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Siegfried Lenz
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Beitrag07.03.2012 10:16

von MT
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Rufina hat Folgendes geschrieben:
Hallo Inko,

Nathaniel hat Folgendes geschrieben:

um ehrlich zu sein, meine erste Reaktion auf deinen Text war "Och nö, nicht schon wieder der...".

Leider dito ... ich mag es auch nicht mehr hören. Das ganze Ding war medial aufgeblasen bis zum Dorthinaus, eine Politschlammschlacht vom Feinsten, aber gut ...

Dadurch bedingt, hatte ich auch eigentlich keine große Lust mehr, mir die Nacherzählung der Ereignisse (erneut) komplett zu geben, habe es aber nichtsdestotrotz getan, weil du a) nichts für die Berichterstattung kannst und b) ich den Text gleichzeitig sehr ordentlich geschrieben finde, auch wenn er mich noch nicht wirklich nah an die Personen ranbringt, sondern es zunächst bei der Gegenüberstellung der Lebensläufe belässt.

Ich hoffe, der bis hierhin makellose, aalglatte und moralisch einwandfreie Matthias Paulssen wird seine Kanten noch bekommen. Ich werde weiterlesen, schon allein weil ich wissen will, ob er was angestellt hat, wenn ja was und ob hier letztlich der moralische Zeigefinger erhoben wird oder nicht.

Je nachdem, wann du vorhast, das zu veröffentlichen, kannst du ja mal darüber nachdenken, ob Wulffs Geschichte in den nächsten 2-3 Jahren in den Köpfen der Leute nicht so präsent sein wird, dass du da kürzen könntest.

Übrigens, nur aus Interesse, nicht als Kritik, woher kennst du Wulffs Examensnoten?

Viele Grüße
Rufina

Hi, Rufina,

Paulsen wird keineswegs makellos bleiben, richtig. Darin liegt aus meiner Sicht der Reiz.

Wulffs Noten kenne ich nicht im einzelnen, ich weiß aber, dass er keine Glanzleistungen vollbracht hat. Ein Freund von mir hat zusammen mit ihm in Osnabrück Jura studiert.

Vielen, lieben Dank auch an Dich.

I.


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Siegfried Lenz
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lady-in-black
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Beitrag07.03.2012 11:02

von lady-in-black
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Moin Inko ... (ich hab da so eine Ahnung  Razz )

du schreibst aus der Ich-Perspektive. Und genau das ist der Punkt, der mich bei der Schilderung der Wulff-Ereignisse stört. Denn damit überträgst du (gewollt oder ungewollt?) indirekt deine Meinung auf den Leser. Worte wie "Aufschrei" oder "wie Ohnmacht immer laut gebrüllt wird, wenn Neid und Missgunst ihre Samen sind" sind m.E. ein klares Statement, wie du persönlich zu der Sache stehst.

Ich lese prinzipiell nie die Blöd-Zeitung, war auch eine Zeit lang politisch aktiv. Daher sehe ich vor allem ein unnötiges, "wider besseren Wissens-Verhalten" bei Herrn Wulff ... und fühle mich daher gleich zu Beginn des Textes unangenehm vom Autoren in seine einzige Schublade "Neid und Missgunst" gesteckt.

Mein Tipp: Lass dich z.B. lieber gerade am Schreibtisch einen Artikel in der Zeitung lesen, der über die Ereignisse in Form einer Rückblende berichtet. Der darf dann gerne überzogen bzw. einseitig wertend sein, weil man von den Medien ohnehin nichts anderes erwartet.
Und dann kommt deine Mitarbeiterin und berichtet dir von Paulsens Anruf.

An der Geschichte von Paulsen bin ich definitiv interessiert, möchte sie aber losgelöst von deiner persönlichen Einstellung zur Wulff-Affäre lesen, um nicht das Gefühl zu bekommen, hier wedelt gleichzeitig (d)ein moralischer Zeigefinger vor meinen Augen ...  Wink
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MT
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Beitrag07.03.2012 11:33

von MT
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lady-in-black hat Folgendes geschrieben:
Moin Inko ... (ich hab da so eine Ahnung  Razz )

du schreibst aus der Ich-Perspektive. Und genau das ist der Punkt, der mich bei der Schilderung der Wulff-Ereignisse stört. Denn damit überträgst du (gewollt oder ungewollt?) indirekt deine Meinung auf den Leser. Worte wie "Aufschrei" oder "wie Ohnmacht immer laut gebrüllt wird, wenn Neid und Missgunst ihre Samen sind" sind m.E. ein klares Statement, wie du persönlich zu der Sache stehst.

Ich lese prinzipiell nie die Blöd-Zeitung, war auch eine Zeit lang politisch aktiv. Daher sehe ich vor allem ein unnötiges, "wider besseren Wissens-Verhalten" bei Herrn Wulff ... und fühle mich daher gleich zu Beginn des Textes unangenehm vom Autoren in seine einzige Schublade "Neid und Missgunst" gesteckt.

Mein Tipp: Lass dich z.B. lieber gerade am Schreibtisch einen Artikel in der Zeitung lesen, der über die Ereignisse in Form einer Rückblende berichtet. Der darf dann gerne überzogen bzw. einseitig wertend sein, weil man von den Medien ohnehin nichts anderes erwartet.
Und dann kommt deine Mitarbeiterin und berichtet dir von Paulsens Anruf.

An der Geschichte von Paulsen bin ich definitiv interessiert, möchte sie aber losgelöst von deiner persönlichen Einstellung zur Wulff-Affäre lesen, um nicht das Gefühl zu bekommen, hier wedelt gleichzeitig (d)ein moralischer Zeigefinger vor meinen Augen ...  Wink

Ahnung? Kann nicht sein.  Rolling Eyes

Ich muss Dir widersprechen, liebe Lady. Die Aussagen geben nicht die Ansichten des Autor wieder; was man m. E. auch erkennen kann, bei genauerer Sicht. Der Ich-Erzähler (noch ohne Namen) resümiert die gegenwärtige Stimmung im Land, legt sie - für sich, aber auch allgemeingültig - fest. Er reflektiert den (großen gesellschaftlichen) Rahmen (noch kommenden) individuellen Handlung. Meine (künftige) Absicht: Den gesellschaftlichen Überbau mit der individuellen Handlung zu koppeln und dadurch ein alltägliches Beispiel für (falsche?) Moralvorstellungen zu liefern.

Für mich ist der Zeigefinger derjenige, den sich der Leser selbst entgegenhält (oder entgegenhalten lässt). Die Frage ist doch: Warum fühlst Du Dich direkt angesprochen von diesem Zeigefinger. Und: Wie ist das Wechselspiel von Moral zum eigenen Werteverständnis? Haben wir Angst, unmoralisch zu sein (oder bei anderen so anzukommen), wenn wir die gewisse Scheinheiligkeit der Diskussion um Wulff offen aussprechen?

Ist es, wenn wir ehrlich sind, nicht so, dass uns allen bei diesem Thema irgendwie wohl und unwohl zugleich ist?

Ich danke von Herzen für Deine kritischen Hinweise.

I.


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Siegfried Lenz
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S
Beitrag07.03.2012 11:35

von sinner
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Inkognito hat Folgendes geschrieben:


Du hast sicher Recht, gegenwärtig nervt das Thema. Doch ich beabsichtige, den Text als Roman in - vielleicht 1,5 bis 2 Jahren einer Agentur anzubieten. Dann wird das Thema wieder "erzählbar" sein. Im Übrigen soll es als eine Art gesellschaftlicher Überbau dienen, nicht als Hauptstrang. Ich brauche das gesellschaftliche Werteverständnis für eine (sehr) persönliche Problematik und Liebe meines Protagonisten Paulsen.



Ich glaube nicht, dass dieses Thema in zwei, drei Jahren noch irgendjemanden interessiert.
Denn seien wir uns doch ehrlich: Was ist denn großartiges passiert?
Ein Politiker hat Geld angenommen.
Etwas das schon immer so gewesen ist, so ist und auch in Zukunft so sein wird.

Das Thema Wulff ist einfach viel zu marginal. Sowohl seine Person als auch seine "Vergehen".

Es ist schlicht und einfach nicht "erzählenswert".

Schreib einen anderen Roman bzw. schreib den Roman anders.
Ohne Wulff.
Na ja, in zwei, drei Absätzen könnte man ihn vielleicht erwähnen ... aber er taugt weder als Basis noch als Überbau.
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MT
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Beitrag07.03.2012 11:55

von MT
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sinner hat Folgendes geschrieben:
Ich glaube nicht, dass dieses Thema in zwei, drei Jahren noch irgendjemanden interessiert.
Denn seien wir uns doch ehrlich: Was ist denn großartiges passiert?
Ein Politiker hat Geld angenommen.
Etwas das schon immer so gewesen ist, so ist und auch in Zukunft so sein wird.

Das Thema Wulff ist einfach viel zu marginal. Sowohl seine Person als auch seine "Vergehen".

Es ist schlicht und einfach nicht "erzählenswert".

Hi Sinner,

besten Dank für Dein Statement. Du hast Recht, wenn Du von "marginal" sprichst. Umso interessanter ist es, dass eine ganze Nation sich streitet, ob hier nun moralisch verwerfliches Verhalten vorliegt oder nicht. DAS ist aus meiner Sicht das eigentlich Unglaubliche an der Sache: Alle sind erbost, diskutieren leidenschaftlich und erheben sich dabei zu Moralaposteln - und das wegen einer Marginalie. Das gibt aus meiner Sicht eine ganz bestimmte Stimmung, eine Grundhaltung im Land wieder - Verlogenheit.

Bill Clinton hat sich im Amt einen blasen lassen und die Nation stand Kopf. Schau mal, was Philip Roth daraus gemacht hat...

Die Causa Wulff ist nicht erzählenswert, da stimme ich Dir zu. Will ich aber auch gar nicht erzählen (und werde ich auch nicht...).

Merci!
I.


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Beitrag07.03.2012 12:47

von lady-in-black
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Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Für mich ist der Zeigefinger derjenige, den sich der Leser selbst entgegenhält (oder entgegenhalten lässt). Die Frage ist doch: Warum fühlst Du Dich direkt angesprochen von diesem Zeigefinger. Und: Wie ist das Wechselspiel von Moral zum eigenen Werteverständnis? Haben wir Angst, unmoralisch zu sein (oder bei anderen so anzukommen), wenn wir die gewisse Scheinheiligkeit der Diskussion um Wulff offen aussprechen?



Ich benenne mich mal kurz um in Advocatus Diaboli:

Ist es überhaupt relevant, ob ich mich nun von (m)einem oder (d)einem Zeigefinger angesprochen fühle?
Zählt nicht vielmehr einzig und allein die Tatsache, dass ich nur einem Inko zuliebe, d.h. allein aufgrund meiner Vermutung über seine Identität und der damit verbundenen Einschätzung, worauf er vermutlich hinaus will, weitergelesen habe?!  Wink

Ich halte Wulff nämlich für kein geeignetes Beispiel. Meiner Meinung nach brauchst du ihn erst recht nicht als eine Art "erklärender Einleitung" für den vermeintlichen Zustand einer ganzen Nation.

Wenn du deine Geschichte von Paulsen gut schreibst, erkennt der Leser das ohne Wulff vermutlich sogar viel besser.  Wink


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- Ich würde mich gerne geistig mit Dir duellieren ... aber ich sehe Du bist leider unbewaffnet.
- Nein, Stil ist nicht das Ende vom Besen.
- Ich spreche fließend ironisch, auch im sarkastischen Dialekt.
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Beitrag07.03.2012 13:34

von MT
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lady-in-black hat Folgendes geschrieben:
Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Für mich ist der Zeigefinger derjenige, den sich der Leser selbst entgegenhält (oder entgegenhalten lässt). Die Frage ist doch: Warum fühlst Du Dich direkt angesprochen von diesem Zeigefinger. Und: Wie ist das Wechselspiel von Moral zum eigenen Werteverständnis? Haben wir Angst, unmoralisch zu sein (oder bei anderen so anzukommen), wenn wir die gewisse Scheinheiligkeit der Diskussion um Wulff offen aussprechen?



Ich benenne mich mal kurz um in Advocatus Diaboli:

Ist es überhaupt relevant, ob ich mich nun von (m)einem oder (d)einem Zeigefinger angesprochen fühle?
Zählt nicht vielmehr einzig und allein die Tatsache, dass ich nur einem Inko zuliebe, d.h. allein aufgrund meiner Vermutung über seine Identität und der damit verbundenen Einschätzung, worauf er vermutlich hinaus will, weitergelesen habe?!  Wink

Ich halte Wulff nämlich für kein geeignetes Beispiel. Meiner Meinung nach brauchst du ihn erst recht nicht als eine Art "erklärender Einleitung" für den vermeintlichen Zustand einer ganzen Nation.

Wenn du deine Geschichte von Paulsen gut schreibst, erkennt der Leser das ohne Wulff vermutlich sogar viel besser.  Wink

Klar freut es mich sehr, wenn Du wegen des vermuteten Autors weiterliest (obwohl Dir der Text vielleicht nicht wirklich zusagt). Das meinte ich aber nicht. Ich meinte, dass die Diskussion verlogen ist, die bzgl. Wulff (und er dient nur als eines von vielen Beispielen) gemeinhin geführt wird. Schnell sind die Moralapostel zur Stange und finden es abscheulich/unmoralisch/verwerflich/was auch immer, wenn Wulff die 200 t € einsackt. Klar, ich persönlich bin dabei auch sehr zwiegespalten. Doch ist es nicht so, dass insgeheim, aber das traut sich niemand zu sagen, fast jeder von uns (mit einer teuren Scheidung im Hintergrund, einer lausigen Berufsaussicht und der Verantwortung für eine Familie) die Kohle auch einstreichen würde, wenn sie ihm nach dem Gesetz zusteht? Ich glaube: ja. Und deshalb finde ich die Diskussion verlogen.

Paulens Geschichte ist die einer tief empfundenen Liebe, die - wenn man so will - als nicht "gesellschaftsfähig" angesehen werden kann. Die Parallele vom Großen zum kleinen Individualproblem - darum wird es mir im Text gehen. Und so gesehen ist Wulff eines von vielen Beispielen, wie es um unsere Kollektivmeinung bestellt ist. Meines Erachtens.

Und, wer bin ich?  Very Happy

Ich danke Dir sehr für Deine kritische Auseinandersetzung.


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Siegfried Lenz
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Beitrag07.03.2012 13:56

von lady-in-black
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Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Und, wer bin ich?  Very Happy


jaja ich weiß, ich hab's selbst provoziert. Und wer "Ähm ..."  sagt, muss auch "T" sagen ...  Laughing

Die Diskussion um die 200t ist nun wieder eine ganz andere. Du vermischt hier m.E. die durchweg (wenn teilweise auch zähneknirschend) in der Bevölkerung vorhandene Akzeptanz aufgrund rechtlicher Bestimmungen für den sog. "Ehrensold" mit dem Kritikpunkt: "Der kriegt den Hals nicht voll", bei dem es um Büro, Auto, Fahrer usw., also um weitere knapp 300t geht.   Wink

Die "Kollektivmeinung" wird von den Medien (leider) nur oftmals recht verzerrt dargestellt.   Rolling Eyes

Ich bleib übrigens dabei: Verzichte in deinem Text, speziell in der Einleitung, auf Wulff. Du brauchst ihn wirklich nicht, wenn du der Niedersachse bist, für den ich dich halte.  Cool


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Beitrag07.03.2012 15:02

von Onesome59
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Hallo, Inkognito!

Der Anfang eines Romans entscheidet darüber, ob der Leser den Daumen hebt oder senkt. Der erste Satz ist der wichtigste Satz überhaupt.

Zitat:
Ich lernte Matthias Paulsen im März 2012 kennen.


Bei vielen Lektoren wird der Daumen jetzt bereits gefährlich zucken. Nach dem zweiten (Bandwurm)Satz steht das Todesurteil fest.  

Zitat:
Im Übrigen soll es als eine Art gesellschaftlicher Überbau dienen, nicht als Hauptstrang. Ich brauche das gesellschaftliche Werteverständnis für eine (sehr) persönliche Problematik und Liebe meines Protagonisten Paulsen.



Für einen guten Roman gilt (u. a.):

Jeder Satz, der nicht unbedingt erforderlich ist, fliegt raus! Welche Funktion erfüllt ein Absatz? Treibt er die Handlung voran? Entwickelt er einen Charakter? Dient er der Prämisse?

Dein Roman handelt nicht von Christian Wulff. Gesellschaftlicher Überbau? Schreibst du einen Roman oder eine soziologische Abhandlung? Lass doch die Charaktere, die Orte und die Handlung für sich selbst sprechen.

Damit komme ich wieder zu deinem ersten Satz. Wenn ich die völlig überflüssigen Passagen zu Wulff streiche, geht es also so weiter:

Zitat:
… Matthias Paulsen (rief) in meiner Kanzlei an und ließ sich einen Termin geben.


Der nächste Absatz soll den Anwalt (oder die Anwältin?) charakterisieren: ausgeschlafen, gewissenhaft, clever. Übergangslos kommt eine lange Beschreibung des Mandanten Paulsen.

Warum werden sich die meisten Leser abwenden?

Es geschieht nichts.

Geh die Sache anders an!

Gute Romane beginnen fast immer vor der eigentlichen Geschichte. Stell deinen Icherzähler in Aktion vor: Wie er z. B. mit einer schwierigen Mandantin „kämpft“. Danach kommt Paulsen ins Spiel. Seine Hintergrundgeschichte (besser: nur einen Teil davon) entwickelst du im Gespräch mit dem Anwalt. Nutz die Gelegenheit, Paulsen (und den Anwalt) mit allen Sinnen erfahrbar zu machen. Beispiel: Er roch nach Zedernholz, nach Moschus und einem Spritzer Bergamotte. Wie klingt seine Stimme? Wie fühlt sich seine Haut an? Usw.

Bei (guten) Dialogen agieren die Charaktere immer in ihrem Maximalbereich. Ich vermute, du erwähnst die Nazivergangenheit des Vaters, weil sie  in der Geschichte zu einem zentralen Thema wird. Wenn es so ist, solltest du vielleicht besser nicht mit der Tür ins Haus fallen und das „dunkle Geheimnis“ nur andeuten. Hierdurch würdest du „ganz elegant“ die Spannung erhöhen. Aus dem Versuch, die Vergangenheit unter den Teppich zu kehren, lässt sich relativ einfach der für einen guten Dialog erforderliche Konflikt erzeugen.


Gunther Bartelt
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kskreativ
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K

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K
Beitrag07.03.2012 15:15

von kskreativ
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Gegen einen Rundumschlag auf deutsche Politiker habe ich ja nichts. Nur leider reißt mich dein Text nicht so vom Hocker. Distanziert geschrieben und ungefähr so spannend wie eine Schachtel Schlaftabletten.
Wie mein Vorredner schon ganz richtig bemerkt hat: Bring deinen Prota dem Leser näher, erweck ihn zum Leben. Lass ihn reden, agieren, von mir aus auch Zeitung lesen, eben handeln.

LG, Karin
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Rufina
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Beiträge: 693



Beitrag07.03.2012 15:24

von Rufina
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Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich mich hier nochmal dazwischenquetsche.

Meiner Meinung gibt die Wulff-Affäre sobald ein wenig Gras drüber gewachsen ist, einen guten Einstieg ab, wenn Doppelmoral das Thema sein soll, ebenso wie es diverse Rücktrittsforderungen der letzten Jahre täten. Nur erheblich kürzen würde ich, damit auch die Schwerpunkte besser rauskommen, die in der Öffentlichkeit nichts zu suchen gehabt hätten, wie etwa die Schwester. Ich glaube, es war noch nie so leicht wie heute, einen Politiker zu verbrennen, bevor überhaupt irgendetwas wirklich klar, geschweige denn bewiesen ist. Setze einen Haufen Gerüchte in die Welt (von denen vielleicht an 1-2 was dran sein sollte) und der Mann/die Frau ist politisch nicht mehr tragbar -> zu Guttenberg, Koch-Mehrin. Ich erinnere mal an das Medienecho zur Dienstwagenaffäre um Ulla Schmidt und was war dran? Viel Rauch um rein gar nichts ...

Volkes Zorn ist schnell geschürt, wenn es um Geld und Status der Hassberufsgruppe schlechthin geht. Was Hansi/Lieschen Müller so alles fälschlicherweise in ihre Steuererklärung schreibt, ist natürlich was völlig anderes. Das ist Doppelmoral.
Wenn es um wirklich was geht in den Untersuchungsausschüssen, mehr als bloß um Geld, findet das bei weitem nicht dieses Echo -> Murat Kurnaz. Darüber sieht man großzügig hinweg oder stellt mal "ganz dezent" die Frage: "Wie gefährlich ist der wirklich?". Auch das ist Doppelmoral. Edit: Und was setzen wir für Prioritäten?

Also insgesamt finde ich den Einstieg passend zum Thema gewählt, auch wenn ich die Einschätzung, dass jeder in der gleichen Situation die günstigen Konditionen angenommen hätte, nicht teile und es sicher jede Menge Beispielspolitiker gäbe, zu deren Fehlverhalten es kein passendes Ermittlungsverfahren gibt, das dir nach Romanfertigstellung um die Ohren fliegen kann, und die trotzdem durch die Medien geschleift wurden.

Edit: Wenn der Roman gesellschaftskritisch werden soll, kann ich nichts Falsches daran finden, vom Großen ins Kleine zu gehen und auf diese Weise den Spiegel zu zücken.

Nochmal Grüße
Rufina
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lupus
Geschlecht:männlichBücherwurm

Alter: 56
Beiträge: 3914
Wohnort: wien



Beitrag07.03.2012 16:17

von lupus
Antworten mit Zitat

Ahoi,

ich halte das für einen ziemlich interessanten Einstieg. Es dürfte ein politischer Roman werden, wenn man die Vita des Paulsen in Betracht zieht. Ein 'Vorspann', in dem ansatzweise die moralische Verfassung der Nation skizziert wird, bietet sich an.

Es ist ein klassischer Einstieg, in dem ein klar strukturiertes Setting präsentiert wird.

Die Sätze sind zwar etwas länger, aber sehr gut komponiert, trotz der Länge leicht verständlich, es macht Vergnügen sie zu lesen. Idealerweise wäre ein bisserl mehr Längenvariierung anebracht, die Satzstrukturen sind variiert.

Die Ich-Perspektive ist auch gut gewählt. Man könnte zwar anmerken, dass nichts passiert, allerdings: durch die Ich-Perspektive erfährt der Leser - schließlich sind es die Gedanken des Prota - sehr viel über diesen. Gedanken sind nicht minder spannend/interessant, man muss nicht immer mit Action einsteigen.

lediglich zwei Punkte hätt ich anzumerken:

die Wulff-Passage is einen Tick zu lange
möglicherweise kannst du einen winzigen Dialog einbauen (mit der Sekretärin?) oder ein Zitat aus einer Zeitung, die in die Wulff-passage passt und dir ein paar Sätze ersetzt.
und ein paar Fehler hab ich gefunden (Kleinkram)

Unter der Voraussetzung, dass jetzt (ich nehm es an) etwas passiert, das außerhalb der Gedanken des Prota liegt, würd ich weiter lesen wollen.

ich habs gerne gelesen und wenn ich die Einstiege der aktuellen 'Großen' mit deinem vergleiche, is dein Einstieg näher am Usus, als eine Action-Dialog-Orgie.

lgl
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Leene
Eselsohr


Beiträge: 448



Beitrag07.03.2012 17:00

von Leene
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Hallo I.!

Zitat:
Es war mir zur Gewohnheit geworden, die Namen meiner Mandanten vor einem ersten Gespräch im Internet zu überprüfen, ich wollte vorbereitet sein, vor allem auf Delikatessen, von denen die meisten meiner Kunden glaubten, sie würden sie mir präsentieren und ich, eine Hure der Nation, wie mein Vater über Anwälte einst gesagt hatte, würde darauf brennen, die Sache zu übernehmen. Ich wollte vorbereitet sein, um rechtzeitig abbrechen und das Mandatsverhältnis ablehnen zu können. Und so hatte ich schnell einen Überblick über jenen Mann gewonnen, der nebenan im Wartezimmer saß und der in weniger als fünfzehn Minuten drei Tassen Kaffee getrunken hatte, was mir meine Sekretärin mit groß aufgerissen Augen steckte.


Der Absatz ist stark, besonders der erste Satz ist richtig gut. Damit würde ich einsteigen (und dann einen Dialog anschließen). Der Stil hier gefällt mir gut; ein bisschen Richtung Roman Noir.

Der Anfang ist aus meiner Sicht, trotz an sich spannenden Themas, langatmig und irgendwie aufdringlich.

Viele Grüße
Leene
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MT
Geschlecht:männlichReißwolf

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Wohnort: Im Süden (Niedersachsens)


Beitrag07.03.2012 19:46

von MT
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Ihr Lieben,

ich habe fleißig mitgelesen und werde noch auf jeden einzelnen Kommentar eingehen; sie sind allesamt sehr, sehr wertvoll. Vorab aber bereits an dieser Stelle ein überarbeiteter Einstieg, wie ich ihn zunächst vor hatte, dann aber geglaubt habe, ich würde in den ersten Zeilen schon zu viel verraten. Es ist ein Versuch...

Und in der Tat, liebe Lady, ich bin´s...


Von Angst und Moral


Es war im März 2012, als Klaus Maar, der zweiundfünfzigjährige Strafrichter aus dem Bayerischen, zum ersten Mal in meiner Kanzlei in Hamburg Eppendorf stand und mir davon erzählte, er habe soeben seine Frau Gesa, die seit einem Reitunfall im Rollstuhl sitze, wegen einer Jüngeren verlassen. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, aber vermutlich werde ich dagesessen und nicht weiter reagiert haben, außer mit einem fragenden Blick, was mich als Anwalt das anginge. Er fuhr fort, sein Verhalten sei für sich betrachtet doch sicher keine Tragödie. Dass man ihn aber strafversetzen, dass man ihm vielleicht sogar den Status des Beamten auf Lebenszeit aberkennen wolle, das sei ein Skandal und dessentwegen sei er bei mir. Er war aufgebracht, der Mann mit asketischem Körperbau und kurzem grauen Haar, als er mir die Sache schilderte. Etwa einsfünfundsiebzig groß, den Teint eines gesund lebenden und Sport treibenden älteren Herrn, der allem Anschein nach Wert auf gepflegte Nägel und tadellos geschneiderte dunkelblaue Anzüge legte, lief er in meinem Büro auf und ab und gestikulierte ausladend, während er sprach. Ann-Katrin Kunze hieß das Mädchen, für das er seine Frau hatte sitzen lassen, er wählte genau diese Wort, und als er sah, dass ich in Anbetracht der Situation seiner Frau die Augenbrauen hochzog, räusperte er sich und brachte ein „Sie wissen schon“ heraus. Der ganze Fall wäre nicht weiter besonders gewesen, wenn Ann-Katrin Kunze nur eine achtundzwanzigjährige notorische Diebin gewesen wäre. Ann-Katrin Kunze, in deren Zwei-Zimmer-Wohnung Klaus Maar jetzt wohnte, war aber zuletzt wegen fahrlässiger Tötung ihrer vierjährigen unehelichen Tochter angeklagt, und Klaus Maar hatte sie freigesprochen.

(...)
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lupus
Geschlecht:männlichBücherwurm

Alter: 56
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Wohnort: wien



Beitrag07.03.2012 20:20

von lupus
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Ahoi eMTi,

dass du schreiben kannst, wiss ma alle. Über Sätze und so brauchen wir uns nicht weiter zu unterhalten.

Nur jetzt hab ich ein kleines Problem, und zwar was die Wirkung betrifft:

versprach der erste Text eine Reflexion über Missstände in einer Gesellschaft, über institutionalisiertes Pharisäertum (und da sind einige Bemerkungen drin, etwa 'Hure des Staates', die aufhorchen lassen und eine Richtung vorgeben - wie schön - dacht ich mir - der Kollege aus dem Norden wagt den Schritt, eine gesellschaftskritische Message zu liefern)

vs

dieser Text lässt mich seichte Unterhaltung erwarten,
(ein Richter lässt seine Frau steh'n für eine Jüngere (gähn), in Bayern geht das nicht durch ohne Konsequenzen (ich schwanke zwischen: Klischee und 'no na, gaunz wos neig's), aus dem Pfefferstreuer: sie is ein Kindsmörderin


das mein Eindruck, der natürlich gar nix sagt. aus dem ersten kann ein seichter Text werden, aus dem zweiten der Megaroman, der die soziokulturelle Konstellation Deutschlands auf den Kopf stellt.

Nur: den zweiten würd ich erst lesen, wenn der Umbruch schon vorbei is, weil im ersten Schritt stell ich das Buch wieder zurück ins Regal.

lg
in den Norden
lupus


_________________
lg Wolfgang

gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben

-------------------------------------------------------
"Ich bin leicht zu verführen. Da muss nur ein fremder Mann herkommen, mir eine Eiskugel kaufen und schon liebe ich ihn, da bin ich recht naiv. " (c) by Hubi
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