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Dieses Werk wurde für den kleinen Literaten nominiert Die Untersuchung


 
 
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sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag21.01.2012 12:31
Die Untersuchung
von sleepless_lives
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Diese kurze Geschichte stammt aus dem ersten FFF mit dem Thema "Wunschbrunnen" (und ein paar anderen perfiden Vorgaben). Sie hat damals schon viele Kommentare bekommen und braucht jetzt nicht notwendigerweise weitere. Der Grund, warum ich sie noch einmal einstelle, ist, dass damals unsere Technik noch nicht ganz so fortgeschritten war und der Text offiziell immer noch von Guy Incognito geschrieben wurde. Das geht natürlich nicht.
Ich hab außer Rechtschreibfehlern so gut wie nichts verändert, obwohl ich das vorhatte.  





Die Untersuchung


Aufwärts! Aufwärts! Weit oben über der Dunkelheit schwebte ein Hauch von grünlichem Licht, einzelne Strahlen, die in das Wasser stachen wie Klingen von vorzeitlichen Schwertern. Eine kurze Erschütterung störte die Gleichförmigkeit und Ruhe dort oben und etwas Glänzendes sank leicht hin- und herschaukelnd tiefer. Eine Münze aus Gold, in warmen Gelb glimmend, selbst als sie hier unten an Andrej vorbeiglitt, noch tiefer sinkend, in das bodenlose Schwarz unter ihm. Er streckte die Hand danach aus, langsam, gebremst vom Widerstand des Wassers, gebremst vom Widerstand der Welt. Zu langsam. Die Münze sank immer noch tiefer und er wollte und konnte ihr nicht folgen und ein Schwertstich bohrte sich in sein Herz. Für was bist du gut? Ein unförmiger Fisch schwamm aus dem Nichts heran, mit einem lächerlich breiten Maul, das zu grinsen schien. Der Fisch sagte, auf der B12 ist der Verkehr blockiert durch ein liegengebliebenes Fahrzeug.

Andrej erwachte und stellte den Radiowecker aus. Fünf Uhr achtzig zeigten die Leuchtziffern, aber er wusste, das es zwanzig sein sollte, die eine Ziffer hatte vor kurzem die Kooperation mit der Welt aufgegeben und strahlte mit allen ihren Balken gleichzeitig. Es war still draußen, Nacht noch, trotz Morgengrauen, und die Stadt schlief ihren bleiernen Schlaf voll von Selbstvergessenheit. Die Amsel, die so oft auf dem mickrigen, kranken Baum vor dem Fenster saß, schwieg, hatte noch nicht angefangen ihre Anwesenheit jedem Artgenossen bekannt zu machen. Unnützerweise, denn es gab kaum andere Vögel. Es ist auch nicht die Lerche, dachte Andrej, und ein einzelner Baum macht keinen Wald: die Zeit der Wunder ist vorbei. Er hievte sich schlaftrunken mühsam aus dem Bett. Es war kalt in der kleinen Wohnung. Er blickte auf Lena, die ungestört schlief, das Gesicht friedlich, die dunklen Haare flossen wie ein nicht zu bändigender Strom. Vielleicht doch nicht, dachte Andrej. Ein Schatten flog über ihr Gesicht, Traurigkeit. Von was träumst du, Lena? Das Geld, das wir für die Miete irgendwie bis zum Letzten des Monats zusammenkratzen müssen. Die Reparatur des Küchenherdes, die wir uns nun wieder nicht leisten können und die deshalb ein weiteres Mal warten muss. Oder ... er dachte nicht weiter.

Später auf der Straße, der Asphalt nass vom nächtlichen Regen, fand er ein Zehn-Cent-Stück. Er hob es auf hielt es in der Hand. Für eine lange Zeit während des Gehens. Als er an dem freien Grundstück mit einer seit Monaten unbehandelt klaffenden Baugrube vorbeikam, blieb er stehen. Das Loch hatte sich mit Wasser gefüllt, seltsam klar, doch der Grund war trotzdem nicht zu erkennen. Er warf die Münze mit weit ausholender Bewegung in das Wasser. Einen Wunsch hast du frei, dachte er. Sein Hirn arbeitete, er spürte die Versuchung, aber inmitten all des unbestimmten Wirren erschien ein Gedanke, hell leuchtend und tief klar. Dass es nichts Schlimmes ist, das, was Lena hat. Alles danach war Schweigen. Er ging weiter.



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Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
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Isa
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 153
Wohnort: München


Beitrag23.01.2012 14:12

von Isa
Antworten mit Zitat

Hi,

Der Text ist für mich (wenn ich es auch richtig verstanden habe) klar aufgebaut. Mit einer schönen Sprache.

Eine Münze ins Wasser werfen,... der Gedanke bringt Andrej in Versuchung, lässt ihn kurz zögern, nachdem er im Traum schon so nahe dran war und das Geld zum Ende des Monats wieder knapp werden wird.

Aber der Titel verrät es, der freie Wunsch darf einzig und allein für Lena bestimmt sein.... für eine annehmbare Diagnose,  mit der es sich leben lässt....

Gerne gelesen
Isa
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Murmel
Geschlecht:weiblichSchlichter und Stänker

Alter: 68
Beiträge: 6367
Wohnort: USA
DSFo-Sponsor


Beitrag23.01.2012 16:04

von Murmel
Antworten mit Zitat

Sehr gerne gelesen, und ich bin froh, dass du es aus der Versenkung geholt hast. Es ist eine FFF Arbeit, und dafür ganz beachtlich.

"Von was träumst du, Lena? Das Geld ..." -  Vom Geld ... ? Aber das ist peanuts.

Einzig und alleine  "Alles andere war Schweigen" stört mich, da stolpere ich drüber.

Nominiert.


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sleepless_lives
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Beitrag24.01.2012 14:36

von sleepless_lives
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@Isa
Freut mich, dass es dir gefallen hat. Und ich sehe auch an deinem Kommentar, dass das wirklich Wichtige an der Geschichte rüberkommt. Da kann man sich ja nie ganz sicher sein, auch wenn es für einen als Autor noch so klar zu sein scheint.


@Murmel

Danke für Lob und Nominierung.

Murmel hat Folgendes geschrieben:

Einzig und alleine  "Alles andere war Schweigen" stört mich, da stolpere ich drüber.

Da hast du recht. Das ist eigentlich ein klassischer Fehler in dem Sinne, dass noch etwas Bedeutungsschwangeres draufgesetzt wird, wo eigentlich reduziert werden sollte. Das gehört weg. Wird gestrichen. Ein Satz nach dem Schlüsselsatz der Geschichte, sonst nichts: "Er ging weiter."


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