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Pinta Oleander Gänsefüßchen
Alter: 63 Beiträge: 42 Wohnort: Valensole/France
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14.01.2012 12:52 Auszug aus meinem Roman "Saitensprung" von Pinta Oleander
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Der TGV schlängelt sich durch die Nacht, die nun bald zu Ende geht. Hastet durch Felder, Wiesen und abgelegene Orte, deren Namen ich nicht kenne. Landschaften huschen vorbei, ich sehe mein eigenes Spiegelbild im Fensterglas. Es ist ein funkelnagelneues Gesicht…
Und dann Vororte und Industrieanlagen von Lyon. Unheimlich schön, im seichten Mondlicht, völlig futuristisch und fast wie eine abstrakte Kandinsky- Komposition. Aber auch anmutig, wunderbar kalt und fremd. Verlassenheit steigt von den Stahlrohren auf wie dichter Nebel.
In einigen Häusern gehen die Lichter an. Ich stelle mir vor, wie die Menschen gähnend aus ihren Betten gekrochen kommen, mit trübem Blick und noch warmem Leib, wie in Zeitlupe, unentschlossen. Mit bloßen Füssen Kaffee kochen oder eine Zigarette rauchen und sich langsam darauf einstellen, gleich zur Arbeit zu müssen. Und ab in die Fabriken, in die Werkstätten und in die Büros... so geht das Leben dahin und bringt uns um die besten Stunden. Plündert unsere Vorstellungskraft, entzieht uns unsere Energie und lässt uns taumeln, stolpern und aufgeben.
Ich fühle Barmherzigkeit mit diesen Menschen. Ich weiß, was Frauen und Männer morgens empfinden, wenn sie durch den Wecker aus dem Schlaf gerissen werden... nur um das wuchernde Krebsgeschwür der planetaren Umweltzerstörung in Gang zu halten und den kümmerlichen Sklaventreibern zu immer neuem Reichtum zu verhelfen... sich die Hände schmutzig machen, nur weil man Miete bezahlen, das Studium der Kinder und den Lebensunterhalt verdienen muss. Ein tristes Schauspiel.
Auch ich habe in meinem Leben schon so manchen Job getan: in Schnellrestaurants Leute bedient, Pizzas gebacken, in trostlosen Büros Geschäftskorrespondenz getippt, die Telefonanlage bedient, Übersetzungen gemacht und ständig nach neuen Vokabeln gesucht und so weiter... und über mich selbst gestaunt. Was tut man nicht alles, um sich den Magen zu füllen und ein gemütliches Zuhause zu haben?
Man langweilt sich zu Tode. Mit einer jämmerlichen Arbeit, an der man weder Spaß hat noch einen Sinn erkennen kann, nur um abends völlig erschöpft ins Bett zu fallen und schlecht zu träumen...
Weitere Werke von Pinta Oleander:
_________________ Lügen haben kurze Beine und die Wahrheit fährt im Rollstuhl... |
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Bananenfischin Show-don't-Tellefant
Moderatorin
Beiträge: 5336 Wohnort: NRW
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14.01.2012 15:52
von Bananenfischin
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Hallo Pinta Oleander,
du hattest diesen Anfang in etwas anderer Form schon einmal eingestellt - vielleicht wäre es daher gut gewesen, dies hier an den damaligen Thread anzuhängen. Dann hätten auch die damaligen Kommentatoren praktisch noch eine Reaktion bekommen.
Mein Eindruck nach dem Lesen ist, dass du häufiger unpassende Verben und Beschreibungen verwendest, was mich als Leserin häufig stocken und die Stirn runzeln ließ.
Ich möchte das an einigen Beispielen erläutern:
Zitat: | Der TGV schlängelt sich durch die Nacht, die nun bald zu Ende geht. Hastet durch Felder, Wiesen und abgelegene Orte, deren Namen ich nicht kenne. Landschaften huschen vorbei, ich sehe mein eigenes Spiegelbild im Fensterglas. Es ist ein funkelnagelneues Gesicht… |
"hasten" und "huschen" sind Verben, die meiner Meinung nach nicht in einen Zusammenhang mit diesem Zug passen. Ich würde z.B. davon ausgehen, dass Landschaften "zu Schlieren verwischen" oder so etwas, und dass der Zug sie vielleicht "zerschneidet" (die Protagonistin scheint ja kritisch eingestellt zu sein).
"durch Felder und Wiesen" finde ich als Bild auch leicht schief.
Bei der Erwähnung des Gesichts wird es interessant, da hätte ich gern erfahren, was hinter dem "funkelnagelneu" steckt. Nicht schlecht, um den Leser bei der Stange zu halten, aber die Frage ist, wann das denn nun wieder aufgegriffen wird.
Zitat: | In einigen Häusern gehen die Lichter an. |
Ist wirklich genug Zeit da, um den Wechsel von dunkel zu erleuchtet mitzubekommen?
Zitat: | Ich stelle mir vor, wie |
Das bremst.
Zitat: | Industrieanlagen von Lyon. Unheimlich schön, im seichten Mondlicht, völlig futuristisch und fast wie eine abstrakte Kandinsky- Komposition. Aber auch anmutig, wunderbar kalt und fremd. Verlassenheit steigt von den Stahlrohren auf wie dichter Nebel. |
Bis auf das "völlig futuristisch" finde ich das schön beschrieben, vor allem den letzten Satz. Die Frage, die sich mir stellt, ist nur: Passt diese Wahrnehmung zu deiner Protagonistin? Zu einer Person, die auch so denkt:
Zitat: | nur um das wuchernde Krebsgeschwür der planetaren Umweltzerstörung in Gang zu halten und den kümmerlichen Sklaventreibern zu immer neuem Reichtum zu verhelfen... |
Für mich passt das nicht zusammen.
Zudem finde ich den letzteren Gedanken etwas überzogen - zumindest werden sich die wenigsten kurz, nachdem sie aus dem Bett gekrochen sind, darüber Gedanken machen. Allerdings soll das natürlich in erster Linie deine Protagonistin charakterisieren.
Wenn ich dann aber lese, wie es weitergeht:
Zitat: | Auch ich habe in meinem Leben schon so manchen Job getan: in Schnellrestaurants Leute bedient, Pizzas gebacken, in trostlosen Büros Geschäftskorrespondenz getippt, die Telefonanlage bedient, Übersetzungen gemacht und ständig nach neuen Vokabeln gesucht und so weiter... und über mich selbst gestaunt. Was tut man nicht alles, um sich den Magen zu füllen und ein gemütliches Zuhause zu haben?
Man langweilt sich zu Tode. |
Dann hat das rein gar nichts mehr mit Umweltzerstörung und Sklaventreiberei zu tun, und angesichts der genannten Tätigkeiten erscheint mir das Jammern der Protagonistin auch wirklich als nur solches.
Insgesamt würde ich also meinen, dass du treffendere Verben und Bilder finden und deine Figur "klarer" machen könntest. Dadurch würde es dem Leser dann auch ermöglicht, die Stimmung nachzuempfinden, in der die Protagonistin sich befindet.
Liebe Grüße
Bananenfischin
_________________ Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge
Aktuelles Buch: Geliebte Orlando. Virginia Woolf und Vita Sackville-West: Eine Leidenschaft
I assure you, all my novels were first rate before they were written. (Virginia Woolf) |
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Gast3 Klammeraffe
G
Beiträge: 794 Wohnort: BY
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G 14.01.2012 16:25
von Gast3
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Hallo Pinta Oleander,
ich weiß nicht, vielleicht ist dieser Auszug einfach zu kurz, aber damit gibst du mir nicht sehr viel an die Hand, dass ich begeistert weiterlesen möchte, weder inhaltlich noch sprachlich. Einzig das „funkelnagelneue Gesicht“ erregt meine Neugier. Wenn dieser Auszug jetzt den Anfang bzw. die Einleitung deines Romans darstellt, meine ich aber, dass es falsch platziert ist und an dieser Stelle wirkungslos verpufft.
Im Übrigen stimme ich Bananenfischin zu, dass deine Wortwahl nicht immer ganz glücklich ist, z. B. scheint mir hier
Zitat: | Ich fühle Barmherzigkeit mit diesen Menschen. |
„Barmherzigkeit“ falsch gewählt.
Zitat: | Und dann Vororte und Industrieanlagen von Lyon. |
Den hier finde ich vor allem vom Zusammenhang her sehr unschön formuliert.
Insgesamt spricht mich dieser Auszug leider nicht an.
Lieben Gruß
schneestern
_________________ Sich vergleichen, ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit. |
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Pinta Oleander Gänsefüßchen
Alter: 63 Beiträge: 42 Wohnort: Valensole/France
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15.01.2012 16:50
von Pinta Oleander
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Nein, es ist nicht der Anfang des Romans, sondern nur ein Auszug.
Das Wort Barmherzigkeit kommt von SICH ERBARMEN (Herr, erbarme dich unser...) und ist demnach also biblischen Ursprungs. Es gibt wirklich kein anderes Wort dafür, und ich fühle nun mal "Barmherzigkeit" mit bestimmten Menschen.
Trotzdem, danke für die Kritik, die ich aber nicht annehmen kann.
Sorry.
Pinta
_________________ Lügen haben kurze Beine und die Wahrheit fährt im Rollstuhl... |
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Maria Evolutionsbremse
Alter: 52 Beiträge: 5998
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15.01.2012 18:03
von Maria
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Hey Pinta,
man kann Erbarmen mit jemandem haben, "habt Erbarmen", "sich seiner erbarmen" (vll. nur im Bayerischen), aber Barmherzigkeit fühlen, das wäre neu. Sich selbst als (aktiv) barmherzig zu bezeichnen, klingt auch etwas vermessen. Vielleicht nur für mich^^
Barmherzigkeit hat nichts mit Fühlen zu tun oder mitfühlen. Das kannst du auch in verschiedenen Begriffsdefinitionen im Netz recherchieren.
Ich schließe mich den Vorkommentatoren an. Zuviele eigenwillig und unpassend gewählte Formulierungen lassen auch bei mir keinen angenehmen Lesefluß oder Bilder entstehen, geschweige denn Interesse wecken.
Gruß
Maria
_________________ Give me sweet lies, and keep your bitter truths.
Tyrion Lannister |
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Pinta Oleander Gänsefüßchen
Alter: 63 Beiträge: 42 Wohnort: Valensole/France
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15.01.2012 18:30
von Pinta Oleander
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Hallo Maria,
wozu gibt es Bücher ? Ich habe es gerade im DUDEN nachgesehen, da du ja Zweifel hast. Also, dort steht : barmherzig (misericorde) = mitleidig, eigentlich ein Herz für die Armen haben, mitfühlend, mildtätig gegenüber Notleidenden... also doch ein Gefühl. Na klar. Und ich finde das auch nicht ermessen, sondern eher menschlich, oder sagen wir, mit-menschlich.
Im Französischen übrigens "compassion", was so viel bedeutet wie mit-leiden(schaft).
Dass du den Auszug nicht magst, ist ok.
Nichts für ungut,
Pinta
_________________ Lügen haben kurze Beine und die Wahrheit fährt im Rollstuhl... |
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Julian Eselsohr
Alter: 31 Beiträge: 300
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15.01.2012 18:53
von Julian
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Gut, im Großen und Ganzen würde die Kritik, die ich geäußert hätte, ähnlich wie die von bananenfisch ausfallen. Wie man das Wort 'Barmherzigkeit' nun in einen Kontext setzen kann oder sollte, spielt an dieser Stelle doch eher eine untergeordnete Rolle.
Viel wichtiger erscheint mir die Frage, wieso du so unheimlich überzeugt von deinem Text bist, dass du die Kritik grundsätzlich ablehnst?
Da dies nur ein winziger Auszug aus einem Buch ist, lässt sich dieser wohl eher schwer beurteilen, aber für sich betrachtet fühlt sich das eben - neben den fragwürdigen sprachlichen Inhalten - nach, naja, nichts an.
Ohne den größeren Zusammenhang zu kennen lässt sich für mich kein ausführliches Urteil fällen. Zieht sich die Struktur in diesem Abschnitt wie ein roter Faden durch den Rest deiner Geschichte, dann würde ich mir noch einmal Gedanken machen, ob das nicht tatsächlich besser geht, aber wenn dies eher ein kleiner Übergang ist, wie er durchaus einmal vorkommen kann und in dem es dir nur darum geht, dem Charakter eine weitere Dimension zu verleihen, dann könnte man es schon so machen, nachdem man die sprachlichen Ungereimtheiten (s. Vorkommentatoren) ausgemerzt hat und die Gedanken vielleicht etwas sortiert. (dieser Einwand mit den Sklaventreibern, das wirkt zum Beispiel wie eine seltsame Schwankung des Gemüts)
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lupus Bücherwurm
Alter: 56 Beiträge: 3913 Wohnort: wien
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15.01.2012 18:55 Re: Auszug aus meinem Roman "Saitensprung" von lupus
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Pinta Oleander hat Folgendes geschrieben: | Der TGV schlängelt sich durch die Nacht, die nun bald zu Ende geht. Hastet durch Felder, Wiesen und abgelegene Orte, deren Namen ich nicht kenne. Landschaften huschen vorbei, ich sehe mein eigenes Spiegelbild im Fensterglas. Es ist ein funkelnagelneues Gesicht…
Und dann Vororte und Industrieanlagen von Lyon. Unheimlich schön, im seichten Mondlicht, völlig futuristisch und fast wie eine abstrakte Kandinsky- Komposition. Aber auch anmutig, wunderbar kalt und fremd. Verlassenheit steigt von den Stahlrohren auf wie dichter Nebel.
In einigen Häusern gehen die Lichter an. Ich stelle mir vor, wie die Menschen gähnend aus ihren Betten gekrochen kommen, mit trübem Blick und noch warmem Leib, wie in Zeitlupe, unentschlossen. Mit bloßen Füssen Kaffee kochen oder eine Zigarette rauchen und sich langsam darauf einstellen, gleich zur Arbeit zu müssen. |
Bis hier her gefällt es mir gut, sehr gut. Du zeichnest eine Stimmung, die mich sofort rein zieht. Ich hab ein Bild vor mir. Auch wenn einige Ungenauigkeiten drin sind, die du ändern solltest, z.B. kocht man mit Füssen keinen Kaffee (egal ob nackt oder besockt). Der Leib klingt sehr strange.
So wie mich die ersten Zeilen anziehn, spuckt mich der Rest aus: Larmoyante Undifferenziertheit, kein Klagelied auf Ungerechtigkeiten. Ein Klagelied darauf, dass man überhaupt arbeiten muss. Dann noch der Ich-Bezug, der den Leser einlädt, gleich auch mit dem Ich-Erzähler mitzujammern.
So gut die Sprache im ersten Teil passt, so unpassend is sie im zweiten Teil. Außerdem: die Punkterln sind einfach unnötig.
Und: wenn du schon einen biblischen Bezug herstellen willst (dass Barmherzigkeit einen biblischen Ursprung hat ist mindestens in zweierlei Hinsicht zweifelhaft), dann: der barmherzige Samariter ist nicht barmherzig weil er fühlt, sondern weil er handelt. (das die Differenzierung in der Bibel als Abgrenzung zu den Pharisäern). Barmherzigkeit kann nicht gefühlt werden. Aber mach wie du willst.
_________________ lg Wolfgang
gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben
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"Ich bin leicht zu verführen. Da muss nur ein fremder Mann herkommen, mir eine Eiskugel kaufen und schon liebe ich ihn, da bin ich recht naiv. " (c) by Hubi |
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