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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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06.12.2011 08:24 make believe von Enfant Terrible
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hüllen wir unsere kopfsiebe
in wallende perücken
und verdecken mit gewändern
fehlende gliedmaßen
ziehen wir los und tun so,
als könnten wir
diesen winter überleben
tun wir so, als hätte der mond
uns niemals traurig gemacht
als hätten wir niemals
den drang verspürt
den kopf emporzurecken
und die kahlen äste anzuschreien
dafür, dass sie von uns
das leben zehren
…
augen, noch intakt genug
sich zu verzahnen
und drei wörter in der luft
die niemals landen
das bleibt unser
kleines geheimnis
Weitere Werke von Enfant Terrible:
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gh Wortedrechsler
G
Beiträge: 64
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G 06.12.2011 13:39
von gh
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Lieber Iinkognito
Ich finde das wunderbar gesagt. "Als könnten wir uns diesen Winter überlegen".
Die Gesetze bestimmen unsere Natur, die Metaphysik können wir nur erahnen und nicht begreifen. Es bleibt uns ja nur die mühsame Arbeit, unser Denken.
Bei mir kommt es ein wenig schulmeisterlich an. Darf ich fragen, wo Du in diesem Thema versteckt bleibst? Versteckt bleiben willst.
Du darfst mir sagen, wenn ich schweigen soll.
lggh
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Gast
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08.12.2011 11:26
von Gast
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Hallo Inkognito,
Diese Verse sprechen mich sehr an. Ich komme immer wieder her und lese sie, habe eine ganze Anzahl von Interpretationsansätzen versucht, einer oder zwei scheinen zu "funktionieren".
Es ist (wieder einmal) so, dass ich nicht wage, meine Übertragung zu erläutern, andererseits möchte ich dir gern ein Feedback darüber geben, wie deine Zeilen ankommen.
Die letzten beiden Zeilen laufen Gefahr, als überflüssig zu gelten, sobald Klarheit über den Inhalt herrscht, denke ich. Ausserdem finde ich sie seltsam "niedlich", so wie sie dem Text angehängt sind.
Du hast zwei "Aufhänger" im Text, die mir sehr gefallen, weil sie es sind, die mich beim Hineindenken auf Abwege bringen:
den Winter überlegen
und
augen, noch intakt genug
sich zu verzahnen
Resignation ist da also nicht, Traurigkeit schon und der Wille, sie nicht überhand nehmen zu lassen? Wen versucht LI, mitzureissen? Welche Unzulänglichkeit soll verborgen werden? Aufforderung zum Hochstapeln oder nur verstecktes Eingestehen der Unehrlichkeit?
Wie gesagt, ich komm vielleicht noch einmal, mit weniger Verhasplung
Lorraine grüsst
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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08.12.2011 16:01
von Enfant Terrible
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Mea culpa, das "überlegen", welches euch zu Interpretationen angeregt hat, war ein bloßer Vertipper... es hätte "diesen Winter überleben" heißen sollen.
Lorrain, warum traust du dich nicht, deinen Interpretationsansatz zu erläutern? Zeilen beißen nicht, sie nehmen jegliche Sinnfindung dankbar schnurrend an. Ich bin sehr gespannt, wie du dieses Gedicht verstehst. Ja, um Täuschung geht es - ob es eine so negative ist, kann jeder für sich selbst interpretieren. Freue mich auf weitere Gedanken von euch!
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Angst Scheinheiliger
A Alter: 33 Beiträge: 1571
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A 08.12.2011 17:15
von Angst
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Das ist gut!!
Besonders schön finde ich die "sich verzahnenden augen".
Insgesamt macht das Gedicht einen leicht kindlichen Eindruck auf mich.
Ohne, dass das negativ wäre. Im Gegenteil.
"der mond hat mich traurig gemacht." Ich stelle mir vor, das könnte ein kleines Mädchen einem gleichaltrigen Jungen zuflüstern.
Die letzten vier Zeilen sind süss, wenn ich das mal so sagen darf.
Man könnte einwenden, die letzte Strophe sei zu abgenutzt. Mich stört sie nicht so sehr, wie sie mich normalerweise stören würde.
Vielleicht solltest du trotzdem nochmal drüber nachdenken, ob sie angebracht ist.
Noch zwei kritische Fragen: Muss der englische Titel sein? Und die drei Punkte?
_________________ »Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48. |
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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08.12.2011 17:29
von Enfant Terrible
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Danke dir für dein Feedback, Scheinheilige!
Der englische Titel musste insofern sein, da es meines Wissens im Deutschen keinen so treffenden Begriff für (Selbst-)Täuschung gibt, dieses "so tun als ob": Als wäre man unverletzt und unschuldig, als wäre man wieder Kind, könnte die Blessuren noch mal übertünchen und glücklich sein oder es zumindest überzeugend spielen. Man möchte sich im Winter an den Überresten dieser Naivität wärmen, die trotz allen Rückschlägen doch irgendwo im Hinterkopf rumgeistert, diese Überbleibsel aus einer Zeit, wo alles noch in Ordnung war.
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gh Wortedrechsler
G
Beiträge: 64
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G 08.12.2011 17:55
von gh
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Mein Lieber
Entschuldige, ich habe mich mit einer Dummheit beteiligen wollen. Ich habe den Text gelöscht.
lggh
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BlueNote Stimme der Vernunft
Beiträge: 7304 Wohnort: NBY
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08.12.2011 18:03
von BlueNote
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Mir gefallen vor allem die letzten 4 Verse. Da klingt das Gedicht so schön aus ...
Das Gedicht vorher ist ... sicherlich gut. Für mich hat es aber eine etwas seltsame Attitüde. Es spricht mit großen Worten von "uns" (=wir), ohne dass ich vorher als Leser gefragt wurde . Was weiß das Gedicht schon über mich, frage ich mich da, warum fordert es mich auf, seltsame Dinge zu tun? ... Oder ist dieses "wir" doch nur ... bloße Attitüde.
Beispiel:
Zitat: |
tun wir so, als hätte der mond
uns niemals traurig gemacht
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Und wenn mich der Mond noch niemals traurig gemacht hat? Ich frage mich, ob ich bei dem "wir" überhaupt eingeschlossen sein soll? Vielleicht ist das "wir" eher ein "ihr"?
Aber wozu stelle ich so viele Fragen? Die Metaphysik können wir nur erahnen, lese ich gerade. Den Rest wahrscheinlich auch.
BN
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Angst Scheinheiliger
A Alter: 33 Beiträge: 1571
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A 08.12.2011 18:51
von Angst
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Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben: | Der englische Titel musste insofern sein, da es meines Wissens im Deutschen keinen so treffenden Begriff für (Selbst-)Täuschung gibt, dieses "so tun als ob" […] |
Doch, und zwar "so tun, als ob" ;)
Es stimmt, dass sich das als Titel etwas seltsam anhört.
Aber wie wär's mit "als ob" oder "so tun"?
@ BlueNote: Das "Wir" finde ich gerade toll! Zumindest besser als "Du".
Wenn ich mich davon angesprochen fühlte, müsste ich mich dann nicht auch angesprochen fühlen, wann immer in einem Gedicht vom "Ich" die Rede ist?
Weil, ich bin ich.
Oder?
Haha.
_________________ »Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48. |
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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08.12.2011 18:53
von Enfant Terrible
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BN, danke für deine Kritik, allerdings: Wie kommst du darauf, dass in dem Wir du als Leser angesprochen wirst? Das Lyrische Ich und ergo auch das Lyrische Wir haben selten etwas mit realen Adressaten zu tun. Vllt spricht das LI ja ein fiktives Wunsch-Gegenüber an... oder vllt ist es auch nur schizophren
Oh, die Scheinheilige hat mir die Worte aus dem Mund genommen...
_________________ "...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP
Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
"Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen." © Hallogallo |
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gh Wortedrechsler
G
Beiträge: 64
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G 08.12.2011 19:50
von gh
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Mein Lieber
Das hingegen, Deine Antwort an BN ist mir nicht fein genug gedacht. Da muss ich diesen Sänger BN loben. Das Geschriebene gehört der Welt. Worte, die ich aufgesetzt habe, kann ich nicht zurücknehmen. Es ist wahr, das Wir, damit sind wir alle gemeint, auch der Schreiber selbst. Eine Dummheit verhallt im All die ganze Ewigkeit nicht. Ich kann ja meine Augen abwenden, dann muss mich der WortSchlag auch nicht treffen, sofern mein Schwamm mit meinem Denken, über dem Zwischenhirn, dem ist, ja alles gar korrekt, was aus dem Geraune des Stammhirns wie rücksichtlos in die Welt und auf die wehrlosen ichs gepulvert verteilt.
Ich habe es mir nicht so gemeint, wenn ichs mir besinne, besser das ich schweige. VLT hin oder her, was ich nicht kenne. Das li befreit nicht vor der Verantwortung im schreibenden handeln. Wenn ich zu Tische bin, will ich gute Speise kosten.
lggh
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Schmierfink Lyroholiker
Alter: 34 Beiträge: 1172
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08.12.2011 20:38
von Schmierfink
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Hey,
sicher guter Text! Finde die mittlere Strophe fällt qualitativ etwas ab, das die Bäume das Leben "zehren", empfinde ich ein wenig wie einen Fremdkörper, mag mir nicht passen. Auffällig ist das die Bildsprache aus Vers 1 so nicht durchgehalten wird, empfinde ich aber nicht als störend. Sehe den Bruch nur als etwas hart, der sehr negative Beginn (die Möglichkeit auf Tod und die Invalidisierung), löst sich doch wie gesagt sehr kindlich auf. Könnte mir vorstellen, das man da noch was machen könnte, wenn man will. Aber wie gesagt, guter Text wie er ist. Das Ende ist in der Tat sehr gut finde ich.
lg
Schmierfink
_________________ "Ein Kluger bemerkt alles, ein Dummer macht über alles seine Bemerkungen."
Heinrich Heine
"Ich gebe Zeichen von mir, Signale . . . Ich schreie aus Angst, ich singe im Dschungel der Unsagbarkeiten"
Max Frisch
"Die Leute gehen ins Feuer, wenn's von einer brennenden Punschbowle kommt!"
Georg Büchner |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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08.12.2011 23:16
von firstoffertio
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Ich kann im Gegensatz zu anderen mit "Augen, die sich verzahnen" nichts anfangen. Help!
Mir ist auch nicht klar, wer hier wen "make believe" macht, sorry.
Das soll nichts gegen das Gedicht sagen, lediglich meine eigenen Probleme nennen.
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seppman Weltfriedenstreiber
S Alter: 42 Beiträge: 923 Wohnort: Yaren
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S 09.12.2011 00:25 Re: make believe von seppman
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Moin
Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben: | hüllen wir unsere kopfsiebe
in wallende perücken
und verdecken mit gewändern
fehlende gliedmaßen
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Das find ich sehr gut, der Rest des Gedichts geht mir ab..
Toll, leider nicht bis zum Ende
Ich find "tun wir so.." zu profan .. es müsste eher von "aussen" kommen ..
make believe ist ja schliesslich ne Kunstfertigkeit.. es sei denn man ist Fernsehen..
und ich komm auch nicht zurecht, dass die kahlen Äste das Leben zehren, und dann auch noch von uns.
Frechheit.. ne Scherz..
Naja
Grüße seppman
_________________ Ich bin Flexitarier, ich esse dann, wenn ich Hunger, das worauf ich Hunger habe und verlass mich da völlig auf mein Bauchgefühl. Nebenbei bin ich Anhänger der Multitoleranzbewegung. |
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Gast
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09.12.2011 08:22
von Gast
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Hallo nochmal,
Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben: | hüllen wir unsere kopfsiebe
in wallende perücken
und verdecken mit gewändern
fehlende gliedmaßen |
Unzulänglichkeit(en) verbergen
Vorgeben, stärker zu sein, als wir wirklich sind
Erst habe ich an Krankheit gedacht, Alter
Jetzt funktioniert es nicht mehr, oder doch?
„Dieser Winter“,
Welt ohne Wärme und Schutz, das „Wir“ hilft, ihr zu begegnen
Das LD wird aufgefordert, ermutigt
LI ermutigt sich dadurch selbst:
Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben: |
ziehen wir los und tun so,
als könnten wir
diesen winter überleben
tun wir so, als hätte der mond
uns niemals traurig gemacht
als hätten wir niemals
den drang verspürt
den kopf emporzurecken
und die kahlen äste anzuschreien
dafür, dass sie von uns
das leben zehren |
wenn der zyklus einmal verinnerlicht ist
Mondphasen
Jahreszeiten
dann wissen wir, wir sind endlich:
Das Bewusstsein der Sterblichkeit
Erkenntnis des Unaufhaltbaren
Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben: |
augen, noch intakt genug
sich zu verzahnen |
Das hier klang für mich als wäre jemand schon am Ende angelangt
Ohne jedoch die Hoffnung auf eine Begegnung aufgegeben zu haben
Augen, die sich verzahnen
Blicke, die sich ineinander festbeißen
Das Bild passt für mich, manchmal sieht eine Iris aus wie ein Strahlenkranz, ich assoziiere hier Zahnräder, die ineinandergreifen
Auch die letzten Zeilen spielen mit der Hoffnung, mit der Neugier, mit der Lust auf „Was wäre, wenn …“
Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben: |
und drei wörter in der luft
die niemals landen
das bleibt unser
kleines geheimnis |
Für mich hat sich die Lesart geändert, in dem Moment, wo mir bewusst wurde, dass die Autorin viel jünger ist, als ich gedacht hatte, aber es änderte sich dadurch nichts daran, dass ich es gut finde, dass ich Mut lese und ... Poesie
Jetzt möchte ich auch den Schluss behalten,
Lorraine grüsst
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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12.12.2011 10:03
von Enfant Terrible
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Hallo Leute, die Quintessenz eurer Kritiken entspricht dem Gefühl, das ich selbst bei diesem Gedicht hatte, dass da noch etwas nicht ganz optimal gelaufen ist. Mal sehen, ob ich es schaffe, es ein wenig zu konzentrieren.
Lorraine, deine Interpretationsansätze sind ein Genuss zum Lesen. Eine Aussage von dir bereitet mir Kopfzerbrechen: Inwiefern beeinflusst das Alter des Autors die Lesart? Assoziierst du mit bestimmten Altersgruppen andere Themen etc, sodass du dich gezwungen siehst, das Gedicht neu einzuordnen, wenn du das wahre Alter des Autors erfährst, oder wie ist das?
_________________ "...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP
Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
"Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen." © Hallogallo |
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Mr. Curiosity Exposéadler
Alter: 35 Beiträge: 2545 Wohnort: Köln
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14.12.2011 13:32
von Mr. Curiosity
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Hallo,
ich habe nur das Problem, die erste Strophe nicht wirklich einordnen zu können. Was danach folgt, ist ja durchaus ein solides (trauriges) Liebesgedicht. Die erste Strophe wirkt in dem Zusammenhang auf mich fast ein bisschen konstruiert, so als hättest du unbedingt etwas Kryptisches einbringen wollen.
Mit "Kopfsieben" verbinde ich eine Art "Stand-By"-Leben. Nichts gelangt zu einem, alles von außen sickert durch einen hindurch. Die Perücke ist somit ein künstliches Mittel, dieser inneren Verwahrlosung entgegenzuwirken. In der jetzigen Form liest es sich übrigens so, als ginge es um zwei Frauen. Wolltest du das rüberbringen? Ich komme deshalb darauf, weil du ja schreibst "hüllen wir unsere kopfsiebe in wallende Perücken". Ein Mann mit wallender Perücke ... naja.
Persönliche Assoziationen zu der "Perücke": Identitätswechsel, Maskerade, aber auf eine "aggressive", plakative, vllt. auch showmäßig plakative Weise.
Ich muss da konkret an manche Subkulturen denken mit ihrem Zeichenrepertoire.
"Fehlende Gliedmaßen" heißen für mich Ohnmacht. Diese versuchen sie ebenso zu verbergen. Im Zweifelsfall würde ich übrigens "Arme" nehmen. Oder schränkt das zu sehr ein?
Soweit, so ok. Ich meine aber immer noch, diese Strophe passt nicht rein, weil wirklich der Großteil des Gedichtes ganz anders ist.
Ich würde sie woanders wiederverwenden.
Die beiden Menschen sind durch die "verzahnenden Augen" und ihre Unfähigkeit, sich die Liebe einzugestehen (mit den drei Wörtern ist ja wohl "ich liebe dich" gemeint, oder? ) schon genausogut charakterisiert.
Die erste Strophe hebt das nur auf eine allgemeinere Ebene, die das Gedicht nicht braucht.
Nur meine Meinung
LG David
_________________
"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."
(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris") |
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seppman Weltfriedenstreiber
S Alter: 42 Beiträge: 923 Wohnort: Yaren
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S 14.12.2011 14:32
von seppman
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Moin
für mich ist die 1. Strophe eine Darstellung von so Leuten wie Louis 14. von Frankreich.. Ich les das aber auch nicht als Liebesgedicht, sondern eher als Klage der Hungernden, auf dem Weg nach Versaille..
Die 3 geheimen Wörter : Freiheit, Gleihheit, Brüderlichkeit
Grüße seppman
_________________ Ich bin Flexitarier, ich esse dann, wenn ich Hunger, das worauf ich Hunger habe und verlass mich da völlig auf mein Bauchgefühl. Nebenbei bin ich Anhänger der Multitoleranzbewegung. |
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Rufina Klammeraffe
Beiträge: 693
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14.12.2011 16:24
von Rufina
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Ich habe mich bislang nicht geäußert, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, das Gedicht zur Interpretation auseinanderzupflücken, zumal es ziemlich persönlich zu sein scheint. ET, ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich es nun doch mache.
Zitat: | hüllen wir unsere kopfsiebe
in wallende perücken
und verdecken mit gewändern
fehlende gliedmaßen |
Kopfsiebe: Für mich ein Bild, dass ich mit verdrängter Erinnerung in Verbindung bringe. "Ein Kopf wie ein Sieb"? Vielleicht damit, nichts aus den eigenen oder fremden Fehlern in der Vergangenheit gelernt zu haben? Vertrauen geschenkt, aber eine Enttäuschung geerntet ...
Sowohl die Perücken als auch die Gewänder versuchen etwas zu übertünchen, die Gewänder wohl am ehesten die erlittenen Verletzungen, von denen die fehlenden Gliedmaßen zeugen? Die wallenden Perücken ... siehe oben.
Zitat: | ziehen wir los und tun so,
als könnten wir
diesen winter überleben |
Tun wir so, als könnten wir die Vergangenheit verdrängen, als könnte Bestand haben, auf was wir uns da (wieder) einlassen, als wüssten wir es nicht besser?
Zitat: | tun wir so, als hätte der mond
uns niemals traurig gemacht
als hätten wir niemals
den drang verspürt
den kopf emporzurecken
und die kahlen äste anzuschreien
dafür, dass sie von uns
das leben zehren |
Hier wird das düstere Bild noch weiter ausgebaut. Man erfährt mehr über Schmerz, die Wut und auch der Winter taucht erneut auf, für mich in doppeldeutiger Weise. Einerseits der lebens(lust)zehrende Winter, andererseits der Winter als Grund für das Ende der Beziehung/der Gefühle?
Zitat: | augen, noch intakt genug
sich zu verzahnen
und drei wörter in der luft
die niemals landen |
Die sich verzahnenden Augen halte ich für ein sehr gelungenes Bild. Die drei Wörter entweder "Ich liebe dich" oder "Ich hasse dich". Evtl. auch von beidem etwas?
Zitat: | das bleibt unser
kleines geheimnis |
Hier hänge ich ein wenig ... Macht es nur Sinn, wenn ich es in Zusammehang setze mit den Wörtern, die niemals landen? Dass die Worte zwar ausgesprochen werden, aber nicht gegenüber demjenigen, den sie betreffen.
Mit dem "wir" hatte ich auch Probleme. Es gibt zwei (wenn nicht sogar drei) Lesarten und nur das macht das Gedicht für mich schwer zugänglich. Erinnert sich das lyrische Ich selbst an das Vergangene, will der eine Teil der Persönlichkeit, den anderen an die Vergangenheit erinnern und der andere Teil will verdrängen oder sind es tatsächlich zwei Personen? Bei zwei Personen macht für mich aber der Schluss keinen Sinn.
Für mich ein gelungenes Gedicht, das durch den Einsatz passender Bilder, den Schmerz nicht plakatiert (sollte ich denn überhaupt richtig liegen).
Viele Grüße
Rufina
PS: Die französische Revolution wäre natürlich auch ein interessanter Interpretationsansatz, aber wäre das dann nicht eher Ludwig XVI? Na ja, bei drei Worten denke ich in erster Linie eher an die berühmten drei Worte und nicht an liberté, égalité, fraternité, kann mich aber auch irren.
_________________ Noch sind wir zwar keine gefährdete Art, aber es ist nicht so, dass wir nicht oft genug versucht hätten, eine zu werden. (Douglas Adams) |
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MrPink Lyromane
Alter: 53 Beiträge: 2431 Wohnort: Oberbayern
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14.12.2011 22:57
von MrPink
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Für mich auch ein Liebesgedicht. Und so gefällt es mir auch richtig gut.
Bei den sich verzahnenden Augen musste ich gleich an ein anderes Gedicht von dir denken, ich glaub Romulus und Remus, die Male die ineinander rasten. Damals hab ich das in Verbindung mit HR Giger gebracht, diese Vermischung von organischem und Technik, das hat was. In diesem Gedicht finde ich jetzt nicht wirklich was von dieser technisch-düsteren Melancholie.
Iss ja auch n Liebesgedicht. Eins mit Wiedererkennungswert und trotzdem kein Abklatsch, gut so.
schönen Abend
andi
_________________ „Das Schreiben wird nicht von Schmerzen besorgt, sondern von einem Autor.“
(Buk) |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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15.12.2011 00:22
von firstoffertio
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Ich hab's nochmal probiert. Ich kann da kein Liebesgedicht erkennen.
Die ersten drei Verse lese ich nun aus aktuellem Anlass als Aufdeckung der falschen make believe Weihnachtsfriedensstimmung.
Mit den letzten beiden komme ich nicht weiter.
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Gast
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20.12.2011 23:27
von Gast
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Hallo ...
Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben: | Eine Aussage von dir bereitet mir Kopfzerbrechen: Inwiefern beeinflusst das Alter des Autors die Lesart? Assoziierst du mit bestimmten Altersgruppen andere Themen etc, sodass du dich gezwungen siehst, das Gedicht neu einzuordnen, wenn du das wahre Alter des Autors erfährst, oder wie ist das? |
Es sind dieselben Themen, denke ich, aber die Sicht auf die Dinge, der Blickwinkel eines Autoren ändert sich mit den Jahren. Ich war einfach nur überrascht und ja, dieses Gedicht habe ich neu eingeordnet; die Reife, die ich vorfand, ist aber deshalb nicht verschwunden ...
Zu den "Kopfsieben": Seit dein Avatar neben dem Text aufgetaucht ist, werde ich das Bild eines kahlen Puppenkopfes (>Sieb) nicht mehr los, dazu passen dann auch die "fehlenden Gliedmassen", ich sehe "misshandelte" Puppen, Sinnbild der einer Kindheit, die zu früh und zu plötzlich beendet wurde? Würde auch passen, zum Spiel mit Puppen, dieses "tun wir so ..."
Ich fühle mich diesem Text immer noch sehr nahe.
Grüsse von
Lorraine
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