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Andi Fontäne Eselsohr
Alter: 36 Beiträge: 268
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13.12.2011 15:06 Erstes Kapitel von Andi Fontäne
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Kapitel 1
Es war heiß in der Limousine. Donna schlug schon wieder mit der ganzen Hand auf die getönte Scheibe, die die Fahrerkabine vom Rest des Fahrzeugs trennte. Ich betätigte die Sprechanlage.
„Juan, drehen sie die Heizung endlich runter. Mein Kostüm ist schon ganz durchgeweicht!“
Ich sagte ihr, dass die Anlage defekt sei. Ein Elektronikschaden. Die Digitalanzeige war eingefroren und blieb unweigerlich auf 38 Grad. Ein Fenster konnte ich nicht öffnen, denn wir fuhren mit Schrittgeschwindigkeit durch eine Menschenmasse, die sich vor dem Wiener Opernhaus gebildet hatte. Sie alle wollten Donna singen hören. Denn sie war eine weltbekannte Opernsängerin, an die sich heute allerdings nicht viele zu erinnern vermögen. Wie schnelllebig die Welt doch ist. Heute weiß ich das.
Wenn ich jetzt in meinem Vorgarten sitze, umgeben von fünfhundert Hektar englischem Rasen, Platanen und der großen alten Trauerweide, dann bekomme ich ein Gefühl für die Endlichkeit allen Seins. Meine Finger tippen auf der Schreibmaschine meiner Mutter. Viele schreiben mit Computer, oder Hand. Ich hingegen brauche die unendlich schön klingenden Geräusche des Anschlags. Der Wind weht mir durch mein mittlerweile schulterlanges Haar und zieht hinter meine Pilotenbrille. Meine Augen beginnen zu tränen. Ist es der Wind? Oder die Erinnerung?
Donna schlug wieder gegen die Glasscheibe.
„Juan, machen sie endlich die Fenster runter. Ich ersticke.“
„Aber Signora, die Leute. Das ist zu gefährlich!“
„Mir egal! Öffnen Sie, Juan. Ich befehle es ihnen!“
Ich ließ die Scheiben halb herunter fahren. Sofort begannen Arme in das Wageninnere zu greifen. Sie riefen:
„Dooonna!“
Die Diva wurde panisch. Trotz der Dämmung zum Fahrgastraum konnte ich ihr tonal korrektes Geschrei hören.
„Signora, sind sie in Ordnung?“
„Geben Sie Gas, Juan. Die Meute greift mich an.“
„Aber die Menschen, Signora.“
Ein erneuter Schrei von ihr fuhr mir durch Mark und Bein. Instinktiv ließ ich die Scheiben wieder hochschnellen und drückte das Gaspedal voll durch. Ein paar Arme blieben zwischen den Fenstern stecken, doch darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen. Denn ich war Bodyguard und wusste, dass mit diesen armen Irren nicht zu spaßen war. Die schwarze Limousine bahnte sich ihren Weg durch die Menschenmenge, dabei wurde das Fahrzeug von links nach rechts geschüttelt. Doch wenig später kamen wir sicher am Haupteingang des Wiener Opernhauses an.
Donna wurde die Türe geöffnet. Sie sah blendend aus. Fotografen rissen sich um ein Foto von ihr auf dem roten Teppich. Sie machte alle möglich Posen, die sie zuvor vor dem Spiegel eingeübt hatte. Sie zupfte den Rock, der über ihrem fetten Hinterteil hing, etwas hoch, machte ein erstauntes Gesicht und legte sich die Hände vor den Mund.
Dieses massige Weib war einer meiner ganz besonderen Schützlinge. Schließlich hatte ich auch eine sexuelle Beziehung zu ihr. Aber unfreiwillig!
Eines Abends saßen wir in ihrer Schneehütte am Mount Blue. Das Kaminfeuer knisterte. Sie rief mich unter einem Vorwand herbei. Dann umklammerten mich ihre speckigen Arme so fest, dass ich kaum noch Luft bekam. Als sie merkte, dass ich mich genierte, verpasste sie mir einen Tritt in die Magengegend und machte sich über meinen vor Schmerzen gekrümmten Körper her.
Am nächsten Tag taten wir, als sei nichts gewesen. Meine Bezahlung für jene Woche in der Berghütte fiel allerdings hundertmal so hoch aus wie abgesprochen. Ich beschloss, dass Geld zu nehmen und erstatte keine Anzeige.
Das Geld allerdings hielt nicht lange. Nach ein paar Monaten wurde meine Bankkarte vom Automaten nicht mehr ausgegeben. Ich war hoch verschuldet. Wie mir das passieren konnte? Nun, mein Lebensstil war nicht gerade billig. Doch dazu später mehr.
So kam es also, dass ich, als Donna mich vor Weihnachten jenen Jahres wieder anrief, mir frohe Tage wünschte und mich anschließend fragte, ob ich sie nicht noch ein letztes Mal schützen könne, und zwar am Silvesterabend, bei ihrem Auftritt im Wiener Opernball, widerwillig zusagte. Es wäre sehr gefährlich. Sie hätte seit langem wieder mal einen Drohbrief bekommen und hätte nun Angst. Es müsse an diesem Tag ein Profi an ihrer Seite sein. Die Vergütung würde dieses Mal sogar noch viel höher als letztes Mal ausfallen. Ich bräuchte bis an mein Lebensende nicht mehr zu arbeiten.
Ich sagte zu. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend ging ich zurück in die Küche, wo der Eiersalat auf mich wartete, den ich mir vor dem Schellen des Telefons aufgemacht hatte und dessen Haltbarkeitsdatum schon lange abgelaufen war.
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