Klosterliebe (für Altschneider und Jungpensionisten)

[Ric]

Gebt Obacht, lauscht der schlimmen Mär aus heiler Klosterwelt:
Es ist schon ein paar Jährchen her, als mir ein Mönch erzählt‘;
Und keine Silbe, schwor der Wicht, beim heiligen Altar,
gelogen oder gar erdicht', nein, alles wirklich war!

Ein frommer Mann im Mönchsgewand, der sah ein göttlich Weib -
und war dahin! Der Sinn ihm Stand nur noch nach Zeitvertreib,
so wie es Mann und Frau seit eh und je schon praktiziert.
So fasst er Mut in ihrer Näh' und fragt sie ungeniert.

“Ei, lieber Freund,” so sagt die Maid, “ich weiß, woran Ihr denkt‘;
ich komm in Eure Kammer heut‘, wenn Ihr mir etwas schenkt!”
“Ein Böhmenpfennig wär der Sold, und Speis und süßer Wein!”
“Wenn’s dunkel wird,” so sprach sie hold, “will ich die Eure sein.”

So wie gesagt, es sich betrug, in dunkler Klosternacht.
Und mancher fromme Bruder frug, warum die Pritsche kracht!
Derweilen unser guter Mann, um den die Sage geht,
das Weib beglückt, so gut er kann, mit manchem Stoß-Gebet.

Ob ungewohnter Liebesmüh, der Gottesmann lag matt
und müd in aller Herrgottsfrüh auf seiner Liegestatt.
Die Linke noch in der Natur des Weibes an der Seit‘,
die Rechte nach der Zwiebeluhr: Zum Teufel, höchste Zeit!

Ein Tropfen Rosenwasser noch an seine fahle Stirn,
und eilig aus dem finstren Loch ihn seine Schritte führn
in die Kapelle, wo er dreist den Gottesdienst vollbringt
so auf die schnelle, weil im Geist er Minnelieder singt.

Die Schöne, von der Liebesmüh des Pfaffen abgeschlafft,
greift nach dem Fläschchen vis à vis vom Rosenblättersaft.
Im Dunkeln findet sie am End‘ die rechte Flasche nicht,
gießt schwarze Tinte auf Händ‘ und schmiert sie ins Gesicht.

In freudiger Erwartung eilt der Mönch in sein Gelass,
wo schlafend die Geliebte weilt, vom Schweiß der Liebe nass.
Doch wehe: Als der Gottesmann das Laken schlägt zurück,
glotzt ihn der Satan selber an, pechschwarz, mit gierem Blick.

Er flieht den Ort, an dem er doch vor Stunden frohgemut,
und schreit: “Der Teufel holt mich noch, gebt acht, seid auf der Hut!”
Das schöne Luder, eingeschwärzt, wusch sich in Eile rein,
hat nie mehr einen Mönch geherzt, ließ Klosterfreuden sein.

Der geile Bock im Mönchsgewand war aller Welt Gespött,
und man erzählt im ganzen Land, was sich ereignet hätt.
Allein erzählt des Volkes Mund so mancherlei Geschicht‘
von Lug und Trug, gar schön und rund - und teuflisch gut erdicht‘!

(Ideenquelle: Siehe 'Im Rosengarten')

[gh]

Lieber Ric

Dass alles stimmt und die Geschichte macht es mir warm ums Herz. Davon könnte ich auf andere Weise noch viel mehr Scheußlicheres sagen. Trotzdem finde ich es irgendwie ungerecht, einen Sünder anzuklagen. Vor allem das ich Mut haben muss zu meiner eigenen Schuldhaftigkeit zu stehen. Der Zölibat ist keine Hure. Man hat mehr Platz zum Denken. Mit dieser Kritik, damit bin aber nur ich gemeint, niemand anderer.

lggh

[kskreativ]

Klasse!

[Ric]

@ kskreativ, danke für die Klassifizierung!

@ gh: ich will keinen Sünder anklagen, ich habe nur versucht, die gefundene Geschichte in 'liederliche' Form zu bringen.
Was Zölibat und andere Scheußlichkeiten angeht, so ist das nicht der richtíge Platz für eine Diskussion. Für mich ist das auch keine Frage.
Danke für die Rückmeldung.
Gruß, Ric

[gh]

Lieber Ric

Ich verstehe Dich sehr gut, ich gehe mit Dir in allem was Du mir zu sagen hast. Herzliches Dankeschön

lggh

[Hardy-Kern]

Habe mich mal verirrt. Abgesehen davon, dass ich auch aus der "Gartenlaube" etwas präsentieren könnte, gefällt mir die Bezeichnung "Altschneider".
Was versteht man darunter?

Hardy

[Ric]

Altschneider ist die nächste Stufe nach Junggeselle  

Gruß, und Dank mfür die Rückmeldung

Btw.: Was gibt's in der Gartenlaube?