Weibliche Weisheit

[Hallogallo]

Ich hab ihr von der Unberechenbarkeit der Börse
und meinen Sorgen vor einem Finanzcrash erzählen dürfen

sie hat mir geduldig und ruhig zugehört
als ich von schmelzenden Polkappen
und leer gefischten Meeren gesprochen habe

als sie von meinem täglichen Kampf
um Lob und Anerkennung gehört hat
schien sie zu lächeln

einen Moment lang zugezwinkert hat sie mir
als ich ihr gestanden habe
dass ich jeden Morgen aufs Neue fürchte
von niemandem geliebt zu werden

und als ich ihr dann irgendwann von meiner Angst vorm Sterben erzählt habe
und davon
was ich vorher noch alles machen muss
und
was ich vielleicht schon verpasst habe

da hat sich meine Kätzin
auf den Rücken gedreht
um sich von mir so lange den Bauch streicheln zu lassen
bis sie sich sicher war
dass ich verstanden habe

[Aranka]

Dieses Gedicht erzählt auf eine anrührend behutsame Weise über das zärtliche und verstehende Miteinander von IHR und IHM. Wunderschön finde ich die feinen Nuancen (lächeln/zuzwinkern), die das LI an seinem Gegenüber wahrnimmt und die es zu schätzen weiß. (erzählen dürfen). Gekonnt aufgebaut auch die Weise, wie sich das LI vor seinem Gegenüber und auch vor dem Leser in all seinen Sorgen und Selbstwahrnehmungen langsam entwickelt und dabei von dem großen Weltgeschehen beginnend immer näher an den Kern seines Ichs heranführt. Mag auch, wie das LI sich so sehr ernst nimmt, dies jedoch auch weiß.
Die Strophen haben fast einen erzählenden, nah an lyrischer Prosa herankommenden, Duktus.
Ich habe mich als Leser gerne davon tragen lassen und bin den Zeilen fast ein wenig willenlos gefolgt. Es entstand eine Szene so wunderbar langsam, so einfühlsam und nachvollziehbar. Konnte meine Sympathie zu diesen beiden kaum verbergen und meine kritisches Stimme hatte erst mal keine Chance gehört zu werden.
Auch die „Schlussszene“ ist sehr bildhaft, erfasst mich ein wenig unerwartet mit der starken Bewegung die plötzlich in den Text kommt. Inhaltlich und auch formal: die kurzen Zeilen (Bewegung) dann die Langzeile (Ruhe/Verweilen).

Eine Zeile stört mich ein wenig vom Ausdruck und fällt aus den sonst sehr mit Bedacht gewählten Verben heraus. „was ich vorher noch alles machen muss“. Dieses „machen muss“ klingt sehr umgangssprachlich.  Habe aber keine andere Idee. „erledigen muss“ ist auch nicht besser. Meinst du überhaut muss oder eher „will“?

Ich mag dieses Gedicht sehr, bin kaum geneigt kritischer heran zu gehen. Für mich ist es stimmig. Was mir besonders gefällt, ist die liebevolle Haltung des Autors seinen Gestalten gegenüber und seinen sensiblen verantwortlichen Blick auf die Szenen.

Sehr gerne gelesen. Aranka

[Schmierfink]

Nette möglicherweise Pointe, Einstieg möglicherweise zu Klischeebeladen, sonst wirklich gut für mich.

lg

Schmierfink