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LoniOderNatalie Wortedrechsler
Beiträge: 77
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17.06.2011 15:01 Am Tisch von LoniOderNatalie
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Hallo allerseits!
"Fuchsias" Geschichte von den "Drei Worten" (Zu finden in diesem Forum!) hat mir den nötigen Tritt ... (räusper) ... Hm, also jedenfalls nützt ja nix, wenn man immer nur still durchs Forum schleicht. Ich möchte euch mal einen Text vorstellen und freue mich auf ... was auch immer.
Dank an Fuchsia: tolle, warmherzige Geschichte!
Am Tisch
Sabine trägt auf.
Pilzcarpacchio. Marinierte Zucchini, gefüllt mit Parmaschinken. Ein Dip aus Mascarpone und Parmesankäse. Selbstgebackenes Brot.
Michael stellt Wasser und eine Flasche Rotwein auf den Tisch. Details fallen mir auf: die lässig aufgeschlagenen Ärmel seines Businesshemdes, der Siegelring am kleinen Finger, die klobige Armbanduhr. Er dreht die Flasche so, dass wir das Etikett sehen können.
'Aromen von reifen Beeren!' Möchte ich dir zuraunen. 'Wunderbar würzige Nuancen, milde Tannine!' Mein Blick sucht deinen. Ich würde dir gern zuzwinkern und beobachten, wie deine Lippen sich zu einem winzigen Schmunzeln kräuseln, wenn du erkennst, dass mein Geflüster Michaels Tonfall parodiert.
Doch du sitzt neben mir, schaust geradeaus, deine Haltung kerzengerade. Weil dieser schreckliche Stuhl es nicht anders zulässt? Oder weil du meine Gedanken errätst?
Ich weiß: Sabine und du, ihr seid alte Freundinnen. Das steht zwischen uns und verhindert, dass unsere Blicke sich treffen.
Michael füllt die Gläser: "Trinken wir auf das Leben und die Freundschaft!"
"Schön, dass ihr uns mal wieder besucht. Ihr wart ja ewig nicht da!" Ergänzt Sabine.
Deine Hand legt sich auf meinen Unterarm. Dir zuliebe spüle ich die Bemerkung, die mir auf der Zunge liegt, mit einem Schluck Wein hinunter.
Sabine lässt sich die Teller reichen und tut uns auf. Du lobst ihre Kochkünste.
Michael antwortet für seine Frau: "Bine hat bei einem Slow-Food-Workshop mitgemacht, als wir letztes Mal auf Sardinien waren."
"Der Maikel war den ganzen Tag auf dem Golfplatz, da musste ich mich eben allein beschäftigen." Erklärt Sabine fröhlich.
"Wie findet ihr den Wein?"
Ohne unsere Meinung abzuwarten, lässt Michael uns wissen, wie wir den Wein zu finden haben: "Hab ich von einem Incentive in Südtirol mitgebracht. Wunderbar würzige Nuancen! Zimt, Nelken. Aromen von schwarzen Beeren, ganz milde Tannine! Wir bestellen bald wieder; wollt ihr auch einen Karton?"
Ich schlucke. Meine Kehle ist ausgedörrt, trotz mildester Tannine.
Du antwortest.
Es tut gut, deine Stimme zu hören. Sie dringt durch das Rauschen in meinem Kopf und beruhigt mich, hält mich auf meinem Stuhl, dämpft meine Wut. Oder meinen Neid?
Der Hauptgang: Wolfsbarsch im Kräuterbett, karamellisierte Kartoffeln, Salat der Saison, Johannisbeervinaigrette.
Die Themen: der Job, das Haus, der Firmenwagen. Die nächste Urlaubsreise. Benedict, der zweijährige Sohn der beiden.
"Zum Fisch lieber einen Sauvignon, Binchen?"
Mein Mund ist immer noch trocken. Mit der Zunge schiebe ich seit einiger Zeit eine Kartoffel hin und her, ohne sie hinunter zu bekommen. Schließlich nehme ich einen Schluck Wein zur Hilfe.
Michael greift schnell sein Glas, um mir zuzutrinken.
"Gut siehst du aus, Horst. Richtig braungebrannt. Wart ihr in den Semesterferien bei Julias Eltern, Ferien auf dem Bauernhof?"
Sabine setzt nach. Versichert, dass sie dich um dein Elternhaus beneide: "Es liegt so schön ländlich!" Rät uns, auf einen ausreichend großen Garten zu achten, falls wir uns eines Tages ein Eigenheim leisten wollten.
Derweil wandern Michaels Blicke zufrieden in seinen eigenen vier Wänden umher.
Ich wage einen Seitenblick. Dein Mund ist schmal, und deine Augen werfen Blitze auf die gegenüberliegende Tischseite.
Warum siehst du mich nicht an? Wir sitzen inmitten einer Realsatire! Wir könnten uns verbünden und Spaß haben; könnten in Gelächter ausbrechen, ohne vorher ein Wort wechseln zu müssen, denn jeder von uns kennt die Gedanken des Anderen.
Doch du harrst aus und lähmst auch mich mit deiner Stoa.
Der Nachtisch: Cassata, Obstsalat, Kaffee.
Ich bin müde vom Wein und vom Essen, vom Rauschen in meinem Kopf.
"Wir haben den Benny in einem bilingualen Kindergarten angemeldet!" Erzählt Sabine.
"Wie weit seid ihr eigentlich mit eurer Familienplanung?" Michael stellt die Frage direkt an mich. Sein Gesichtsausdruck kommt mir wölfisch vor: feixend bleckt er seine Zähne.
Ich zucke zusammen. Soll ich getroffen winseln oder zurückbeißen?
Du sagst etwas, doch das Rauschen in meinem Kopf ist jetzt so laut, dass ich deine Worte nicht verstehe. Ich erkenne, dass mein eigenes Blut mir da so zornig in den Ohren rauscht.
Michael hebt beschwichtigend seine Hände: "Na ja, was willst du machen, wenn der Horst mit Dreißig noch an seiner Doktorarbeit rumwurstelt. Einer muß die Firma ja liquide halten. Gut, dass dein Job genug für euch beide abwirft, Julchen!"
Er schenkt Wein nach und gönnt mir ein joviales Lächeln: "Lass uns auf deinen Erfolg trinken, Horst. Wer sich so viel Zeit mit dem Studium lässt, der kommt zwar langsam, aber gewaltig!"
Ich beiße die Zähne aufeinander.
Unterm Tisch tastet deine Hand nach meiner; findet, greift, drückt sie. Und endlich spüre ich auch deinen Blick. Ich wende mich dir zu, sehe in deine Augen. Sie lachen.
In deiner Stimme Provokation: "Wann steigt die Campus-Party?"
Ich sehe zur Uhr: "Da fliegt jetzt die Kuh."
Du zwinkerst: "Hin, abfeiern?"
"Aber so was von."
"Abflug?"
Ich grinse: "Jep!"
Runter den Grappa und Tschüss, ihr beiden: wir werden uns wohl ewig nicht mehr sehen![/i]
Weitere Werke von LoniOderNatalie:
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Maria Evolutionsbremse
Alter: 52 Beiträge: 6000
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17.06.2011 15:16
von Maria
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why so shy?
Der Text ist einfach nur gut. Tempo, Timing perfekt, dazu lässt du genau das richtige zwischen die Zeilen rutschen und gibst dem Text einen ganz eigenen Geruch.
Ein Zuckerl ist das! Find ich. Hätte ich gern selbst geschrieben.
Wegen solcher zurückgenommenen Kleinigkeiten (im Kontext):
Zitat: | "Gut siehst du aus, Horst. Richtig braungebrannt. Wart ihr in den Semesterferien bei Julias Eltern, Ferien auf dem Bauernhof?" |
Wenn du jetzt noch die Formalien glattbügelst, (wörtliche Rede in neue Zeile) Groß/Kleinschreibung nach/vor wörtlicher Rede, dann würde ich auf eine Verschiebung in die Prosa plädieren, will aber nicht voreilig sein...
Bin begeistert! Michael und Sabine sind abscheulich.
Gruß
Maria
_________________ Give me sweet lies, and keep your bitter truths.
Tyrion Lannister |
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MT Reißwolf
Alter: 52 Beiträge: 1090 Wohnort: Im Süden (Niedersachsens)
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17.06.2011 15:31
von MT
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Moin und herzlich willkommen im Forum.
Der Text ist toll. Natürliche Dialoge, das "Nebenbei" auf ein Minimalmaß beschränkt. Die Sprache fließt, Micha und Sabine sind wunderbar ätzend!
Maria hat die Fomalia schon zutreffend moniert, da kann ich mich also zurück halten.
Ein feiner, kleiner Ausschnitt aus dem täglichen Leben. Zum Lachen, zum Kopfschütteln, und auch ein bisschen zum Nachdenken über uns selbst.
Schönes Ding, das!
LGMT
_________________ Das Schicksal verzichtet oft auf Kommentare, es begnügt sich damit, zuzuschlagen.
Siegfried Lenz |
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Ernst Clemens Klammeraffe
Alter: 77 Beiträge: 594 Wohnort: München
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17.06.2011 15:55
von Ernst Clemens
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toll loni - ich beneide deinen stil. kurz, knackig und natürlich. so möchte ich es auch können! ein humor, der einem manchmal in der kehle stecken bleibt.
Zitat: | die lässig aufgeschlagenen Ärmel seines Businesshemdes, der Siegelring am kleinen Finger, die klobige Armbanduhr. Er dreht die Flasche so, dass wir das Etikett sehen können.
| das sagt schon fast alles über Michael. mehr brauche ich als leser gar nicht.
herzlich willkommen im forum - und lass uns bald an weiteren guten geschichten teilhaben!
ernst
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Scrag Erklärbär
S Alter: 35 Beiträge: 3 Wohnort: Freiburg im Breisgau
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S 17.06.2011 16:39
von Scrag
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Ein gut geschriebener Text, an dem es meine Hinsicht nichts mehr zu rütteln gibt, aus dem Leben mit zwei nervtötenden Charaktere, Michael und Sabine. Mir ist nicht nur wegen dem leckeren Gerichten in deinem Text das Wasser im Munde zusammen gelaufen, sondern vorallem wegen der Art und Weise, wie er geschrieben ist. Das ist ein wirklicher Appetithaben für Leser.
LG Markus
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Fjodor Reißwolf
Beiträge: 1500
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17.06.2011 16:57
von Fjodor
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Hallo,
weil die Autorin weiblich ist, dachte ich bis zur Aufklärung ("Horst"), dass es sich beim Ich-Erzähler um eine Frau handelt
Vielleicht kann man die Personenkonstellation ein klein wenig früher sichtbar machen (ohne dem ziemlich perfekten Aufbau der Geschichte Gewalt anzutun) ... z.B. hier und so :
"... oder weil du die Gedanken deines Mannes errätst"
Ansonsten ohne jede Einschränkung richtig vergnüglich zu lesen!
LG, Fjodor
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Maria Evolutionsbremse
Alter: 52 Beiträge: 6000
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17.06.2011 17:26
von Maria
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rasche Einmischung
Fjodor,
hast vielleicht am Anfang überlesen:
Zitat: | Ich weiß: Sabine und du, ihr seid alte Freundinnen. |
( Was ja trotzdem Indikator sein könnte )
_________________ Give me sweet lies, and keep your bitter truths.
Tyrion Lannister |
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Fjodor Reißwolf
Beiträge: 1500
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17.06.2011 17:50
von Fjodor
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@ Maria
Doch das hatte ich gelesen. Vielleicht denke ich bei Beziehungsgeschichten inzwischen zu modern
LG
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Gast
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17.06.2011 17:59
von Gast
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Hallo,
Kann mich nur anschliessen: toll, wie du diese Design-statt Seinbeziehung, dieses Lifestyle-Pärchen entlarvst.
LG
Dlurie
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crim sex, crim & rock'n'roll
Beiträge: 1578 Wohnort: München
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17.06.2011 18:14
von crim
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Direkt zweimal gelesen und beim zweiten Mal sehr herzlich über den Eingangssatz gelacht.
Sabine trägt auf. Perfekt.
Habe zusammen mit Horst eine vornehme Wut auf Michael entwickelt. Top Text.
Scheiß milde Tannine.
Weiter so.
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seitenlinie Reißwolf
Beiträge: 1829
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17.06.2011 20:13
von seitenlinie
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Hallo LoniOderNatalie,
die Schilderung der Situation und der Charaktere ist treffend. Auch das „Abarbeiten“ der Speisekarte gefiel mir sehr gut.
Schwächen beim Satzbau sehe ich kaum. Mir fiel nur auf, dass Du Sätze manchmal unnötig zerreißt.
Zitat: | "Der Maikel war den ganzen Tag auf dem Golfplatz, da musste ich mich eben allein beschäftigen." Erklärt Sabine fröhlich. |
Den Redebegleitsatz würde ich mit Komma anhängen. Es gibt weitere Sätze, bei denen mir das auffiel.
Das Wort „Stoa“ finde ich nicht so passend, es hat diesen philosophischen Ansatz.
Muss der Leser einen Gedanken rückwärts erschließen, erfordert das Geschick, damit er nicht kurz aussteigt:
Zitat: | Er dreht die Flasche so, dass wir das Etikett sehen können.
'Aromen von reifen Beeren!' Möchte ich dir zuraunen. 'Wunderbar würzige Nuancen, milde Tannine!' Mein Blick sucht deinen. Ich würde dir gern zuzwinkern und beobachten, wie deine Lippen sich zu einem winzigen Schmunzeln kräuseln, wenn du erkennst, dass mein Geflüster Michaels Tonfall parodiert. |
Erst am Ende dieser Sinneinheit wird klar, dass Michael gerade gesprochen hat. Das ist mir zu spät.
Inhaltlich gibt es m.E. auch eine kleine Schwäche. Am Anfang wird ein Konflikt angedeutet, der sich am Ende irgendwie in Luft auflöst:
Zitat: | Ich weiß: Sabine und du, ihr seid alte Freundinnen. Das steht zwischen uns und verhindert, dass unsere Blicke sich treffen. |
Ich hatte gespannt auf Zuspitzung und Auflösung gewartet - doch dann kam nichts mehr.
Gruß,
Carsten
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LoniOderNatalie Wortedrechsler
Beiträge: 77
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18.06.2011 12:48
von LoniOderNatalie
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Hallo Allerseits!
Vielen Dank für das herzliche Willkommen und für eure prompten und vor allem wohlwollenden Rückmeldungen. Damit hatte ich - ehrlich gesagt - nicht gerechnet, so dass mir jetzt ganz warm ums Herz ist!
@ Maria
Why so shy?
Weil ich, wie erwähnt, schon einige Zeit im Forum herumschleiche und feststellen musste, dass hier kein Blatt vor den Mund genommen wird. Tolle Sache, das; hilfreicher als das Buddystreicheln in anderen Foren. Wirkte aber auf mich als Anfängerin, die noch kein kritisches Gespür für die eigene Schreibe entwickelt hat, auch einschüchternd.
Danke für deine Kritik: bin bei wörtlicher Rede nicht so firm. Weißt du einen Link oder Literatur zum Nachlesen?
@Fjodor
Stimmt: Paare sind nicht grundsätzlich hetero. Aber ich denke, dass der Besuch eines homosexuellen Päärchens Sabine und Michael komplett überfordern würde.
Deinen Vorschlag habe ich trotzdem ausprobiert. Er funktioniert gut!
@Seitenlinie
Klar hat das Wort Stoa einen philosophischen Ansatz. Viele Worte aus der Umgangssprache haben ihren Ursprung in irgendeiner Wissenschaft. Aber hier steht es in einem prosaischen Text, der eine Alltagssituation beschreibt, und nicht in einer Abhandlung über die Stoiker. Deshalb finde ich es weit hergeholt, hier einen philosophischen Zusammenhang herzustellen; zumal "stoisch" das Adjektiv ist, dass Julias Gemüt an dieser Stelle am zutreffendsten beschreibt. Ich habe viele andere Wörter ausprobiert, aber kein passenderes gefunden. Kannst du mir eines vorschlagen?
Viele Grüße euch allen und ein Schönes Wochenende!
Eve
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Gast
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18.06.2011 13:08
von Gast
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Hallo Eve,
gerade eben auf diesen tollen Text gestossen, bin ganz begeistert! Klasse fand ich den "Maikel" und ich muss dir ein Kompliment für die Spannung aussprechen, die ich gefühlt habe ... "verrät" Julchen ihren Horst, hat sie nicht vielleicht Zweifel, den Falschen erwischt zu haben, oder wird sie zu ihm halten ... ich war ganz erleichtert am Ende!
Bravo!
Stoa ... warum nicht "Gleichmut"?
Schöner Einstand,
Grüsse von
Anja
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Murmel Schlichter und Stänker
Alter: 68 Beiträge: 6380 Wohnort: USA
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18.06.2011 14:25
von Murmel
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So, hier kommt Murmel.
Das Positive vorneweg: Du verstehst es ausgezeichnet, mit Körpersprache zu arbeiten und mit wenigen Strichen, eine Figur aufs Papier zu bringen. Prima.
Trotzdem habe ich noch Kritik, formaler und inhaltlicher Art, und stimme mit ihr Seitenlinie zu.
Anfangs wusste ich nicht, wer wer ist, und schon gar nicht, dass das LI eine Frau ist. Vielleicht lese ich zu analytisch, aber ich verlange Klarheit vom Text, um mich in ihm einfinden zu können, mag auch am Alter liegen, dass mir die Geduld fehlt, einen Text noch zweimal zu lesen.
Wie kommen die zwei dazu, dieses Paar überhaupt zu besuchen? Ich vermutete Verwandtschaft, aber sehr spät kommt die Motivation der Freundschaft - nur, wo ist die geblieben?
Zitat: | 'Aromen von reifen Beeren!' Möchte ich dir zuraunen. 'Wunderbar würzige Nuancen, milde Tannine!' Mein Blick sucht deinen. Ich würde dir gern zuzwinkern und beobachten, wie deine Lippen sich zu einem winzigen Schmunzeln kräuseln, wenn du erkennst, dass mein Geflüster Michaels Tonfall parodiert. | Ist eine schwierige Konstruktion, da du im Konjunktiv bist, und das sehr lange - leider möchte das Lesergehirn in der Realität bleiben, daher kommt die What if Reflektion etwas früh in der Geschichte. Lass den Leser sich erst im Erzähler gemütlich machen, bevor du ihn herausforderst.
Zitat: | "Schön, dass ihr uns mal wieder besucht. Ihr wart ja ewig nicht da!" Ergänzt Sabine. | Formaler Rechtschreibfehler: "Ihr wart ja ewig nicht da!", ergänzt Sabine.
Zitat: | Michael greift schnell sein Glas, um mir zuzutrinken.
"Gut siehst du aus, Horst. Richtig braungebrannt. Wart ihr in den Semesterferien bei Julias Eltern, Ferien auf dem Bauernhof?" | Ein wenig zu schnell bist du hier: Michael trinkt dem LI zu und spricht, spricht aber nicht zu ihr. Außerdem weiß das LI nichts von seinem Vorhaben, kann es nur vermuten, sonst wär's eine grobe Perspektivverletzung. Vorschlag: Michael greift sein Glas, trinkt mir zu. (abgeschlossene Handlung).
So das war's aus Murmels Tüte.
Ach ja, fast vergessen, willkommen im Club!
Murmel.
_________________
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seitenlinie Reißwolf
Beiträge: 1829
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18.06.2011 18:42
von seitenlinie
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Hallo Eve,
für „Stoa“ gäbe es mehrere Möglichkeiten und Deiner Intention folgend würde „Gelassenheit“ wohl am besten passen.
Wie ich schon angedeutet hatte, hadere ich etwas mit dem Inhalt. Woran liegt das?
Julia und Horst wurden von Julias alter Freundin eingeladen und werden sehr gut bewirtet, was erst einmal für die Gastgeber spricht.
Die beiden fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut. Sabine und Michael lassen die Gäste spüren, dass es ein soziales Gefälle gibt. Aber sie haben
Manieren und verhalten sich nicht herablassend oder ungehobelt. Sie scheinen sogar Geschmack zu haben - an einem guten Wein,
dessen Qualitäten präsentiert werden, kann ich nichts Negatives sehen.
Ich habe tatsächlich mal Realsatire erlebt, wo der Preis der Kleidung genannt wurde. Das hier mag auf manche Menschen befremdlich wirken
und ich würde mich dort auch nicht wohl fühlen, aber es ist keine Realsatire.
Horst gerät in einen Konflikt, den ich nicht nachvollziehen kann. Er hat ein abgeschlossenes Hochschulstudium hinter sich und arbeitet immerhin
an seiner Doktorarbeit. Wird er so schnell nervös, weil seine Freundin für zwei Stunden die Contenance bewahrt? Dann dürfte er echte
Probleme mit seinem Selbstbewusstsein haben.
Ich könnte mir vorstellen, dass es den armen Horst nervös machen würde, wenn sein Julchen nicht nur Gelassenheit bewahren, sondern die Rolle
der Gastgeber mitspielen oder mit Michael ein wenig flirten würde. Ab so bleibt der angedeutete Konflikt eine Böe im Wasserglas.
Gruß,
Carsten
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Johannes Ahrens Gänsefüßchen
Beiträge: 16
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18.06.2011 19:06
von Johannes Ahrens
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HeyHey,
ich find den Text super.
Es gibt wirklich kaum Makel und die die es gibt, wurden bereits angesprochen.
Deine Beschreibung, was Julia an Michael auffällt ist prima als Anspielung auf den Charakter der Gastgeber.
So erfährt man das quasi wichtigste kompakt in wenigen Worten verpackt.
Wunderbar, der Text
Großes Lob.
Ich wünschte ich könnte auch einfach so soetwas schreiben.
Aber eine Frage hab ich noch, hast du die Story vorab geplant oder einfach drauflos geschrieben?
Ich habe nämlich im Moment immer wieder diese Frage im Kopf.
_________________ Alle Rechtschreibfehler wurden ausschließlich zur Belustigung des Lesers eingefügt. |
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Fjodor Reißwolf
Beiträge: 1500
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18.06.2011 23:31
von Fjodor
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@ Eve
freut mich, dass Du mit meinem Vorschlag was anfangen konntest, zumal ansonsten bis auf die verbesserungswürdige Zeichensetzung nach wörtlicher Rede aus meiner Sicht wirklich nicht viel angetastet werden sollte.
Bei Murmel habe aufgrund des dritten Verbesserungsvorschlags den Verdacht, dass hier das Literarische Ich versehentlich der Frau zugeordnet wird. Oder stehe ich auf der Leitung. Für mich ist die Szene klar: Horst wird zugeprostet, dann wird er angesprochen.
Auch "Stoa" fand ich gut plaziert und originell ausgedrückt.
Damit möchte ich die Anmerkungen von Seitenlinie und Murmel nicht wegwischen, aber manche Sachen kann man so oder so sehen.
Ich fand Realsatire zunächst auch etwas "übertrieben", da Michael und Sabine keine offenkundigen Karikaturen sind --- selbst möchte man ja keinen Satirestoff bieten, aber ich bin sicher, viele von uns Lesern sind auch ein bißchen Michael und Sabine und da merkt man halt erst auf den zweiten Blick, wo die Komik bereits einsetzt.
"Auf das Leben und die Freundschaft" (das ist sooo witzig - obwohl und weil ich erst beim zweiten Lesen lachen mußte).
LG, Fjodor
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Murmel Schlichter und Stänker
Alter: 68 Beiträge: 6380 Wohnort: USA
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19.06.2011 01:27
von Murmel
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Ach, das LI ist Horst?
Stimmt, ja, da gibt's einen kleinen Hinweis. Bin ich die einzige, die reingefallen ist?
_________________
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DasProjekt Exposéadler
Beiträge: 2904 Wohnort: Ørbæk, Nyborg, Dänemark
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19.06.2011 10:48
von DasProjekt
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Murmel hat Folgendes geschrieben: | Ach, das LI ist Horst?
Stimmt, ja, da gibt's einen kleinen Hinweis. Bin ich die einzige, die reingefallen ist? |
Ich fürchte, ja!
Technisch und taktisch grenzt der Text an Perfektion (und das von mir, die kein "Ich", kein "Du" und kein "Präsenz" mag, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.)
Meine Stolpersteine waren die Formatierung der wörtlichen Rede und der verwaschene Konflikt, die Frage "Wieso gehen die da überhaupt hin?" - Ich fühlte mich an "Zurück zu dir" erinnert und eine Szene ganz am Anfang zwischen zwei Pärchen, wo aber wenigstens der "Er" vom snobbischen Paar den Witz erkannte, mit dem der "Er" vom Balkonienurlaubspaar die "Sie" von den Snobs mokiert hat.
"Sabine trägt auf" ist ganz klar angelehnt an "Ilsebill salzte nach" - dem Lieblingsanfangssatz der deutschen Buchleser, soweit ich mich erinnere ...
Und was Murmels "Reinfall" angeht - ich hatte damit auch ein Problem, zumal die Erzählerstimme nicht unbedingt den "Männlichen" raushängen lässt, wenn man dann weiß, der Text ist von einer Frau geschrieben, kann man da doch schon ins Schlingern geraten - auch ich hatte zeitweise, bis zum "Horst", das Gefühl, dass da möglicherweise ein homosexuelles Paar bei Maikel und Binchen einkehrt - die Frage, WARUM sie da sind, ist ja so oder so nicht beantwortet ...
Aber wie gesagt, technisch, bis auf die Formatierung, großartig, fließend und flüssig.
_________________ 25. Mai 2017 - Kim Henry "Be Mine Forever" |
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Murmel Schlichter und Stänker
Alter: 68 Beiträge: 6380 Wohnort: USA
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19.06.2011 14:15
von Murmel
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DasProjekt hat Folgendes geschrieben: | Murmel hat Folgendes geschrieben: | Ach, das LI ist Horst?
Stimmt, ja, da gibt's einen kleinen Hinweis. Bin ich die einzige, die reingefallen ist? |
Ich fürchte, ja! | Das glaube ich nicht., denn auch du bist in der ersten Hälfte oder gar bis fast zum Schluss dem Irrtum aufgesessen.
DasProjekt hat Folgendes geschrieben: | Technisch und taktisch grenzt der Text an Perfektion (und das von mir, die kein "Ich", kein "Du" und kein "Präsenz" mag, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.) |
Das genau nicht.
Ein Text kann nicht an Perfektion grenzen, wenn er uneindeutig in der Sprache des LI ist, die Gegebenheiten verschleiert, ohne dass die Verschleierung einen taktischen oder strategischen Grund hat, und än der Formatierung mangelt.
Was bricht man sich ab, wenn man, wie Ralphie übrigens als Profi immer wieder fordert, die Tatsachen sofort auf den Tisch legt?
Zitat: | Deine Freundin Sabine trägt auf.
Pilzcarpacchio. Marinierte Zucchini, gefüllt mit Parmaschinken. Ein Dip aus Mascarpone und Parmesankäse. Selbstgebackenes Brot.
Ihr Ehemann Michael stellt Wasser und eine Flasche Rotwein auf den Tisch. Details fallen mir auf: die lässig aufgeschlagenen Ärmel seines Businesshemdes, der Siegelring am kleinen Finger, die klobige Armbanduhr. Er dreht die Flasche so, dass wir das Etikett sehen können, doch Julchen, meine Frau, schaut stur geradeaus. |
Ok, nicht meisterhaft, aber sofort sind die Verhältnisse klar, oder nicht? Das nennt man übrigens Technik.
Sind wir im DSFo schon so hungrig nach guten Texten, dass wir selbst die mit Mängeln schon perfekt nennen?
Wie schon gesagt, der Text ist gelungen, hat sehr viele gute Ansätze, ich könnte ihn mir als Ausschnitt eines Größeren vorstellen, aber als Stand Alone fehlt ihm noch das berühmte Etwas.
Aber das ist nur Murmels bescheidene Meinung, die an Perfektion einen besonderen Anspruch hat.
_________________
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6393 Wohnort: 50189 Elsdorf
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19.06.2011 14:32
von Ralphie
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'Aromen von reifen Beeren!', möchte ich dir zuraunen.
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Maria Evolutionsbremse
Alter: 52 Beiträge: 6000
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19.06.2011 15:48
von Maria
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@Murmel, ich hatte mit der Sprache des LI keine Probleme? Wie schon gesagt - ganz am Anfang steht doch ein deutlicher Hinweis. Und ja, hätte auch ein lesbisches Pärchen sein können - im Nachhinein. Nichts desto trotz war es für mich ein Mann und eine Frau und so hab ichs gelesen.
Und WARUM sie da waren, würde gern noch mal einhaken: warum ist das wichtig (wills keinesfalls wegwischen, nur wissen).
Denn mir genügte hier die Momentaufnahme vollends. Warum sich jemand zum Essen trifft, ist das tatsächlich von Belang?
_________________ Give me sweet lies, and keep your bitter truths.
Tyrion Lannister |
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