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Es ist rosa und farblos und stinkt und hat keinen Geruch


 
 
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DJK
Geschlecht:männlichSchneckenpost
D

Alter: 32
Beiträge: 6
Wohnort: Tübingen


D
Beitrag21.06.2011 18:20
Es ist rosa und farblos und stinkt und hat keinen Geruch
von DJK
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ein Psychotiker:

Es ist rosa und farblos und stinkt und hat keinen Geruch

Ich habe schon abgetippt: "Hallo, heute war ein guter Tag zum Sterben für mich, wenn du diese Nachricht liest."
Projekt Werff Rönne endet ohne nennenswerte Vorkommnisse, ganz zu schweigen von einer beschissen fleißigen Aktenbemerkung in t-10 sec.
Etwas Pathos musste ja sein.
Noch 8 sec.
Denn wenn niemand weiß, dass man stirbt, ist lange nicht sichergestellt, dass man auch wirklich stirbt.
Noch 5sec.
Es ist ähnlich wie mit Zombies.
Noch 4.93249249247 sec.
Die Selbstötung ist eine Eitelkeit und der Pistolenlauf so blank gescheuert wie meine trockenrote, wenig lebensfeuchte , ausgefranste Stirn.
Es geht noch in etwa eine Sekunde lang, so lange wie man braucht von einem Brot abzubeißen oder von einer Hand. Ein männlicher, minderwertiger Orgasmus würde etwas länger gehen.
Ich habe ihr geschrieben: "Ich sehne mich nach dir als Blick nach Festkörperlichem. Die Formen in mich hinein nichtssagen deinen Abrissduft. Es blökt ein Gemälde."
Es soll vollzogen sein, nach Stille hungriger Henker.
Also setzt er, seine Person, der Ich-Mensch - die Sekunde ist noch nicht ins Hirn vergangen - den Lauf der Welt an die Schläfe. Es ist so gut wie vollzogen, praktisch schon abgefertigt, u. a. das Es.
Aus den Büschen vor mir brechen einige Vögel aus.
Es krakelt ihren Aufstieg begleitend eine Stimme: "Mann, erschieße  lieber den da. Schau ihn dir nur mal an."
Wie bitte?
"Schau ihn dir mal an, Mann,  den im Anzug, ich denke, der ist Schuld. Ich weiß ja nicht, warum  du dich umbringen willst, aber wahrscheinlich liegt's an deinem fehlenden Wohlstand, nicht?"
Ich drehe mich um, der Lauf der Welt geht weiter.
"Was?", frage ich also mit blinzelnden Augen und schwerem Mund.
Der Mann zeigt auf eine etwas weiter entfernte Parkbank, lange nicht außer Sichtweite, aber allemal so gelegen, als dass dem dort sitzenden anderen Mann keine Sicht auf uns ermöglicht ist.
"Der ist einer von denen, die dein Glück haben. Von dem musst du dir dein Glück zurückholen, nicht von dir selbst. Familie, Haus, Auto, Konto, was auch immer du verloren hast: Hol's dir!"
Ich bin nämlich im Park, in einem Gebüsch, dort wo Hunde pinkeln, dort wollte ich sterben. Mein Gedanke war, dass dort garantiert niemand nachschauen wird. Aber weit gefehlt.
"Erschieße ihn. Von hier aus. Oder gehe näher hin, wenn du nicht zielen kannst. Mache ihn fertig. Spieße sein Hirn auf das stoppelige Gras, das er noch nie an keinen Blasen gespürt hat. Hole dir, was immer du willst."
Es ist nämlich so, dass die Büsche um mich herum wirklich dicht sind. Ich dachte eigentlich, schon in der Verdammung zu sein und so meine Ruhe zu haben, für mein letztes Geschäft. Es war schon ausgemacht, terminiert, und jetzt das.
"Wie passgenau seine Schale ist. Man kann nicht mal sehen, ob etwas drin ist. Schade kann es also nicht sein, um ihn. Sein Blick ist sicherlich ohnehin schon tot. Töte ihn, bevor er Kinder macht oder missbraucht.  Und, wenn du willst, dann nehme dir seinen Anzug. Der ist besser als das Herz."
Das habe ich nicht eingeplant. Darauf hatte ich wirklich keine Lust. Ich lüge niemanden an, wenn ich sage, dass ich vollkommen überrascht bin, im Busch. Ich bin von der Art einer hechelnden Dogge, die zur Degeneration gezüchtete Beine hat. Es ist komisch.
"Es reicht jetzt. Du bist ein Mensch. Das rieche ich. Gehe aus dem Busc h heraus  in die Sonne und suche dir Fleisch.  Es wartet dort auf der bratenden Parkbank auf dich. Du willst der Embryo des Todes sein, glaube mir, Mann."
Er schiebt mich. Er verkauft mir ein Produkt. Keine Ahnung, wo gefertigt, aber Kinder, die in Ausbeuterbetrieben und H&M-Filialen verenden interessieren mich wenig . Ich habe keine Angst vor bettknitternder Lebensmittelvergiftung und der Objektbindungskraft von Durchfall. Ich bewege mich. Die Dornen tun deutlichst mehr weh als sie es beim Reingehen getan haben.
Vielleicht fange ich bald spaßeshalber auch noch mit bluten an. Das ist nicht auszuschließen. Alles ist möglich. Dort draußen gibt es einen Hinterkopf. Alles ist so fest terminiert wie ein Glas Bier. Das parkende Kies unter meinen Füßen quietscht immer schneller.  Die Sonne am Himmel ruckelt so sehr wie mein Blick am Horizont. Die Wiese ist ziemlich witzig, so irre ruhig wie sie ist. Zum Glück habe ich Schuhe an, weil das Gras ja stoppelig ist, wie man sagt. Kein einziger Baum steht mir im Weg oder versteht auch nur meine Augen. Mein Herz schlägt wie ein Kind. Mein voranstürmender Atem lacht. Die Augen sind ausdruckslos. Irgendwo strampeln Lippen, es knallt.
Ich sage zu ihm: "Das Taunass der Nacht verdunstet mich in helle Frische: Hinein in Sonnenwärme und gleißende Hauswände stehe ich auf, trete ich ein." Ich sage: "Haha!"
Was er sagt, das weiß ich nicht, und ich weiß wirklich nicht, nein ich lüge nicht, was das soll.
Der Mann kommt auf meinen Rücken zu. Ich frage mich, ob er mir Pickel ausdrücken will, oder was das soll.  Der andere Mann ist immer noch auf der Parkbank, nur liegt er jetzt. Ich lasse durch ihn einiges an Energie und Nährstoffe in die Erde fließen. Problematisch nur, dass er ins samenleere Kies blutet und nicht auf den bedürftigen Boden. Aber es interessiert nicht, denke ich.
Der Mann sagt jetzt: "Das war ein echtes Axiom. Wenn mal einer etwas gut gemacht hat, dann du, dass muss man dir lassen. Etwas beeindruckt bin ich schon. Normalerweise geht das wesentlich länger, womit ich das selbstverständlich auf total abnormale Leute wie dich beziehe."
Normalerweise?
"Du musst wissen, dass ich über solche Aktionen eine Statistik führe. Das macht mir Spaß. Und deine Nummer gerade wird die Zahlen ziemlich durcheinanderbringen. Geschieht nicht alle Tage, dass jemand so einen Lauf in die Welt bringt."
Und ich habe es also endlich mal hinbekommen, eine Zahl zu sein.
"Wer meine Statistik so sehr beeinflusst, der darf mein Freund sein, wenn er will. Ich war dir aber schon die ganze Zeit zutiefst freundlich gesinnt. Das hast du ja gemerkt, weil ich dir geholfen habe. Du bist heute zu einem besseren Menschen geworden, weil du eine Tat vollbracht hast."
Er, der Mann, stolziert etwas aufgeregt auf seinen Füßen herum.
Ich habe ihr mal geschrieben: "Die Wachheit webt sich als stöffern zu fühlen: Ich will der dir unterlegte Gebetsteppich sein, auf dem du den Moment vergöttlichen kannst."
Ich hebe ihm die ofenwarme Waffe vors Gesicht und kriege einen ziemlich besoffen besorgniserregenden Lachkrampf.
Er wischt mein Teil weg, etwas nüchterner: "Nein, das sollst du nicht falsch verstehen. Mich erschießt du für's erste nicht, verstanden? Wir sind Freunde. Unter uns gesagt: Wenn dort draußen nicht so viele andere Menschen wären, die man umbringen könnte, wäre das vielleicht anders - aber wir haben nun mal wirklich viel zu tun und es nicht nötig, uns an uns selbst zu vergreifen."
Es packt mich gekitzelten Säugling an den Schultern und zerrt mich weg, denn Blaulicht will sich in der Rotlache zu grünen Männchen färben.  Weil sie uns umströmen wollen, teilen wir das Meer und machen dem göttlich grünen Gras die Halme breit. Es funktioniert sehr gut, weil die Büsche teilweise abrasiert sind, von den Stadtarbeitern. Wie wir so weggerannt sind, spritzen wir die Männchen ganz gewaltig mit bitterer Lachaspiraton der Verachtung ab.
Und wo wir weg sind, sprechen wir auch wieder miteinander. Der Mann hat mir viel zu erzählen. Er spricht mir von Welten und davon, was in denen passieren kann, wenn man es tut. Ich hänge an seinen Lippen. Er weiß ziemlich viel, aber parallel steigt immer noch der Drang an, auch ihn zu verwerten.  Aber irgendwie hat gerade alles seine Richtigkeit und ich warte besonnen nickend.
Und, ach ja, es kann sein, dass ich so richtig lächle.
Mal sehen, vielleicht will er mich in Afrikas bootskenternte Peripherie einsieben, durch Sand der Sahara.

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Bananenfischin
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Wohnort: NRW
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Silberne Harfe



Beitrag22.06.2011 13:19

von Bananenfischin
Antworten mit Zitat

Hallo DJK,

mir gefällt dein Stil, die Sprache, sehr gut.

Einen bedeutungsschwangeren Namen hast du für deinen Protagonisten gewählt. Den Einstieg mit dem Countdown finde ich generell gelungen; einzig hier hat sich ein Tempusfehler eingeschlichen:
Zitat:
Etwas Pathos musste ja sein.

Wobei ich meine, der Satz könnte ganz entfallen.

Sehr schön finde ich - unter anderem - dies:
Zitat:
Also setzt er, seine Person, der Ich-Mensch - die Sekunde ist noch nicht ins Hirn vergangen - den Lauf der Welt an die Schläfe.
Zitat:
Ich drehe mich um, der Lauf der Welt geht weiter.


Die Halluzination würde ich etwas vehementer sprechen lassen. Beispiel:
Zitat:
"Erschieße ihn. Von hier aus. Oder gehe näher hin, wenn du nicht zielen kannst. Mache ihn fertig. Spieße sein Hirn auf das stoppelige Gras, das er noch nie an keinen Blasen gespürt hat. Hole dir, was immer du willst."
Ließest du bei den Imperativen das "e" weg und setztest zudem die eigentlich fehlenden Ausrufezeichen, würde deutlicher werden, wieso der Protagonist letztlich den Aufforderungen folgt.

Ein paar Tippfehler sind übrigens noch drin, "krakeln" z.B. statt "krakeelen", ab und an ist dir auch ein Wort abhanden gekommen.

Gegen Ende lässt der Text etwas nach, meine ich; da könnte nachgefasst werden. Und da ich nun gerade "etwas" schreibe ... Ab und an könnte noch ein Füllwort gestrichen werden, etwa hier eben das "etwas":
Zitat:
Er, der Mann, stolziert etwas aufgeregt auf seinen Füßen herum.


Dies erst einmal als erste Eindrücke, die Arbeit ruft. Wirklich gern gelesen.

Liebe Grüße
Bananenfischin


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Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge

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DJK
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Alter: 32
Beiträge: 6
Wohnort: Tübingen


D
Beitrag23.06.2011 17:07

von DJK
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Bananenfischin,

ich bedanke mich für deine so zielsichere und klar strukturierte Kritik.

Die Aufforderungen sind durch entsprechende Veränderungen zweifelsohne intensiver, besser, - wurden von mir auch schon verändert, kurz nachdem ich diesen Text mit leider nur wenig Sorgfalt ins Forum stellte.

Bei "Er, der Mann, stolziert etwas aufgeregt auf seinen Füßen herum." wiederum finde ich, dass "etwas" nicht nur Füllwort ist, sondern auch Inhalt hat.
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