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versbrecher Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 350 Wohnort: Düsseldorf
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03.06.2011 08:31 Urbanes (i.) von versbrecher
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Stück für Stück über die Grenzen
bloßer Leiblichkeit hinaus: Dome Kathedralen
fremdes Leben zum Fundament
berauben sie die Straßen ihrer Stimmen
und nur wenige Schatten stören
die Menschenleere auf
Müßiggänger Nachzügler
Bettler am Boden neben ihren Hunden
wer kann bewegt sich auf Rädern
und treibt zur Eile während
gelegentlich ein Lächeln
die verbleibenden Gesichter entstellt
hier zum Beispiel oder dort: kleine Siege
im Kampf gegen die Resignation
symbolisch überhöhter Ideenlosigkeit
(bedeutungslose Momente –
aus dem Verklärungszusammenhang gerissen
fördert Architektur am leblosen Objekt
teilnahmslos Innereien zutage)
während der Wind
das seine dazu beiträgt
(Business as usual) in einer Welt
von Zufällen zerschnitten (
wie) ein Traum der
erst erschlafen werden will
die Wahrnehmung drastisch entschleunigt
Wunden heilen brechen
an anderer Stelle auf: Wie
soll der Patient auf diese Weise
den eigenen Tod überleben - ?
© 2011 versbrecher
Weitere Werke von versbrecher:
_________________ lg
der versbrecher |
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Merlin* Leseratte
Alter: 69 Beiträge: 126 Wohnort: Gera / Thüringen
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03.06.2011 11:12
von Merlin*
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Hallo versbrecher, (sehr originell )
ich habe mit großem Interesse Dein Gedicht gelesen und ich finde es sehr bemerkenswert,
Du hast sehr gekonnt und mit Herzblut über das Sterben der Städte geschrieben,
Zitat: | Stück für Stück über die Grenzen
bloßer Leiblichkeit hinaus: Dome Kathedralen
fremdes Leben zum Fundament
| hier bin ich mir nicht ganz sicher über Dein Denken, aber ich habe bei Deinen Worten z.B. das Frankfurter Bankenviertel vor Augen, hier ist kein Platz für die Allgemeinheit … nur ein paar Urlauber oder Bettler verirren sich hier her, der Rest ist mit dem Auto am Durchfahren,
die Meisten, unterwegs mit gesichtslosen Gesichtern, zeigen kaum ein Lächeln, der Rest verlebt von Sorgen oder exzessivem Leben,
Zitat: | hier zum Beispiel oder dort: kleine Siege
im Kampf gegen die Resignation
symbolisch überhöhter Ideenlosigkeit
| gefällt mir sehr gut, ich stelle mir kleine verspielte architektonische Lichtblicke vor, die aber fast untergehen im...
Zitat: | (bedeutungslose Momente –
aus dem Verklärungszusammenhang gerissen
fördert Architektur am leblosen Objekt
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Zitat: | teilnahmslos Innereien zutage)
während der Wind
das seine dazu beiträgt |
...Spiegelglas glatter durchsichtiger Bürotüme, um die der Wind pfeift – sehr gut, gefällt mir in der Intensität Deiner Bilder,
Du beschreibt in meinem Sehen die architektonischen Fehler der Nachkriegszeit, die langsam aufgearbeitet werden (Wunden heilen), aber an anderer Stelle werden wieder Fehler begangen, z.B. durch neue Einkaufstempel, die mit dazu beitragen, gezielt ganze Stadtviertel zu entvölkern
es ließe sich noch eine Menge zu diesem Thema sagen...
in Gera gibt es dieses Problem, ganze historische Gründerzeitviertel werden regelrecht entvölkert durch neue Supermärkte am Rande dieser Viertel...und es stimmt traurig
sehr gerne gelesen und kommentiert
lieben Gruß
Merlin
_________________ „Der kommt oft am weitesten, der nicht weiß, wohin er geht,“ Oliver Cromwell |
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Merlin* Leseratte
Alter: 69 Beiträge: 126 Wohnort: Gera / Thüringen
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03.06.2011 11:15
von Merlin*
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PS: für was steht eigentlich (i.)?
_________________ „Der kommt oft am weitesten, der nicht weiß, wohin er geht,“ Oliver Cromwell |
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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03.06.2011 11:33
von EdgarAllanPoe
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Dieser Blick in die Stadt wirkt wie ein Wiederaufleben des Expressionismus, jedoch ohne das l'art-pour-l'art-Prinzip, den Zeilenstil oder besonders grelle Bilder, wie man sie beispielsweise in den frühen Gedichten Benns findet, ehe er zu reimen begann.
Die Herangehensweise ans Schreiben dieses Gedichts mag man als nicht besonders originell bezeichnen - Verzicht auf die meisten gängigen Regeln der Zeichensetzung -, allerdings besticht der Text durch seine seltsame Abgehobenheit, die durch die korrekte Verwendung der Groß- und Kleinschreibung entsteht: Das Konventionelle tritt in Widerspruch zum Unkonventionellen. Die Satzzeichen selbst rebellieren gegen das Fremdheitsgefühl, das beim Leben in einer Großstadt entstehen kann (und damit lehnt sich das Gedicht an ein großes expressionistisches Motiv an). Ein zufälliges Lächeln wirkt "entstellt" und kann unter all den "leblosen Objekt[en]" als solches nicht bestehen. Du entwirfst ein Bild, das zwar nicht neu ist, aber immer wieder Aktualität besitzt: das verzerrte, wegen der Beschleunigung entstellte Stadtleben, mit einer heimlichen Rebellion gegen diese Zustände.
Ich freue mich auf die Fortsetzung dieses Zyklus.
_________________ (...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan
Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"
Uns gefällt Ihr Sound nicht. Gitarrengruppen sind von gestern. (Aus der Begründung der Plattenfirma Decca, die 1962 die Beatles ablehnte.) |
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versbrecher Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 350 Wohnort: Düsseldorf
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03.06.2011 15:16
von versbrecher
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Hallo Merlin*, hallo EAP,
vielen lieben Dank für euer reichhaltiges Feedback.
@ Merlin*: das (i.) ließe sich auch als (1.) lesen; ich habe eine Faible für diese Art der Darstellung. Ob es, wie EAP andeutet, ein wirklicher Zyklus werden wird, bleibt allerdings abzuwarten (na gut, ein "Urbanes (ii.) werde ich wohl folgen lassen).
Städte sind etwas faszinierendes; so viele Menschen auf engem Raum (und ich lebe in einer recht weitläufigen Stadt), architektonische Meisterleistungen neben katastrophalen Baumonstrositäten - eine wahre Fundgrube für lyrische >Abwege<.
@ EAP: Dir danke ich für deine intensive Beschäftigung mit diesem Text. Das Thema "Stadt", wie sie auf Menschen wirkt, was sie mit ihnen macht, ist natürlich kein neues, aber, wie oben bereits angeführt, fasziniert es mich immer wieder.
Ich danke euch noch mal ganz herzlich & wünsche euch ein sonniges Wochenende,
_________________ lg
der versbrecher |
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Mr. Curiosity Exposéadler
Alter: 35 Beiträge: 2545 Wohnort: Köln
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03.06.2011 17:24
von Mr. Curiosity
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Für mich dein bisheriger Höhepunkt im hiesigen lyrischen Schaffen Chapeau! So muss es sein.
LG David
_________________
"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."
(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris") |
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Aranka Bücherwurm
A
Beiträge: 3106 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A 03.06.2011 18:50
von Aranka
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Hallo Versbrecher,
ein wunderbares Gedicht. Ich konnte durch deine Strophen wandern, wie durch die Straßen einer mir fremden Stadt, stehen bleiben, meine Blicke ruhen lassen auf dieses und jenes, Architekturen die erregen oder auch erfreuen, Menschen, Betriebsamkeit und erhabene Orte. Und immer sind es die Gedanken, die auftauchen, ausgelöst durch Zufälliges und Gesuchtes, sich verbinden mit Erinnertem und neu Entdecktem, die dem Gesehenen ein Stück Atem geben.
Ich lebe seit Kindesbeinen auf dem Land und so vertraut mir Landschaft und Natur sind, so fremd sind mir Städte immer geblieben und ebenso reizvoll. Ich bin immer nur Besucher und selbst Städte mittlerer Große scheinen mir groß, bleiben mir verworren, dicht gewebt und geheimnisvoll in ihren Geräuschen und Gerüchen, ihren Farben und Bewegungen.
Die bleibende Fremdheit führt jedoch auch zu einer sehr aufmerksamen Wahrnehmung, einem genauen Registrieren und aus Mangel an Deutungsmustern auch zu vielen „kindnahen“ Erlebnissen. Ich kann auf nichts zurückgreifen!!! Darum liebe ich es, in den Ferien Städte abseits der üblichen Straßen und alleine zu durchstreifen, in meinem Tempo und auch immer ein wenig in dem Tempo der Stadt.
Ich habe jetzt ein wenig ausgeholt, damit du verstehst, wenn ich sage, dein Gedicht ist für mich ein Spaziergang durch eine Stadt voll von Eindrücken und Gedanken.
Deine Bilder haben Sogwirkung. Gleich die ersten beiden Zeilen! Aber ich könnte noch viele andere Stellen nennen.
Habe dein Gedicht mit Genuss gelesen und werde es bestimmt noch einige Male lesen. Ein schönes Wochenende. Viele Grüße Aranka
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versbrecher Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 350 Wohnort: Düsseldorf
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06.06.2011 08:31
von versbrecher
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Hallo Mr. Curiosity, hallo Aranka.
@ Mr. Curiosity,
auf deine Worte bleibt mir nur ein: Dankeschön.
@ Aranka,
es freut mich, daß du die Einladung zu einem Stadtbummel angenommen hast, dir einige Ecken hast näherbringen lassen. Im Gegensatz zu dir bin ich ein echtes Stadtkind, kann mir ein Leben auf dem Land, so verlockend es sein mag, nur schwer vorstellen. Dessen ungeachtet vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht ergriffen werde von einem Gefühl der Fremde, vom Staunen darüber, was (m)eine Stadt mit den Menschen anstellt, die sie bevölkern, was der Mensch umgekehrt tut, um sich die Stadt wohnlich zu gestalten - was nicht selten zu bizarren Ergebnissen führt.
Ich wünsche euch einen angenehmen Start in die neue Woche,
_________________ lg
der versbrecher |
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