18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Was der Schwarze Reiter gesagt hat


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
ricochet
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 68
Beiträge: 389
Wohnort: Graz


Beitrag02.07.2011 09:17
Was der Schwarze Reiter gesagt hat
von ricochet
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Es war einmal vor langer Zeit eine junge Gräfin. Sie war wunderschön und erhielt eine Menge Heiratsanträge. Aber sie war nur am Geld interessiert. Wenn sich jemand unter ihren Freiern befand, der über ausreichend Ländereien, Schlösser und Geld verfügte, dann war ihr der gewiss zu alt, zu hässlich, zu ungebildet oder hatte eine unsympathische Mutter.
Sie selbst vermied alles, was Geld kostete. Keine rauschenden Feste auf Kosten des Volkes, wie unter Ihresgleichen üblich, nicht das kleinste bisschen Luxus. Da sie sich dergestalt nicht das Mindeste gönnte, wurde sie sehr verhärmt und verbrachte immer mehr Zeit in ihren Schatzkammern als unter Menschen. Denen unterstellte sie, nur an ihrem Geld interessiert zu sein. So verlebte sie ihre Tage ungeliebt.
Als die schöne Frau eines Tages verschwand, verbreitete sich im Nu das Gerücht, sie sei verstorben. Bald gewöhnte man sich an diese Vorstellung und landauf, landab hieß es: „Wird wohl der Geiz gewesen sein.“
Nur die Damen des Kirchenchores wussten Genaueres. Von denen erzählte aber jede etwas anderes. Die Leiche der Gräfin indes fand man nie.
Wenig später ging die Kunde von einem Gespenst, das bei Vollmond des Nachts im Schlosswald umging. Es sollte sich um die Gräfin handeln, deren Geiz über den Tod hinaus so stark war, dass er sie daran hinderte, in den Himmel aufzusteigen. Zu jeder Vollmondnacht spuke sie im Wald und bitte jeden, den sie trifft: „Erlöse mich.“
Allerdings sei sie so schön, wie sie selbst zu Lebzeiten nicht gewesen sei und es befinde sich außerdem stets ein Topf Gold in ihrer Nähe. Zudem erzählte man sich, wer sie erlöse, erhalte den Schatz, den die Gräfin in den Tod mitgenommen hatte, als Belohnung.
Das interessierte einen jungen Schmied des Dorfes. Beim nächsten Vollmond begab er sich in den Wald in der Nähe des Schlosses und traf dort tatsächlich auf das Gespenst der Gräfin. Wie atemberaubend schön und geisterhaft bleich war sie doch! Wäre sie lebendig gewesen, der Bursche hätte sich gleich in sie verliebt, so war es zuerst Mitleid, das ihn erfasste. In der Tat befand sich zu ihren Füssen ein ansehnliches, kniehohes Gefäß, randvoll mit Goldmünzen gefüllt, die selbst im Licht des Mondes funkelten, dass es nur so eine Freude war. Auch das sah der Bursche mit Wohlgefallen.
Die Geistergräfin flüsterte mit Grabesstimme: „Erlöse mich!“
„Was muss ich tun?“
„Geh zur Dorfbrücke und warte auf den Schwarzen Reiter. Den musst du fragen. Und sag mir, was er dir aufgetragen hat.“
Der junge Schmied tat dies und wartete Stunde um Stunde an der Brücke auf den geheimnisvollen Reiter. Der tauchte aber nicht auf. Enttäuscht ging er wieder in den Wald, um dies der Gräfin zu berichten, aber diese war inzwischen verschwunden.
Beim nächsten Vollmond suchte er die Gräfin wieder auf. Sie sagte: „Du bist ein lieber Mensch. Es kann sein, dass es viele Monate brauchen wird, bis der Schwarze Reiter auftaucht. Wenn du mir hilfst, soll es dein Schaden nicht sein.“


Ich ließ das Buch sinken. Warum eigentlich? Es war doch nicht langweilig. Ach so, ich konnte kaum mehr die Schrift lesen, denn fortgeschritten war der Abend! Gerade in diesen Minuten verschwand die Sonne hinter dem Horizont und warf den Schatten meines Kopfes auf die Buchseiten.
In der Nähe graste Hades, mein Noriker-Rappe. Dem war es freilich egal, ob wir rechtzeitig im Reitstall anlangen würden, schloss dieser doch am Abend. Aber mir nicht. Meine Vorliebe für ausgedehnte Ausflüge mit Hades hatte mir heute einen Streich gespielt. Jetzt, im Sommer, wo die Sonne so lange abends schien, hatte ich einfach die Zeit übersehen. Wenn ich mich beeilte, war vielleicht noch jemand anwesend.
Zügig sattelte ich Hades und galoppierte los. Trotz Vollmondes war es bald so finster, dass ich das Tempo drosseln musste. Als wir in die Nähe des Dorfes kamen, auf dessen anderer Seite sich der Reitstall befand, stand mir wieder eine wenn auch schlecht beleuchtete Straße zur Verfügung. Wir gingen wieder in den Galopp über. Als Hades und ich uns der Murbrücke am Dorfeingang näherten, stand ein Mann mitten auf der Straße.
Ich rief ihm zu: „Schnell weg, ich habe es eilig!“
Er schien nicht verstanden zu haben, denn er hielt die Hand hinter das rechte Ohr, den Kopf geneigt.
„Gehen Sie weg! Einfach weggehen!“, rief ich noch einmal, worauf der Mann endlich beiseite trat. Hades und ich donnerten vorbei.
Wie ich befürchtet hatte – der Reitstall war bereits geschlossen. Kein Mensch befand sich mehr im Gebäude, alles war dunkel. Was tun? Ach was, überlegte ich mir, dann reite ich eben mit dem Pferd nach Hause. Mein Auto auf dem Parkplatz konnte ich genausogut morgen abholen.
Gesagt, getan. Zuhause sattelte ich im Garten Hades ab, der sich bald zum schlafen niederlegte. Aus Solidaritätsgründen beschloss ich, die Nacht über bei meinem Pferd zu bleiben, schließlich hatte ich es in diese missliche Lage gebracht. Ich holte mir eine Decke aus dem Haus, legte mir den Sattel unter den Kopf und machte es mir auf diese Weise neben Hades bequem. Im Schein der Lampe meines Handys las ich zu Ende.


Mehrere Monate hindurch besuchte der junge Schmied die Geistergräfin, wartete jedoch stets vergeblich auf den Schwarzen Reiter. Mit der Zeit hatte ihn auch die Liebe zu dem schönen Gespenst erfasst.
Eines Nachts kam er aufgeregt von der Brücke zurück und rief: „Ich habe den Schwarzen Reiter getroffen!“
„Fein“, flüsterte die Gespenstergräfin, „und was hat er gesagt?“
„Geh einfach weg! Einfach weggehen.“
Die Gräfin stutzte. Dann schien sie zu begreifen. Sie wandte sich an den goldenen Schatz zu ihren Füßen und sagte: „Ja, es ist wahr, nicht ich habe dich besessen, sondern du mich. In Wahrheit ist das mein Fluch. Aber ich werde dir nicht weiter dienen. Die unheiligen Bande, die uns bislang verbunden haben werde ich heute ein für allemal lösen. Ich werde mich dir verweigern.
Ich gehe jetzt weg und du bleibst, wo du bist.“
Langsam setzte sie sich in Bewegung. Aber seltsam, im gleichen Maße, wie sie sich vom Topf mit dem Schatz entfernte, wurde sie menschlicher, bis sie vor dem Schmied stand, jung und schön aus Fleisch und Blut wie ehedem. Freudestrahlend deutete sie auf den Schatz hinter sich und sagte sie: „Hier, deine Belohnung.“
Der Schmied schüttelte nur den Kopf und sagte: „Was ich getan habe, tat ich dir zuliebe.“
Das hörte die Gräfin gern, waren es doch das erste Mal, dass ihr jemand solche Worte gesagt hatte.
„Nein“, fuhr der Schmied fort, „ich werde mich nicht mit dem belasten, was dir zum Fluch geworden ist. Ich nehme einen anderen Schatz.“
Und damit umarmte er sie liebevoll und küsste sie innig. In diesem Augenblick wurden Topf und Schatz durchsichtig und verschwanden zu guter Letzt. Kurz entschlossen zerrte die Gräfin ihren Retter hinter das nächstbeste Gebüsch. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie heute noch quietschfidel.



_________________
Ich schreibe, also bin ich.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Amaryllis
Geschlecht:weiblichForenschmetterling

Alter: 38
Beiträge: 1380

Das goldene Stundenglas Das Silberne Pfand


Beitrag05.07.2011 09:02

von Amaryllis
Antworten mit Zitat

Hallo Ricochet!

Nachdem du noch gar keine Rückmeldungen zu deinem Text bekommen hast, hab ich mich daran versucht. Soviel vorab: Ich mag Märchen sehr gerne smile Ich finde, dass du die Erzählweise von Märchen auch ganz gut adaptiert hast. Die Pointe finde ich persönlich etwas mager, weil sie sich quasi schon im ersten Satz mit dem Rappen irgendwie ankündigt. Das Überraschungsmoment wird dadurch in meinen Augen leider etwas abgeschwächt, obwohl das wirklich eine gute Idee ist. Aber sonst liest es sich wie gesagt sehr flüssig und angenehm.

Hier noch ein paar konkretere Kommentare zum Text:

Zitat:
Aber sie war nur am Geld interessiert.

Geld finde ich doch eher untypisch für ein Märchen, Gold würde mir hier besser gefallen. Oder Reichtum. Und wenn sie wirklich nur am Geld interessiert wäre, wieso kümmert es sie dann, ob der Mensch zu alt oder zu hässlich ist? Besser hätte mir gefallen: Und wählerisch war sie obendrein, wenn sich jemand etc. etc.

Zitat:
Da sie sich dergestalt nicht das Mindeste gönnte, wurde sie sehr verhärmt und verbrachte immer mehr Zeit in ihren Schatzkammern als unter Menschen.

Das ist für mich auch ein Widerspruch. Wenn jemand verhärmt ist, dann zeigt sich das doch auch äußerlich und dadurch bleibt sie nicht schön. Verbittert hätte ich besser gefallen, denn ich finde verbitterte Frauen können schöner sein als verhärmte Frauen. Ist aber vielleicht auch nur eine subjektive Assoziationssache.

Zitat:
Nur die Damen des Kirchenchores wussten Genaueres.

Was wussten sie denn? Das würd mich schon interessieren Wink Nein, im ernst, diesen du den nächsten Satz kannst du weglassen, meiner Meinung nach.


Zitat:
Ich ließ das Buch sinken. Warum eigentlich?

Das finde ich zu künstlich. Wenn ich lese und es dunkel wird, dann merke ich ja, dass ich das Buch deshalb sinken lasse.

Zitat:
„Gehen Sie weg! Einfach weggehen!“

Mir ist schon klar, dass du diesen Satz brauchst, damit die Geschichte funktioniert, aber würde ein normaler Reiter nicht eher „Aus dem Weg“ rufen?

Zitat:
Das hörte die Gräfin gern, waren es doch das erste Mal, dass ihr jemand solche Worte gesagt hatte.

„Nein“, fuhr der Schmied fort, „ich werde mich nicht mit dem belasten, was dir zum Fluch geworden ist. Ich nehme einen anderen Schatz.“

Zitat:
Kurz entschlossen zerrte die Gräfin ihren Retter hinter das nächstbeste Gebüsch. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie heute noch quietschfidel.

Das Ende gefällt mir nicht so gut, weil es mir nicht märchenhaft genug ist. In einem richtigen Märchen zerrt niemand jemand anderen hinter den Busch (es sei denn, er wird von Schurken überfallen) und es ist auch niemand quietschfidel. Nachdem du das Märchen ja nicht parodierst, sondern die Pointe durch deinen Ich-Leser bringst, würde ich darauf verzichten und das Märchen ganz klassisch enden lassen.

So, ich hoffe, das hilft dir weiter. Das Lesen hat trotz der Erbsen Spaß gemacht!
Liebe Grüße, Ama

PS: Die Überschrift überzeugt mich auch nicht ganz. Besser gefallen hätte mir: Der Schatz der Gräfin, Der schwarze Reiter oder Ähnliches Smile


_________________
Mein Leben ist ein Scherbenhaufen...
Aber ich bin der Fakir.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
ricochet
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 68
Beiträge: 389
Wohnort: Graz


Beitrag05.07.2011 15:37

von ricochet
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe amaryllis,

danke für Deine Hinweise. Ende, Titel und die Sache mit den Chordamen werde ich so lassen, die anderen Hinweise werde ich umsetzen.

LG

rico


_________________
Ich schreibe, also bin ich.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Diskussionen zu Genre und Zielgruppe
Was ist New Adult?
von Chandrian
Chandrian Diskussionen zu Genre und Zielgruppe 9 23.04.2024 21:23 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Feedback
Eine Frau wie ich hat immer ein Gehei...
von Hera Klit
Hera Klit Feedback 0 23.04.2024 09:26 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Eure Gewohnheiten, Schreibhemmung, Verwirrung
Was ist euer Prozess für den zweiten...
von Algernon
Algernon Eure Gewohnheiten, Schreibhemmung, Verwirrung 5 22.04.2024 21:21 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Der Glücksritter
von Peter Hort
Peter Hort Werkstatt 0 22.04.2024 20:39 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Einstand
Der Bandit
von dirkheg
dirkheg Einstand 3 22.04.2024 12:43 Letzten Beitrag anzeigen

BuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von hexsaa

von BerndHH

von Kojote

von Jarda

von versbrecher

von Mogmeier

von Rufina

von V.K.B.

von femme-fatale233

von Rike

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!