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Legenden von Ilysia - PROLOG


 
 
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MichaelaMaria
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 38
Beiträge: 113



Beitrag06.05.2011 11:13
Legenden von Ilysia - PROLOG
von MichaelaMaria
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Neue Version »

Hallo Ihr Lieben smile

Nach längerer "Forumsabstinenz" melde ich mich neuen Mutes wieder zurück smile Ich hoffe es geht euch allen gut, bin mal gespannt was es hier Neues gibt ^^ Was es bei mir Neues gibt, steht gleich drunter *hehe

Ich bedanke mich schon im Vorraus bei jedem, der sich die - nicht selbstverständliche - Mühe macht den Text zu lesen und zu kritisieren smile



***

Prolog
Blut und Schatten
Jahr 1 vor der Vertreibung
Im Norden von Ilysia



Trockene Zweige peitschten Sabira ins Gesicht, während sie mit ihren zwei Dutzend Gefährten immer tiefer in den verwucherten Nadelwald floh. Tiefhängende Äste zerkratzten ihre Haut und zerrten an ihren pechschwarzen Haaren, die zusammen mit dem indigoblauen Kleid wie eine Fahne hinter ihr her wehten. Ihr Herz raste und jeder keuchende Atemzug brannte in ihrer Brust. Nun, da sich Dunkelheit wie ein Totenschleier über Ilysia gesenkt hatte, stolperte Sabira immer häufiger über freiliegende Wurzeln, lose Steine und verfaulende Bäume. Ein Blick zur Seite verriet ihr, dass es den anderen Deva ebenso erging. Diese Hetzjagd hatte sie alle an den Rand ihrer Kräfte gebracht. Doch die Schreie der Verfolger, das schrille Wiehern ihrer Schlachtrösser und blinde Panik trieben sie immer weiter. Sie mussten das Portal erreichen, in jener Höhle, die verborgenen hinter dem Wasserfall lag …

Der volle Mond kroch über die Baumspitzen, die wie Speere in den Nachthimmel ragten und warf schachbrettartige Lichtflecken auf den Waldboden. Ein junger Mann stolperte und fiel mit einem spitzen Aufschrei vor Sabira auf die Knie. In einem wilden Durcheinander von Gliedmaßen stürzte sie über ihn und prallte mit dem Rücken auf den Boden, was ihr die Luft aus der Lunge presste. Ein stechender Schmerz zwischen den Schulterblättern zwang sie einige Momente still zu liegen. Ein rundes, vom Mond beleuchtetes Gesicht schob sich in ihr Blickfeld. Augen, die in allen Farben des Regenbogens schimmerten, wie bei den Deva üblich, musterten sie besorgt. „Entschuldige! Ist alles in Ordnung?“, erkundigte sich der junge Mann atemlos und half ihr aufzustehen.

Das Stechen war verschwunden, stellte Sabira erleichtert fest.
„Ich denke schon ...“, antwortete sie keuchend und betastete ihren Körper, um sich zu vergewissern, dass noch alles heil war.
"Ich bin Liam", stellte er sich geistesabwesend vor und rieb sich die Schläfen als versuche er seinen Kopf zu einem klaren Gedanken zu zwingen.
“Ich heiße Sabira ... Wir sollten weiter bevor ..."
Liam schüttelte den Kopf. "Wir schaffen es nicht ...“
„Wenn wir hier rumstehen sicher nicht. Jetzt komm!“
Erneut schüttelte Liam den Kopf. Sabira starrte ihn fassungslos an. Sie musste gegen den Drang ankämpfen ihn einfach zu packen und los zu rennen.
Was war nur los mit dem Jungen? Wollte er unbedingt sterben?
"Hast du schon mal dein Element beschworen?", platzte Liam plötzlich heraus.
"Was? Ich ... nein ... ich wurde noch nicht unterwiesen ... Wir sollten jetzt wirklich weiter!"
Wenn er noch einmal den Kopf geschüttelt hätte, hätte Sabira ihn vermutlich geohrfeigt. Zu seinem Glück tat er es nicht, sondern erklärte: "Hör zu, die Lorcaner werden uns bald eingeholt haben. Ich muss es versuchen sonst sind wir alle verloren ...“
Sabira blickte sich hilfesuchend um und sah die letzten Deva gerade in der Dunkelheit des Waldes verschwinden. Obwohl jede Faser ihres Körpers sie anschrie zu fliehen wusste sie, dass Liam Recht hatte. Sie waren am Ende ihrer Kräfte und das Portal noch zu weit, entfernt um es vor den berittenen Lorcaner zu erreichen. Wenn es nur eine winzige Chance gab, die ihnen einen Vorsprung verschaffte, mussten sie einen Versuch riskieren.

Sabira atmete tief durch um sich aus dem Gewirr ihrer Gedanken zu befreien und nickte. "Wie kann ich dir helfen?“
Liam blickte sie dankbar lächelnd an. „Behalt' die Umgebung in Auge, während der Beschwörung nehme ich nichts anderes wahr“

Liam bückte sich und nahm je eine Faust voll Erde in die zitternden Hände. Dann richtete er sich wieder auf, atmete tief durch und überkreuzte die Arme vor der Brust. Sabira lehnte sich erschöpft gegen Tanne um ihre zitternden Knie zu beruhigen und spähte angestrengt in die Dunkelheit. Liam, wie sie selbst Anfang zwanzig, hatte seinen Kopf auf die Brust sinken lassen. Etwas Erhabenes ging von ihm aus als er sich mit seinem Geburtselement verband. Die dunkle Farbe seiner Haare - wie fruchtbare Erde, die olivfarbene Haut und der kräftige Körperbau verrieten ihr, dass er ein Geschöpf des Elementes Erde war. Sie selbst war dem Element Wasser verbunden, was sich in ihrer porzellanweißen Haut, den weich fließenden Rundungen ihres Körpers und den schwarzen Haaren, die in der Sonne blau schimmerten, widerspiegelte.

Liam breitete in einer anmutigen Geste die Arme aus, lies die Erde aus seinen Handflächen rieseln und berührte jeweils einen Baumstamm.
Sabira hielt gespannt den Atmen an. Doch nichts passierte. Nur ihre Nervosität wuchs mit jeder Sekunde, die sie hier wie auf dem Präsentierteller saßen. Nur die stärksten Elementar-Deva waren in der Welt der Menschen in der Lage ihr Element zu beschwören, deshalb war Sabira nicht
überrascht, als wenig später noch immer nichts geschah.

„Es hat keinen Sinn! Wir müssen weiter!“, drängte sie und wollte gerade nach seinem Arm greifen als der Wald selbst ihr zu antworten schien. Ein tiefes Grollen erfüllt den Forst, ließ die Erde unter ihren Füßen erbeben und die Bäume erzittern. Trockene Nadeln und Tannenzapfen regneten auf sie herab. Eichhörnchen schimpften piepsend und ein Schwarm Vögel stob aufgeschreckt davon. Dann herrschte vollkommene Stille, die Welt hielt den Atem an.

Liam öffnete die Augen. „Ich konnte sie fühlen … ich fühlte alles … wie ...“, murmelte er schwankend. Die Beschwörung hatte ihm die letzte Kraft geraubt. Sabira legte sich seinen Arm um die Schultern und zog ihn vorwärts. Nichts wie weg von hier.

„Was passiert jetzt? Was hast du getan?“, wollte sie wissen, doch er taumelte nur leichenblass neben ihr her, noch immer halb in Trance versunken. Indessen wuchs Sabiras Panik bei jedem fast lächerlich langsamen Schritt den sie taten. Ihr Nacken brannte, als fühlte sie die Blicke ihrer Verfolger bereits auf sich. Ihr einziges Glück war, dass die stämmigen Rösser in dem dicht bewachsenen Nadelwald nur langsam vorankamen. Doch immer noch schneller als wir, dachte Sabira und schickte stumm ein Stoßgebet zur Großen Göttin.

Ein durchdringendes Heulen erhob sich aus dem Unterholz neben ihnen und fuhr Sabira durch Mark und Bein. Der junge Deva lächelte. Sabira fragte sich ob er vor Angst wohl den Verstand verloren hatte und zog ihn hinter einen breiten Baumstamm, um sie beide zu verstecken.
„Fürchte dich nicht Sabira, er ist ein Geschöpfe der Erde, meines Geburtselements. Der Wolf hat zum Kampf gerufen … für uns ...“

In diesem Moment jagte ein ganzes Rudel von Bergwölfen, nur einen Steinwurf entfernt, an ihnen vorbei. Mit angelegten Ohren und hochgezogenen Lefzen hielten sie direkt auf die Lorcaner zu. Gleich Geistern verschwanden sie im Schatten der Bäume, um wenige Momente später in den silbernen Lichtkegeln, die das Mondlicht auf den Waldboden warf, wieder zu erscheinen.



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Akiragirl
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Beitrag07.05.2011 12:52

von Akiragirl
Antworten mit Zitat

Hallo Michaela Maria,

habe deinen Text gelesen und möchte dir kurz sagen, was ich davon halte. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich eigentlich kein Fantasy mag und meine Meinung daher durchaus von der deiner angestrebten Zielgruppe abweichen kann.

Du schreibst sicher und flüssig. Rechtschreibung und Satzbau sind völlig in Ordnung. Auch gelingt es dir, Bilder vor den Augen des Leser entstehen zu lassen. Handwerklich hast du also schon vieles richtig gemacht.

Was mich erstmal stört, ist der Beginn mit dieser „Hetzjagd“ durch den Wald. Ich bin jetzt ungefähr seit einem dreiviertel Jahr hier im Forum, auch in mehreren AGs gewesen und kann dir sagen: Jede zweite Fantasy-Geschichte (eigentlich sind es sogar noch mehr) beginnt damit, dass irgendwelche Leute durch den Wald rennen/reiten. Du möchtest mit diesem Beginn Spannung aufbauen, den Leser gewissermaßen ins kalte Wasser werfen, aber bei mir funktionierte das überhaupt nicht.
Da sind irgendwelche Figuren, die ich gar nicht kenne, die vor irgendwas wegrennen, das ich ebenfalls nicht kenne, um zu einem Portal zu gelangen, dessen Bedeutung mir nicht klar ist. Die vielen Fantasy-typisch „seltsamen“ Wörter wie Deva, Ilysia, Lorcaner etc. verwirren mich dabei noch zusätzlich.
Dazu kommen weitere Fragezeichen, z.B. bezüglich ihrer Gefährten. Erst folgen ihr zwei Dutzend davon, aber als sie mit diesem Typ zusammenstößt liest man plötzlich nichts mehr von ihnen. Warten sie nicht auf sie? Wenn sie sie einfach im Stich lassen und weiter rennen könntest du das zumindest in einem Satz anmerken.
Weiterhin als störend habe ich empfunden, dass du erst so eine Hektik verbreitest (die müssen unbedingt so schnell wie möglich zu diesem Portal), dann aber plötzlich mitten in der Szene erstmal ausgiebig diesen Kerl beschreibst und auch noch Sabira selbst (?) Wenn du eine personale Erzählperspektive benutzt, solltest du tendenziell über das schreiben, was deine Protagonistin gerade beschäftigt, und das ist in dieser Situation ganz bestimmt nicht ihr Aussehen.

Insgesamt kommt es mir leider vor, wie eine aus Versatzstücken zusammengeschraubte, typische High-Fantasy (mit der ich, wie gesagt, nichts anfangen kann). Da gibt es irgendwelche Völker, Verfolgungsjagden auf Pferden, Portale, besondere Augenfarben und Elemente-beherrschen/Magie. Alles schon dagewesen und deshalb nicht sonderlich originell.

Ich hoffe, du nimmst dir meine Worte nicht zu sehr zu Herzen. Ist wie gesagt nur mein Leseeindruck und erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit wink

Liebe Grüße
Anne


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Hoody
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Wohnort: Alpen


Beitrag07.05.2011 21:18

von Hoody
Antworten mit Zitat

Hallo Maria.

Erst einmal die Erbsen. Wie immer: Lege meine Wörter nicht auf eine Goldwaage. Vieles wird Geschmackssache sein.

Zitat:
Trockene Zweige peitschten Sabira ins Gesicht, während sie mit ihren zwei Dutzend Gefährten immer tiefer in den verwucherten Nadelwald floh. Tiefhängende Äste zerkratzten ihre Haut und zerrten an ihren pechschwarzen Haaren, die zusammen mit dem indigoblauen Kleid wie eine Fahne hinter ihr her wehten

Fett markiertes sagt das gleiche aus.
Eins von den Adjektien würde ich sparen und später einbauen.
Verwucherten könnte man auch sparen.

Zitat:
Ihr Herz raste und jeder keuchende Atemzug brannte in ihrer Brust.

Finde ich stärker.

Zitat:
Nun, da sich Dunkelheit wie ein Totenschleier über Ilysia gesenkt hatte, stolperte Sabira immer häufiger über freiliegende Wurzeln, lose Steine und verfaulende Bäume.

Würde einen anderen Einstieg suchen. Nun, da sich liest sich für mich zu sehr nach Autor. Könnte man ersetzen oder streichen. Aber wenn an es streicht, dann ist der Rythmus schlechter, finde ich.
Die durchgestrichenen Adjektive sind klar. Such da stärkere oder schreib die Beschreibungen lebendiger.
Unter verfaulende Bäume kann ich mir zum Beispiel nicht vorstellen, wie sie darüber stolpert.

Zitat:
Sie mussten das Portal erreichen, in jener Höhle, die verborgenen hinter dem Wasserfall lag


Zitat:
Der volle Mond kroch über die Baumspitzen, die wie Speere in den Nachthimmel ragten und warf schachbrettartige Lichtflecken auf den Waldboden.

Vollmond
schachbrettartige - genial. Gefällt mir wirklich sehr gut.

Zitat:
Ein junger Mann stolperte und fiel mit einem spitzen Aufschrei vor Sabira auf die Knie.

Spitzen finde ich nicht schön. Da findest du vielleicht ein besseres Wort.

Zitat:
In einem wilden Durcheinander von Gliedmaßen stürzte sie über ihn und prallte mit dem Rücken auf den Boden, was ihr die Luft aus der Lunge presste.

Für durcheinander findest du vielleicht auch ein schöneres Wort.

Zitat:
Ein stechender Schmerz zwischen den Schulterblättern zwang sie einige Momente still zu liegen.

Die Stelle holpert ein bisschen.


Zitat:
Das Stechen war verschwunden, stellte Sabira erleichtert fest.

Geht lebendiger.

Achte auf solche Einzelheiten. Ansonsten kann ich Akira nur zustimmen. Die Hetzjahd wirkt durch den Dialog, paar Pausen bisschen lächerlich. Die Namen haben mich eher nicht gestört. Finde es gut, wenn man durch die Handlung erfährt, was eine Diva..ähh Deva ist. Gab es die auch nicht in Sacred? Jedenfalls solltest du noch einmal deinen Einstieg überlegen. Du wolltest damit wahrscheinlich Spannung aufbauen und den Leser sofort reinziehen, aber wie gesagt: Solche Hetzjagen gibt es oft.
Nichts für ungut. Schlecht geschrieben ist es nicht.

lg Hubi


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MichaelaMaria
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Beitrag09.05.2011 08:29

von MichaelaMaria
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Hallo liebe Akira, lieber Jarda,

vielen lieben Dank für eure Meinungen und Hinweise!

Ich werd das ganz Ungetüm von Prolog nochmals gewissenhaft überarbeiten und euch dann hoffentlich vom Hocker hauen *hehehe  Smile  Smile  Smile

Bis dahin, vielen Dank nochmal
& GLG, Michaela Maria


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MichaelaMaria
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 38
Beiträge: 113



Beitrag01.08.2011 11:57
Neuer Prolog
von MichaelaMaria
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Hallo ihr Lieben!
Anbei ne ganz neue Version meines Prologs. Bin gespannt was ihr davon haltet.
VIELEN LIEBEN DANK im Voraus smile


***


Harian konnte nicht glauben was Leto von ihm verlangte. "Das kann nicht dein Ernst sein ..."

Leto lehnte sich in seinen gepolsterten Ledersessel zurück, steckte sich die polierte Pfeife in den Mundwinkel und verschränkte die Arme über der üppigen Leibesmitte, die in feinste purpurne Seide gehüllt war. Seine schwarzen Schweinsäuglein, die wulstigen Lippen und die Knollennase versanken beinahe zwischen fleischigen Wangen während er mit kalter Stimme antwortete: "So sehr dich deine Einwände auch ehren Harian, aber wir können uns keine Moral leisten. Die Jünger beschützen Lorcan wie ein Drache sein Ei, morgen ist vielleicht unsere einzige Gelegenheit an ihn heran zu kommen."

Harian strich sich die rotblonden Locken aus der Stirn und schüttelte den Kopf. "Wir würden das Leben eines unschuldigen Mädchens aufs Spiel setzen ... ich bin nicht bereit dieses Risiko einzugehen."
Leto lehnte sich so weit nach vorne wie es sein Bauch zuließ, nahm die Pfeife aus dem Mund und deutete damit auf Harian. "Nein. Wir können das Risiko nicht eingehen Lorcan noch länger gewähren zu lassen. Die Zahl seiner Anhänger wächst täglich, wir müssen handeln bevor es zu spät ist."
"Aber um welchen Preis? Sollte ihr etwas geschehen wären wir nicht besser als die Lorcaner!" Harian sprang auf. 'Sture alte Böcke ... ihr fürchtet doch nur um eure Reichtümer!', dachte er angewidert und trat an eines der doppelt verglasten Fenster. Sein eigenes Spiegelbild starrte ihm entgegen. Die normalerweise leuchtenden grünen Augen waren aufgrund der vielen schlaflosen Nächte, in denen er durch das unterirdische Hauptquartier der Lorcaner geschlichen war, von dunklen Ringen umrandet. Sorgenfalten hatten sich in seine Stirn gegraben und ließen ihn älter erscheinen als er tatsächlich war.

Harian betrachtete seine Welt, die sich so friedlich wie jeher vor ihm ausbreitete, in Wirklichkeit jedoch auf Messers Schneide stand. Letos Villa lag auf einer Anhöhe östlich von Aranod. Die weiß gekalkten Türme, Villen und Herrenhäuser der größten Stadt im Norden Ilysias schmiegten sich an das Südufer des Türkissees, der die Pastelltöne des Sonnenuntergangs spiegelte.
Leto war der reichste - und damit mächtigste - Händler im Norden von Ilysia. Die Söldner, die seine Karawanen beschützten bildeten eine eigene kleine Armee - nicht einmal die Lorcaner hatten es bisher gewagt Leto in irgendeiner Weise zu belästigen. Wahrscheinlich war das der Grund warum gerade er als Mittler ausgewählt worden war.

"Wie lange ist es her, seit du dich den Lorcanern angeschlossen hast?", unterbrach Leto das Schweigen, versöhnlicher nun.
Harian drehte sich um und lehnte sich an die purpur-weiß gemusterte Wand neben dem Fenster. "Drei Monde"
"Und wie oft hast du, als einer seiner Jünger, Lorcan bisher zu Gesicht bekommen?"
Harian schauderte als er sich daran erinnerte. Unwillkürlich betastete er seine Brust unter der weißen Tunika, wo sie das Zeichen eingebrannt hatten. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihm wieder in die Nase und seine eigenen Schreie hallten in seinen Ohren wider. "Nur einmal, beim Aufnahmeritus ... er umgibt sich nur mit einem engen Kreis von Vertrauten. Ich arbeite daran dort hineinzukommen ..."
"Und wie würde es deinen neuen Freunden wohl gefallen wenn dieses Mädchen, das Lorcan so wichtig ist, in deiner Aufsichtszeit einfach verschwindet?"
Harian schloss die Augen und massierte seine Schläfen, versuchte seinen Kopf zu einem klaren Gedanken zu zwingen. Sollte er auf sein Herz hören oder seinen Verstand? So viel hing davon ab ...

Letos Stuhl knarrte als er sich auf die Beine hievte und ebenfalls ans Fenster kam. Er legte Harian eine fleischige Hand auf die Schulter. "Ich verstehe dich Junge. Du fragst dich woher wir das Recht nehmen, ein Leben zum Wohle von vielen zu opfern."
Harian blickte verzweifelt zu ihm auf, hoffte auf eine Antwort, die ihm diese schwere Entscheidung abnehmen würde.
Letos säuerlicher Atem schlug ihm entgegen als er fort fuhr: "Aber frag dich folgendes: Können wir diese Chance, die uns das Schicksal zuspielt, einfach so wegwerfen? Eine Chance die diese Tyrannei vielleicht beenden würde? Auch wenn das Mädchen morgen sterben sollte, wie viele Leben könnten gerettet werden? Denk nach, Harian!"


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Valeska
Waldohreule

Alter: 33
Beiträge: 1580
Wohnort: Wolke 7


Beitrag01.08.2011 18:05

von Valeska
Antworten mit Zitat

Moin!

Das Nervige vorweg: Du hast leider einige Kommafehler drin, ich werd sie nicht raussuchen. Achte bei Verwendung von Konjunktionen darauf, die Nebensätze mit Kommata abzutrennen.

Meiner Meinung nach solltest du versuchen, deine Formulierungen knapper und treffender zu machen. Vermeide (inhaltliche) Wiederholungen. Dafür vielleicht noch ein bisschen mehr Details über den Raum, in dem die beiden Männer sich befinden, das fehlt mir noch für mein Kopfkino. Außerdem verwendest du viele relativ lange Sätze, die gar nicht Not tun, sondern sich leicht in kürzere Sätze trennen lassen, was wahrscheinlich dem Rhythmus gut tun würde und dir auch Gelegenheit gäbe, konkreter auf deine Szene einzugehen.

Ich geb dir mal ein paar konkrete Textstellen und schreib dir dazu, was ich anders machen würde – du musst nicht alles übernehmen, es sind Anregungen, worauf du noch achten kannst. Änderungsvorschläge mache ich kursiv.

Zitat:
Harian konnte nicht glauben was Leto von ihm verlangte. "Das kann nicht dein Ernst sein ..."


Die wörtliche Rede wirkt hier wie nachgeschoben – und sie ist völlig überflüssig, weil sie nur die Aussage des ersten Satzes wiederholt. Wenn du die wörtliche Rede behalten willst, würde ich sie voranstellen und mit dem Begleitsatz etwas anderes ausdrücken (sprich: lass Harian irgendetwas machen, eine Geste oder so).

"Das kann nicht dein Ernst sein ..." Harian fuchtelte mit der Hand, als wolle er eine Fliege verscheuchen.

Blödes Beispiel, aber siehst du, wie ich’s meine?

Zitat:
Leto lehnte sich in seinen gepolsterten Ledersessel zurück, steckte sich die polierte Pfeife in den Mundwinkel und verschränkte die Arme über der üppigen Leibesmitte, die in feinste purpurne Seide gehüllt war.


Ich fang hinten an: Die Verwendung von Passiv finde ich nicht schön, außerdem ist der Satz ziemlich endlos durch den drangehängten Relativsatz. Warum packst du den Teil mit der Seide nicht ins Aktiv und in einen eigenen Satz?

Außerdem verwendest du hier gleich zweimal das Wörtchen »sich«, liest sich unschön, und später kommen auch noch genug »sich«. Da kann man leicht was von streichen.

Leto lehnte sich in seinen gepolsterten Ledersessel zurück, steckte die polierte Pfeife in den Mundwinkel und verschränkte die Arme über der üppigen Leibesmitte. Purpurne Seide raschelte unter seinen dicklichen Fingern.

Zitat:
Seine schwarzen Schweinsäuglein, die wulstigen Lippen und die Knollennase versanken beinahe zwischen fleischigen Wangen während er mit kalter Stimme antwortete: ...


Du verbindest hier zwei Dinge mit einer zeitlichen Konjunktion, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben – im ersten Teil ist eine Beschreibung des Äußeren, im zweiten Teil eine Handlung (bzw. der Hinweis darauf, dass er anfängt zu reden, ich bezeichne das einfach mal als Handlung). Die Handlung verdient einen eigenen Satz, meinst du nicht? Sie hat ja mit der Knollennase recht wenig zu tun. wink

Achte darauf, dass du nicht beim Schreiben aus Versehen grammatische Verbindungen herstellst, die sich im Inhalt überhaupt nicht wiederfinden.

Seine schwarzen Schweinsäuglein, die wulstigen Lippen und die Knollennase versanken beinahe zwischen fleischigen Wangen. Mit kalter Stimme antwortete er: ...

Zitat:
"So sehr dich deine Einwände auch ehren Harian, aber wir können uns keine Moral leisten. (...)"


Das »aber« ist einfach überflüssig. Das »auch« im ersten Satzteil reicht völlig, um den Gegensatz zu verdeutlichen.

Zitat:
Harian strich sich die rotblonden Locken aus der Stirn und schüttelte den Kopf.


Ich lese bei dir die Tendenz, einzelne Sätze immer mit »und« zu verbinden. Ich glaube, du kannst dich ruhig trauen, mehr Hauptsätze entweder unverbunden nebeneinanderzustellen (so wie oben, wo ich vorgeschlagen habe, das »während« zu streichen) oder, wenn sie ähnlichen Inhalt haben, zusammenzufassen, hier zum Beispiel:

Harian schüttelte die rotblonden Locken aus der Stirn.

Du musst außerdem aufpassen, dass du in der Perspektive bleibst. Du schreibst aus der Sicht von Harian, sieht er die Farbe seiner Haare? Ich würde es hier so akzeptieren, aber pass auf, dass du nichts beschreibst, was Harian nicht aktiv wahrnimmt, dann erzeugst du leicht Perspektivbrüche, die deine Leser verwirren können.

Zitat:
Leto lehnte sich so weit nach vorne wie es sein Bauch zuließ, nahm die Pfeife aus dem Mund und deutete damit auf Harian.


Dieser Satz ist fast derselbe wie dieser hier, der weiter am Anfang stand:

Zitat:
Leto lehnte sich in seinen gepolsterten Ledersessel zurück, steckte sich die polierte Pfeife in den Mundwinkel und verschränkte die Arme über der üppigen Leibesmitte.


(Nur, dass Leto hier immer recht genau das Gegenteil macht ...)

Wenn die Sätze immer nach dem gleichen Schema aufgebaut sind, wirkt das beim Lesen schnell monoton und langweilig. Versuch doch mal, das aufzulockern, indem du Uninteressantes streichst (Letos Bauchumfang zum Beispiel kenne ich bereits) oder den Satz auftrennst und mit (neuen!) Details versiehst.

Leto lehnte sich vor, dass die Holzdielen unter seinem Sessel knarzten. Er zog die Pfeife aus dem Mund. Qualmwolken nahmen Harian den Atem, als der Ältere die Pfeife in seine Richtung schwenkte.

Blödes frei erfundenes Beispiel jetzt – du kannst das sicher besser wink

Zitat:
Harian betrachtete seine Welt, die sich so friedlich wie jeher vor ihm ausbreitete, in Wirklichkeit jedoch auf Messers Schneide stand.


Du schreibst: »seine Welt, die auf Messers Schneide stand« ... wolltest du das wirklich ausdrücken? Die Vorstellung einer Welt auf einer Schneide kommt mir etwas schräg vor, passender wäre wahrscheinlich Welt ... deren Schicksal in Wirklichkeit jedoch auf Messers Schneide stand. Allerdings riecht das so oder so stark nach Klischeeformulierung. Aufpassen ... vielleicht findest du eine bessere Art, die Gefahr, in der Ilysia offenbar schwebt, einzubringen.


Okay, ich glaube, das reicht erst mal mit den Textanmerkungen ... Bei Fragen fragen.

Insgesamt kann man dem Geschehen ganz gut folgen, es fehlen allerdings noch Details, die das ganze lebendig machen – ich habe nach dem Lesen des Abschnitts nicht das Gefühl, Harian wirklich als lebendigen Menschen kennengelernt zu haben. Auch ist mir der Konflikt noch nicht ganz klar geworden. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat Harian hat sich in Lorcans »Organisation« (oder so) eingeschmuggelt. Und Leto gedenkt, einen Schlag gegen diese Organisation auszuführen?! Wenn Harian dann das Mädchen rettet und dabei auffliegt – ist das nicht egal, wenn Lorcan eh bald angegriffen werden soll?

Ich glaube, du könntest nicht nur Harian noch besser darstellen, sondern auch seinen Konflikt. Wahrscheinlich ließe sich beides verbinden. Wenn du mir als Leserin besser vermitteln könntest, warum Harian dieses Mädchen retten will oder eben nicht (also den Konflikt besser darstellst), würde ich auch seinen Charakter besser kennenlernen.

LG

Vale


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MichaelaMaria
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Beitrag01.08.2011 19:19

von MichaelaMaria
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Hallo liebe Valeka!

Vielen Dank für deine ausfürhliche Kritik smile

Ich mach mich gleich ans überarbeiten ...

Danke nochmal & LG ^^


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Felix
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Beitrag01.08.2011 21:33

von Felix
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Die Kritik bezüglich Grammatik und Rechtschreibung überlasse ich mal den Leuten, die Ahnung von sowas haben. Ich versuche mich auf den Inhalt zu konzentrieren.

Und der gefällt mir soweit ganz gut. Ich muss allerdings zugeben, dass dein Plot hier sowohl zum positiven als auch negativen kippen könnte.
Ich schätze jetzt einfach mal, dass Lorcan der "Schurke" deiner Geschichte ist. Ein fieser Prophet/Magier, der scheinbar die Welt deiner Protas bedroht.
Wenn ich es jetzt richtig sehe, dann gehört Harian zu den Anhängern dieses Magiers und da beginnt es für mich interessant zu werden. Hat er sich wirklich nur auf Letos Befehl in die Gemeinschaft Lorcans eingeschleust oder ist er ein tatsächlicher Anhänger? Zweiteres fände ich wesentlich interessanter, weil es dir die Möglichkeit gäbe, Lorcans Handeln abseits eines üblichen schwarz-weiß Schemas zu beschreiben und zu rechtfertigen.
Bisher wirkt er nur wie die typische dunkle Bedrohung, aber vielleicht steckt ja mehr dahinter? Vielleicht sind dieser fette Leto und seine Bagage, die sich ja bisher doch eher als die Guten ausgeben, die eigentlichen Schurken?

Wie gesagt, dein Prolog lässt ja bisher noch nicht wirklich viele aufschlussreiche Infos zu. Aber du schreibst gut und sicher und ich finde es interessant einen Roman aus der Sicht eines Protas von der "bösen" Seite beginnen zu lassen.
Keine Ahnung, ob du das so planst, aber es wäre toll und böte dir die Möglichkeit, dich von jedem schwarz-weiß Schema zu trennen.

greetz

Felix


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TET
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Beitrag01.08.2011 22:00

von TET
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Mir gefällt wie du deine Protagonisten beschrieben hast, ich hatte sofort ein Bild vor Augen.


 
Zitat:
"Wir würden das Leben eines unschuldigen Mädchens aufs Spiel setzen ... ich bin nicht bereit dieses Risiko einzugehen."


Das klingt mir zu sehr nach Klischee. Da kommt in mir dieses "Ritter rettet Jungfrau/Prinzessin vor dem bösen Drachen" in den Kopf smile

ich schließe ich mich MichaelaMaria an, was die Beweggründe Harians betrifft.


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MichaelaMaria
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Beitrag02.08.2011 08:20

von MichaelaMaria
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Guten Morgen lieber Felix und lieber TET!

Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt meinen Text zu lesen smile

Kurz zur Erklärung: Der Prolog findet über 100 Jahre vor der eigentlichen Handlung statt. Ich sehe schon, dass ich da viel zu wenig Emotion und Detail hineingesteckt habe weil ich Harian ja hier nur ein Kapital lang begleite ... blöd eigentlich gerade für den Anfang eines Buches *mir zur Strafe die Finger bügeln gehe*   rotwerd

Danke für eure tollen Anregungen!!!!!

*huldigt euch* lol2

Viele liebe Grüße vom Wörthersee,
Michaela Maria wink


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MichaelaMaria
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Beitrag09.08.2011 15:27

von MichaelaMaria
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Hello ... melde mich mit überarbeiteter Version zurück smile



*****




Harian starrte Leto ungläubig an. "Das soll die Entscheidung der weisesten Männer von Aranod sein? Das könnt ihr nicht ernst meinen ..."
Letos schwarze Schweinsäuglein blitzten empört. Niemand redete in diesem Ton mit dem reichsten Kaufmann im Norden Ilysias. Er lehnte sich in seinen gepolsterten Ledersessel zurück, steckte die polierte Pfeife in den Mundwinkel und verschränkte die Arme vor der Brust. Feinste purpurne Seide spannte sich über seine üppige Leibesmitte. "Du bist jung Harian und deine Einwände ehren dich, aber wir können uns keine Moral leisten. Die Jünger beschützen Lorcan wie ein Drache sein Ei, morgen ist vielleicht unsere einzige Gelegenheit an ihn heran zu kommen. Du wirst das durchziehen. Der Rat hat entschieden", erklärte Leto. Seine wulstigen Lippen und die Knollennase versanken beinahe zwischen den fleischigen Wangen.
Das Bild einer Kröte, bis zum Platzen mit Goldmünzen gefüllt, schoss Harian durch den Kopf. Angewidert wandte er den Blick ab. Doch Letos privates Audienzzimmer war eine ebensolche Zurschaustellung von dekadentem Luxus, wie sein Besitzer selbst. Kunstvolle Deckenfresken, kostbare Kristallluster, mit Blattgold verzierte Säulen, Schnitzereien und Bilderrahmen, farbenfrohe Wandteppiche und Statuen überforderten das Auge wohin man blickte.
  
Nein, das ist falsch. Alles ist falsch. Leto und der Rat, das sollten die Guten sein ... was verlangten sie da von ihm?
Harian strich sich die rotblonden Locken aus der Stirn.  "Das Mädchen hat kaum fünfzehn Sommer gesehen und ihr wollt sie als Köder benutzen? Ihr Leben aufs Spiel setzen? Hast du nicht eine Tochter im gleichen Alter?", setzte Harian ungläubig nach.
Die Guten beschützen die Unschuldigen, die Schwachen. So einfach war das. Bis jetzt.
Leto lehnte sich so weit vor, dass die Holzbeine seines Stuhls bedrohlich knarzten. Er zog die Pfeife aus dem Mund. Qualmwolken brannten in Harians Augen, als der Händler die Pfeife in seine Richtung schwenkte.  "Wir können das Risiko nicht eingehen Lorcan noch länger gewähren zu lassen. Die Zahl seiner Anhänger wächst täglich, wir müssen handeln bevor es zu spät ist."
"Aber um welchen Preis? Sollte ihr etwas geschehen ... was macht uns dann besser als die Lorcaner?"
Harian sprang auf. 'Sture alte Böcke ... ihr fürchtet doch nur um eure Reichtümer!', dachte er angewidert und trat an eines der doppelt verglasten Fenster. Sein eigenes Spiegelbild starrte ihm entgegen. Die normalerweise leuchtenden, grünen Augen waren aufgrund der vielen schlaflosen Nächte, in denen er durch das unterirdische Hauptquartier der Lorcaner geschlichen war, von dunklen Ringen umrandet. Sorgenfalten hatten sich in seine Stirn gegraben und ließen ihn älter erscheinen, als er tatsächlich war.

Für einen Augenblick, verwandelte sich Harians Spiegelbild in das Gesicht des jungen Mannes, den er gestern Nacht getötet hatte. Plötzlich fühlte er das Seil, das in seine Handflächen schnitt, als er es Jochan um den Hals gelegt und zugezogen hatte. Harian würde niemals vergessen, wie der Junge zu Boden gesunken und das Leben langsam aus seinem Körper gewichen war. Und Jochans Augen, haselnussbraun, die ihn überrascht und anklagend angeblickt hatten, selbst im Tode ... selbst jetzt noch, wenn er die Augen schloss, sah er sie vor sich.

Harian stolperte einen Schritt zurück und starrte aus dem Fenster. Sein Herz hämmerte so heftig in seiner Brust, als wollte es heraus springen.
Vor ihm erstreckte sich Aranod, die größte Stadt im Norden Ilysias. Die weiß gekalkten Türme, Villen und Herrenhäuser schmiegten sich an das Südufer des Türkissees, der die Pastelltöne des Sonnenuntergangs spiegelte.
Jochan war verschwunden. Was blieb war die Schuld, die dumpf unter Harians Rippen pochte. Und Zweifel. Hatte er wirklich keine andere Wahl gehabt? Jochan hätte ihn verraten, ihn vielleicht getötet, die Mission wäre gescheitert.
'Unser Auftrag ist wichtiger als jeder einzelne von uns', hatte der Rat verkündet. 'Töte leise, wenn es sein muss', hatte Leto gesagt.
Dass kurz vor dem Ende die Adern platzen und sich das Weiße in den Augen rot verfärbt, das hatte ihm niemand gesagt.

'Es gibt keine Guten oder Bösen. Jeder kämpft für das, was ihm wichtig ist ...', schoss es Harian durch den Kopf. Für was sollte er kämpfen? Letos Reichtum und Luxus?

"Wie lange ist es her, seit du dich den Lorcanern angeschlossen hast?", unterbrach Leto das Schweigen, versöhnlicher nun.
Harian war froh aus dem düsteren Strudel seiner Gedanken gerissen zu werden. Er drehte sich um und lehnte sich an die purpur-weiß gemusterte Wand neben dem Fenster. "Drei Monde"
"Und wie oft hast du, als einer seiner Jünger, Lorcan bisher zu Gesicht bekommen?"
Harian schauderte als er sich daran erinnerte. Unwillkürlich betastete er seine Brust unter der weißen Tunika, wo sie das Zeichen eingebrannt hatten. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihm wieder in die Nase. Seine eigenen Schreie hallten in seinen Ohren wider - und Jochans Stimme, der ihn als Bruder im Orden willkommen hieß.
"Nur einmal, beim Aufnahmeritus ... er umgibt sich nur mit einem engen Kreis von Vertrauten. Ich arbeite daran dort hineinzukommen ..."
"Und wie würde es deinen neuen Freunden wohl gefallen wenn dieses Mädchen, das Lorcan so wichtig ist, in deiner Aufsichtszeit einfach verschwindet?"
Harian schloss die Augen und massierte seine Schläfen, versuchte seinen Kopf zu einem klaren Gedanken zu zwingen. Das alles war zu viel für ihn. Sollte er auf sein Herz hören oder seinen Verstand? So vieles hing davon ab ...

Leto hievte sich auf die Beine und kam ans Fenster kam. Er legte Harian eine fleischige Hand auf die Schulter. "Ich verstehe dich Junge. Du fragst dich woher wir das Recht nehmen, ein Leben zum Wohle von vielen zu opfern."
Harian blickte zu ihm auf, hoffte verzweifelt auf eine Antwort, die ihm diese Bürde abnehmen würde.
Letos säuerlicher Atem schlug ihm entgegen als dieser fort fuhr: "Aber frage dich folgendes: Können wir diese Chance, die uns das Schicksal zuspielt, einfach so wegwerfen? Eine Chance die diese Tyrannei vielleicht beenden würde? Auch wenn das Mädchen morgen sterben sollte, wie viele Leben könnten gerettet werden? Denk nach, Harian! Wenn sie die Leiche des Jungen entdecken, den du getötet hast - und das ist nur eine Frage der Zeit - wird Lorcan gewiss nicht öffentlich auftreten. Er wird seine Leibwache verdreifachen. Sollte das Mädchen verschwinden, wird Lorcan sich morgen ebenfalls nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Eine Hinrichtung ohne einen Hinzurichtenden würde eher lächerlich als einschüchternd wirken. Und wenn nichtmal du, als ein Ordensmitglied, an Lorcan heran kommst, haben wir keine Wahl. Du hast keine Wahl. Morgen oder nie."


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Experience is a hard teacher - it gives the test first, the lesson afterwards.
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