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HPG Schneckenpost
Alter: 82 Beiträge: 10 Wohnort: Egelsbach
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06.12.2010 07:36 Wo stehen die Heiligen Drei Könige? von HPG
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Hallo in die Runde.
Nachstehend eine weitere „Kostprobe“ meines Schreibstils mit der Bitte um Eure Meinung. Weiterhin eine besinnliche Adventszeit und gute Einfälle.
Alljährlich das gleiche Ritual: Am Samstag vor dem ersten Advent begebe ich mich in den Keller um die Weihnachtskrippe nach oben zu holen. Sie wird übers Jahr, in einen blauen Müllsack verpackt, und so vor Staub und Schmutz geschützt, oben auf dem Weinregal gelagert. Wir stellen sie dann bis zum Dreikönigstag auf der schönen breiten Fensterbank im Wohnzimmer auf. Sollte die Sonne scheinen, könnte der kleine Jesus sich an ihrem hellen Schein erfreuen. Begänne es zu schneien, würde er von hier aus den Schneeflocken beim Tanzen zusehen können, dazu müsste er nur ein klein wenig das Köpfchen zur Seite drehen.
Links und rechts schmückt meine Frau die Fensternische noch mit zwei Blumentöpfen, schöne rotblühende Weihnachtssterne, aus dem Sonderangebot von Aldi. Wir haben an alles gedacht, sie sollen sich doch wohlfühlen, deshalb schaffen wir auch ideale Bedingungen für die Heilige Familie bei uns im Wohnzimmer ‒ bessere, als vor 2009 Jahren in Bethlehem. Im vergangenen Jahr habe ich eine Beleuchtung mit Transformator installiert. Ich war es leid, wenn die Lampe über der Krippe und das Lagerfeuer der Hirten gleichzeitig brennen, werden Batterien immer so schnell leer. Und seit sie uns den Euro übergestülpt haben, sind die Dinger teuer geworden. Es muss eben gespart werden, in unserem Rentnerhaushalt!
Die Krippefiguren werden einzeln und in Seidenpapier verpackt, dass sie ja nicht beschädigt werden, über den Sommer in einem stabilen Karton im Dielenschrank verwahrt. Nun also auspacken und hinstellen! Aber wie? Das Jesuskind, die Hauptperson der Geschichte, kommt natürlich mit der Krippe in die Mitte des Stalles, genau unter die rote Laterne. Maria, leicht gebückt, beugt sie sich über ihr Kind und betrachtet es voll Liebe und Zuneigung. Joseph stolz, wie jeder gute Vater, blickt andächtig auf den Knaben. Aber wie platziert man die beiden? Maria links, Joseph rechts oder besser umgekehrt, was ist hier richtig? Keine Sorge, man kann es frei bestimmen. Wichtig ist nur, die Eltern sind bei ihrem Kind und beschützen es vor den Häschern des bösen Königs Herodes.
Danach wird es wieder einfach, für den Engel gibt es am Dach einen kleinen Haken, da kann man ihn gut festmachen. Ochs und Esel gehören in den Stall, das steht schon so in der Bibel. Die Hirten waren auf dem Feld. Also, Hirten, Schafe und Lämmer rundum die Hütte postieren. Ob der große Hirte mit dem Schaf auf dem Rücken vorne oder hinten steht, ist nicht so wichtig. Die gleiche Regel gilt auch für den Hund, ob der sich nun bei dem kleineren Hirten aufhält oder bei den Schafen herumspringt, ist egal. Hauptsache, die Hirten waren der Verkündigung des Engels gefolgt und besuchten den kleinen Jesus, brachten ihm Wolle, auf der er warm und weich schlafen konnte.
Bei den heiligen Königen wurde es dann kompliziert. Man weiß eben zu wenig über die Hackordnung der damaligen Zeit. Heute ist vieles einfacher: Prinz Philipp schlurft immer einige Schritte hinter seiner Queen her und die Türkenfrauen folgen ihren Männern im Abstand von drei Metern. Nur bei Frau Merkel und Herrn Westerwelle ist nicht ganz eindeutig, wer Koch oder Kellner ist. Guido nimmt sich oft mehr heraus, als es ihm bei seinen 15 % zukommen würde. Aber das war nicht mein Problem. Mein Problem, die drei Herren aus dem Morgenland sinnvoll um unsere Krippe zu postieren, war nicht einfach zu bewältigen. Fotos zum Nachschauen fand ich keine, lästige Papparazzis, die überall herumknipsen, kannte man zu dieser Zeit noch nicht. Auch das eilig herbeigeholte Lexikon gab nichts her.
Wenigsten kannte ich die Namen: Caspar, Melchior und Balthasar. Außerdem war mir bekannt, dass einer von ihnen ein Mohr war, also einen afro-palästinensischen Migrationshintergrund haben musste. Aus der Konfirmandenstunde wusste ich noch, sie waren dem Stern von Bethlehem gefolgt und brachten dem kleinen Jesuskind Geschenke, königliche Geschenke: Gold, Myrrhe, Weihrauch. Einer kniet und hat eine Kiste in den Händen. Das wird wohl der mit dem Gold sein, so einer, wie heute der von der Deutschen Bank einer ist. Die haben überall ihre Nasen vorn, dachte ich, und schob ihn ganz nah an die Krippe heran. Der Zweite, mit einem weiten Umhang, weise und würdig anzusehen, erinnerte mich weitläufig an einen Intellektuellen, also rückte ich ihn ein wenig nach hinten, denn mit der Bildung haben wir es momentan in Deutschland nicht so.
Beim Mohrenkönig Balthasar war ich unsicher. Soll der mehr vorn oder ‒ wie alle Farbigen ‒ weiter hinten stehen? Ich wusste es nicht, denn seit die Amis Mister Obama zum Präsidenten gewählt haben, hat sich da einiges verschoben. Da kam mir eine Idee: Ich wahrte absolute Neutralität und stellte ihn ganz unverfänglich so hin, als käme er gerade auf den Stall zugeschlendert. Er könnte ja vielleicht in seinem Zelt etwas vergessen haben und deshalb noch einmal ins Lager zurückgelaufen sein. So, jetzt bin ich fertig, dachte ich, den Rest macht Elke. Sie legt meist noch ein paar Tannenreiser auf das Krippendach, rückt etwas an den Figuren herum. Die Krippe mit dem Kind mehr unters Licht, Maria weiter nach vorn, das Schaf etwas weiter weg vom Hund. Danach schiebe ich wieder ein wenig an den Figuren herum. Beide machen wir das heimlich, der andere soll um Gotteswillen nichts davon merken.
Nach etwa einer Woche haben dann alle Figuren den richtigen Platz gefunden. So ist das bisher gelaufen, diesmal war alles ganz anders. Misstrauisch wollte Elke wissen: „Warum steht der Balthasar so weit weg, Peter?“
Da hatte ich mich mit meinen abstrusen Gedankenspielen aber gewaltig in die Nesseln gesetzt. Hätte ich die drei Hanseln wahllos um die Krippe angeordnet, es hätte keine Einwände gegeben. Wie sollte ich aus der Nummer je wieder herauskommen? Ich überlegte kurz und sagte nach einigem Zögern: „Der hatte bei den Zelten etwas vergessen und musste noch einmal zurückgehen, um es zu holen, jetzt kommt er wieder.“
„So ..., was hatte er denn vergessen?“
„Keine Ahnung, vielleicht seinen Ausweis.“
„Kannst du mir mal sagen, wofür man bei der Krippe einen Ausweis benötigt“, erwiderte sie entrüstet.
„Nein, das weiß ich nicht, vielleicht hatte er ja auch keine Tempotaschentücher bei sich.“
„Tempos? Die gab’s damals noch gar nicht, das solltest du eigentlich wissen.“
So ging es also nicht! Ich fand einfach keinen triftigen Grund, ihr sinnvoll zu erklären, warum der Balthasar noch einmal zu den Zelten zurückgelaufen sein könnte. Nach ein paar schlaflosen Nächten hatte ich die Lösung gefunden. Auf dem Weihnachtsmarkt in Rosenheim besorgte ich heimlich ein Kamel und stellte es zur Krippe.
„Schau mal her, der Mohr musste noch einmal zurückgehen, weil er vergessen hatte, sein Kamel anzubinden“, klärte ich meine Frau auf.
„Das leuchtet mir ein, du Spinner“, hörte ich Elke antworten und war beruhigt.
_________________ mit besten Grüßen HPG |
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Gast3 Klammeraffe
G
Beiträge: 794 Wohnort: BY
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Gast
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08.12.2010 20:19
von Gast
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Hallo HPG,
deine Geschichte ist für mich Belletristik im wörtlichen Sinn.
Eine kleine unterhaltsame Erzählung, die ein paar heitere Momente schenkt. Vielen Dank.
Sehr gerne gelesen.
Liebe Grüße
Monika
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Murmel Schlichter und Stänker
Alter: 68 Beiträge: 6380 Wohnort: USA
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11.12.2010 00:15
von Murmel
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Gefällt auch mir. Danke fürs Einstellen.
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HPG Schneckenpost
Alter: 82 Beiträge: 10 Wohnort: Egelsbach
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13.12.2010 16:31
von HPG
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Hallo,
war ein paar Tage weg und freue mich umsomehr, dass unser häusliches „Krippenspiel“ gut angekommen ist. Noch eine schöne Adventszeit und nicht soviel vorweihnachtliche Hektik zulassen.
_________________ mit besten Grüßen HPG |
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