Herbert Blaser Eselsohr
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12.11.2010 16:08 SCHISMA - Erste Arbeitsfassung zu einem Drehbuch. von Herbert Blaser
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Schisma
Ein Film über dem Abgrund des Glaubens
1. Aussen Kinogebäude – Nacht
Strömender Regen. Ein Paar verlässt das hell erleuchtete Gebäude und begibt sich zu einem Parkplatz. Sie laufen eng aneinandergekuschelt unter einem grossen Regenschirm. Der Mann öffnet der Frau die Seitentüre des Wagens, bevor er selber mit schnellen Schritten zur Fahrerseite wechselt.
2. Innen Auto – Nacht
Die Scheinwerfer des Autos tasten sich durch den Regen und den Nebel auf der kurvenreichen Strasse. Die Frau schmiegt sich an den Oberarm ihres Gatten.
Georg: „Der Film war grossartig. Ich mochte Gene Hackmann als alten Spinner. Auch der Anwalt war grosse Klasse. Überhaupt ein gutes Thema, findest Du nicht auch? Die totale Überwachung, unglaublich...leider nur... Mensch, das Wetter ist ja grauenhaft.“
Martha: „Vorsicht Schatz, fahre vorsichtig... Der Film war gut. Aber ich glaube, ich hätte fast jeden Film gut gefunden. Es war so schön, einmal wieder mit Dir alleine zu sein. Ich habe das sehr genossen... und die totale Überwachung findet hier in unserem Kopf statt...“
Martha lacht und tippt ihrem Mann an die Stirne.
„...das ist erschreckender als Videokameras.“
Georg: lacht leise „Ja, das meint die Frau des Anwalts im Film ja auch. Da seit ihr euch einig... es war wirklich sehr schön. Apropos Überwachung: Meinst du der Junge war ruhig?“
Martha: „Und wenn auch nicht. Das Kindermädchen soll ihn halt trösten, wenn er wach geworden ist. Das ist nicht so schlimm. Irgendwann muss er lernen, eine Nacht alleine zu verbringen. Irgendwann wird er ganz alleine sein.“
Georg: „Liebling, er ist sieben Jahre alt.“
Martha: „Komm schon Schatz. Ich liebe ihn über alles. Aber ich will auch ab und zu mit Dir zusammen sein. Damit muss unser Junge auch leben.“
Georg küsst Martha auf die Stirn. Sie lächelt zufrieden. Die kommende Kurve sieht Georg zu spät, der Wagen beginnt zu schlingern, rutscht über die Böschung, überschlägt sich und knallt gegen einen Baum. Stille. Nur das sinnlose Drehen der Räder ist noch zu hören.
3. Aussen Böschung und Landstrasse - Nacht
Das Scheinwerferlicht und das Blaulicht von einem Polizeiwagen und der Ambulanz
spiegeln sich auf der nassen Strasse. Die Körper von Georg und Martha liegen auf zwei Bahren. Polizisten und Nothelfer arbeiten auf der Unfallstelle.
Ein Sanitätsarzt zieht den beiden Leblosen eine Abdeckung über den Körper und den Kopf. Sie sind tot.
4. Aussen Kleiner Bahnhof in einer Berggegend - Tag
Eine Sozialhelferin bringt den Knaben Johannes zu dem Bahnhof auf dem Lande. Vor dem Bahnhof steht die unscheinbare Station einer Berggondel. Sie warten vor dem kleinen Gebäude.
Die Sozialhelferin zupft die Kleidung des Buben zurecht.
Sozialhelferin: „Dein Onkel wird bald hier sein. Ich freue mich so für Dich, dass er mit deiner Aufnahme in das Klosterleben einverstanden war. Das ist nicht selbstverständlich, weisst Du. Dort oben leben nur noch wenige Mönche und eigentlich ist das Kloster nicht mehr in Betrieb. auf jeden Fall nicht so wie früher. Du wirst es gut haben, Johannes. Und denk daran, wenn Dich irgendetwas beschäftigt, dann ruf mich bitte an. Ich bin da für Dich.“
Johannes nickt. Er wirkt abwesend und verschlossen. Aus einem eben parkierten Postauto steigt ein grosser Mann in schwarzer Robe: Pater Ralph. Er wirkt streng und ernsthaft. Mit bestimmten Schritten kommt er auf die beiden zu.
Pater Ralph: „Da seit ihr ja schon. Bitte entschuldigt die kleine Verspätung. Das passiert bei uns schon mal und geschieht ohne böse Absicht. Wir leben hier auf dem Land.“
Sozialhelferin: „Wir sind eben erst angekommen, Pater. Wir haben kaum gewartet. Ich freue mich sehr, sie zu sehen und ich danke ihnen im Namen vom ganzen Waisenhaus für ihre Bemühungen. Wir sind so froh über Ihre spontane Bereitschaft. Für Johannes ist das die beste aller Lösungen.
Nicht wahr, Johannes?“
Johannes nickt. Sein Blick ist auf den Boden geheftet.
Pater Ralph: „Das ist selbstverständlich und würde Gott missfallen, wenn wir nicht für die Not unserer Brüder da sind. Sein Vater war erst noch mein leiblicher Bruder, wie könnte ich da nein sagen? Unser Betrieb ist klein und bescheiden, aber für eine Seele hat es bestimmt noch platz. Wir freuen uns auf Dich, Johannes.“
Johannes: „Danke“
Sozialhelferin: „Wir werden mit ihnen in Kontakt bleiben und sind für alle Fragen und Hilfestellungen für sie da. Wenn sie erlauben, werde ich per Gelegenheit das Kloster besuchen.
Pater Ralph: „Sie sind jederzeit willkommen. Komm Johannes, die Bahn wartet. Verabschiede Dich von Frau Berger.“
Johannes gibt der Sozialhelferin die Hand, sein Blick bleibt gesenkt.
Johannes: „Auf Wiedersehen.“
Sozialhelferin: „Auf Wiedersehen Johannes. Lass es Dir gut gehen. Ich werde Dich bald besuchen.“
5. Innen Seilbahn – Tag
Die Bahn schwebt leise über Fels und Wald.
Pater Ralph: „Siehst Du das Gebäude dort auf dem Hügel, Johannes? Dort leben wir. Und in dem Dorf da unten wirst Du zur Schule gehen. Ich habe eben noch mit dem Lehrer gesprochen. Er ist froh, wenn Du seine Klasse vergrössern wirst. Da sind nicht so viele Kinder, Du wirst sehen. Überhaupt freuen sich alle auf Dich. Ich glaube, Du hast grosses Glück im Unglück, Johannes. Weil Gott über Dir wacht.“
6. Aussen Weg zum Kloster - Tag
Der Pater hält Johannes die Hand, beide tragen Koffer. Johannes läuft leicht hinter dem Pater. Das Kloster steht auf einer Felskuppe, die nur über einen kleinen Weg
erreichbar ist. Dach und Gemäuer sind sehr alt. Das Gebäude atmet Einfachheit und Verzicht. Es ist das Kloster „La chapelle Du Vorbourg“ bei Delémont im Jura.
7. Innen Zimmer im Kloster – Tag
Ein spartanisch eingerichtetes Zimmer mit einem Schreibtisch, einem Stuhl, einem Bett und einem Wandschrank. Über dem Schreibtisch hängt ein Schrifttäfelchen mit der Inschrift „ora et labora“. Über dem Bett hängt ein kleines Kruzifix.
Pater Ralph: „Dein Zimmer, Johannes. Wir haben keinen Komfort, aber Du wirst sehen, dass Gottes Segen Dein Leben erfüllen wird. Seine Liebe ist der grösste Komfort und tröstet uns in schweren Stunden. Richte Dich ein, Johannes. Wir essen in einer Stunde.“
Pater Ralph verlässt das Zimmer. Johannes steht verloren da. Er sucht als erstes das Bild seiner Eltern im Reisegepäck und stellt es auf seinen Nachttisch. Daneben stellt er ein grösseres Bild seiner Mutter. Er sitzt auf dem Bett, Tränen in den Augen.
8. Innen Essraum im Kloster – Nacht
Am Tisch sitzen fünf Mönche und Johannes. Er hält den Blick gesenkt. Pater Ralph steht am Tischenden und spricht.
Pater Ralph: „Im Namen der Barmherzigkeit unseres Erlösers heissen wir Johannes in unserer bescheidenen Runde willkommen. Gott wird seinen Segen über unserer Gemeinschaft ausschütten. erheben wir uns zum Gebet.“
Die Mönche stehen auf. Pater Ralph blickt lächelnd aber bestimmt zu Johannes, bis der sich aus seinem Stuhl erhebt. Pater Ralph öffnet segnend die Arme und gibt einem Mönch ein Handzeichen.
Mönch 1: „Vater unser, der Du bist in den Himmeln...“
9. Innen Zimmer des Johannes – Nacht
Johannes sitzt im Schlafanzug auf dem Bett. Pater Ralph kontrolliert seinen Schrank und richtet ordnend die Wäsche. Dann setzt er sich zu Johannes.
Pater Ralph: „Vieles wird Dir streng vorkommen, Johannes. Aber Du wirst sehen, dass uns die Gesetze Gottes und die Ordnung im täglichen Leben Sicherheit geben. Sie machen uns frei und garantieren ein erfülltes Leben. Und das Gebet tröstet uns und gibt uns Kraft.“
Pater Ralph übergibt Johannes einen schönen Rosenkranz mit dem Votivbild der Mutter Maria.
Pater Ralph: „Du wirst lernen zu beten, Johannes. Das ist ein kleines Willkommensgeschenk. Komm...“
Pater Ralph kniet vor dem Bett und heftet seine Augen auf das Kreuz über dem Bett. Er wartet, bis Johannes die Augen geschlossen hat.
Pater Ralph: „Heilige Mutter Maria wir danken Dir, dass Du uns den Erlöser Jesus Christus geboren hast. Wir kommen zu Dir und bitten Dich um Gnade und Trost für Johannes, der eine schwere Prüfung bestehen musste. Jetzt ist er hier. Sei Du ihm gnädig und erfülle ihn mit Freuden. Sei ihm Vater und Mutter zugleich, damit die Trauer nicht sein Leben in Beschlag nimmt. Wir bitten auch für die Seelen seiner verunfallten Eltern in der Ewigkeit. Es erfüllt uns mit Stolz, dass sie als deine Kinder gestorben sind. Amen.“
10. Innen Zimmer des Johannes – Nacht
Johannes presst das Bild seiner Mutter und den Rosenkranz auf seine Brust, löscht das Licht und liegt beim schwachen Licht einer Kerze mit weit aufgerissenen Augen im Bett.
11. Aussen Schulhaus/Pausenhof – Tag
Die Mittagsglocke klingelt. Wenige Kinder verlassen rennend und lärmend das kleine Landhaus. Johannes geht alleine.
Drei Jungs warten auf Johannes.
Junge 1.: „He Mönch, kommst Du heute Nachmittag mit zum Dorfmarkt?“
Johannes: „Ich kann nicht.“
Junge 2.: „Was heisst, ich kann nicht? Musst Du beten oder was?“
Johannes: „Ich muss arbeiten.“
Junge 1.: „Wir müssen auch arbeiten. Wir sind aber nicht so heilig wie Du, dass wir immer arbeiten müssen. Niemand muss immer arbeiten. Komm doch mit.“
Johannes: „Ich kann nicht.“
Junge 1.: „Ich kann nicht...ich kann nicht...ich bete...ich bete...ihr spinnt ja gewaltig in eurem Hallelujakloster.“
Die Jungs ziehen spottend ab.
12. Aussen Waldweg – Tag
Auf dem Weg Durch den Wald geht Johannes an einer Mariastatue vorbei. Sie steht in einer kleinen Grotte. Er nimmt seinen Rosenkranz aus der Jackentasche und betrachtet das Marienbild. (Das Antlitz der Maria sieht dem Gesicht seiner Mutter zum Verwechseln ähnlich). Johannes bewegt leise betend seine Lippen.
13. Aussen Waldweg - Tag
Eine weiche Frauenstimme tönt über ihm.
Frauenstimme: „Johannes, wer den Weg seines Heilandes geht, wird von ihm belohnt. Trotz Spott und Hohn. Fürchte Dich nicht, Johannes. Ich liebe Dich. Meine Liebe wird Dir in der Welt genügen.“
14. Aussen Klostergarten/Kreuzgang – Tag
Johannes arbeitet im Garten des Klosters. Dann fegt er den schattigen Kreuzgang mit dem Besen. Er geht zum Brunnen und wäscht sich die Hände. (Einen Kreuzgang und einen authentischen Innenhof hat es im Städtchen St. Ursanne am Doubs)
15. Aussen Brunnen – Tag
Johannes betrachtet sein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche. Plötzlich ertönt die Frauenstimme. (Zu seinem Spiegelbild gesellt sich das Bild seiner Mutter/Maria).
Frauenstimme: „Nicht Silber und Gold, Johannes; nicht Silber und Gold. Meine Liebe wird Dein Lohn sein.“
16. Aussen Kloster – Nacht
Die Glocke ruft zum Abendgebet.
17. Innen Kapelle – Nacht
Die Mönche knien im Chor der Kapelle und empfangen die Hostie. Johannes kniet betend in vorderster Front. In der Hand hält er den Rosenkranz.
12 Jahre später
18. Aussen Bahnhof Dornach – Tag
Der 20-jährige Theologiestudent Johannes wartet auf einen Zug am Bahnhof Dornach. Der Zug fährt ein.
19. Aussen Bahnsteig – Tag
Der gealterte Pater Ralph entsteigt dem stehenden Zug. Johannes eilt auf ihn zu.
Die beiden umarmen sich brüderlich.
Pater Ralph mustert den jungen Mann wohlwollend.
20. Aussen Bahnhofsplatz – Tag
Johannes trägt das Gepäck des Paters zum Taxi.
21. Innen Taxi – Tag
Pater Ralph: „Die Diözese hat mich über die Versetzung nach Arlesheim informiert. Ich habe das Amt als Abt gerne angenommen. Ich freue mich auf die neue Aufgabe, obwohl Gott von uns stilles Ausharren und Treue verlangen darf. Der Mensch ist ein unruhiges Wesen, ich bin davon nicht ausgeschlossen...“
Pater Ralph lacht.
„...aber wenn die Gnade des Herrn diese Arbeit für mich vorgesehen hat, freue ich mich doppelt. Was macht Dein Studium, Johannes?“
Johannes: „Ich bete und arbeite viel.“
Auch Johannes lacht leise. Er denkt kurz nach, dann fährt er fort:
„Moderne Theologen haben oft die Angewohnheit, das Wort Gottes zu interpretieren. Nicht zu befolgen. Es braucht bibelfestere Anhänger in der Theologenzunft. Weniger psychologisierende. Ich sehe dort meine Aufgabe und meine Interessen.“
Pater Ralph: „Dann hast Du das Wichtigste nicht vergessen, Johannes. Nur das Wort Gottes wird uns frei machen.“
22. Aussen Domplatz Arlesheim – Tag
Pater Ralph und Johannes gehen über den historischen Domplatz. Die Kirche mit den Doppeltürmen und die flankierenden Gebäude sind zur Zeit des Historismus prächtig renoviert worden. Der Komplex strahlt in satter Behäbigkeit. Pater Ralph stellt seinen Koffer ab und sieht sich um.
Pater Ralph: „Die Liebe Jesu leuchtet Durch die Werke des Herrn. Obwohl der Geist des Unglaubens unsere heilige Kirche bedrängt, strahlt sie doch in unvergänglicher Schönheit. Wirst Du an unserem Morgengebet teilnehmen, Johannes?“
Johannes: „Wenn die Zeit reicht, dann gerne. Ich treffe mich aber regelmässig mit einer Bibelgruppe in Basel, wir haben dort das Morgengebet dreimal wöchentlich organisiert. Die Universität stellt unserer Fakultät den Raum zur Verfügung. Es würde uns sehr freuen, wenn Du vielleicht diese Andacht besuchen könntest.“
Pater Ralph: „Ich werde die Einladung gerne annehmen...“
Er nimmt seinen Koffer wieder auf.
„...begleitest Du mich bitte noch zu meinen Räumen?“
Er sieht die Fassade des mehrstöckigen Gebäudes hoch.
„Ich kann Deine Kraft gut gebrauchen.“
23. Innen Universität – Tag
Der Dozent Rüegg sitzt am Arbeitsplatz in seinem Büro an der Schule. Klopfen an der Tür:
Prof. Rüegg: „Herein.“
Johannes betritt den Raum.
Johannes: „Guten Tag, Herr Professor Rüegg. Sie haben mich rufen lassen?“
Prof. Rüegg: „Ja, ich habe...setz Dich bitte, Johannes...setz Dich...ich habe das Exposé von deiner Doktorarbeit gelesen. Ich bin sehr zufrieden, habe aber eine entscheidende Frage:
Wenn Du von dem Zusammenhang der Apokryphen mit dem heiligen Gral sprichst, dann hinterfragst Du die Identität des Jesus Christus von Nazareth. Beide Themen treffen sich in diesem Punkt. Die Apokryphen wie die Gralserzählungen. Du erwähnst die Lehre des Arius, die sich schlussendlich nicht gegen die Lehre des Athanasius Durchsetzen konnte. Warum sagst Du nicht, dass die konsequente Betrachtungsweise der arianischen Lehre heissen würde: Jesus von Nazareth war ein ganz gewöhnlicher Mensch?“
Johannes: „Ich bin ein gläubiger Katholik, Professor. Das wäre Gotteslästerung!“
Prof. Rüegg: „Warum, Johannes? Warum?“
Johannes: „Mit Verlaub, Herr Professor. Sie haben uns selber gesagt, wie wichtig die heilige Dreifaltigkeit für das Christentum ist. Wenn Jesus ein gewöhnlicher Mensch gewesen wäre, gäbe es diese Dreieinigkeit nicht. Dann gäbe es aber auch keine gottgewollte Erlösung für uns Menschen. Wir wären verloren. Ausserdem hatte die heilige Mutter eine unbefleckte Empfängnis, sie konnte gar keinen Menschen gebären.“
Prof. Rüegg: „Siehst Du Johannes, genau um diese Fragen geht es sowohl in einem Teil der apokryphischen Schriften, wie in der Legende des heiligen Grals. Du solltest in Deiner Arbeit beide Standpunkte genau erläutern. Auch die These, dass Jesus gar kein Sohn Gottes sein konnte, weil er Mensch war. Diese Fragen sind für die Kirchengeschichte von grösster Bedeutung. Meinst Du nicht auch?“
Johannes: „Herr Professor, Sie haben bestimmt recht. Was die Kirchengeschichte angeht. Ich will mich nur nicht gegen unseren Heiland versündigen. Deshalb schrieb ich „gottähnlich“, nicht „menschengleich“.
Prof. Rüegg: „Warum scheust Du Dich vor der Möglichkeit, dass der Gottesstatus Jesu nur allegorischen Charakter hat und damit lediglich auf ein bestimmtes Denken hinweisen soll, das auf höchster moralischer Ebene das Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen des Einzelnen und den Bedürfnissen der Gruppe schafft. Wäre das nicht das Ziel der Religionen?“
Johannes: „Professor, das höchste Ziel meiner Religion ist die Errettung des Sünders vor Tod und Verderben. Jesus wird wiederkommen und die seinen zu sich holen. Ob allegorisch, oder nicht.“
Prof. Rüegg: „Johannes, ich verstehe Deine Sehnsucht und ich versuche auch Deine unbedingte Bibeltreue zu verstehen. Versuche Du aber in Deiner Arbeit, beide Denkweisen zu erörtern, denn sie sind die Polarpunkte Deines Themas. War Jesus Gott, oder war er Mensch. Dazwischen liegt wohl viel Grauzone, aber auch viel unentdeckte Wahrheit. Wenn ich Dir noch einen Hinweis geben darf: Das arianische Denken ist Grund für das älteste und hartnäckigste Schisma der katholischen Kirche. Weil die Katholiken die gesellschaftlichen Konsequenzen dieses Schismas missachtet haben, wurde 1200 Jahre später die Reformation überhaupt erst möglich. Arius sagte zum Beispiel, Jesus sei ein Mensch gewesen, gleich wie wir alle, deswegen sollten wir alle auf Besitz verzichten. Gleich wie er. Während die Gotteslehre des Athanasius den heiligen Besitz der Kirche überhaupt erst rechtfertigte. Bedenke dieser Fakten in Deiner Arbeit, Du wirst Verblüffendes finden.“
Johannes: „Ich werde daran denken, Professor. Aber ich werde nicht meinen Erlöser verleugnen. Gute Nacht, Professor.“
Prof. Rüegg: „Gute Nacht Johannes. Gute Nacht.“
24. Innen Zimmer – Nacht
Johannes sitzt in seinem spartanisch eingerichteten Zimmer und forscht in Büchern und Unterlagen. Das Zimmer ist im Nebenhaus der Mühle in der Eremitage in Arlesheim. Das Licht aus dem Fenster des Johannes verliert sich in den verschlungenen Wegen der Einsiedelei.
25. Aussen Eremitage – Tag
Am Morgen früh geht Johannes zu dem kleinen Wallfahrtsort in der Eremitage. Er meditiert und betet. Die Frauenstimme ertönt:
Frauenstimme: „Die Weisheit der Welt dient dem Gottlosen zum Verderben, Johannes. Ich aber werde bei Dir sein bis an das Ende der Welt.“
26. Aussen Eremitage – Tag
Auf dem Nachhauseweg beobachtet Johannes eine fotografierende junge Frau (Maria) bei dem Steg am oberen See der Eremitage. Sie versucht eine Aufnahme vom Morgennebel im Schilf zu machen. Sie hantiert mit den Ausrüstungsgegenständen.
27. Aussen Seeufer – Tag
Die Fotografin bemerkt Johannes und winkt ihm zu.
Maria: „Hallo...guten Morgen...hallo...darf ich Dich etwas fragen?“
Johannes eilt zu ihr.
Maria: „Ich krieg das hier nicht hin. Kannst Du mir bitte die Soft-Box halten, bis ich die Aufnahme gemacht habe? Ich beeile mich...bitte.“
Johannes lacht höflich.
Johannes: „Natürlich. Gerne. Sie brauchen sich nicht zu beeilen.“
28. Aussen | |