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Pedro Eselsohr
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Beiträge: 241 Wohnort: Freiburg
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P 10.08.2010 08:44 Ein Versager von Pedro
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Ein Versager
Frank Bauer hatte immer Angst gehabt zu versagen. Das fing schon in der Schule an, seine Lehrer trauten ihm nicht viel zu. Er sich auch nicht.
Sein Vater, Hilfsarbeiter und begeisterter Zuschauer bei Sportveranstaltungen, nannte ihn immer "Versager", wenn er beim Fußballspiel keine Tore schoss.
In der Firma war es dann weiter gegangen, immer wieder musste er sich durchsetzen, befürchtete zu scheitern.
Rücksichtslos gegen sich, Arbeitskollegen und seiner Familie hatte er sich hoch- gearbeitet, war dann auch Chef der Buchhaltungsabteilung geworden.
Um seine attraktive Frau beneideten viele. Er glaubte, dass er es jetzt geschafft hätte.
Und jetzt stand er hier am Fenster, schaute auf den Nieselregen. Gelder aus der Lebensversicherung hatte er in das Haus gesteckt, nur die Unfallversicherung war ihm noch geblieben.
Sie kam aus der Küche.
„Ich sollte es dir am besten gleich sagen.“
Überrascht schaute sie ihn an.
„Was willst du mir gleich sagen?“
„Komm, lass uns erst mal was essen.“
Er setzte sich an den gedeckten Tisch.
„Nichts da, ich will wissen, was los ist. Du warst in letzter Zeit überhaupt so seltsam.“
„Ich bin arbeitslos geworden, die Firma ist Bankrott gegangen.“
„Und was heißt das jetzt?“
„Schon seit zwei Woche gehe ich morgens aus dem Haus, setze mich in den Park und füttere Vögel. Ich dachte, ich würde schnell eine andere Arbeit finden, habe viele Bewerbungen geschrieben, mich persönlich vorgestellt. Zu alt!
Unser Auto müssen wir auf jeden Fall verkaufen.“
Verständnislos schaute sie ihn an.
„Hast du schon mit deinem Vater darüber geredet?“
„Wir müssen schauen, dass wir irgendwie alleine zu Recht kommen.“
„Um wie arme Leute zu leben, habe ich dich nicht geheiratet.“
„Auch unser Haus ist viel zu groß. Die Raten der Abzahlung sind zu hoch.“
„Was? Das soll auch verkauft werden? Glaubst du, ich will in einer Sozialwohnung hausen?“
„Komm, trinken wir ein Glas Wein, reden wir morgen weiter.“
Er versuchte sie in den Arm zu nehmen, aber sie riss sich von ihm los stieß ihn von sich.
„Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, wir haben kein Geld.“
„Ja, den großen Mann markieren, das konntest du schon immer, viel Getue und nichts dahinter! Das hätte ich längst merken müssen.“
„Ich habe dich doch aus dem Elend herausgeholt, statt in einer Bruchbude zu wohnen, statt an der Kasse dir den Hintern acht Stunden wund zu sitzen, hast du bisher wie eine Prinzessin gelebt. Du konntest deine sportlichen Aktivitäten machen, zur Kosmetikerin gehen, während ich geschuftet habe. Du solltest wieder anfangen zu arbeiten.“
„Was glaubst du, warum ich gerade dich geheiratet habe, nicht aus Liebe!“
Sie schaute ihn an, erwartete wohl, dass er etwas sagen würde, aber er schwieg.
„Schau dich doch mal an, wie du aussiehst, eine dürre, lange Witzfigur, zwanzig Jahre älter als ich. Ich wollte gut leben, anders als meine Mutter.
Wir werden unsere Freunde verlieren und nicht mehr in Urlaub fahren können. Meine Tochter wird ihre Freundinnen vermissen, kann nicht mit der Klasse nach Texas gehen. Das mache ich nicht mit.“
Immer lauter wurde sie, zuletzt hatte sie geschrieen.
„Unsere Tochter dachte ich bis jetzt“, sagte er leise.
Sie schüttelte den Kopf.
Er sagte nichts, stand auf und ging aus dem Haus, ohne sich umzuschauen.
Die Versicherungspolice hatte er auf den Küchentisch gelegt.
Die Brücke überspannte das Tal, von hier oben sah alles klein aus. Er drückte das Gaspedal durch.
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Ernst Clemens Klammeraffe
Alter: 78 Beiträge: 594 Wohnort: München
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10.08.2010 09:34
von Ernst Clemens
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hallo pedro,
du hast es geschafft, spannung zu erzeugen, die sich im verlauf der geschichte steigert - bis zum schluß.
gut gemacht.
einige kleinigkeiten:
Zitat: | In der Firma war es dann weiter gegangen, immer wieder musste er sich durchsetzen, befürchtete zu scheitern.
Rücksichtslos gegen sich, Arbeitskollegen und seiner Familie hatte er sich hoch- gearbeitet, war dann auch Chef der Buchhaltungsabteilung geworden.
| zwischen diesen beiden sätzen empfinde ich einen bruch. hier geht es mir zu schnell vom versager zum leiter der abteilung.
dann ergibt sich für mich die frage: kann sich der leiter einer buchhaltungsabteilung den von dir beschriebenen luxus leisten? (zumindest in unserer stadt - münchen - wäre das kaum denkbar. münchen ist zu teuer).
Zitat: | Rücksichtslos gegen sich, Arbeitskollegen und seiner Familie hatte er sich hoch- gearbeitet, war dann auch Chef der Buchhaltungsabteilung geworden.
| - schreibfehler, wahrscheinlich von deinem schreibprogramm kreiert?
Zitat: | Um seine attraktive Frau beneideten IHN viele. | hier fehlt ein wort
herzliche grüße
ernst
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Pedro Eselsohr
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Beiträge: 241 Wohnort: Freiburg
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gypsile Leseratte
Alter: 49 Beiträge: 124 Wohnort: Leipzig
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10.08.2010 12:24
von gypsile
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Hallo Pedro!
Meine Meinung (ich lerne ja noch):
Eine Geschichte, bei der man weiß, was kommt.
Zitat: | Sein Vater, Hilfsarbeiter und begeisterter Zuschauer bei Sportveranstaltungen, nannte ihn immer "Versager", wenn er beim Fußballspiel keine Tore schoss. |
Aus diesem Satz würde ich zwei machen. So zum Beispiel:
Zitat: | Sein Vater, Hilfsarbeiter und begeisterter Zuschauer bei Sportveranstaltungen. Er nannte ihn immer "Versager", wenn er beim Fußballspiel keine Tore schoss. |
Und hier vielleicht eher so:
Zitat: | In der Firma war es dann (dieses dann würde ich weglassen) weiter gegangen, immer wieder musste er sich durchsetzen, befürchtete zu scheitern.
Rücksichtslos gegen sich, Arbeitskollegen und seiner Familie hatte er sich hoch- gearbeitet. Später wurde er Chef der Buchhaltungsabteilung. |
Aber das nur meine Meinung. So professionell bin ich ja auch noch nicht.
Liebe Grüße
gypsile
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Pedro Eselsohr
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Beiträge: 241 Wohnort: Freiburg
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Pedro Eselsohr
P
Beiträge: 241 Wohnort: Freiburg
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P 10.08.2010 14:45
von Pedro
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Ein Versager
(überarbeitet)
Frank Bauer hatte schon immer Angst gehabt zu versagen. Das fing in der Schule an, seine Lehrer trauten ihm nichts zu. Er sich auch nicht.
Sein Vater, Hilfsarbeiter und begeisterter Zuschauer bei Sportveranstaltungen, nannte ihn immer "Versager.“ Nicht nur beim Fußballspiel, wenn er keine Tore schoss.
In der Firma war es weiter gegangen, immer wieder befürchtete er, zu scheitern.
Rücksichtslos gegen sich, seinen Arbeitskollegen und seiner Familie hatte er sich hoch gearbeitet. Später wurde er Chef des Vertriebs. Er glaubte, dass er es jetzt geschafft hätte.
Und jetzt stand er hier am Fenster, schaute auf den Nieselregen. Gelder aus der Lebensversicherung hatte er in das Haus gesteckt, nur die Unfallversicherung war ihm noch geblieben.
Um seine attraktive Frau beneideten ihn viele.
Sie kam aus der Küche.
„Ich sollte es dir am besten gleich sagen.“
Überrascht schaute sie ihn an.
„Was willst du mir sagen?“
„Komm, lass uns erst mal was essen.“
Er setzte sich an den gedeckten Tisch.
„Nichts da, ich will wissen, was los ist. Du warst in letzter Zeit überhaupt so seltsam.“
„Ich bin arbeitslos geworden, die Firma ist Bankrott gegangen.“
„Und was heißt das jetzt?“
„Ich dachte, ich würde schnell eine andere Arbeit finden, habe viele Bewerbungen geschrieben, mich persönlich vorgestellt. Zu alt! Jetzt sitze ich schon seit zwei Wochen im Park und füttere die Vögel.
Unser Auto müssen wir auf jeden Fall verkaufen.“
Verständnislos schaute sie ihn an.
„Hast du mit deinem Vater geredet?“
„Wir müssen schauen, dass wir alleine zu Recht kommen. Unser Haus ist viel zu groß. Die Raten der Abzahlung sind zu hoch.“
„Was? Das soll auch verkauft werden? Glaubst du, ich will in einer Sozialwohnung hausen? Um wie arme Leute zu leben, habe ich dich nicht geheiratet“, schrie sie wütend.
„Komm, trinken wir ein Glas Wein, reden wir morgen weiter.“
Er versuchte sie in den Arm zu nehmen, aber sie riss sich von ihm los stieß ihn von sich.
„Ja, den großen Max markieren, das konntest du schon immer, viel Getue und nichts dahinter.“
„Habe ich dich nicht aus der Bruchbude deiner Eltern herausgeholt? Du hast bisher wie eine Prinzessin gelebt, während deine ehemaligen Freundinnen sich ihren Hintern an der Kasse wund sitzen.
Während ich den ganzen Tag schufte, spielst du Tennis und lässt dich auf meine Kosten verschönern.
Wie wäre es, wenn du es mal mit Arbeiten probieren würdest?“
„Was glaubst du, warum ich gerade dich geheiratet habe?“
Sie schaute ihn an, erwartete wohl, dass er etwas sagen würde, aber er schwieg.
„Schau dich doch mal an, wie du aussiehst, eine dürre, lange Witzfigur, zwanzig Jahre älter als ich. Ich wollte gut leben, anders als meine Mutter.
Wir werden unsere Freunde verlieren und nicht mehr in Urlaub fahren können. Meine Tochter wird ihre Freundinnen vermissen, kann nicht mit der Klasse nach Texas fliegen. Das mache ich nicht mit.“
Immer lauter wurde sie, zuletzt hatte sie geschrieen.
„Unsere Tochter dachte ich bis jetzt“, sagte er leise.
Sie schüttelte den Kopf.
Er sagte nichts, stand auf und ging aus dem Haus, ohne sich umzuschauen.
Die Versicherungspolice hatte er auf den Küchentisch gelegt.
Die Brücke überspannte das Tal, von hier oben sah alles klein aus. Er drückte das Gaspedal durch.
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Begon Wortedrechsler
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Beiträge: 66
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B 10.08.2010 15:18
von Begon
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Pedro hat Folgendes geschrieben: | [...], aber sie riss sich von ihm los, stieß ihn von sich. |
Da gehört ein Komma rein, ansonsten gefällt mir dein Text sehr gut. Du beschreibst die Emotionen des Mannes, zeigst, wie seine "heile Welt" die er gedacht hatte zu haben, sich als das was entpuppt was es die ganze Zeit war: Ein großes Trugbild.
lG, Begii
_________________ Wer nicht kämpft, hat schon verloren! |
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Pedro Eselsohr
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Beiträge: 241 Wohnort: Freiburg
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dschingis Eselsohr
Alter: 52 Beiträge: 305
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27.10.2010 10:31
von dschingis
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Hallo Pedro,
Dass ich Deine Texte gut finde, weißt Du. Dieses Pladoyer für Mitgefühl besonders. Fein geschrieben, wertungsfrei wie immer, wer Bedarf hat, kann sich auf seine/ihre Weise einfühlen.
Ein guter Text vom vergeblichen Streben nach Annahme und resultierender Ablehnung, weil die Prioritäten nicht mit herzlichen Gefühlen konform sind. Mich hat der Text berührt, traurig angerührt, darüber, was sich Menschen antun, auch wenn es nicht mein Thema ist. Du hast ihn psychologisch gut ausgefeilt, am Anfang begonnen. Am Schluß wieder ein schmerzlicher Punkt. Mögen sich viele berührt fühlen.
Ich verzichte diesmal darauf, nach einem Happy End zu rufen, denn langsam weiß ich, dass Deine Geschichten von den erzeugten Gefühlen so bewegen. Es muß krachen, sonst erkennt mancher nicht. Wäre schade drum.
Hab ich schon gelobt? Gut gemacht!
Liebe Grüße,
Bianka
_________________ Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.
Voltaire
zuletzt appeliert alles Erzählen an ein latentes Vorwissen des Lesers - und bleibt in seinem Gelingen von dessen Fülle abhängig. - Hans Wollschläger |
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Pedro Eselsohr
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Beiträge: 241 Wohnort: Freiburg
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lady-in-black Bitte nicht füttern
Beiträge: 1474 Wohnort: Killer Förde
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27.10.2010 12:42
von lady-in-black
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Mir gefällt die Geschichte, denn es sind gerade die so "harmlos" erscheinenden Alltagsprobleme, die Menschen immer wieder in den Selbstmord treiben.
_________________ - Ich würde mich gerne geistig mit Dir duellieren ... aber ich sehe Du bist leider unbewaffnet.
- Nein, Stil ist nicht das Ende vom Besen.
- Ich spreche fließend ironisch, auch im sarkastischen Dialekt. |
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Pedro Eselsohr
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Beiträge: 241 Wohnort: Freiburg
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Gast3 Klammeraffe
G
Beiträge: 794 Wohnort: BY
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G 27.10.2010 15:51
von Gast3
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Hallo Pedro,
dein Text kommt so unaufgeregt daher, ganz ohne Holzhammermethode und transportiert trotzdem viel Stimmung und Gefühl. Mir gefällt deine Art, zu schreiben.
Ich hab hier nur noch ein paar Kleinigkeiten:
Pedro hat Folgendes geschrieben: |
Frank Bauer hatte schon immer Angst gehabt (Komma) zu versagen.
Rücksichtslos gegen sich, seinen Arbeitskollegen und seiner Familie hatte er sich hoch gearbeitet.
Entweder: Rücksichtslos gegenüber ...
oder: Rücksichtslos gegen sich, seine Arbeitskollegen und seine Familie ...
Später wurde er Chef des Vertriebs. Er glaubte, dass er es jetzt geschafft hätte.
Und jetzt stand er hier am Fenster, schaute auf den Nieselregen.
(Vielleicht magst auf eins davon verzichten).
Verständnislos schaute sie ihn an.
„Hast du mit deinem Vater geredet?“
„Wir müssen schauen, dass wir alleine zu Recht kommen. Unser Haus ist viel zu groß. Die Raten der Abzahlung sind zu hoch.“
(Vielleicht: Wir müssen zusehen, dass wir ... )
„Komm, trinken wir ein Glas Wein, reden wir morgen weiter.“
Er versuchte (Komma) sie in den Arm zu nehmen, aber sie riss sich von ihm los (Komma) stieß ihn von sich.
Wie wäre es, wenn du es mal mit arbeiten probieren würdest?“
„Was glaubst du, warum ich gerade dich geheiratet habe?“
Sie schaute sah ihn an, erwartete wohl, dass er etwas sagen würde, aber er schwieg.
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Gern gelesen, lieben Gruß
schneestern
_________________ Sich vergleichen, ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit. |
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Pedro Eselsohr
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Beiträge: 241 Wohnort: Freiburg
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