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Autor |
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versbrecher Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 350 Wohnort: Düsseldorf
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06.09.2010 10:18 einzelgänger von versbrecher
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und
in der hitze dösen
einsame paare
einzelgänger
auf einsamen inseln
in ihrem rücken
über ihre köpfe hinweg
treibt es die stadt atemlos
hin & her
über den satten grünen fluß
der sie in 2 teilt
und
(manches textil
versieht seine aufgabe mit
nachlässiger transparenz) ohne
sonnenbrille so gut
wie blind schaue ich der zeit
auf die finger
und beim verstreichen zu
oder der spitze des funkturms
die versucht
wolken aufzuschlitzen
und
an manchen stellen
ist das wasser so blau wie
es sich gehört
© 2009 versbrecher
Weitere Werke von versbrecher:
_________________ lg
der versbrecher |
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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06.09.2010 19:47
von EdgarAllanPoe
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Hallo versbrecher,
ein Gedicht, das im Leeren schwebt, seltsamer Weise keinen konkreten Abschluss benötigt wie manch anderes; es wäre auch vermessen, dem immer Wiederkehrenden ein Ende einräumen zu wollen.
Das "und" in Vers 1 deutet schon darauf hin, dass davor schon etwas gewesen ist, dass man wohl nicht genau mit dem Verstand fassen kann; damit deutet das Gedicht schon hier über sich hinaus, es hat einen kleinen symbolistischen Einschlag, auch wenn die Verhältnisse (Paare in der Hitze, einsame Spaziergänger, quälende Wärme) ziemlich klar sind. Der konkreten Situation wird eine abstrakte unterstellt; etwas, das hinter den Zeilen lauert, sich jedoch dem Interpretationswerkzeug entzieht, sodass eine endgültige Deutung nicht möglich scheint.
Mir persönlich mag das Zeugma bei "[z]eit"/"[f]inger" nicht so recht gefallen, auch die Bläue des Wassers wirkt auf mich eher abgenutzt. Allerdings sind das die einzigen Kritikpunkte, die ich vorzubringen habe.
Das ist ein Gedicht, in das ich eintauchen kann, ohne es wie gesagt vollkommen ergreifen zu können. Deine Verse können so ihren Zauber immer noch entfalten, auch nach dem wievielten Lesen.
Liebe Grüße,
Eddie
_________________ (...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan
Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"
Uns gefällt Ihr Sound nicht. Gitarrengruppen sind von gestern. (Aus der Begründung der Plattenfirma Decca, die 1962 die Beatles ablehnte.) |
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versbrecher Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 350 Wohnort: Düsseldorf
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07.09.2010 09:30
von versbrecher
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Hallo Eddie,
vielen lieben Dank für die ausführliche Darlegung deiner Lesart. Besonders freut es mich, daß du die Leere erkennst, die den eigentlichen Textkörper bildet; während der Arbeit an einzelgänger wurde mir bewußt, daß ich mit meinen sprachlichen Mitteln die Empfindungen, die der dargestellten Szenerie unterlegt sind, nicht in Worte fassen kann - oder aber in Worte, die lediglich den Charakter eines Tagebucheintrags besäßen. So blieb mir nichts, als um diese Empfindungen herum zu schreiben, ein Gerüst für die Gedanken der Leser/innen zu schreiben.
auf die finger
und beim verstreichen zu
Och Mensch, gerade darauf bin ich so stolz
Was das Blau des Wassers angeht, siehst du mich (grundsätzlich) auf deiner Seite, was auch durch den (verschämten?) Zusatz
wie
es sich gehört
zum Ausdruck gebracht wird; allerdings habe ich die diesbezügliche Diskussion zu einem Text von jim-knopf verfolgt & muß sagen, daß jims Argumentation pro-Blau viel Richtiges enthält.
Im vorliegenden Fall soll eine Bewegung, der Eindruck verstreichender Zeit, durch Wiederaufnahme des Flußbildes hervorgerufen werden (und der Eindruck, daß der Fluß stellenweise tatsächlich blau, nicht durchgängig grün erscheint, war ein konkreter Gedanke, der sich in den ursprünglichen Notizen wiederfindet).
Ich wünsche dir eine angenehme Woche, und hoffentlich besseres Wetter als in meiner Gegend.
_________________ lg
der versbrecher |
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The Brain Reißwolf
Alter: 65 Beiträge: 1966 Wohnort: Over the rainbow
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07.09.2010 11:19
von The Brain
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Hallo, versbrecher,
ist ja kein Geheimnis, dass ich nicht der Lyrikexperte bin ...
Deine Worte finde ich ganz großes Kino.
Es ist dir absolut gelungen, den Leser zwischen den Zeilen lesen zu lassen!
Zumindest bei mir ...
Das einzige Haar in der Suppe:
Der Funkturm wirkt auf mich etwas zu technisch und daher unpassend.
Nur Turm fände ich ansprechender - und wenn du die Silbe für die Metrik brauchst ....
Liebe Grüße
The Brain
_________________ Dinge wahrzunehmen,
der Keim der Intelligenz
(Laotse)
***********
Die Kindheit endet nicht mit dem Erwachsenwerden.
Sie begleitet dich durch all deine Lebenstage.
***********
Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück.
(Hermann Hesse) |
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The Brain Reißwolf
Alter: 65 Beiträge: 1966 Wohnort: Over the rainbow
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07.09.2010 11:20
von The Brain
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... ach so, das blau fand ich in Kombination mit deinem Nachsatz richtig gut!
_________________ Dinge wahrzunehmen,
der Keim der Intelligenz
(Laotse)
***********
Die Kindheit endet nicht mit dem Erwachsenwerden.
Sie begleitet dich durch all deine Lebenstage.
***********
Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
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In dich selbst zurück.
(Hermann Hesse) |
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versbrecher Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 350 Wohnort: Düsseldorf
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07.09.2010 13:37
von versbrecher
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Hallo The Brain,
die Anmerkungen einer Nichtlyrikerin sind mir nicht weniger wichtig als die Meinungen von ExpertInnen
Mit dem Funkturm hat es folgende Bewandnis: auf der Spitze des angesprochenen Turms befindet sich ein Sendemast, schön rot/weiß gestreift, der, aus der Perspektive des lyr.Ich betrachtet, die Wolken aufschlitzt (bei Turm alleine fehlte mir persönlich ein wesentlicher Aspekt - es ginge aber sicherlich auch ohne).
Es ist schön zu lesen, daß der Text dir Freiräume läßt, die du mit eigenen Bildern/Erfahrungen/Vorstellungen & vor allem Leben füllen kannst.
Vielen Dank für dein Lob,
_________________ lg
der versbrecher |
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Mr. Curiosity Exposéadler
Alter: 35 Beiträge: 2545 Wohnort: Köln
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08.09.2010 01:02
von Mr. Curiosity
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Zitat: | in ihrem rücken
über ihre köpfe hinweg
treibt es die stadt atemlos
hin & her |
Soll der Strophensprung hier bewusst eine verdutzte Reaktion hervorrufen oder ist das ein Versehen? Nach "treibt es die stadt atemlos" mache ich ja eine kurze Pause und war dann etwas überrascht. Die ganze Stadt treibt es? Das ist ja eine verdammt wilde Stadt
Ich meine, irgendwo würde es sogar an der Stelle so passen als Kontrast, doch entbehrt es nicht einer gewissen Komik.
Ich frage mich, ob das "es" nicht einfach weg könnte. Das ist nur eine geringfügige Sinnveränderung, die bestimmt nicht entscheidend ist.
Zitat: | wie blind schaue ich der zeit
auf die finger
und beim verstreichen zu |
In diesem Gedicht wirkt das "verstreichen" recht banal, vor allem nachdem du durch diese Art von Personifikation ein gutes Bild gefunden hast, das sich ausbauen ließe.
Was die häufigen Zeilen- und Strophensprünge angeht, würde ich dir zu mehr Understatement raten. Das fiel mir vor allem bei "es sich gehört" auf.
Alles in allem gefällt's mir.
LG David
_________________
"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."
(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris") |
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versbrecher Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 350 Wohnort: Düsseldorf
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08.09.2010 09:07
von versbrecher
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Hallo Mr. Curiosity,
vielen Dank für die Aufmerksamkeit und die interessanten Fragen, die du aufwirfst.
Für mich ist der effektvolle Gebrauch von Enjambements eines der wichtigsten Stilmittel der modernen Lyrik. Tatsächlich habe ich an der ersten, von dir zitierten Textstelle
in ihrem rücken
über ihre köpfe hinweg
treibt es die stadt atemlos
hin & her
mit dem Gedanken gespielt, das es wegzulassen, mich jedoch anders entschieden; bewußt, um den von dir angeführten Kontrast zu erwirken (und schonmal auf das transparente Textil vorzubereiten). Der Text von einzelgänger soll nämlich durchaus nicht ernst oder gar übernachdenklich wirken, vielmehr die entspannte Atmosphäre eines sonnigen Nachmittags in Begleitung am Rheinufer einfangen; wozu auch eine gewisse Komik ihren Teil beitragen kann.
Die Banalität
wie blind schaue ich der zeit
auf die finger
und beim verstreichen zu
hast du sehr treffend herausgelesen; was könnte banaler sein, als das Verstreichen der Zeit, während man sich gedankenlos ihrem Wirken hingibt.
Was die häufigen Zeilen- und Strophensprünge angeht, würde ich dir zu mehr Understatement raten. Das fiel mir vor allem bei "es sich gehört" auf.
Ich bin zugegebenermaßen kein Freund fester Formen, da diese häufig dazu führen, die eigentliche Aussage in den Hintergrund zu drängen, zu erdrücken. Im vorliegenden Gedicht werden die Strophensprünge sehr intensiv als Gedankensprünge eingesetzt, die Leerverse symbolisieren somit den Lidschlag, während die Blicke des lyr.Ich von Bild zu Bild wandern, Eindrücke aufnehmen.
Es freut mich natürlich zu lesen, daß dir der Text gefällt, und schicke Grüße den Rhein hinab.
_________________ lg
der versbrecher |
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