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Diese Werke sind ihren Autoren besonders wichtig Das Vogelskelett


 
 
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Ernst Clemens
Geschlecht:männlichKlammeraffe

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Beitrag17.08.2010 14:17
Das Vogelskelett
von Ernst Clemens
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angeregt durch das foto "vogelskelett" (postkartenprosa) habe ich eine längere geschichte angefangen. hier der anfang. könnte euch das zum weiterlesen reizen? wenn nein: warum nicht?

Das Vogelskelett

Kommissar Fischer rieb sich die tränenden Augen als er in die aufgehende Sonne blinzelte, die ihre Strahlen durch das Bürofenster schickte. Gedankenverloren rührte er den kalten Kaffee zum x-ten Mal um und trank den letzten Schluck. Dann stellte er den Pappbecher zu den anderen fünf bereits geleerten. Pedantisch richtete er die Reihe der Kaffeebecher nach der Tischkante aus. Manchmal halfen ihm solche Spielchen um in seinen Überlegungen weiter zu kommen.

Aber in jener Nacht nutzte auch das nichts. Nicht nur wegen des überzogenen Kaffeegenusses trommelten seine Finger unkontrolliert auf die Tischplatte.
Als erfahrener Beamter spürte er genau, dass er der Lösung des Mordfalles sehr nahe war. Nur noch ein winziges Detail konnte fehlen, um dem Täter auf die Spur zu kommen. Und das machte ihn kribbelig. „Er spürt das im Urin“, pflegten seine Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand zu feixen, wenn sie ihn so am Schreibtisch sitzen sahen. Den Mörder aufgrund der Hinweise anschließend zu fassen war nur noch reine Handwerksarbeit, quasi ein Kinderspiel. Das überließ Fischer gern seinen Kollegen.

Dieses fehlende Detail raubte dem Kommissar fast den Verstand. „Ich übergebe den Fall Ihnen“, sagte sein Vorgesetzter, „weil Sie der Fähigste in meiner Truppe sind.“ Und nun saß er schon gut zwei Wochen vor einer Unmenge an gesammelten Unterlagen, Skizzen und Gedankensplitter, die auf Zetteln notiert waren, und fühlt sich wie ein Anfänger. Nichts, aber auch gar nichts wollte sich bei diesem Puzzle zu einem sinnvollen Ganzen fügen. Es gab jede Menge an Vermutungen und Ideen, die logisch erschienen; aber nirgends etwas Rundes, Handfestes. Hätte er keine Glatze gehabt, hätte er sich die Haare gerauft in seiner Verzweiflung. Musste es wirklich sein, dass er seinen Chef jetzt, so kurz vor der Pensionierung noch enttäuschte? Das würde sein Stolz nicht zulassen.

Er wollte sich erneut auf den Weg zum Kaffeeautomaten machen, als er in der Türe fast mit seinem Mitarbeiter zusammenstieß. „Ich habe von der Straße aus gesehen, dass hier Licht brennt. Sie haben sicher wieder durchgearbeitet. Stimmt's? Ich habe deshalb noch einen Sprung zum Bäcker gemacht und Frühstück mitgebracht“. Eine prallvoll mit frischen Backwaren gefüllte Papiertüte landete am Ende der aufgereihten Kaffeebecher.

„Sie konnten wohl auch nicht gut schlafen, diese Nacht?“ Die Frage war rein rhetorisch gemeint und wurde von Weber auch so verstanden. Statt einer Antwort stellte er sich vor die Pinnwand, die mehr als die Hälfte der rückwärtigen Wand von Fischers Büro einnahm und studierte erneut die Dokumente, die sein Chef dort mit Stecknadeln aufgepinnt hatte. In der oberen Hälfte waren es Briefe, alle auf neutralem Papier, mit einem Computerprinter gedruckt. Darüber der dazu gehörige Umschlag. Alles exakt nach Datum sortiert. Fischer hatte Methode. Sämtliche Briefe trugen an Stelle einer Unterschrift die Initialen "s" und "z". Er hatte das mit einem gelben Marker hervorgehoben. Etwas weiter unten hingen fünfzehn Fotos in einer Reihe, die alle unterschiedliche Vogelskelette zeigten, gebettet auf Kieselsteinen.

"Die Aussage der Ornithologen ist eindeutig: Es handelt sich um extrem große Exemplare, die es heute nirgends mehr auf der Welt gibt. Die Skelette müssten also aus einem Museum, oder aus einer wissenschaftlichen Sammlung stammen. Ich nehme  nicht an, dass Private über so alte Skelette verfügen. Aber alle Anfragen bei den entsprechenden Instituten sind negativ ausgefallen. Vor einer halben Stunde kam die letzte Antwort von unseren Kollegen aus San Francisco. Es wurden nirgends  Diebstähle von Skeletten gemeldet." Der Kommissar biss ein großes Stück einer Semmel ab. "Hätten Sie nicht auch Butter und Konfitüre zum Frühstück mitbringen können? Am nackten Brot könnte man ja glatt ersticken!" Fischer markierte einen trockenen Husten. „Ich gehe mal frischen Kaffee holen.“

"Sind Sie denn mit der Frage weitergekommen, ob das Opfer irgend eine Verbindung zu Vögeln hatte?" Weber ließ seinem Chef kaum Zeit, die Becher mit dem dampfenden Kaffee auf dem Schreibtisch abzustellen.

"Es gibt keine entsprechenden Hinweise", sagte Fischer mit erschöpfter Stimme. Nach einer kurzen Pause: "Man weiß zwar, dass er gern und oft fremd gevögelt hat, aber diese Bemerkung dürfte im  Zusammenhang mit Mord an den Haaren herbeigezogen sein." Der Kommissar versuchte ein schiefes Lächeln. Aber eigentlich war er zu müde, um zu scherzen.

"Am meisten nerven die Briefe, die der Täter mit konstanter Boshaftigkeit an uns schickt. Ich bin gespannt darauf, was der Postbote heute auf den Tisch flattern lässt."

"Sind Sie denn sicher, dass es sich beim Täter um einen Mann und nicht um eine weibliche Person handelt?"

"Überhaupt nicht! Aber können Sie sich vorstellen, dass eine Frau die Impertinenz besitzt, uns mit diesen komischen Briefen zu verhöhnen?"

"Und ob ich das kann", winkte Weber missmutig ab. Mit Frauen hatte er in letzter Zeit genügend schlechte Erfahrungen gemacht. Schon seine dritte Freundin gab ihm in diesem Jahr den Laufpass. "Aber eindeutige Hinweise auf das Geschlecht des Täters gibt es nicht?"

"Nein. Aber glauben Sie mir, mein Gefühl sagt mir, dass uns die Klärung dieser Frage nicht weiterhilft. Das Geheimnis liegt wo anders versteckt". Der Chef duldete offenbar nicht, dass Weber seine Energie auf die Klärung der Geschlechterfrage konzentrierte.

„Und mein Gefühl ist der Meinung, dass das klassische Motiv ‚Eifersucht der betrogenen Ehefrau’, durchaus der Schlüssel sein könnte. Grund dazu hätte sie genügend gehabt, wie Sie selber eben bestätigt haben.“ Weber versuchte die gereizte Stimme von Fischer zu imitieren. „Meinen Sie nicht, Sie sollten sich jetzt ein paar Stunden Schlaf gönnen? Der stärkste Mann hält ja solche Monsterschichten nicht durch!“

„Gehen wir noch einmal durch, was wir zu den Briefen wissen.“ Resolut lenkte Fischer das Gespräch auf eine andere Bahn. „Sie sind alle ordentlich frankiert, aber auffällig ist, dass der Poststempel jedes mal absichtlich verwischt wurde. Wahrscheinlich wurde Spucke benutzt, um den Stempel unkenntlich zu machen. Das bedeutet auch, dass der Absender den Brief, nachdem er gestempelt wurde, wieder an sich genommen hat, um den Stempel zu verwischen.“

„Das ist allerdings eine ungewöhnliche Situation, an die sich vielleicht ein Schalterbeamter bei der Post erinnern könnte, denn dort mussten die Briefe aufgegeben worden sein. Wären sie einfach in den Briefkasten geworfen worden, hätte das nicht funktioniert.“

„Bei einzelnen Umschlägen sind noch Fragmente von unterschiedlichen Postleitzahlen zu erkennen. Wir können also davon ausgehen, dass jeder Brief von einem anderen Ort an uns geschickt wurde. Ab dem dritten Tag nach dem Mordfall kam täglich ein Brief an.“

„Auf drei Umschlägen sind die ersten beiden Stellen der Postleitzahl auszumachen: ‚8’ und ‚6’. Fragen Sie mal bei den Postämtern in diesem Gebiet nach. Ich gehe jetzt nach Hause und versuche, eine Mütze voll Schlaf zu bekommen. Gegen Mittag bin ich wieder da. Vielleicht haben Sie dann schon nähere Informationen.“ Fischer trank den Kaffeebecher leer und warf ihn auf dem Weg zur Türe in den Abfalleimer. Schon den Mantel über dem Arm winkte er kurz zum Abschied und war weg.

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airliner_747
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Beitrag17.08.2010 15:12
Re: Das Vogelskelett
von airliner_747
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Hallo EC,

ich finde den Text ganz gut geschrieben
Ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:

Dieses fehlende Detail raubte dem Kommissar fast den Verstand. „Ich übergebe den Fall Ihnen“, sagte sein Vorgesetzter, „weil Sie der Fähigste in meiner Truppe sind.“ Und nun saß er schon gut zwei Wochen

Das stimmt nicht in der Reihenfolge. Dass ihm sein Vorgesetzter den Fall übergibt müsste weiter vorne stehen.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
In der oberen Hälfte waren es Briefe, alle auf neutralem Papier, mit einem Computerprinter gedruckt.

Computerprinter finde ich nicht so gut. Handelsüblicher Drucker, Massenware wäre besser.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Vor einer halben Stunde kam die letzte Antwort von unseren Kollegen aus San Francisco.

Den Sprung über den großen Teich verstehe ich nicht so ganz. Ich glaube nicht, dass in einem Mordfall in Deutschland, weltweite Ermittlungen laufen. Es sollte sich auf die Museen im eigenen Land beschränken.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
"Es gibt keine entsprechenden Hinweise", sagte Fischer mit erschöpfter Stimme. Nach einer kurzen Pause: "Man weiß zwar, dass er gern und oft fremd gevögelt hat, aber diese Bemerkung dürfte im  Zusammenhang mit Mord an den Haaren herbeigezogen sein." Der Kommissar versuchte ein schiefes Lächeln. Aber eigentlich war er zu müde, um zu scherzen.

Ist zwar sicher witzig gemeint, wirkt in diesem Zusammenhang aber völlig deplatziert. Würde ich komplett streichen. Mit der eigentlichen Geschichte hat es ja auch nicht das geringste zu tun.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
„Gehen wir noch einmal durch, was wir zu den Briefen wissen.“ Resolut lenkte Fischer das Gespräch auf eine andere Bahn. „Sie sind alle ordentlich frankiert, aber auffällig ist, dass der Poststempel jedes mal absichtlich verwischt wurde. Wahrscheinlich wurde Spucke benutzt, um den Stempel unkenntlich zu machen. Das bedeutet auch, dass der Absender den Brief, nachdem er gestempelt wurde, wieder an sich genommen hat, um den Stempel zu verwischen.“

Das ist m.E. unlogisch. Selbst wenn er die Briefe auf dem Postamt abstempeln lässt, und sie nach dem Abstempeln vom Postbeamten zurückverlangt, ist das zum einen sehr ungewöhnlich und zum anderen verdächtig. Was dazu führt dass man sich an ihn erinnert.


Auf jeden Fall gerne gelesen.
Ja, es würde mich schon reizen weiterzulesen und zu sehen, wohin die Geschichte führt.

Liebe Grüße
Jürgen


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Gast3
Klammeraffe
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Beitrag17.08.2010 18:36

von Gast3
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Hallo Ernst Clemens,

also erstmal: Ja, ich würde auch weiter lesen wollen. Dein Text weckt Interesse und Neugierde und ist gut geschrieben.
Bei dem verwischten Poststempel bin ich aber auch hängen geblieben, da bin ich mir auch nicht ganz sicher, ob man einen Brief, der schon abgestempelt ist, so einfach wieder zurück verlangen kann. Wenn der Stempel wirklich mit Spucke verwischt wurde, liegt damit ja eine DNA-Probe vor, oder? Ist ja schon mal was.  Smile

Winzigkeiten:
Ein paar fehlende Kommata und hier ein fehlendes „e“.
… die auf Zetteln notiert waren, und fühlte sich wie ein Anfänger.

Gerne mehr davon.
Liebe Grüße
schneestern


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Ernst Clemens
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Beitrag18.08.2010 08:47

von Ernst Clemens
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hallo airliner,

danke, dass du dir die zeit genommen hast, meine geschichte zu lesen.

zu deinen hinweisen:

san franzico: museen und wissenschaftliche institute sind im zeitalter des internets sehr eng miteinander verknüpft. es wäre vom ermittler leichtsinnig gewesen, sich nur auf deutsche museen/institute zu konzentrieren.

computerprinter: ich wollte das doppelte DRUCKEN verhindern. was besseres ist mir leider nicht eingefallen. aber vielleicht könnte man sagen: "In der oberen Hälfte waren es Briefe, alle auf neutralem Papier, vom Computer gedruckt."

vögeln: hier bist du vielleicht zu voreilig. was wäre z.b. wenn die frau des opfers eine vollschlanke person ist und ihr mann es grundsätzlich mit gertenschlanken damen getrieben hat? seine frau könnte ihm doch mit den "skeletten" vor augen führen, dass sie ihm auf die schliche gekommen ist. das könnte doch durchaus ein motiv sein!

verwischter stempel: du hast recht: hier war sich der täter/ die täterin zu sicher und nahm in kauf, dass ein postbeamter sich an ihn/sie erinnert. aber immerhin ist das den ermittlern auch aufgefallen. vielleicht ergibt sich etwas daraus in der nächsten folge der geschichte?

herzliche grüße
ernst
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Ernst Clemens
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Beitrag18.08.2010 08:50

von Ernst Clemens
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hallo schneestern,

auch dir vielen dank fürs lesen und kommentieren.

mit der DNA-spur hast du natürlich recht. aber die hilft erst dann weiter, wenn der kreis der verdächtigen eingegrenzt ist. die polizei kann ja nicht von der ganzen menschheit eine DNA-probe verlangen!

verwischter poststempel: siehe mein kommentar an airliner.

herzliche grüße
ernst
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airliner_747
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Beitrag18.08.2010 09:08

von airliner_747
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Moin EC,

hmm ... also das mit dem Museum in San Fran macht für mich immer noch keinen Sinn. Deine Erklärung mit Internet ist ja okay.
Aber mir stellt sich dann folgende Frage: Da es sich um "mehrere große Skelette" (also ne Menge Knochen)  handelt, müsste der Täter, wenn er es aus irgendeinem anderen Museum auf der Welt geklaut hätte,  irgendwie nach D bringen. Wie soll das funktionieren? Schleppt der die im Koffer nach D? Aus San Fran also per Flugzeug - da würde er aber beim Security Check/Customs Control ganz schnell auffliegen. Insbesondere bei den verschärften Kontrollen an amerikanischen Flughäfen seit 911.

Zum vögeln: Sorry, aber das ist nicht fair. Nun reichst Du eine Erklärung nach, die so nicht in Deiner Geschichte zu finden ist. Das weißt Du vielleicht als Autor - ich bin aber nur der dumme Leser und deshalb passt es für mich nicht.

Liebe Grüße
Jürgen


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Ernst Clemens
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Beitrag18.08.2010 09:15

von Ernst Clemens
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hallo jürgen,

wer sagt denn, dass skelette ins ausland geschmuggelt wurden? der täter/die täterin hätte sie ja einfach in USA fotografieren können......

zum vögeln: du hast ja bis jetzt erst den ersten teil der story gelesen.... um ehrlich zu sein: ich weiß selbst noch nicht, ob ich die geschichte in richtung "eifersuchtsdrama" lenken will. aber ich will mir diese möglichkeit offen halten.


herzliche grüße

ernst
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airliner_747
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Beitrag18.08.2010 11:09
Re: Das Vogelskelett
von airliner_747
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Mein lieber EC;

also nun verwirrst Du mich total. ohh

Jetzt wird es aber völlig unlogisch.

wer sagt denn, dass skelette ins ausland geschmuggelt wurden? der täter/die täterin hätte sie ja einfach in USA fotografieren können......

Ich habe doch nichts davon gesagt, dass Skelette ins Ausland geschmuggelt wurden.
Ich habe gesagt aus dem Ausland nach Deutschland geschmuggelt. Bitte richtig lesen. hmm
Aha, Fotografien also! Na wunderbar und was fängt er mit den Fotos an? Bastelt er im Hobbykeller selbst ein Skelett zusammen, oder wozu soll das mit den Fotos gut sein?
Dann hast Du aber einen gewaltigen logischen Fehler drin mit der nachfolgenden Aussage:

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
"Die Aussage der Ornithologen ist eindeutig: Es handelt sich um extrem große Exemplare, die es heute nirgends mehr auf der Welt gibt. Die Skelette müssten also aus einem Museum, oder aus einer wissenschaftlichen Sammlung stammen. Ich nehme  nicht an, dass Private über so alte Skelette verfügen. Aber alle Anfragen bei den entsprechenden Instituten sind negativ ausgefallen. Vor einer halben Stunde kam die letzte Antwort von unseren Kollegen aus San Francisco. Es wurden nirgends  Diebstähle von Skeletten gemeldet."


Wenn Ornithologen die Dinger begutachtet haben, werden sie doch, mit Sicherheit, zu der Erkenntnis gelangen, ob es sich um Originale oder Replikate handelt. Es sei denn Lieschen Müller, die Freizeitvogelbeobachterin vom Balkon, wird zurate gezogen.
Und Dein Polinalkrimizist geht doch selbst davon aus, dass die abgemagerten Vögelchen aus einem Museum/Institut stammen müssten. Deshalb hat er wohl weltweit nachgefragt (wie viele Museen gibt’s eigentlich auf der Welt, eine Herkulesaufgabe) ob irgendwo ein paar Knöchelchen fehlen.

Nach wie vor bleibt für mich die Sache unlogisch – Sorry!
Aber vielleicht bin ich einfach nur zu pingelig, keine Ahnung? Ich versuche nur in meinen Geschichten alle, für den Leser unlogischen Details, immer zu vermeiden.

Liebe Grüße
Jürgen


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Beitrag18.08.2010 11:24

von Ernst Clemens
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ich wollte dich nicht verwirren, jürgen...

du sprachst davon, dass die skelette von USA ins ausland gebracht werden:
Zitat:
Schleppt der die im Koffer nach D? Aus San Fran also per Flugzeug - da würde er aber beim Security Check/Customs Control ganz schnell auffliegen. Insbesondere bei den verschärften Kontrollen an amerikanischen Flughäfen seit 911.
- wir haben es aber (bis jetzt) in der geschichte nur mit FOTOS zu tun, nicht mit skeletten. und wir wissen bis jetzt noch nicht, was mit diesen skelett-fotos für eine wirkung erzielt werden soll. das einzige, was wir wissen ist, dass es 15 bilder sind, die unterschiedliche vogelskelette von bereits ausgestorbenen arten zeigen.



Zitat:
Es wurden nirgends Diebstähle von Skeletten gemeldet."

mit den heutigen mini-kameras kann ich bequem in jedem museum fotografieren, ohne dass ich das skelett klauen muss..... und ich habe ORIGINALE fotografiert.


was müsste ich - deiner meinung nach - noch ergänzen im text, um das, was ich dir jetzt erklärt habe, deutlich zu machen?

danke für deine hilfe - manchmal sieht man als autor vor lauter bäumen den wald nicht mehr!

ernst
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airliner_747
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Beitrag18.08.2010 11:49

von airliner_747
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Jetzt hatte ich ein AHA Erlebnis.

Ich bin davon ausgegangen, dass es sich bei den Fotos an der Pinwand im Kommissariat, um Aufnahmen handelt, die vom Kriminaltechniker am Tatort gemacht wurden. Und jetzt neben den Originalbriefen an der Pinwand hängen.
Die Skelette kann er ja schlecht an die Pinwand tackern - also nur die Fotos davon.

Aber wenn der Täter anstatt eines ganzen Skeletts (wovon ich bisher ausgegangen bin) lediglich Fotos davon hinterlassen hat, dann ist das mit Deiner Erklärung völlig in Ordnung.
Und die Geschichte bleibt damit in sich logisch geschlossen.

Vielleicht solltest Du aber nochmals verdeutlichen, dass der Täter nur Fotos hinterlässt. Sonst verwirrt der Text nur, zumal der Titel auch auf "Das Vogelskelett" verweist (Nicht auf "Das Foto vom Vogelskelett").

Das mit dem Wald und den Bäumen kenne ich nur zu gut. Man steckt so tief in der eigenen Geschichte, dass man selbst, nicht ganz unwichtige, Details übersieht. Der Leser, mit dem entsprechenden Abstand, erkennt es aber meist sofort und kommt ins Stolpern.

Liebe Grüße
Jürgen


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Gast3
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Beitrag18.08.2010 14:34

von Gast3
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Hallo Ernst Clemens,

stimmt natürlich, dass die DNA-Probe erst Sinn macht, wenn man auch die entsprechenden Verdächtigen hat. Aber wenn, dann ist es schon mal ein Anfang. Smile
Ich bin jetzt einfach gespannt, wie sich das mit den verwischten Stempeln weiter entwickelt und was bzgl. eines Eifersuchtsdramas noch auf deine Leser zukommt. Rolling Eyes  

Schönen Nachmittag
schneestern


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Ernst Clemens
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Beitrag25.08.2010 14:19

von Ernst Clemens
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ich bin in der geschichte weiter gekommen und habe im ersten teil einiges verändert (danke für eure hinweise). hier der geänderte anfang + weiteres. insbesondere interessiert mich eure meinung zu den dialogen. sind sie lebendig/lebensnah?

Das Vogelskelett

Hauptommissar Fischer rieb sich die tränenden Augen als er in die aufgehende Sonne blinzelte, die ihre Strahlen durch das Bürofenster schickte. Gedankenverloren rührte er den kalten Kaffee zum x-ten Mal um und trank den letzten Schluck. Dann stellte er den Pappbecher zu den anderen fünf bereits geleerten. Pedantisch richtete er die Reihe der Kaffeebecher nach der Tischkante aus. Manchmal halfen ihm solche Spielchen um in seinen Überlegungen weiter zu kommen.

Aber in jener Nacht nutzte auch das nichts. Nicht nur wegen des überzogenen Kaffeegenusses trommelten seine Finger unkontrolliert auf die Tischplatte.
Als erfahrener Beamter spürte er genau, dass er der Lösung des Mordfalles sehr nahe war. Nur noch ein winziges Detail konnte fehlen, um dem Täter auf die Spur zu kommen. Und das machte ihn kribbelig. „Er spürt das im Urin“, pflegten seine Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand zu feixen, wenn sie ihn so am Schreibtisch sitzen sahen. Den Mörder aufgrund der Hinweise anschließend zu fassen war nur noch reine Handwerksarbeit, quasi ein Kinderspiel. Das überließ Fischer gern seinen Kollegen.

Dieses fehlende Detail raubte dem Polizisten fast den Verstand. „Ich übergebe den Fall Ihnen“, sagte sein Vorgesetzter, „weil Sie der Fähigste in meiner Truppe sind.“ Und nun saß er schon Tage vor einer Unmenge an gesammelten Unterlagen, Skizzen und Gedankensplitter, die auf Zetteln notiert waren, und fühlte sich wie ein Anfänger. Nichts, aber auch gar nichts wollte sich bei diesem Puzzle zu einem sinnvollen Ganzen fügen. Es gab jede Menge Vermutungen und Ideen, die durchaus plausibel erschienen; aber nirgends etwas Rundes, Handfestes. Er hätte sich die Haare ausraufen
mögen, hätte er noch welche auf dem Kopf gehabt. Musste es wirklich sein, dass er seinen Vorgesetzten jetzt, so kurz vor der Pensionierung, noch enttäuschte? Das würde sein Stolz nicht zulassen.

Er wollte sich erneut auf den Weg zum Kaffeeautomaten machen, als er in der Türe fast mit seinem Mitarbeiter zusammenstieß. „Ich habe von der Straße aus gesehen, dass hier Licht brennt. Sie haben sicher wieder durchgearbeitet. Stimmt's? Ich habe deshalb noch einen Sprung zum Bäcker gemacht und Frühstück mitgebracht“. Eine prallvoll mit frischen Backwaren gefüllte Papiertüte landete am Ende der aufgereihten Kaffeebecher. Für sich hatte Weber den Wochenvorrat an Milch eingekauft. Er stellte fünf Packungen in den Kühlschrank.

„Sie konnten wohl auch nicht gut schlafen, dass Sie schon so früh hier auftauchen?“ Die Frage war rein rhetorisch gemeint und wurde von Weber auch so verstanden. Statt einer Antwort stellte er sich vor die Pinnwand, die mehr als die Hälfte der rückwärtigen Wand von Fischers Büro einnahm und studierte erneut die Dokumente, die sein Chef dort mit Stecknadeln aufgepinnt hatte. In der oberen Hälfte hingen fünfzehn Fotos in einer Reihe, die alle unterschiedliche Vogelskelette zeigten, gebettet auf Kieselsteinen.

"Die Aussage der Ornithologen ist eindeutig: Es handelt sich um extrem große Exemplare, die es heute nirgends mehr auf der Welt gibt. Die Skelette müssten also aus einem Museum, oder aus einer wissenschaftlichen Sammlung stammen. Ich nehme  nicht an, dass Private über so alte Skelette verfügen. Aber alle Anfragen bei den entsprechenden Instituten sind negativ ausgefallen. Vor einer halben Stunde kam die letzte Antwort von unseren Kollegen aus San Francisco. Auch in den USA wurden keine Diebstähle von Skeletten gemeldet." Der Hauptkommissar biss ein großes Stück einer ofenfrischen Semmel ab. "Hätten Sie nicht auch Butter und Konfitüre zum Frühstück mitbringen können? Am trockenen Brot könnte man ja glatt ersticken!" Fischer markierte einen bellenden Husten. „Ich gehe mal frischen Kaffee holen. Sie bleiben bei Milch, nehme ich an?“

"Sind Sie denn mit der Frage weitergekommen, ob das Opfer irgend eine Verbindung zu Vögeln hatte?" Weber ließ seinem Chef kaum Zeit, den Becher mit dem dampfenden Kaffee auf dem Schreibtisch abzustellen.

"Es gibt keine entsprechenden Hinweise", sagte Fischer mit erschöpfter Stimme. Nach einer kurzen Pause: "Man weiß zwar, dass er gern und oft fremd gevögelt hat, aber diese Bemerkung dürfte im  Zusammenhang mit Mord deplaziert sein." Der Chef versuchte ein schiefes Lächeln. Aber eigentlich war er zu müde, um zu scherzen.

"Was hat der Täter mit diesen Skeletten zu tun?"

"Sind Sie denn sicher, dass es sich beim Täter um einen Mann und nicht um eine weibliche Person handelt?"

"Überhaupt nicht! Aber können Sie sich vorstellen, dass eine Frau die Impertinenz besitzt, uns mit diesen komischen Briefen zu verhöhnen?"

"Und ob ich das kann", winkte Weber missmutig ab. Mit Frauen hatte er in letzter Zeit genügend schlechte Erfahrungen gemacht. Schon seine dritte Freundin gab ihm in diesem Jahr den Laufpass. "Aber eindeutige Hinweise auf das Geschlecht des Täters gibt es nicht?"

"Nein. Aber mein Gefühl sagt mir, dass uns die Klärung dieser Frage nicht weiterhilft. Das Geheimnis liegt wo anders versteckt". Der Chef duldete offenbar nicht, dass Weber seine Energie auf die Klärung der Geschlechterfrage konzentrierte.

„Und mein Gefühl sagt mir, dass das klassische Motiv ‚Eifersucht der betrogenen Ehefrau', durchaus der Schlüssel sein könnte. Grund dazu hätte sie genügend gehabt, wie Sie selber eben bestätigt haben.“ Weber versuchte die gereizte Stimme von Fischer zu imitieren. „Meinen Sie nicht, Sie sollten sich jetzt ein paar Stunden Schlaf gönnen? Der stärkste Mann hält ja solche Monsterschichten nicht durch!“

„Einverstanden. Ich gehe jetzt nach Hause und versuche, eine Mütze voll Schlaf zu bekommen. Gegen Mittag bin ich wieder da.“ Fischer trank den Kaffeebecher leer und warf ihn auf dem Weg zur Türe in den Abfalleimer. Schon den Mantel über dem Arm winkte er kurz zum Abschied und war weg.

Weber atmete auf, als der Chef das Büro verlassen hatte. Wenn Hauptommissar Fischer nicht genügend Schlaf hatte, war er einfach nur stur und ließ keine andere Meinung aufkommen. Das nervte gewaltig.

Zuerst knipste er das Licht aus, denn mittlerweile schien die Sonne voll ins Büro, dann goss er sich ein Glas kalte Milch ein. Er rief sich nochmals in  Erinnerung, was sie bis jetzt zu den fünfzehn Bildern herausgefunden hatten. Die Fotodateien waren auf einer SD-Karte gespeichert, die am Tatort gefunden wurde. Sein Chef hatte alle elektronischen Geräte im Haushalt des Opfers und in dessen Büroräumen untersucht. Ergebnis: kein SD-Kartenleser vorhanden. Es war also wahrscheinlich, dass es dem Täter beim Handgemenge, das dem eigentlichen Mord vorausgegangen war, aus der Tasche gefallen war. Da sich der Tatort in einer abseits gelegenen Waldlichtung befand, konnte man getrost davon ausgehen, dass die Karte nicht ‚zufällig' dort lag. Aber was hatte der Täter (oder war es doch eine Täterin?) mit den Fotos vor? Wollte er das Opfer erpressen? Wenn ja: Womit? Wollte er ihm Angst einflössen? Waren es Beweise dafür, dass er (oder sie) einen Job für das Opfer erledigt hatte? Oder diente diese SD-Karte nur dazu, die Ermittler auf eine falsche Fährte zu locken? Er musste mit Fischer unbedingt eine Art Brainstorming machen, um mögliche Antworten auf diese Frage zu finden. Wenn der Alte ausgeschlafen ist, schafft sein erfahrenes  Kriminalistenhirn oft unerwartete Kombinationen. Aber erst am Nachmittag würde er wieder so weit fit und zu kreativer Tätigkeit zu gebrauchen sein.

Fischer hatte die Witwe des Opfers unmittelbar nach dem Mordfall selber befragt. Es sei wenig dabei herausgekommen, schrieb er in seinem Bericht, weil die Frau noch unter Schock gestanden habe. Weber gegenüber hatte er beim Mittagessen erwähnt, dass es eine ausgesprochen attraktive Frau sei - selbst mit verweinten Augen. Und wenn der Alte so etwas ausdrücklich erwähnte, dann muss schon was Wahres daran sein!

Weber wollte die Abwesenheit seines Chefs dazu nutzen, diese Behauptung persönlich zu überprüfen.

"Fischer will nach dem Essen wieder hier aufschlagen - hoffentlich ausgeschlafen“, sagte er im Vorbeigehen zur Abteilungssekretärin.

Weber parkte sein Auto etwas entfernt von der Villa und ging die letzten Meter zu Fuß. Er machte sich gern ein Bild davon, in welcher Umgebung seine 'Kunden' wohnen. Er kam selten in diese vornehme Gegend der Stadt. Dort hatten Leute mit dem bescheidenen Einkommen eines Polizisten nichts verloren. Er klingelte und wartete, bis ein vornehmes „ja, bitte?“ aus der Gegensprechanlage kam.

„Ich bin Inspektor Weber von der Kriminalpolizei. Darf ich reinkommen?“ Er versuchte das Timbre seiner Stimme der noblen Umgebung anzupassen. Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Gartentüre wie von Geisterhand und er ging die großzügige Allee hinauf zum Eingang. Die Hausherrin selbst war es, die vorsichtig durch die halb geöffneten Haustüre lugte. Im Gehen hatte er seinen Ausweis in Augenhöhe vor sich her getragen, um alle eventuell vorhandenen Zweifel an seiner Identität als Polizist schon im Vorfeld auszuräumen. Frau Mahler öffnete daraufhin die Türe vollständig, streckte ihm ihre kleine Hand zum Gruß entgegen und ließ ihn eintreten. Weber war von der Festigkeit ihres Händedruckes überrascht. Nach seiner Theorie haben Menschen, die einen Polizisten auf diese Art begrüßen entweder überhaupt nichts zu verbergen, oder sie sind sich ihrer Sache so sicher, dass sie das Theater gekonnt abziehen. Immerhin hatte sich seine Theorie in über fünfzehn Jahren Praxis im Dienste der Kriminalpolizei erhärtet. Er seufzte unhörbar, denn diese Beobachtung half ihm im aktuellen Fall keinen Deut weiter.

„Ist die Polizei bei ihren Ermittlungen schon einen Schritt weiter“, fragte die Witwe, als sie zum Salon vorausging. Für Webers Geschmack war Frau Mahlers Rückenansicht, die er bei dieser Gelegenheit intensiv betrachten konnte, etwas zu mollig. Aber grundsätzlich hatte sein Chef schon recht, mit seiner Bemerkung in der Kantine. Für ihre knapp fünfzig Jahre hatte sich Frau Mahler gut gehalten. Hätte Weber ihr wahres Alter nicht aus dem ersten Vernehmungsprotokoll gekannt, hätte er sie bestmmt mindestens fünf Jahre jünger geschätzt. Die feine Leinenhose spannte leicht über den Hintern und hohe Absätze, die vor ihm hertrippelten, betonten die geraden Beine. Weber fuhr sich mit der Zunge leicht über die trockenen Lippen.

„Wir tappen noch weitgehend im Dunkeln,“ gab der Polizist unumwunden zu. Er tat dies nicht ohne Absicht, denn das gab ihm die nötige Freiheit, Fragen zu jedem beliebigen Detail zu stellen. „Unsere Recherchen ergaben, dass Ihr Mann im öffentlichen Leben eine bedeutende Persönlichkeit war. Er hatte Freunde in allen Parteien, und als Vorsitzender der Industriellengruppe war er beliebt und angesehen. Aber wer sich so exponiert, hat in der Regel auch Feinde. Können Sie mir dazu etwas sagen?“

„Möchten Sie mit mir einen Tee trinken? Ich habe noch nicht gefrühstückt.“

Hatte sie die Frage überhört, oder wollte sie später in Ruhe, bei einer Tasse Tee darauf zurückkommen?

“Gerne“, nahm Weber das Angebot an. „Am liebsten mit Milch und Zucker.“ Sie ging in die Küche, um das Teewasser aufzusetzen. Er hörte das feine Klingen von dünnen Porzellantassen, die auf Untertassen gestellt werden. Dann zweimal ein kurzes metallisches Geräusch; das mussten die Teelöffel sein, die sie auf die Untertassen legte. Weber registrierte diese Vorkommnisse aufmerksam und professionell. Gleichzeitig blickte er sich genauer im Salon um und warf einen Blick durch die breite Fensterfront auf den Garten mit den gepflegten Blumenbeeten, dem klassisch getrimmten englischen Rasen und dem ausladenden Swimmingpool. Den aufsteigenden Neid der so viel Reichtum und Eleganz in ihm weckte, schluckte er tapfer hinunter. Mit einem Papiertaschentuch wischte er heimlich die Spitze seiner schwarzen Schuhe sauber, auf denen noch etwas Mörtel klebte von der Baustelle die er am Morgen, auf dem Weg ins Büro, durchqueren musste.

Frau Mahler brachte den Tee auf einem Servierbrett aus Perlmutt, das mit einem fein ziselierten Rand aus Silber versehen war. Weber hatte sich nicht geirrt: Das Porzellan der Tassen war so dünn, dass das helle Braun des Tees durchschimmerte. Die Witwe nahm ihre Tasse und trank genussvoll den ersten Schluck. Weber hatte erwartet, dass sie beim Trinken den kleinen Finger geziert abspreizen würde. Aber im Gegenteil: Ihr Griff umschloss das feine Gefäß so fest, dass es Weber in Gedanken schon in Scherben brechen sah. Wie schaffte sie es, den frisch gebrühten Tee zu trinken, ohne sich den Mund zu verbrennen? Weber zog es vor, über die Tasse zu blasen, auch wenn das nicht so vornehm war.

"Ich habe noch eine Antwort gut bei Ihnen." Höflich, aber bestimmt kam der Ermittler wieder auf den Grund seines Besuches zurück.

„Ach ja, Sie wollten wissen, ob er Feinde hatte. Wenn ich jetzt behaupte, er hätte keine gehabt, würden Sie mir wahrscheinlich nicht glauben. Deshalb möchte ich Ihnen erklären, nach welchen Grundsätzen mein Mann Geschäfte machte. Seine Denkweise war überaus einfach, logisch und deshalb für jeden nachvollziehbar. Das Denken über drei Ecken war ihm nicht nur fremd, er verachtete es. ‚Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht?', war einer seiner Lieblingssprüche. Ansätze zu philosophischen Gedanken suchte man bei ihm vergebens. Sie hätten ihn praktisch nicht weitergebracht. Und nur das Praktische zählte bei ihm. Seine Freunde und auch diejenigen, die mit seinen Ideen nicht konform gingen, schätzten diese Eigenschaft an ihm. Jeder wusste, woran er mit ihm war. Es gab keine bösen Überraschungen. Dieses einfache Denkschema erlaubte es ihm, seine Geschäfte nach ganz festen Prinzipien abzuwickeln. Dabei hatte das Erreichen eines persönlichen Vorteils für ihn stets oberste Priorität. Alles andere musste sich diesem Prinzip unterordnen. Damit er dieses Ziel erreichen konnte, war es für ihn logisch, dafür zu sorgen, dass alle Mitkämpfer in einem Projekt ebenfalls Vorteile daraus zogen. Er sprach am liebsten von einer typischen ‚win-win-Situation'. Dass es bei dieser Spielart auch Verlierer geben muss, leuchtet ein. Und aus diesem Umstand leitete er seinen dritten Grundsatz ab: Verlierer, auf deren Rücken er seine Projekte in Politik und Wirtschaft abwickelte, mussten immer aus politisch schwachen Gruppen, beziehungsweise aus Kreisen kommen, die eine schwache Lobby haben. Und so kam es, dass er kaum gewichtige Feinde hatte. Auf diesen drei einfachen Säulen beruhte der Erfolg meines Mannes.“

Wie kam es, dass diese Frau, von der die Ermittler wussten, dass sie gesellschaftlich immer im Schatten ihres Mannes stand, sich fast druckreif ausdrücken konnte? Weber registrierte, dass sie kaum nach Worten suchen musste und dass der Aufbau ihrer Erklärung logisch war. So, als ob sie sich schon lange auf diese Aussage vorbereitet hätte. Frau Mahler war also nicht nur eine attraktive Erscheinung, sondern auch eine kluge Frau.

„Vielen Dank für diese ausführliche Erläuterung. Die Theorie verstehe ich gut. Können Sie mir dazu noch ein praktisches Beispiel liefern?“ Weber versuchte betont sachlich zu bleiben, und ließ die Bewunderung für die Witwe nicht mitschwingen.

“Das wird bedeutend schwieriger, denn mein Mann sprach selten mit mir über konkrete Ideen. Aber vielleicht kann dieses Projekt das Ganze illustrieren: Wie ich schon sagte, war mein Mann einfach gestrickt. Er konnte eins und eins zusammenzählen. So stellte er vor einigen Monaten fest, dass alle Aussagen in der Tagespresse darauf hindeuteten, dass die Menschen in unserem Lande mehr und mehr darauf Wert legen, dass mit unserer Natur sorgsam umgegangen wird. Steigende Mitgliederzahlen bei den politischen Parteien, die diese Strömung bedienten, waren sogar statistisch erfasst. Und was machte mein Mann aus diesen Tatsachen? Seine Gedankenkette war einfach und eindimensional: Steigende Mitgliederzahl spülte diesen Parteien Geld in die Kassen. Mehr Geld heißt mehr Macht. Mehr Macht steigert den Hunger auf noch mehr Macht. Und auf diesen fahrenden Zug sprang mein Mann mit einem Projekt auf, das in seiner Konzeption unmöglich schief gehen konnte: Wie immer gibt es neben den etablierten ökologischen Parteien Gruppierungen, die zwar kämpferisch für die Erhaltung der Natur eintreten, die sich aber ungern politisch instrumentalisieren lassen. Gelingt es, diese Gruppen in die offenen Armen der etablierten Parteien zu führen, bekommen jene noch mehr Mitglieder und folglich noch mehr Geld und noch mehr Macht. Es ist bekannt, dass die kleinen militanten Gruppen zwar viel Elan haben, weil sie von ihrer Sache felsenfest  überzeugt sind, aber man weiß auch, dass ihr finanzieller Spielraum mehr als eng ist. Welche Möglichkeiten gab es also, um dieses Manko zu beseitigen und beide Seiten glücklich zu machen? Eine dieser Splittergruppen hatte sich aufs Banner geschrieben, eine bestimmte Robbenart in einem der nördlichen Meere vor dem Aussterben zu bewahren. Sie wollte einerseits gegen das Abschlachten der Robbenbabies eintreten und andererseits dafür sorgen, dass die Lebensräume dieser Tierart nicht durch die Gier der Menschen nach mehr Profit vernichtet werden. Um dieses Vorhaben zu realisieren, benötigten die Aktivisten ein Spezialschiff, mit dem sie auch vereiste Meeresregionen befahren konnten. Mein Mann konnte so ein Schiff aus der Konkursmasse einer polnischen Reederei günstig erwerben, verkaufte es mit einem entsprechenden Aufschlag an eine ökologische Partei und diese wiederum „schenkte“ es dieser Splitterpartei, die darauf hin ihre Mitglieder ermunterte, der etablierten Partei offiziell beizutreten. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?“ Sie stellte ihre Tasse, die sie während der ganzen Erklärung in den Händen hielt, auf die Untertasse zurück.

„Sehr klar“, bestätigte Weber. Aber dieses Schiff konnte ja selbst ihr Mann nicht aus der Portokasse finanzieren?“

„Natürlich nicht. Aber für ihn war klar, dass es sich nur um eine Zwischenfinanzierung für einige Woche handelte. Dass er bei seinen Banken kreditwürdig war, können Sie sich sicher vorstellen.“
Und ob er das konnte, bei all dem Luxus, den ihn umgab.

„Ja, wir haben Erkundigungen über seine finanziellen Verhältnisse eingeholt. Außerdem haben wir selbst bei der Polizei Fantasie genug, um uns vorzustellen, dass ein hoher Berater von Regierungen und von Industriebossen bestimmt nicht am Hungertuch nagt.“ Kaum hatte er diesen blöden Satz von Stapel gelassen, tat es ihm leid. Wäre es möglich gewesen, hätte er ihn zurückgenommen. Ein Blick auf die Uhr sagte Weber, dass er zurück in sein Büro fahren musste, er wollte seinen Chef nicht warten lassen.

„Sie haben uns sehr geholfen, Frau Mahler, mit diesen Informationen können wir sicher etwas anfangen. Allerdings müssen wir Ihnen später noch weitere Fragen stellen, die auch Ihren privaten Bereich berühren werden. Ich muss Sie leider jetzt verlassen. Dürfen wir uns wieder bei Ihnen melden?“ Ohne eine Antwort abzuwarten  erhob er sich, bedankte sich höflich für den Tee und verabschiedete sich. Lieber wäre er noch in dieser angenehmen Umgebung geblieben, aber die Pflicht rief.

Auf dem Weg ins Büro versuchte er sich darüber klar zu werden, ob die Witwe als Täterin in Frage kam, oder nicht. Es blieb beim Versuch.

"Ist denn unser Chef schon wieder aus der Versenkung aufgetaucht?"

"Er ließ ausrichten, dass er etwa in einer halben Stunde hier sein wird“, sagte seine Sekretärin.

"Dann können wir noch in Ruhe den Bericht über meinen heutigen Besuch in der Villa Mahler machen." Weber diktierte seine Beobachtungen und Schlussfolgerungen in Kurzform. Dann ging er in sein Büro, schenkte sich ein Glas Milch ein und aß die letzte Semmel, die noch in der Tüte war. Das sparte ihm das Essen in der Kantine.   

„In der Post war heute ein anonymes Schreiben, das sich auf unseren Fall bezieht. Wollen Sie es haben, oder soll ich es Herrn Fischer ins Fach legen?“

“Her damit!“ Weber riss ihr den Umschlag fast aus der Hand. Das Couvert trug keinen Absender und der Poststempel war verwischt. Lediglich die ersten beiden Stellen (8 und 6) der Postleitzahl waren noch zu erkennen. Auf dem Weg zu seinem Zimmer öffnete er den Brief.

'Liebe Polizei, schade, dass sie nicht mehr Fackten über meinen Vall in der Zeitung veröffentlichen. Ich kann zwar ihre Zurückhaltung verstehen, aber ich könnte ihnen sagen, dass Sie mit ihrer Vermutung wegen der politischen Intrige auf dem Holzweg sind.'

Keine Unterschrift, lediglich die Initialen „S“ und „Z“. Das Ganze mit Computer auf einem neutralen weißen Papier gedruckt. Weber hielt den Brief gegen das Sonnenlicht: ein Wasserzeichen konnte er nicht entdecken.

„Gibt es Neuigkeiten von der Front?“ Fischer rauschte in vollem Elan zur Türe herein und überflog den Brief, den Weber ihm entgegenstreckte. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, seinen Mantel ordentlich aufzuhängen.

"Ist Ihnen an diesem Text nichts aufgefallen?" Die Frage eines Inquisitors hätte kaum schneidender ausfallen können. Mit einem lauernden Blick beobachtete Fischer seinen Mitarbeiter, der nachdenklich, aber bestimmt seinen Kopf schüttelte. "Natürlich, die Grammatikfehler konnte ein Mensch wie Sie nicht erkennen. Das würde ja auch eine einigermaßen stabile Halbbildung voraussetzen." Das zynische Grinsen war keine Zierde in Fischers Gesicht, aber es bereitete dem Chef ungeheure Genugtuung, wieder einmal deutlich zu zeigen, wer denn hier Herr im Hause ist.

Weber spielte nicht nur den Beleidigten, er war auch in seinem Stolz gekränkt. Er lehnte sich in seinem hölzernen Bürostuhl zurück und ließ die Tiraden seines Chefs über die Schönheit der deutschen Sprache und über die Notwendigkeit, sie zu kennen und zu pflegen, über sich ergehen. Dieses Theater veranstaltete der Alte fast jeden Monat ein Mal. 'Jedem Tierchen sein Plaisierchen', pflegte sich Weber dann zu sagen. Seine Gedanken wichen ab zu Witwe Mahler. Irgendwie musste man sich ja auf eine angenehme Art ablenken, dachte er.

Also entweder hat der Täter - denn offensichtlich kam der Brief von ihm - einen sehr geringen Bildungsgrad, oder deutsch ist nicht seine Muttersprache."

"Es könnte auch sein, dass es sich um einen Legastheniker handelt", ergänzte Weber, dem es Spaß machte, das letzte Wort zu behalten. „Wir sollten uns weniger um die Rechtschreibung, als um den Inhalt der Information kümmern! Auf welchen Zeitungsartikel bezieht sich der Text  genau? Der Fall ‚Mahler' ist natürlich für die Presse ein gefundenes Fressen - alle Zeitungen haben dazu etwas zu sagen, beziehungsweise zu schreiben.“

Fischer kramte in der dicken Pressemappe, in der er alle ausgeschnittenen Zeitungsartikel, ergänzt mit exakten Quellenangaben, aufbewahrte. „Die Informationen, die wir offiziell an die Presse geben, sind ja mehr als sparsam. Wir dürfen unseren Ermittlungen nicht selber ein Bein stellen. Aber was sich die Journalisten aus den Fingern saugen, hat manchmal schon abenteuerliche Qualitäten. Ich denke hier wird auf diesen Artikel Bezug genommen.“ Er zog einen Zeitungsausschnitt mit dick gedruckter Titelzeile ‚Mord im rechten Lager - Polizei wie üblich hilflos' heraus, strich ihn mit der flachen Hand glatt und legte ihn auf den Schreibtisch. „Wir müssten diese Pressefritzen verklagen, denn solche Headlines sind unfair und gehen manchmal weit unter die Gürtellinie!“

“Wobei die Aussage diesmal stimmt“, warf Weber lakonisch ein. „Besonders weit sind wir wirklich nicht in diesem Mordfall. Sind Sie denn sicher, dass es sich beim Täter um einen Mann und nicht um eine weibliche Person handelt?"

"Überhaupt nicht! Aber können Sie sich vorstellen, dass eine Frau die Impertinenz besitzt, uns mit so einem komischen Briefen zu verhöhnen?"

"Und ob ich das kann", winkte Weber missmutig ab. Mit Frauen hatte er in letzter Zeit genügend schlechte Erfahrungen gemacht. Schon seine zweite Freundin gab ihm in diesem Jahr den Laufpass. "Aber eindeutige Hinweise auf das Geschlecht des Täters gibt es nicht?"

"Nein. Aber mein Gefühl sagt mir, dass uns die Klärung dieser Frage nicht weiterhilft. Das Geheimnis liegt wo anders versteckt". Der Chef duldete offenbar nicht, dass Weber seine Energie auf die Klärung der Geschlechterfrage konzentrierte.

„Und mein Gefühl ist der Meinung, dass das klassische Motiv ‚Eifersucht der betrogenen Ehefrau', durchaus der Schlüssel sein könnte. Grund dazu hätte sie genügend gehabt, wie Sie selber eben bestätigt haben.“ Weber versuchte die gereizte Stimme von Fischer zu imitieren. „Und was steht unterhalb der Headline?“

Fischer las sich den Text nochmals durch und fasste dann zusammen „der Autor stilisiert den Fall Mahler zu einen Anschlag der linken Szene auf das rechte Regierungslager hoch. In seiner Argumentation führt er hauptsächlich Vermutungen an, wie zum Beispiel ‚die Gewerkschaften laufen Sturm gegen die Absicht der Regierung, das Rentenalter um zwei Jahre zu erhöhen. Weil sich die rechten Politiker nicht umstimmen lassen, mussten die Linken ein Signal setzen. Und das taten sie mit dem Mord am Vater dieser abstrusen Idee’.  Aber dieser Journalist Haller ist ja bekannt dafür, dass er keine Möglichkeit auslässt, der Regierung ans Bein zu pinkeln. Das einzige was stimmt ist die Tatsache, dass es Mahler als Regierungsberater war, der die Idee aufs Tapet brachte, das Rentenalter zu erhöhen.“

„Und natürlich die Tatsache, dass Mahler ermordet wurde“, blaffte Weber dazwischen. Er konnte seinen Mund einfach nicht halten.

Fischer nahm nochmals den Umschlag zur Hand und begutachtete ihn. Der Brief war ordentlich frankiert, aber auffällig war, dass der Poststempel absichtlich verwischt war. Wahrscheinlich wurde Spucke benutzt, um den Stempel unkenntlich zu machen. Das bedeutete auch, dass der Absender den Brief, nachdem er gestempelt wurde, wieder an sich genommen hat, um den Stempel zu verwischen.

„Das ist allerdings eine ungewöhnliche Situation, an die sich vielleicht ein Schalterbeamter bei der Post erinnern könnte, denn dort mussten die Briefe aufgegeben worden sein. Wären sie einfach in den Briefkasten geworfen worden, hätte das nicht funktioniert. Und außerdem: wenn es wirklich Spucke war, dann hätten wir schon mal genügend Stoff für eine vergleichende DNA-Analyse.“ Weber klopfte mit dem Finger auf den verwischten Poststempel.

„Notieren Sie bitte diesen Gedanken auf einem Zettel und pinnen Sie diesen an die Wand. So wird die Idee nicht vergessen. Und starten Sie eine Umfrage bei den Postämtern in dieser Postleitzahlenregion. Vielleicht kann sich jemand an die Person erinnern, die den Brief aufgegeben hat.“

Weber delegierte diesen ungeliebten Job umgehend an seine Sekretärin. „Und schauen Sie, dass Sie bis morgen früh ein Ergebnis haben!“ Er wedelte mit dem ausgestreckten Zeigefinger vor ihrem Gesicht, bedeutete aber gleichzeitig mit einem frechen Grinsen, dass diese Drohung nicht wirklich ernst gemeint war.

„Wollen wir uns heute die Mahler nochmals zur Brust nehmen? Ich hatte heute Vormittag schon angekündigt, dass wir noch einige Fragen zu ihrem Privatleben haben.“

„Gut, dann melden Sie unseren Besuch auf  vier Uhr an. Vielleicht lädt sie uns ja zum Kaffee ein. Und – damit das klar ist – ICH werde das Interview führen. Hier wird langjährige Erfahrung eines Spezialisten gebraucht. Bitte, halten Sie sich also etwas zurück.“

Als Frau Mahler die zwei Polizisten die Allee heraufkommen sah, musste sie ein Lachen unterdrücken. Die beiden kamen ihr vor wie Pat und Patachon: Hauptkommissar Fischer gedrungen, um nicht zu sagen ‚dick’, und sein Mitarbeiter mindestens einen Kopf größer als sein Chef und dazu recht gut aussehend für einen Bullen.

„Jetzt kommen wohl Ihre Fragen, die sich auf unser Eheleben beziehen?“ Sie ließ die Besucher eintreten und bat sie in den Salon.

„Möchten Sie Kaffee?“ Fischer zwinkerte Weber hinter ihrem Rücken zu. Er hatte es doch geahnt!

„Ich hoffe, Ihre Fragen sind nicht so stark, wie mein kleiner Brauner“, scherzte Frau Mahler, als sie den Kaffee einschenkte. Aha, wir haben es mit einer Wienerin zu tun, registrierten die beiden Polizisten. Sind die alle zu Scherzen aufgelegt, wenige Tage nach dem Verlust ihres Ehemannes, oder handelt es sich hier um eine Ausnahme?

„Es ist bekannt, dass Ihr Gatte in seiner Beratertätigkeit sehr viel reisen musste. Er war praktisch in allen Hauptstädten Europas und Asiens unterwegs. Wie wirkte sich das auf Ihr Privatleben aus?“ Fischer ging das Problem mit Glacéhandschuhen an.

„Unser Eheleben war sehr vital. Der Testosteronspiegel meines Gatten war für einen Mann, der sich der Pensionsgrenze nähert, beachtlich hoch. Er dachte weder im Geschäft, noch im Bett daran, sich zurückzuziehen.“ Fischer ärgerte sich, als sie ihn bei der Erwähnung der Pensionsgrenze frech angrinste. „Und ich glaube nicht, dass er seine Reisen für irgendwelche amourösen Affären nutzte. Was in den Medien über ihn geschrieben wurde sollten Sie nicht für bare Münze nehmen. Sie kennen ja die Journalisten!“ Sie machte eine Kunstpause. „Und wenn er doch fremd ging, hat es mir und unserer Ehe jedenfalls niemals geschadet.“ Sie unterstrich diese Aussage mit einer ausladenden Geste in Richtung Swimmingpool und Garten. „Ich hoffe, dass Sie mir meine direkte Antwort nicht übel nehmen, aber ich denke, dass das der Hintergrund Ihrer Allerweltsfrage war. Oder irre ich mich? Ich rede nicht gern um den heißen Brei herum.“

„Ich gehe davon aus, dass wir das Thema mit dieser eindeutigen Aussage abhaken können. Außerdem kann ich Sie dahingehend beruhigen, dass wir bei der Durchsicht der Bankunterlagen Ihres Mannes auch keine Ausgaben fanden, die für uns nicht nachvollziehbar sind.“

„Sie glauben, er wäre so dumm gewesen, seiner Maitresse eine Wohnung, oder ähnliches zu finanzieren? Da unterschätzen Sie ihn aber gewaltig!“

„Dann lassen Sie uns noch einen anderen Punkt ansprechen: Wer erbt sein Vermögen? Gibt es ein Testament?“ Fischer fixierte Frau Mahler aufmerksam, damit ihm keine ihrer Reaktionen entging.

„Natürlich. Er hat es vor einigen Jahren geschrieben und das Original bei seinem Notar hinterlegt. Eine Kopie davon habe ich. Wollen Sie sie sehen? Nachdem wir keine Kinder haben ist klar, dass ich Alleinerbin bin.“

„Ist schon gut, wir glauben es Ihnen. Es wird ja sowieso in Kürze zur offiziellen Testamentseröffnung kommen. Das können wir in Ruhe abwarten.“ Damit beendete Fischer die Befragung.

„Fahren Sie bitte!“ Er streckte Weber die Autoschlüssel entgegen. „Aalglatte Menschen wie diese Frau Mahler machen mich krank. Es ist, als ob man in einen nassen Schwamm greifen würde.“
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Dienstwerk
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Beitrag18.11.2010 15:24

von Dienstwerk
Antworten mit Zitat

Hallo Ernst,
ich nehme mir mal den Text Stück für Stück vor, soweit wie ich komme...

Zitat:
Gedankenverloren rührte er den kalten Kaffee zum x-ten Mal um und trank den letzten Schluck.

Hier stört mich das x - und das Umrühren steht für mich im Widerspruch, da es ja der letzte Schluck ist. Trinkt er die ganze Zeit mit dem Löffel in der Tasse? Dann fliegt dieser ihm beim letzten Schluck um die Ohren. lol

Zitat:
Nur noch ein winziges Detail konnte fehlen

Nur noch ein winziges Detail fehlte.

Zitat:
Dieses fehlende Detail raubte dem Polizisten fast den Verstand

Wortwiederholung!

Zitat:
„Ich übergebe den Fall Ihnen“, sagte sein Vorgesetzter, „weil Sie der Fähigste in meiner Truppe sind.“

Ich übergebe Ihnen den Fall ... weil sie der fähigste in meiner Truppe sind.
...aber: der Fähigste der Truppe
Kann mich natürlich auch irren. Versuch vielleicht ein anderes Wort zu finden, der Fähigste klingt irgendwie gestelzt.

Zitat:
Gedankensplittern


Zitat:
Er hätte sich die Haare ausraufen
mögen, hätte er noch welche auf dem Kopf gehabt.

Absatz zuviel. Unschöner Vergleich. Schreib doch, dass er eine Glatze hat.
"Verzweifelt strich er über seinen kahlen Kopf. Das tat er immer, wenn ..."
Zitat:

Er wollte sich erneut auf den Weg zum Kaffeeautomaten machen, als er in der Türe fast mit seinem Mitarbeiter zusammenstieß. „Ich habe von der Straße aus gesehen, dass hier Licht brennt. Sie haben sicher wieder durchgearbeitet. Stimmt's? Ich habe deshalb noch einen Sprung zum Bäcker gemacht und Frühstück mitgebracht“. Eine prallvoll mit frischen Backwaren gefüllte Papiertüte landete am Ende der aufgereihten Kaffeebecher. Für sich hatte Weber den Wochenvorrat an Milch eingekauft. Er stellte fünf Packungen in den Kühlschrank.

Absatz bei wörtlicher Rede. Wer spricht hier eigentlich?
Statt Mitarbeiter, besser gleich Weber, damit man weiß, "aha, der Weber also" smile
Ist das mit den fünf Packungen irgendwie wichtig?

Zitat:
„Sie konnten wohl auch nicht gut schlafen, dass Sie schon so früh hier auftauchen?“

Rot = streichen.
Wo ist eigentlich der "Streichen-Befehl", also wo man Wörter durchstreichen kann?

Zitat:
Ich nehme nicht an, dass Private ...

Private was? Besser: Privatleute.

Zitat:
Der Hauptkommissar biss ein großes Stück einer ofenfrischen Semmel ab. "Hätten Sie nicht auch Butter und Konfitüre zum Frühstück mitbringen können? Am trockenen Brot könnte man ja glatt ersticken!" Fischer markierte einen bellenden Husten. „Ich gehe mal frischen Kaffee holen. Sie bleiben bei Milch, nehme ich an?

Was denn nun, Brot oder Brötchen? Rot = Ist das wichtig?
Besser vielleicht: "... biss ein großes Stück ... und verschluckte sich fast"

So, muss erstmal weg.

LG, Ana
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Ernst Clemens
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Beitrag18.11.2010 16:32

von Ernst Clemens
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hallo ana,

danke, dass du dir zeit genommen hast, den relativ langen text durchzuarbeiten.

löffel: ich werde deine idee aufgreifen und dem hauptkommissar einen blauen fleck rechts von seinem rechten auge verpassen!

der Fähigste: das sagte immerhin der chef eines hauptkommissars....also einer von "weit oben". deshalb habe ich ihn bewusst etwas GESTELZT reden lassen.

Glatze oder Haare: hier bin ich mir noch nicht sicher; ich möchte einen haarkranz stehen lassen. mal sehen.

absatz bei wörtlicher rede: du hast recht, da muss ich klarer werden.

übrigens: ich habe boro per PN mal gebeten, einen button für "durchgestrichen" einzuführen. wir werden sehen, ob es möglich ist. hilfreich wäre es auf alle fälle!


deine hinweise auf grammatik-fehler habe ich bereits in meinem manuskript übernommen.

mein text ist in den letzten tagen gewachsen und hat das volumen, was für den "normalleser" in diesem forum zuzumuten ist, überschritten.

natürlich wäre ich sehr froh, einige testleser zu haben, die mir feedback zu inhalt, aufbau und vor allem zu den dialogen geben. wenn du also lust hast, schicke ich dir gern den aktuellen stand der geschichte per PN zu. es würde mich freuen, wenn ich auf deine mitarbeit zählen könnte!


herzliche grüße
ernst
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Dienstwerk
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Beitrag18.11.2010 18:54

von Dienstwerk
Antworten mit Zitat

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:


löffel: ich werde deine idee aufgreifen und dem hauptkommissar einen blauen fleck rechts von seinem rechten auge verpassen!

Das wäre jetzt aber übertrieben. lol lol


deine hinweise auf grammatik-fehler habe ich bereits in meinem manuskript übernommen.

Echt, habe ich sowas gefunden? Kenne mich Grammatik überhaupt nicht aus, schreibe aus dem Bauch heraus, aber IMMER erstaunlich richtig. wink

mein text ist in den letzten tagen gewachsen und hat das volumen, was für den "normalleser" in diesem forum zuzumuten ist, überschritten.

natürlich wäre ich sehr froh, einige testleser zu haben, die mir feedback zu inhalt, aufbau und vor allem zu den dialogen geben. wenn du also lust hast, schicke ich dir gern den aktuellen stand der geschichte per PN zu. es würde mich freuen, wenn ich auf deine mitarbeit zählen könnte!

Das ehrt mich, ich bin gern Testleser. Allerdings müsstest Du dann höchstwahrscheinlich auf ein ausführliches Feedback von mir verzichten. Das liegt mir nämlich nicht.
Nur manchmal (sehr selten) packt's mich einfach.
smile


herzliche grüße
ernst

Herzliche Grüße, Ana
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Ernst Clemens
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Wohnort: München


Beitrag19.11.2010 10:31

von Ernst Clemens
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hallo ana,

ich werde dir gern per PN den text senden, will aber vorher noch etwas dran arbeiten (ich hoffe am wochenende dazu zu kommen).

mir geht es hauptsächlich um deine einschätzung bezüglich "spannung" und "dialoge". ein ausführliches lektorat kann ich natürlich nicht erwarten.
 
herzliche grüße
ernst
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