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Teil 59


 
 
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Lyrika
Leseratte
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Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag15.08.2010 01:18
Teil 59
von Lyrika
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Der Wagen fuhr durch die laue Sommernacht vorbei an Eiscafes, deren Tische bis auf den letzten Platz besetzt waren. Die Großstadt lebte in diesen Stunden, ohne den Einfluß der großen Hitze vom Tage, richtig auf. Viele waren zu einem kleinen Abendspaziergang aufgebrochen und flanierten die Hauptstraße entlang. Zayed und Heike waren auf den Weg zurück ins Krankenhaus. Heike hatte ihre Hand aus dem Fenster gestreckt und spielte mit dem Fahrtwind.
„Es ist herrlich.“, sagte sie verträumt und beobachtete ihre Hand.
„Was meinst du?“ Zayed schaute zu ihr herüber und lächelte leicht, als er sah, wie zufrieden sie aussah. Der Wagen kam an einer roten Ampel zum stehen. Sie sah immer noch verdammt hübsch aus. Was würde Vivek jetzt wohl…Zayed brach seinen Gedanken ab und legte seine Hand auf ihr Knie.
„Was ist so herrlich?“, fragte er sie, die Ampel im Auge behaltend. Heike hatte ihren Kopf zur Entspannung an die Kopfstütze des Autositzes gelehnt und schaute Zayed nicht an. Sie tolerierte seine Berührung, die ihr doch noch so vertraut war.
„Zu wissen, wer ich vor meinem Unglück war.“ Sie beobachtete weiter ihre Hand, atmete tief ein und aus und sagte dann ganz leise: „Ich habe dich geliebt, Zayed.“
Es war, als wenn ihm eine riesige Faust gleichzeitig in seinen Magen und in sein schon lädiertes Auge hauen würde. Alles krampfte sich in ihm zusammen. Er beugte sich weiter nach vorn, um ihr in die Augen sehen zu können. Heike drehte ihren Kopf zu ihm herum und sah ihm direkt in die Augen. Die Luft war zum Zerreißen gespannt. Sein Atem ging schneller und er wollte nicht glauben, was er ebend gehört hatte. Nein, er müßte sich verhört haben!
„Was?“, hauchte er mehr als das er es fragte. Erschrocken riß er sie Hand von ihrem Knie und zuckte zusammen, da die Ampel auf grün umgesprungen war und die hinter ihm wartenden Autos ungeduldig auf die Hupe drückten. Verwirrt legte Zayed den Gang ein und trat auf das Gaspedal. Die Reifen konnten dem Ablauf nicht folgen, drehten auf dem erwärmten Asphalt durch und gaben beim Losfahren ein lautes Quietschen von sich. Zayed fuhr ein paar Meter weiter, steuerte den Wagen zu einer freien Parkbucht am Seitenstreifen der Straße und hielt abrupt an. Er drehte den Zündschlüssel herum und der Motor ging augenblicklich aus. Es drangen nur noch die Geräusche der Hauptstraße in das Wageninnere. Zayed stierte aus der Frontscheibe, schüttelte dann den Kopf, hieb mit heftiger Wucht beide Handflächen auf das Lenkrad und stieg dann aus. Mit schnellen Schritten ging er um das Auto herum, riß die Beifahrertür auf und beugte sich herunter. Heike beobachte jeden seiner Schritte und wußte nicht, was er vorhatte.
„Aussteigen!“, befahl er ihr. Irritiert schaute sie ihn an.
„Zayed, ich…“, versuchte sie sich zu erkunden, was es mit seinem Verhalten auf sich hatte.
„Aussteigen hab ich gesagt.“, schnitt er ihr scharf das Wort ab und deutete ihr mit deiner Hand ungeduldig wedelnd an, daß sie seiner Aufforderung nachkommen sollte. Sie spürte, daß es keine Sinn hätte, sie mit ihm auf ein Gespräch einzulassen und kletterte aus dem Wagen. Kaum war sie ausgestiegen, beugte sich Zayed in das Wageninnere, griff an die Mittelkonsole, drückte auf einen Knopf und die Fenster schlossen sich mechanisch. Er knallte die Tür zu, verschloß den Wagen ab und wandte sich zu ihr herum. Seine Augen blitzten auf, als er sie ansah. Ruckartig packte er sie am rechten Unterarm und lief los.
Sie war so von seiner Reaktion überrascht, daß sie sich mitreisen ließ. Angst hatte sie keine, dazu fühlte sei sich angesichts der vielen Leute sicher. Und außerdem, dachte sie, würde er mir nie etwas antun. Aber was hatte er vor?
Zayed steuerte auf einen kleinen Laden zu, der noch zu dieser abendlichen Stunde geöffnet hatte. In dem Laden, der anscheinend extra für Touristen angelegt wurde, konnte man neben internationalen Zeitschriften, Spirituosen, Zigaretten und Souvenirs der Stadt erwerben.
„Ein Päckchen Zigaretten!“, sagte Zayed tonlos zu dem Verkäufer. Heike hatte er immer noch fest am Unterarm, als er bezahlte. Sie verließen den Laden und Zayed fummelte umständlich mit einer Hand an der Zigarettenschachtel herum.
„Geh schon auf!“, murmelte er und versuchte mit den Zähnen die Plastikfolie zu entfernen, die zum Schutz um das Päckchen gewickelt war. Heike sah ihn an und nahm ihre frei Hand, führte sie an das Päckchen Zigaretten und zog den kleinen Steifen um das Päckchen herum, sodaß sich der sich Rest der Verpackung lösen ließ. Sie öffnete das Päckchen und zog eine Zigarette heraus. In dieser ganzen Zeit hielt Zayed das Päckchen ruhig und beobachtete Heike. Sie war so… Schnell schaute er weg, als sie mit dem Kopf hochkam.
„Hier, deine Zigarette.“, sagte sie steif und hielt sie ihm vor das Gesicht. Er blickte auf, sie immer noch am Unterarm haltend und verzog keine Mine. Die Hitze des Tages flirrte von Asphalt und trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Oder war es ihre Anwesenheit? Er wußte es nicht und wollte es nicht wissen. Sollte sich das Schicksal ein zweites Mal wiederholen? Sollte es den gleichen grausamen Zufall ein zweites Mal zulassen? Sollte es ihm wieder passieren, wieder ihm? Er verstärkte den Druck auf ihrem Unterarm. Sie kam mit der Zigarette langsam seinen Lippen näher. Sie hat ein Kind, dröhnte es in seinem Kopf. Sie ist glücklich, schallte es noch lauter. Er zog sie mit einem Ruck näher an sich heran, sodaß sich ihre Körper berührten. Heike hielt seinem Blick stand und wehrte sich nicht über diese härtere Behandlung, die sie ebend erfuhr. Ohne sich beirren zu lassen, steckte sie ihm sanft die Zigarette zwischen die Lippen. Das Atmen fiel ihm schwer, weil er sich beherrschen mußte, sie nicht gleich zu küssen. Unerwartet, ohne ihn aus den Augen zu lassen, griff sie ihm mit der feien Hand in die Hosentasche, wühlte darin herum und brachte ein Feuerzeug zum Vorschein. Ihre Augen sprühten vor Wut oder was immer er darin laß, es blitzte auf, bei dem Schein, das das entzündete Feuerzeug von sich gab. Er fixierte sie, während er sich die Zigarette anzündete. Mit einem kräftigen Zug zog er den Rauch in seine Lunge, ließ sie los und legte seinen Kopf in den Nacken. Laut ließ er ein paar Seuftzter von sich, kam wieder mit dem Kopf nach vorne und sah sie an.
„Warum, Heike, warum?“, wimmerte er leise und gab, ungeachtet der vielen Leute auf der Straße, seinen Tränen freien Lauf.
„Laß uns in das kleine Cafe dort gehen.“, sagte sie, nahm ihm die Zigarette ab, trat sie aus und packte ihn diesmal am Unterarm.
Sie setzten sich an einen kleinen Tisch in der hintersten Ecke des Cafes und signalisierten damit, daß sie ungestört sein wollten. Nachdem die Bestellung aufgegeben war, übernahm ein angenehmes Schwiegen die Regie. Zayed steckte sie eine neue Zigarette an und blies den Qualm gedankenverloren in den Raum.
„Ich meinte das vorhin im Auto ernst.“, zeriß Heike das Schweigen, ehe es die Bedienung tat, die sich ihrem Tisch nährte.
„Ich weiß.“, bestätigte Zayed ihr zwischen zwei Schlücken Tee.
„Du weißt? Was weißt du?“ Heike verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust und lehnte sich nach hinten an den Stuhl.
„Ja, ich wußte immer, daß du mich geliebt hast. Aber…“ Er nahm einen kräftigen Zug von der Zigarette. „…du hast Vivek geheiratet.“ Scharf entwich der Rauch aus seiner Lunge. „Und verdammt, es passiert schon wieder. Heike…“ Er kam mit seinem Oberkörper nach vorne. „…das ich mich in jemanden verliebe und zum Schluß bekommt Vivek die Frauen. Es ist eine verfluchte Ungerechtigkeit und ich hab es so satt!“ Wütend rammte er die Zigarette in den Aschenbecher und drückte sie aus.
„So siehst du das also?“, fragte Heike provokativ.
„Was sehe ich so?“ Gereizt nestelte Zayed eine neue Zigarette aus dem Päckchen. Heike kam ihrerseits mit dem Oberkörper nach vorne und blickte ihm direkt in die Augen. „Du verdammter Lügner!“ Zayed stoppte seine Handlung. Er zog die Stirn kraus und wedelte mit der nichtangezündeten Zigarette vor ihrer Nase herum.
„Lügner? Warum bin ich denn ein Lügner? Du hast doch ebend im Auto gesagt, das du mich geliebt hast. Und? Ja, da schaust du. Du hast Vivek geheiratet. Bei Sara ist es genauso. Ich liebe sie, er liebt sie und dann wird sie ihn heiraten. Scheiße!“. Heike nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und schielte dabei über den Tassenrand. Als sie die Tasse wieder abstellte, nahm sie sich aus dem Päckchen, was vor ihr auf dem Tisch lag, eine Zigarette.
„Gibst du mir mal Feuer?“
„Heike, du rauchst doch gar nicht. Du hast noch nie geraucht.“ Verwirrt langte Zayed nach dem Feuerzeug und wollte es gerade entzünden, da ließ Heike die Zigarette sinken.
„Ach so? Ich hab also noch nie geraucht? Ist ja interessant. Zayed, ich leide an Amnesie. Kann es da nicht auch sein, daß ich vergessen habe, daß ich dich mal geliebt haben?“ Er riß seine Augen groß auf, fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und schnaufte die Luft aus seiner Nase.
„Wie, du hast…du hast mich…“, stammelte er, wußte er doch, das sie ihn aus der Reserve gelockt hatte. Jetzt nahm er die Zigarette, die Heike auf den Tisch gelegt hatte und zündete sie sich an. Seine Hand zitterte.
„Sei mir nicht böse, bitte, aber ich wollte nur etwas wissen.“ Sie versuchte ihn anzufassen, griff aber ins Leere.
„Hast du erreicht, was du wolltest?“, rief er lauter als gewollte über den Tisch. Das Pärchen am Tisch gegenüber schaute kurz auf, ließ aber von der Unruhe gleich wieder ab. „Und, bist du jetzt schlauer?“, knurrte er.
„Ja, das bin ich. Warum hättest du sonst so reagiert? Du dachtest, ich sei damals in dich verliebt gewesen. Und vorhin hatte ich die Bestätigung; du warst in mich verliebt. Aber anstatt um mich zu kämpfen, hast du dich zurückgezogen und den Weg für Vivek freigemacht. Nein, laß mich ausreden. Es brach dir das Herz? Ich weiß es nicht. Als ich verschwunden war, hast du mir erzählt, wie unglücklich Vivek war. Und ich denke mal, du würdest als Bruder nie wieder zulassen, das ihn so etwas passiert. Jetzt frag ich dich, Zayed, was ist mit deinem Herz? Was ist mit deiner Liebe? Warum kämpfst du nicht? Wieso stellst du deine Liebe hinten an? Warum ich so reden kann? Zayed, ich kenne Vivek nicht, er ist mir fremd, wie diese Bedienung da, aber ich kenne dich jetzt ein wenig und bitte, bring die Dinge wieder in Ordnung. Rede auch mit Vivek; wenn du willst, rufe ich in Indien an.“ Wasser füllte sich in seinen Augen und rollten ungehindert seine Wangen herunter.
„Das meinte ich vorhin mit der großen Klappe.“, sagte er heiser.
„Zayed, löse endlich den Knoten in diesem Wirrwarr!“ Heike strich ihm eine Träne von der Wange und lächelte ihn liebevoll an. In seinen Augen laß sie eine Frage, die sie im nächsten Augenblick beantwortete: „Nein, ich habe dich nicht geliebt. Jedenfalls nicht so. Ich hätte es mir aber gut vorstellen können.“

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