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Teil 51


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag15.08.2010 01:06
Teil 51
von Lyrika
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Das zurückliegende Gespräch zwischen den Brüdern verblaßte und Zayed war überrascht, daß er sich plötzlich im Parkdeck wiederfand. Er schloß den Wagen auf, setzte sich hinter das Steuer und umfaßte mit beiden Händen das Lenkrad. Sein Kopf folgte und er legte ihn auf den Händen ab. Nachdem er einige Minuten in dieser Stellung verharrt hatte, hob er seinen Kopf, blickte sich durch die Scheiben des Autos nach links und dann nach rechts um. Sein markerschütternder Schrei der aus seiner Kehle kam, zerriß ihm beinahe selber das Trommelfell. Wütend, enttäuscht und vor Liebe zerwühlt hämmerte er auf das Lenkrad ein.
„Das ist alles nicht mehr wahr. Heike, warum hättest du nicht früher kommen können? Dann hätte sich Vivek nie in Sara verliebt und ich stände nicht vor der Entscheidung, dem Schicksal in die Suppe spucken zu können. Nur du allein weißt, daß ich meinen Bruder liebe, aber nur als Bruder. Hilf mir, bitte hilf mir die richtige Entscheidung zu treffen.“ Sein Hämmern war schwächer geworden und aus ihm wurde ein immer langsameres Klatschen. Zayeds Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Sie liefen ihm seine Wangen herunter. Die hämmernde Hand fand ihren Platz wieder am Lenkrad und abermals legte er seinen Kopf auf seine Hände. Ihn durchschüttelte ein Weinkrampf, den er nie zuvor in seinem Leben erlebt hatte. Ihm blieb fast die Luft weg, so stark kämpften sich seine Gefühle an die Oberfläche.
„Bitte, Vivek, verzeih mir! Du mußt mir verzeihen, aber ich werde jetzt etwas tun, daß, wenn du es erfährst, du mich vielleicht für immer hassen wirst.“, wimmerte Zayed vor sich hin und bemerkte, daß er sich langsam beruhigte. Er wischte sich mit seinem Handrücken die letzten Tränen aus dem Gesicht, schmiß einen Blick in den Rückspiegel und startete mit entschlossener Miene den Wagen. Dann fuhr er in Richtung Krankenhaus.

Ich hatte seit Tagen weder an Vivek noch an Zayed gedacht. Meine Aufmerksamkeit richtete sich eigenartiger Weise auf Matthias. Mit aller Macht wollte ich von ihm die Beachtung, die er mir in unserer Beziehung geschenkt hatte.
Egal welchen Versuch ich unternahm, er wehrte alles ab. Er ließ meine kleinen Geschenke, die ich Kim mit ins Krankenhaus gab, wieder zurückgehen. Sein Handy war ausgeschaltet und auf keine meiner SMS antwortete er. Hatte ich denn wirklich keine Chance mehr bei ihm? Kim riet mir, ihn in Ruhe zu lassen, da sie seine Reaktion während ihrer Besuche mitbekam. Vielleicht um mich nicht zu kränken, druckste sei jedesmal herum, wenn ich nach Matthias fragte. Ich wußte durch sie, wie es ihm ging, aber nicht, wie es in seinem Herzen aussah. Und an das wollte ich appellieren. Wollte ich nicht akzeptieren, daß die Beziehung zu Ende war oder ging es um etwas ganz anderes? Um mich abzulenken, arbeitete ich mehr als sonst, versuchte in meiner Wohnung Ordnung zu schaffen und widmete mich dem Stoff, den ich während den Vorlesungen nicht studieren konnte.
Kim stand mir hilfreich zur Seite und auch Marie erwies sich als Retterin in der Not, wenn Kim keine Zeit hatte. Mein Bewußtsein konnte ich mit meiner Geschäftigkeit ablenken, mein Unterbewußtsein nicht. Wenn ich allein war trafen mich die Ereignisse der letzen Wochen hart wie eine Keule, die man mir auf den Kopf schlug. Mal drängte sich Matthias in den Vordergrund, mal meine Arbeit und dann erschien glücklicherweise auch mal nur eine helle Fläche, in der sich keiner meiner Gedanken befand. Diese kleine Insel bot mir Erholung und ich konnte auf ihr meine Gefühle und Gedanken sortieren. Ich hatte auch seit einigen Tagen wieder meine volle Beweglichkeit erlangt, da die kleine Schiene an meinem Finger der Vergangenheit angehörte. Nun folgten einige krankengymnastischen Übungen, die ich zur weiteren Ablenkung dankend annahm. Nicht zum Schluß auch für meinen Finger, der wieder gekräftigt werden mußte. So zogen die Tage ins Land gefolgt von einem Sommer, der sich für eine jetzt annehmbare Temperatur entschieden hatte.
Ich kam gerade von der Krankengymnastik und hatte mich dabei ertappt, wie ich spontan ein Lächeln, was seltener bei mir geworden war hinbekam. Ich sendete es einem kleinen Mädchen, was stolz ihren Teddy in einem Puppenwagen ausführte. Aus dem Lächeln wurde ein zufriedenes Grinsen. Matthias hatte gedacht, ich sei schwanger, dachte ich mir und winkte dem kleinen Mädchen fröhlich zu. Sie erwiderte es und lief schnell ihrer Mutter hinterher.
Als ich in meinem Wohnzimmer stand, schaute ich auf mein Bett und hatte nichts dagegen einzuwenden, als mir meine Körper leise zurief, mich zu einem Nickerchen hinzulegen. Ich kam dem nach und glitt sanft in das Land der Träume. Ein Hupen schreckte mich hoch. Einen kurzen Moment wußte ich nicht, wo ich war. Was war das denn für ein Traum? Verwirrt von der halben Stunde, wie ich feststellte, setzte ich mich an den Rand meines Bettes und atmete tief durch.
„Vivek.“, flüstere ich mir leise zu. Er war mir im Traum erschien und löste eine innere Unruhe in mir aus. Damit diese nicht Überhand gewann, stand ich auf, lief in die Küche und setzte mir heißes Wasser auf. Mir war nach einem Pulvercafe Geschmacksrichtung Cappuccino. Es war früher abend und die Sonne strahlte in ihrer voller Pracht vom Himmel. Durch das geöffnete Fenster schauend wagte ich mich in die Erinnerung des Traumes.
Vivek erzählte mir etwas. Ich sah, wie sich seine Lippen bewegten, nahm aber seine Stimme nicht wahr. Er streichelte mich. Nein, ich schaute mir das Traumbild genauer an. Er streichelte etwas, das klein war. Ich goß mechanisch und ohne daß es mir bewußt war das heiße Wasser in die Tasse, da ich gefangen war, von dem was ich mir in Erinnerung holte. Er lächelte und streichelte das kleine Etwas weiter. Dann nahm er es auf den Arm und hielt es mir entgegen. Ich erkannte, daß es Lucky war; der kleine Hund des älteren Herren, den ich im Park begegnet war. Er übergab mir Lucky und nahm mich in den Arm. Jetzt hörte ich ihn auch sagen, daß ich auf Lucky aufpassen soll, weil er der Schlüssel für all meine Fragen wäre. Ich nahm Lucky an mich und das Traumbild hüllte sich in Nebel, versagte mir weitere Einsichten und hinterließ ein seltsames Gefühl, daß ich nicht greifen konnte.
Ich schüttelte mich und rührte gedankenverloren in der Tasse herum. Komisches Zeug, dachte ich, löst sich aber heute schlecht auf. Mit dem Löffel drückte ich die Klümpchen an die Seiten der Tasse, um den Prozeß der Auflösung zu beschleunigen. Ich nahm den Löffel aus der Tasse, setzte sie an und nahm einen kleinen Schluck, den ich auch gleich wieder über meiner Küchenspüle ausspuckte. Mit fragendem Blick schaute ich die noch halb verklumpte Plörre an und bemerkte jetzt erst, daß ich vergessen hatte, den Wasserkocher einzuschalten und somit hatte das Pulver durch lauwarmes Wasser keine Möglichkeit gehabt sich vollends in einen schmackhaft genießbaren Cappuccino zu verwandeln.
Kopfschüttelnd startete ich einen zweiten Versuch und erhielt zur Belohnung das Gewünschte. Wie könnte mich ein einfacher Traum so fesseln? Seine Wirkung hatte er jedenfalls nicht verfehlt. Ich ging zu meinem Schreibtisch, stellte die Tasse ab und wühlte wie immer in meinen Papieren herum. Mir fehlte ein Formular von der Krankenkasse, das ich dringend wegschicken sollte. Es verwunderte mich nicht, daß ich es nicht fand. Diese Unordnung war und würde immer mein Begleiter sein. Nun ja, dachte ich, vielleicht hatte mir die Krankenkasse das Formular noch nicht geschickt. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, daß der Briefträger schon da war. Barfuß tappte ich die Treppen zum Briefkasten und wurde nicht enttäuscht. Mit einem Griff packte ich Briefe, Zeitungen und Prospekte und tappte die Treppen wieder hoch. An meinem Schreibtisch, sortierte ich die Post. Ja, da war er, der Brief von der Krankenkasse. Ich riß ihn auf und überflog schnell, die Fragen auf dem Bogen und legte ihn zur Seite. Die Zeitung war eine Wochenzeitung, die kostenlos ins Haus kam und die Prospekte lockten mit ihren neusten Angeboten Kunden in ihre Filialen. Auch diese legte ich zur Seite. Dabei purzelte ein weiterer Brief aus der Wochenzeitung. Ich ärgerte mich darüber, da das öfter vorkam, daß sich ein Brief in der Zeitung verirrte. Wie oft hatte ich wegen dieses Versteckspiels schon wichtige Briefe in der Altpapiertonne versenkt.
Ich bückte mich nach dem Brief, der am Boden lag und laß meine Adresse. Verwundert über die Handschrift, die ich nicht kannte, drehte ich den Brief herum.
„Kein Absender.“, murmelte ich, drehte ihn wieder herum und nahm meinen Brieföffner, da mich die Neugier trieb, wer mir da einen Brief schickte. Es war weiches Papier und die Handschrift war klein und schwungvoll. Es war eine Seite, die ich auseinanderfaltete. Sie war vorne und hinten beschrieben. Ich stand auf und ging zu meinem Wohnzimmerfenster hinüber. Dort lehnte ich mich an das Fensterbrett und begann zu lesen:

Liebe Sara,

wenn Dich diese Zeilen erreichen, bin ich nicht mehr in Deutschland. Du hältst jetzt bestimmt verwundert den Brief in Deinen Händen und fragst Dich, wer Dir schreibt. Verzeih mir, ich habe im Immatrikulationsbüro der Uni Deine Adresse geklaut. Und nun weißt Du, wer Dir schreibt: Ich, Vivek.
Ich bin zurück nach Indien. Für wie lange weiß ich nicht. Vielleicht für immer? Mit diesen Zeilen bedanke ich mich für den schönsten Tag in meinem Leben. Es waren Stunden am See, in denen ich Dir mein Herz für immer geschenkt habe. Und noch viel mehr. Ich habe Dir mein Herz anvertraut. Aber wie das Schicksal so will; wir dürfen die Zeit nicht weiter miteinander teilen. Der Schmerz war zu groß für mich, als ich erfahren habe, daß in Dir ein neues Leben heranwächst. Es zeriß mich und bevor ich der Gefahr, Dich wiedersehen zu wollen erliege, geliebte Sara, habe ich Deutschland verlassen. Heike habe ich geliebt und sie ist Teil meines Lebens, aber Du bist mein Leben bis an das Ende meiner Tage. In tiefer Liebe und Respekt zu Dir, werde ich mich aus Deinem Leben heraushalten. Und so finde ich, daß Du zu Deinem Freund und dem Vater Deines Kindes gehörst. Ich breche den Kontakt nicht ab, ich lege ihn nur lahm. Meine Gedanken hier in Indien sind immer bei Dir. Ich werde Dich nie vergessen und mit jedem Herzschlag ertönt Dein Name und Deine Liebe in meiner Brust. Jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde bis in alle Ewigkeit. Danke Sara, danke. Durch Dich erfuhr ich wieder, daß mein Herz noch zur Liebe fähig ist. Alleine das ist mir der Schmerz wert, den ich jetzt erfahre. Aber keine Sorge, mir geht es gut und ich werde Dich nie vergessen. Werde glücklich, Sara, werde glücklich. Versprich es mir!

Bis dann, Dein Vivek

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