18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Liebe einen Inder
Teil 50


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag15.08.2010 01:05
Teil 50
von Lyrika
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Mit krachendem Getöse hob sich die Maschine in die Luft. Zayed stand auf der Aussichtsplattform des Flughafens und schaute ihr wehmütig nach. Er konnte Viveks Entschluß nach Indien zu ihren Eltern zu reisen nicht verstehen. Jedenfalls verstand er nicht den Teil, als ihm Vivek eröffnete, daß er es in Betracht zieht, wieder für immer nach Indien zu gehen.
Die Brüder hatten sich tagelang gestritten. Nicht heftig, aber es lag eine gespannte Stimmung zwischen ihnen in der Luft. über diesen Gedanken von Vivek. Sollte er seinem Bruder über die Begegnung mit Heike erzählen? Jetzt, wo er mitbekam, wie sehr Vivek es mitnahm, daß Sara ein Kind erwartete? Zayed konnte Vergleiche ziehen zwischen dem Verhalten, was Vivek hatte, als Heike so plötzlich aus seinem Leben gerissen wurde und der mit Sara. Sein Zwillingsbruder rauchte wie ein Schlot, kümmerte sich mit übertriebenem Eifer seiner Arbeit, obwohl Semesterferien waren und das Essen ließ er fast komplett weg.
Zayed schlug mit seiner Faust auf das Geländer, welches zur Absicherung um die Plattform gezogen war. Es hatte zwar die letzten Tage geregnet, aber seit ein paar Tagen wurde die Luft wieder unerträglich schwül von der Sonne aufgeheizt. Sein Gefühl im Krankenhaus hatte ihn nicht getäuscht, als er Vivek von Saras Schwangerschaft erzählt hatte. Die schweren Zeiten hatten gerade erst begonnen. Und er stand im Geschehen genau drin. Mein Bruder verliebt sich und ich muß es ausbaden, dachte er und ging wieder in die Flughafenhalle. Die Menschen in der Halle liefen, ohne das er sie wahrnahm, an ihm vorbei. Die Durchsagen der Lautsprecher und die Hektik drangen nicht bis zu ihm hindurch. Zayed schritt in Richtung Parkdeck, wo das gemeinsame Auto der Zwillinge stand. Sauer stieß ihm das Gespräch vor Viveks Abreise auf.

„Du kannst doch nicht einfach so abhauen.“ Zayed saß auf dem Bett in Viveks Zimmer und schaute ihm beim Koffer packen zu. Er hatte sich ein paar Tage frei genommen, um bei seinem Bruder sein zu können. Ohne Regung, was ihm sein Bruder gerade gesagt hatte, suchte Vivek in seinem Schrank nach einigen Kleidungsstücken, die er noch in den Koffer verstauen wollte.
„Das ist doch kindisch. Geh zu ihr und sprich mit ihr.“ Vivek ging vom Schrank auf den Koffer zu und schmiß Zayed einen abfälligen Blick zu.
„Und woher sollte ich bitte wissen, wo sie wohnt. Ich habe keine Adresse von ihr. Noch nicht einmal ihre Telefonnummer.“ Er sortierte die schon im Koffer liegenden Kleidungstücke um und packte die ebend ausgesuchten hinzu. Zayed fuhr sich durch seine Haare und blies Luft langsam durch seine Lippen aus.
„Ich könnte in den….“, setzte er an und wurde mit einem bösen Blick von Vivek daran gehindert, seinen Gedanken in Worte zu beenden.
„Wage es ja nicht!“
„Schon gut. Ich dachte ja nur, na ja, weil sie doch auf dem Anmeldeformular in der Rettungsstelle ihre Adresse…“, versuchte Zayed erneuert, seinen Satz zu beenden.
„Zayed! Nein! Es ist Schicksal, das ich ihre Adresse nicht habe.“ Fest blickte er seinem jüngeren Bruder in die Augen. „Meinst du nicht, daß mir der Gedanke auch schon kam?“ Verdutzt setzte sich Zayed weiter nach hinten auf das Bett, lehnte sich an die Wand und zog seine Beine an.
„Der mit der Rettungsstelle?“, wollte Zayed wissen.
„Nein, der mit der Uni. Sie ist dort eingeschrieben und es gibt dort auch ihre Adresse.“, rief Vivek, der in der Zwischenzeit wieder in den Weiten seines Kleiderschranks verschwunden war. „Es wäre gegen den Datenschutz und außerdem…“ Er kam mit einem Stapel T-Shirts auf das Bett zu und legte sie im Koffer ab. „…wäre es gegen das Schicksal.“
„Oh Mann, du und dein Schicksal. Nimm es doch selber in die Hand. Du könntest doch sagen, es wäre wichtig und schon hättest du ihre Adresse.“
„Ja, sicher und dann steh ich vor ihrer Tür. Und dann? Hallo hier bin ich?“ Fragend schauten sie sich an. Zayed zuckte mit den Achseln.
„Zum Beispiel.“
„Hast du vergessen, daß sie schwanger ist?“ Vivek stand vor seinem Schrank und schmiß einige seiner Jeans in die Nähe des Koffers. Wie gerne hätte er sie jetzt in den Arm geschlossen und sie geküßt. Ihr liebevoll durch das Haar gestrichen. Ihr gesagt, wie sehr er sie liebt und wie sehr er sich wünschte, das das Kind von ihm wäre. Sein Atem ging schneller und er biß seine Zähne so fest zusammen, daß diese knirschend versuchten dem Druck standzuhalten.
„Tu es nicht. Ich bin kein Zahnarzt.“, vernahm er und lächelte kurz. Zayed kannte ihn halt am besten.
„So, nun müßte ich das meiste haben. Fehlen nur noch meine Hygieneartikel.“, sagte er in gebückter Haltung vor dem Koffer und inspizierte den Platz, den dieser noch zur Verfügung stellte.
„Hygieneartikel. Wie vornehm.“, frotzelte Zayed und stand vom Bett auf. „Der Herr hat Hygieneartikel.“ Er ging an Vivek vorbei und konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihm einen kleinen Schubs mit seiner Hüfte zu geben. Der Bruder kam, immer noch in gebückter Haltung, ins Schwanken und stützte sich fluchend am Rand des Koffers ab.
„Ich mach uns Tee.“, sagte Zayed belustigt und ging in die Küche.

Vivek saß mit nacktem Oberkörper in der gemeinsamen Küche und ließ sich den Tee schmecken. Zayed schaute ihn an. Ja, das mußte man Vivek lassen. Er hatte einen trainierten Körper und jeder Muskel seines Oberkörpers spannte sich unter seiner Haut. Der leicht dunkle Teint und der dünne Schweißfilm ließen seine Haut angenehm glänzen.
„Und wann kommst du wieder?“ Zayed wußte, wann er wieder kommen würde. Die Frage war rein rhetorisch gestellt.
„Kannst du mir den nicht ein wenig Verständnis entgegenbringen?“ Bittend schaute er seinen Zwilling an. „Mach es mir nicht schwerer, als das es für mich schon ist.“ Vivek nahm einen großen Schluck Tee.
„Ja, entschuldige, aber es will mir nicht in den Kopf, warum du gleich mit dem Gedanken spielst, in Indien zu bleiben. Für immer. Kapiere ich nicht.“ Kopfschüttelnd stand Zayed auf und holte sich Milch aus dem Kühlschrank.
„Weil ich Abstand will. Großen Abstand. Vater hat gesagt, es gäbe dort auch viel Arbeit für mich. An Seminaren würde es nicht mangeln.“ Vivek hielt seinem Bruder sein Teeglas hin und Zayed schüttete Milch in den Tee.
„Und was wird aus mir?“, fragte er und setzte sich Vivek wieder gegenüber an den Tisch. Vivek zuckte mit den Schultern und trank in einem Zug seinen Tee aus.
„Es steht doch noch gar nichts fest. Vielleicht entwickelt sich ja alles noch ganz anders.“ Dieser Satz blieb im Raum stehen und ließ das Gespräch zwischen ihnen einige Minuten lang verstummen. Diese Pause nutze Zayeds Hirn, um ihn an das zu erinnern, was er die letzten Tage herausgefunden hatte.
Er war im Krankenhaus zu Thorsten gegangen. Dieser war begeistert gewesen, als ihm Zayed Interesse an seinem Forschungsobjekt gezeigt hatte. Nur wußte Thorsten nicht den wahren Grund. Zayed erhielt Einblick in die Akten von Emilie und nun laß er es schwarz auf weiß: Es handelte sich bei Emilie um Heike. Sie war nach ihrem Sturz vom Boot ohnmächtig im Meer getrieben. Irgendwann wurde sie von einem Tanker entdeckt, der sie an Bord holte. Sie lebte, war aber bewußtlos. Der Tanker befand sich auf dem Weg an die Küste von Portugal und kam bei seiner Fahrt an Marokkos Westküste vorbei. Der Arzt an Bord kümmerte sich um sie und übergab sie in Portugal Tage später einem kleinem Krankenhaus in einer kleinen Provinz mit dem Wissen, das es sich um eine Unbekannte handelte, die in der Zeit zwar wieder bei Bewußtsein sei, aber nicht wisse, wer sie ist. Heike erholte sich gut und nahm dann den von ihr gewählten Namen Emilie an. Warum sich nie einer nach ihr auf die Suche machte, lag an der mangelnden Information. Zwar gab es einen kleinen Artikel in der marokkanischen Zeitung, aber diese war nur regional und international verebbte die Information von einer deutschen Vermißten. Nun lebte sie fortan als Emilie in Portugal, reiste in die Hauptstadt Lissabon und hörte dort von einem Projekt, das sich mit Amnesiepatienten beschäftigt. Sie meldete sich an, lernte Thorsten aus Deutschland kennen und befand sich nun mit ihrer Freundin im Krankenhaus in dem Zayed arbeitet. Thorsten hatte alle Einzelheiten der internationalen Behörden zusammengetragen und chronologisch aufgeschrieben. Zayed starrte auf die Akten und konnte es nicht fassen, was er gelesen hatte. Auch seine Augen hatten ihm keinen Streich gespielt. Als er Heike alias Emilie wieder sah, entdeckte er sofort das stecknadelgroße Muttermal, das sich genau auf ihrem Ohrläppchen befand. Es sah immer so aus, als wenn sie einen Ohrring tragen würde. Man entdeckte es auch nur, wenn sie nahe genug vor einem stand. Zayed würde dieses Muttermal nach ihrer ersten Begegnung nie vergessen. Und obwohl sie im Krankenzimmer weiter weg von ihm stand, fiel es ihm gleich auf. Das Geschriebene und das Gesehene paßten zusammen und verursachten bei ihm ein Gefühl der Übelkeit, die sich häßlich in seine Gedärme fraß. Was hatte Vivek ebend gesagt: Vielleicht entwickelt sich ja noch alles anders? Mit angespannter Miene drehte Zayed sein Teeglas auf dem Tisch hin und her. Wenn er jetzt Vivek von Heike erzählen würde, dann…Er brach den Gedanken ab und es fuhr ihm wie ein Blitz durch den Körper bei der plötzlichen Erkenntnis, warum er nicht wollte, daß Vivek nach Indien fliegt. Durch seine Abreise gab ihm sein Bruder unwillkürlich den Weg frei. Den Weg zu Sara. Vivek würde nicht mehr zwischen ihnen stehen und Zayed wäre nicht gezwungen an sich zu halten. Der Schauer, der ihm über den Rücken zog, fühlte sich wie kalte kratzende Fingernägel an. Ich liebe meinen Bruder, dachte er. Würde ich ihn so etwas antun können? Zayed atmete tief ein, beließ die Luft in der Lunge und lauschte seinem Herzschlag, der durch seine eigenen Gedanken schneller geworden war. In diesem Moment beschloß er, Viveks Worten zu folgen: Es ist Schicksal!

Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Liebe einen Inder
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Neumond, Teil 1
von jcl
jcl Werkstatt 13 22.03.2024 15:39 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Teil des Schiffs, Teil der Crew
von NIKSTK
NIKSTK Roter Teppich & Check-In 8 19.07.2023 01:07 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Trash
Der Mann der es kann - Teil 1
von Günter Wendt
Günter Wendt Trash 13 21.05.2023 16:29 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Einstand
Ein erster Teil meines Textes
von Willi60
Willi60 Einstand 4 26.07.2022 14:41 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Redlight District
Ein ganz normaler Mann (Teil 1)
von Hera Klit
Hera Klit Redlight District 6 12.06.2022 20:04 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlungBuch

von MShadow

von d.frank

von Lady_of_words

von Pütchen

von Akiragirl

von Schmierfink

von Einar Inperson

von jon

von Tiefgang

von Klemens_Fitte

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!