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Teil 43


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag15.08.2010 00:55
Teil 43
von Lyrika
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Meine Augen waren, während mir der ältere Herr einen Teil seines Lebens anvertraut hatte, getrocknet. Ich konnte mit seinen Worten zunächst nichts anfangen. Sie wirbelten fleißig mit meinen eigenen Gefühlen und Gedanken in meinem Kopf herum. Warum schickte mir das Schicksal einen älteren Herrn, der sich gerade hier und jetzt zu mir gesellt hatte und aus dem Nichts heraus mir seine Lebensweisheit über die Liebe mit an die Hand gab?
Meine Verwirrung nahm zu und gleichzeitig arbeiten sich seine Worte zu mir hindurch. Begriffe wie Liebe, gebrochene Herzen, alle Beteiligten blitzten vor meinem geistigen Auge in einer Form auf, die die Gestalt meiner jetzigen Situation mit Matthias und Vivek annahm. Bei allen! Wieso hatte er zum Schluß diese Worte so deutlich betont? Ich spürte, daß sie eine besondere Bedeutung hatten, konnte mich aber noch nicht darauf konzentrieren. Zur Zeit taten sie nur eins; sie trieben mir erneuert die Tränen in die Augen. Und ganz langsam wurde mir bewußt, was der ältere Herr für seine Liebe riskiert hatte. Unruhe breitet sich in mir aus und ich hatte den Drang mich zu bewegen. Ich stand auf und lief den Weg aus dem Park heraus. Das Zeitgefühl war mir abhanden gekommen und ich kramte aus meiner Tasche mein Handy. Es waren zwischen dem Krankenhauserlebnis mit Vivek und jetzt gut zwei Stunden vergangen. Die Unruhe war durch das Laufen gewichen und machte plötzlich auftretender Müdigkeit platz. Ein Wunder war es nicht, da ich seitdem ich aus dem Flugzeug gestiegen war, nicht eine Minute Ruhe hatte.
Ich lief zur nächsten Bushaltestelle und wartete. Zu meinem Glück kam der Bus innerhalb der nächsten fünf Minuten und ich setzte mich ganz nach hinten. Kaum hatte sich mein Hintern mit dem Polster des Sitzes angefreundet, fielen mir die Augen zu, mit dem letzten Gedanken daran, daß ich froh war, an einer Endhaltestelle zu wohnen.

Laut knallte die Tür zu Zayeds Dienstzimmer in die Angeln. Vivek riß sich den Arztkittel vom Leib und schmiß ihn über das Bett, was in dem Zimmer stand. Dann drehte er den Stuhl herum, sodaß er sich mit seinen Armen auf die Lehne stützen konnte. Mit einer Hand kramte er ein Päckchen Zigaretten hervor und zündete sich eine an. Erleichternd, aber gierig sog er den Qualm ein, blies ihn in einem langen Atem aus seinen Lungen und fuhr sich mit der anderen Hand über sein Gesicht.
Zayed stand an einem Regal mit einem medizinischen Wörterbuch in der Hand und war seit dem Eintreten von Vivek in das Zimmer wie erstarrt. Er konnte sich das Verhalten seines Bruders nicht erklären.
„Hier ist rauchen verboten.“, klärte er Vivek emotionslos auf und wußte, das sich Vivek sowieso nicht daran halten würde.
„Ich bin so ein Vollidiot! Wie konnte ich nur so dämlich sein! Mir gehört kräftig in den Arsch getreten!“, schimpfte Vivek vor sich hin und nahm einen weiteren Zug von der Zigarette. Zayed stand immer noch am Regal, hatte aber das Buch wieder zurück in das Regal verstaut. Er gab sich einen Ruck, ging auf das Bett zu und zog seinen Arztkittel über.
„Darf ich fragen warum?“ Er stand jetzt hinter Vivek, der es schaffte mit drei kräftigen Zügen seine Zigarette aufzurauchen. Zayed nahm seinem Bruder den Stummel aus der Hand und löschte ihn unter fließendem Wasser aus. Dann ging er zum Fenster herüber und öffnete es weit, damit der Qualm aus dem Zimmer entweichen konnte.
„Nun sag schon, was ist diesmal passiert.“, forderte er Vivek auf, ihm sein Verhalten zu erklären. Dieser winkte ab.
„Ach, ich hab mich verhalten wie ein Elefant im Porzellanladen.“ Vivek erzählte seinem Bruder, warum er über sich so sauer war.
„Kannst du mal ebend aufstehen?“, bat Zayed Vivek, nachdem er jetzt wußte, was er getan hatte.
„Warum?“, fragte Vivek verdutzt.
„Damit ich dir in den Arsch treten kann, wie du es vorhin gefordert hast.“ Vivek stand auf und bückte sich zu Zayed.
„Aber bitte so kräftig, wie du kannst.“, verlangte er von seinem Bruder. Zayed lachte auf und kam auf Vivek zu. Er packte ihn an den Schultern und stellte ihn wieder aufrecht hin.
„Das war echt saudämlich von dir. Dir hätte doch klar sein müssen, daß, wenn sie erfährt, das ihr Freund hier liegt, ihn besuchen will.“ Zayed schauten seinem Bruder in die Augen.
„Ja schon, aber ich weiß auch nicht, was da in mich gefahren war. Es ist diese unschuldige Wildheit, die sie ausstrahlt. Ich kann nicht klar denken, wenn sie nur in meiner Nähe ist. Verstehst du das? Es ist wie, als hätte ich dann nur noch ein Vakuum im Kopf. Nix, da tut sich dann nix mehr.“, versuchte er sich zu entschuldigen und klatschte sich zur Untermauerung mit der Handfläche an die Stirn. „Sie raubt mir meinen Verstand.“
„Hattest du je einen?“, fragte Zayed amüsiert und rieb sich im nächsten Augenblick seinen Oberarm, weil die Faust seines Bruders hart zugeschlagen hatte. „Aua!“, lachte er.
„Zayed, aber mal im ernst. Was soll ich denn jetzt machen? Sie hat mir an den Kopf geworfen, daß sie mich haßt und das ich an allem Schuld sei.“ Aus Spaß versetzte er seinem Zwilling noch einmal einen Knuff auf den Oberarm.
„Ist doch klar, daß sie dir so was sagt, wenn du ihr auch nicht ein wenig Zeit zum Nachdenken läßt.“
„Wie meinst du das?“, erkundigte sich Vivek leicht irritiert und schaute Zayed an. Der ging zu dem Bett herüber und setzte sich.
„Sie hat einen Freund.“
„Das weiß ich selber.“, gab Vivek patzig von sich.
„Ja, und du hast dich in ihr Leben gebracht. Schon mal drüber nachgedacht, das sie auch völlig durch den Wind sein wird? Sie will ihren Freund hier im Krankenhaus besuchen und du überrumpelst sie mit so einer Aktion. Da ist es doch nur verständlich, das sie dir so was an den Kopf wirft.“ Zayed schaute seinen Bruder an und konnte förmlich sehen, wie dessen Hirnzellen anfingen zu arbeiten.
„Ach, ich bin so blöde. Ich hab echt nur mich gesehen. Ja, ist doch klar. Immer wenn sie vielleicht zur Ruhe kommen könnte, steh ich irgendwo küssend mit ihr herum.“ Vivek bekam einen nachdenklichen Gesichtsausdruck. Er schloß kurz die Augen, öffnete sie wieder und blickte Zayed direkt an. „Brüderchen, du hast recht. Ich muß ihr auch Zeit geben eine Entscheidung zu treffen. Ich liebe sie und ich wünsche mir ein Leben mit ihr. Ich weiß, du bist zu moralisch, das zu verstehen, aber ich kann nicht anderes. Nicht nach dem Tag, den sie mir geschenkt hat.“
„Vivek, wie stark ist deine Liebe zu ihr wirklich?“, fragte Zayed unverhofft. Sein Bruder schüttelte den Kopf und antwortete: „Sehr stark.“
„Bist du stark?“ Zayed stand auf und ging auf Vivek zu.
„Zayed, was soll diese Fragerei? Was ist los?“ Vivek stand auf und stellte sich seinem Bruder gegenüber.
„Ich habe dir vorhin nicht alles erzählt, weil ich dachte, es steht mir nicht zu. Aber du bist mein Zwillingsbruder und ich will, daß es dir an nichts mangelt. Also, bist du stark?“ Sie schauten sich in die Augen und dieses unsichtbare Band, was sie seit ihrer Geburt miteinander verband, begann zu wirken. Vivek fing an zu zittern und war auf alles gefaßt, was ihm sein Bruder gleich eröffnen würde.
„Ich bin dein Zwilling. Du weißt wie stark ich bin.“, gab er mit rauher Stimme von sich.
„Vivek, Sara ist…sie ist schwanger.“ Zayed blickte ihm direkt in die Augen und das Band sprach die Wahrheit. Vivek spürte es und mit einem schmerzlichen Ruck fuhr die Nachricht in sein Herz. Er schloß die Augen, legte seinen Kopf in den Nacken und atmete schwer ein. Dann kam er wieder mit dem Kopf nach vorne und umarmte seinen Bruder.
„Zayed, es tut so weh.“ Zayed umarmte seinen Bruder gleichfalls und drückte ihn an sich. Mit einer Hand packte er ihn am Kopf und hielt ihn fest. „Warum, Zayed, warum?“, wimmerte Vivek und ließ seinen Tränen freien Lauf. „Warum?“
„Ich weiß es nicht.“, sagte Zayed leise und drückte ihn noch fester an sich. Er wußte in diesem Moment, das die Liebe von Vivek zu Sara stärker war, als das er sich eingestanden hatte. Er verfluchte sich, daß er Vivek von Saras Schwangerschaft erzählt hatte. Der Bruder entwand sich aus der Umarmung und zog erneuert das Päckchen Zigaretten aus der Tasche. Er entzündete eine Zigarette und sog so scharf den Rausch ein, daß selbst Zayed beim Zuschauen schlecht wurde.
„Ich werde sie in Ruhe lassen. Ich muß sie in Ruhe lassen. Sie muß für sich entscheiden, was sie will und ich stelle meine Liebe zu ihr zurück.“, sagte er gefestigt mit belegter Stimme. Trotzdem konnte Zayed einen glasigen Schimmer in den Augen seines Bruders entdecken und wußte, es wird eine schwere Zeit auf ihn zukommen.

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