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Teil 28


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag15.08.2010 00:16
Teil 28
von Lyrika
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„Er hat was?“, schrie Kim. Und wie immer, das `Was` langzogen und lauter.
„Brüll doch nicht so!“, rügte ich sie und deutete mit meiner Hand an, daß ich ihr am liebsten auf den Schnabel hauen würde. Den konnte sie sowieso nicht halten.
„Ja, er hat mich in Hempels Bude geküßt.“
„Was denn das für ein Spinner?“ War sie eifersüchtig oder warum betitelte sie Vivek als Spinner.
„Hey, er ist kein Spinner, verstanden?“, verteidigte ich ihn. Kim schüttelte sich.
„Ne, Sara, du gehst auf ganz dünnem Eis. Brich bloß nicht ein.“
„Super von dir, mir in den Rücken zu fallen.“, fauchte ich sie an und kickte ein Steinchen von der Bank weg.
„Das hat Matthias nicht verdient. Er ist so ein netter Kerl. Und jetzt triffst du dich auch noch mit diesem…Vinweg.“, half sie meinem schlechten Gewissen auf die Sprünge.
„Vivek. Er heißt Vivek.“, verbesserte ich sie. Kim hob die Hände zum Himmel.
„Meinetwegen auch Vivek. Jedenfalls hat Matthias…“, setzte sie erneuert an.
Ich hielt mir wie ein verzogenes Kind die Ohren zu und summte vor mich hin. Irritiert schaute sich mich an. Ihr Bein, das sie über das andere geschlagen hatte, fing gereizt an zu wippen. Ich nahm die Hände von den Ohren. Angriffslustig blickten wir uns an. Das wurde mir dann zu dumm und ich stand auf.
„Weißt du was? Wenn du immer nur auf der Seite von Matthias stehst, dann kannste ihn haben. Und ich hab jetzt ´ne Nachhilfestunde.“, pflaumte ich sie an.
„Ha, Nahhilfestunde! In was denn?“, sagte sie gehässig und blieb sitzen.
„Blöde Kuh!“ Ich packte meine Tasche, würdigte sie keines Blickes mehr und machte mich auf den Weg in die Mensa.

Bis zu meinem Urlaub rissen die unangenehmen Ereignisse nicht ab.
Nachdem ich Vivek in der Mensa getroffen hatte, sahen wir uns jeden Tag zur Nachhilfe. Erst saßen wir bis zu zwei Stunden in freien Vorlesungsräumen, dann verlagerten wir angesichts des warmen Wetters unsere Arbeit auf den Campus. Ich verstand kein Wort von dem, was er mir beibringen wollte. Mehrmals warf ich aus lauter Wut meine Papiere durcheinander und wurde dann noch wütender, wenn er mit seiner geduldigen Art mich besänftigte.
„Wie kann man nur so ein Mist studieren?“, fluchte ich den einen Tag und sackte in mich zusammen. Es wollte einfach nicht in meinen Kopf, was der Stoff von mir verlangte. Die Tage davor war nichts zwischen uns gewesen; außer den Treffen zum lernen. Ich konzentrierte mich, ihm nicht näher zu kommen, zumal uns gelegentlich Kim oder Matthias über den Weg liefen. Das Risiko wäre zu groß und die Chance, nicht erwischt zu werden, zu niedrig.
Mit verschränkten Armen lehnte ich mich nach hinten und zog die Unterlippe nach vorne. Ich spielte das bockige Kind. Er wirtschaftete angeregt in den Unterlagen, zeichnete unbeirrt Kurven und schrieb Zahlenreihen in schwindelerregender Länge auf. Mit der Nase in die Luft gereckt schaute ich zur Seite und signalisierte ihm, daß mich das Interesse verlassen hatte. Mit gesenktem Kopf redete er auf mich ein und als keine Antwort von meiner Seite kam, blickte er auf. Er legte den Stift auf die Unterlagen.
„Ich armer Vivek. Gebe mir Mühe und du?“, feixte er und lehnte sich mit verschränkten Armen ebenfalls zurück. Beleidigt schaute ich ihn an und nickte den Unterlagen zu.
„Das kapiere ich nie! Nie!“ Er lachte kurz auf und beugte sich nach vorne.
„Wenn du es einmal verstanden hast, dann verstehst du auch alles andere.“, sagte er in einem ruhigen Ton. `Pffff` war meine Antwort.
Mir entging nicht das leichte Kopfschütteln, das Vivek machte, als er den Stift wieder in die Hand nahm. Ich schaute ihn an und es strömte ein Wolke aus frischer Seife zu mir herüber. Und plötzlich durchzuckte es mich und ich verstand was ganz anderes.
Wie eine Katze, die ihre Beute nicht aus den Augen läßt, fixierte ich ihn und beugte mich langsam zu ihm. Mit den Armen stützte ich mich auf die Tischplatte und nährte mich seinem Gesicht. Bevor sich unsere Nasen berühren konnten, zuckte er erschrocken zusammen und wich instinktiv ein wenig zurück.
„Was ist denn nun los?“, wollte er irritiert wissen. Ich fixierte ihn immer noch. „Was?“, fragte er und lächelte unsicher.
„Jetzt hab ich´s verstanden.“, sagte ich selbstsicher. Erleichtert, warum ich ihn so fixierte, kam er mir wieder näher. „Siehst du, es ist gar nicht so schwer.“
„Nein, das meine ich nicht.“, raunte ich und zeigte auf die Unterlagen. „Du bist der andere.“
„Welcher andere?“ Vivek zuckte mit den Schultern und legte seine Augenbrauen in Falten. „Wovon sprichst du?“
„Als wir den Unfall hatten, hast du mit mir englisch gesprochen und der im Krankenhaus deutsch. Und du sprichst seit unserem Wiedersehen nur deutsch.“ Jetzt sprang mir eine Sicherung aus meiner Schaltzentrale und ließ einen wahren Wortschwall auf Vivek nieder. „Das habt ihr euch ja fein ausgedacht. Sucht euch ´nen Mädchen raus und spielt sie euch dann gegenseitig zu. Blöd nur, das ihr euch mit den Sprachen vertan habt. Das ist ja so gemein von euch. Aber mit uns kann man das ja machen. Und ich dämliche Kuh falle auch noch drauf rein. Ich könnte mir so was von in den Arsch beißen. Aber nun ist Schluß mit eurem Spielchen. Mit mir…“ Ein fester Druck auf meinem Unterarm erstickte meinen letzten Satz. Ich starrte ihn an und sah in seinen Augen einen gewissen Schmerz, den ich nicht deuten konnte. Verunsichert wartete ich ab, was als nächstes kommen würde. Dann nahm er meinen anderen Unterarm und führte den gleichen Druck aus.
„Sara, das ist nicht dein Ernst. Glaubst du das, was du da gesagt hast?“, fragte er scharf. Sein Griff wurde fester. Er ließ mich nicht aus den Augen. Ich schluckte und versuchte nicht, mich seinem Griff zu entziehen.
„Ich bin Vivek und der im Krankenhaus ist Zayed. Wir sind eineiige Zwillinge, aber haben es nicht nötig uns Mädchen gegenseitig zuzuschanzen. Wir können beide englisch. An dem Tag des Unfalls warst du so voller Zorn, daß ich nicht anders konnte. Ich wollte deinen Zorn aufrecht erhalten, weil…“ Diesmal fiel ich ihm ins Wort.
„Das ist aber sehr nett von dir gewesen. Danke noch mal dafür.“, fauchte ich ihn ironisch an und drehte mein Gesicht weg.
„Sara.“ Ich wollte ihn ignorieren.
„Sara, du strahlst so eine Wildheit aus, wenn du im Zorn bist. Ich konnte nicht anders. Und du warst so voller Zorn. Entschuldige bitte.“ Ich blickte ihn immer noch nicht an. Ich spürte die Härte seines Griffs, der mir trotz der Wärme eine Gänsehaut bereitete. Unerwartet wurde der Druck so fest, das ich kurz aufstöhnte.
„Tut mir leid.“ Er lockerte den Griff, ließ mich aber immer noch nicht los.
„Warum, Vivek, warum tust du das alles?“, versuchte ich herauszufinden.
„Weil ich mich in dich verliebt habe, Sara. Vom ersten Augenblick an. Ich kann an nichts anderes mehr denken, als in deiner Nähe zu sein.“ Ich starrte ihn über den Tisch an und bemerkte, wie die Keimung der Gefühle zu ihm die ersten zarten Wurzeln trieb.

Wir blickten uns an und keiner sprach ein Wort. Ich nahm meinen Atem intensiver wahr und konnte das Zucken in meinem Magen nicht mehr unterdrücken. War es anfängliche Verliebtheit?
Er gab mir durch sein Schweigen die Möglichkeit, die Wirkung seiner Offenbarung in mich aufzunehmen. Es zeigte Wirkung. Er lächelte nicht, schwieg weiter, erhöhte wieder den Druck an meinen Unterarmen und fraß mich förmlich mit seinem Blick auf. Verliebt. Er hatte sich in mich verliebt? Die heißen willenstarken Küsse bestätigten mir die Wahrheit seines Geständnisses. Aber konnte ich mir auch sicher sein, daß er es mit mir ernst meint?
Ich fing an, mich in seinem Blick zu verlieren und verspürte den Wunsch mehr zu wollen, als nur Küsse. Angetrieben durch die Wärme des Sommers, die Leichtigkeit des Lebens, die trotz kleiner Umbrüche zu spüren war, entwickelte sich mein Magenzucken in tiefe Begierde zu ihm. Ich fing an zu zittern, als ich mir eingestand, eine neue Art von Leidenschaft mit Vivek vorzustellen.
„Sara?“ Ich riß die Arme in einer Schnelligkeit in die Höhe und wischte dabei die Hälfte der Unterlagen vom Tisch. Vivek zog sofort seine Arme an sich, als hätte er sich verbrannt. Erwischt, wie ein kleines Kind beim stehlen, lief ich rot an.
„Kim.“, grinste ich schief und nestelte nervös in den restlichen auf dem Tisch liegenden Unterlagen herum. Vivek stand auf und sammelte eifrig die am Boden liegenden Unterlagen auf. Er schien keines Wegs nervös. Ich hingegen plapperte auf Kim ein.
„Hast du den schon frei? Was macht deine Seminararbeit? Konnte dir Hempel helfen? Ach, wir müßten mal wieder ein Eis essen gehen.“ Die Unterlagen erreichten den Gipfel des heillosen Durcheinanders, da ich sie während meines Dialogs hin und her blätterte. Ich verarbeitete auch gleich die Unterlagen, die Vivek nach und nach auf den Tisch legte.
„Häh?“, machte Kim.
„Ja, ein Eis wäre schön. So mit Sahne und Schokosoße. Und ´nem kleinen Sonnenschirmchen.“, lachte ich hysterisch. Vivek hatte sich in der Zwischenzeit wieder hingesetzt und blickte von Kim zu mir und wieder zurück. Weder Kim noch er konnten meinem Handeln folgen, geschweige denn, meines Dialogs.
„Bescheidene Frage, Sara, hast du zu lange in der Sonne gesessen?“, erkundigte sie sich vorsichtig, zog ihren Mund schief und wedelte mit ihrer Hand vor ihrem Gesicht herum.
„Ja, der Sommer. Nein, wie heiß der dieses Jahr ist.“, murmelte ich jetzt hektisch den Unterlagen zu. Kim verzog ihrem Mund in die Geste des völligen Unverständnisses und stemmte ihre Hände in die Hüfte. Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, wie sie anfing Vivek zu mustern. Ihr Interesse wuchs und sie wand sich ihm zu.
„Und mit wem hab ich hier die Ehre? Der eine oder der andere von unserem reizenden Zwillingspaar?“, gab sie ihm im boshaftem Ton ihre Abneigung gegenüber ihm zu verstehen.
„Kim!“, zischte ich verärgert zwischen meinen Zähnen hervor.
„Ist doch wahr! Von wegen Nachhilfestunde.“, versprühte sie ihr Gift im vollen Maße.
„Kim!“, knurrte ich sie an und klatschte mit sanftem Nachdruck meine Hand auf die Tischplatte. Sie wand sich wieder mir zu.
„Na super, jetzt schafft er es auch noch, das wir zwei uns in die Wolle wegen ihm bekommen.“ Sie hatte ein leichtes Flattern in ihrer Stimme. „Wenn Matt…“
„Kim!“, brüllte ich sie an und schlug jetzt mit der Faust auf die Tischplatte. Ich sah, wie sich ihre Augen mit Wasser füllten. Bevor es zwischen uns eskalieren konnte, ergriff Vivek das Wort.
„Ich erwarte euch beide heute abend, 19.00 Uhr, in der Eisdiele hier um die Ecke der Uni.“, sagte er im ruhigen Ton, stand auf, ließ die Unterlagen liegen und ging quer über den Campus. Er hatte unserem Streit die Grundlage genommen. Er war einfach gegangen, dachte ich mir und atmete tief ein. Vielleicht war es auch besser so, sonst hätte ich mich vor zehn Minuten in verliebt.

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