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Teil 16


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag14.08.2010 23:57
Teil 16
von Lyrika
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Nachdem ich mich ein wenig frisch gemacht hatte, schlich ich mich in mein großes Bett. Leise ließ ich mich in meine Kissen fallen. Obwohl ich übermüdet war, stellte sich der erlösende Schlaf nicht ein.
Ich lag auf dem Rücken, die Decke halb über mich gelegt und starrte ins Leere. Die Sonne versuchte mit aller Macht mein Zimmer zu erkunden, wurde aber von den Vorhängen gehindert. Trotzdem schaffte sie hindurch zu scheinen und meiner Einrichtung lange Schatten zu entlocken.
Ich atmete leise und regelmäßig. Was war denn ein Kuß? Nur eine Berührung der Lippen eines anderen, mehr nicht. Mehr nicht! Und was sollte ein Kuß schon bedeuten? Nichts, rein gar nicht.
Verdammte Scheiße, ich war dabei mich zu verlieben. Und das konnte und durfte nicht sein. Ich wußte, wenn ich ihn wiedersehen wollte, brauchte ich nur in das Krankenhaus zu fahren und… Ja, und dann? Verzweifelt über meine Gefühle warf ich mich auf die Seite und blickte auf den Rücken von Matthias. Bei dem Anblick ekelte ich mich vor mir selber. Was tat ich da eigentlich? Matthias, der Mann, der mich auf Händen trug. Und ich blöde Kuh lasse mich von einem Wildfremden küssen.
Durch meinen harten Wurf auf die Seite war Matthias wach geworden. Schnell schloß ich die Augen und stellte mich schlafend. Ich bemerkte seine Bewegungen und spürte dann seinen warmen Atem vor meinem Gesicht, dann seine Hand auf meiner Wange. Die Emotionen entluden sich leise aus meinen Augen und im nächsten Moment fand ich mich in seinen Armen wieder. Er drückte mich sachte an sich und streichelte meinen Rücken.
„Liebst du mich?“, flüsterte ich fragend.
„Ja, Sara, ich liebe dich!“ Er drückte mich fester an sich, um seine Aussage zu unterstreichen. Das schlechte Gewissen fing an sich in meinen Körper zu fressen und wußte ich in diesem Augenblick, es würde fressen, bis es satt wäre.

Ein Klappern riß mich aus dem Schlaf. Ich kam langsam, aber heftig in die Realität zurück und bezahlte dies mit einem flauen Gefühl in meiner Magengegend. Warum war mir denn so schlecht? Die Frage hielt sich nicht lange in meinem Kopf auf. Sie wollte raus und zwar jetzt. Mit einem Satz sprang ich auf, rannte ins Bad, riß den Toilettendeckel hoch und übergab mich in die Toilette.
Schöner konnte ein Tag nicht beginnen, dachte ich bitter, spülte und stand auf. Mit den Händen schaufelte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht. Immer und immer wieder, bis ich mich erfrischt fühlte. Ich trocknete mir mein Gesicht ab und schaute in den Spiegel. Der erste Preis in der Kategorie `Wer sieht heute besonders Scheiße aus?` geht an…Sara! Herzlichen Glückwunsch! Ich streckte mir selber die Zunge raus und machte mich daran, meine Zähne zu putzen. Oben und unten und immer schön von rot nach weiß. Während ich mir die Leiher imaginär von meinem Zahnarzt anhörte, putzte ich gedankenverloren meine Zähne. Dabei schaute ich weiter in den Spiegel. Wie langweilig doch Zähneputzen sein konnte. Ich drehte mich vom Spiegel weg und betrachte beim putzen mein Badezimmer. Der hübsche Schrank, die vielen Accessoires, die Badewanne, die Toilette und…Beinahe hätte ich mich an dem Schaum, in den sich die Zahnpasta verwandelt hatte verschluckt. Ok, Sara, doof bist du ja, aber nicht zu doof. Morgendliches Übergeben könnte ein Zeichen sein für…Oh, nein! In Panik spuckte ich den Schaum aus, spülte mit Wasser nach und atmete dann tief durch. Ganz ruhig, Sara, ganz ruhig. Mit den Händen auf den Handwaschbecken gestützt, senkte ich meinen Kopf und erinnerte mich an die Frage der Röntgenassistentin: „Sind Sie denn schwanger?“ Durch ein Klopfen an der Badezimmertür wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
„Sara? Alles in Ordnung, Schatz?“, hörte ich Matthias besorgt fragen.
„Ja. Bist du so lieb und holst mir das Telefon?“ Ein kurzes Schweigen trat ein.
„Das Telefon?“
„Ja, das kleine schwarze Ding mit den Tasten, wo man reinspricht und dann am anderen Ende... Hol es mir bitte einfach.“ , gab ich gereizt zurück.
„Schon gut.“, ertönte es resigniert durch die Tür. Schritte die sich entfernten, ein kurzes Klackern, Schritte, die näher kamen und dann wieder ein Klopfen an der Tür.
Ich öffnete und nahm ihm ohne Worte das Telefon aus der Hand. Fragend schaute er mich an. Dann begriff er, hob die Hände zu einer abwehrenden Haltung und ging in die Küche.
Ich schloß die Badezimmertür und setzte mich auf den Badewannenrand. Hecktisch wählte ich Kims Nummer. Ein Tuten, noch ein Tuten. Sei bitte da, flehte ich innerlich, bis ich eine verschlafene Stimme am anderen Ende hörte.
„Ja?“, hauchte die Stimme von Kim in den Hörer.
„Kim, ich bin´s. Hast du noch geschlafen?“ Welch eine dämliche Frage!
„Nein, Sara. Ich hab die ganze Zeit auf das Telefon gestarrt und auf deinen Anruf gehofft.“, sagte sie mit einem ironischen Unterton. Juhu, dachte ich mir, das schlechte Gewissen bekommt Nahrung.
„Tut mir leid, aber ich glaube ich hab ein Problem.“, gab ich kleinlaut von mir.
„Und jetzt hat du gleich zwei!“
„Sei nicht so.“, tadelte ich sie „Ich hab echt eins. Ich glaub, ich bin schwanger.“
Wie im Krankenhaus brüllte sie mir `Was?` in mein Ohr.
Wir verabredeten, daß sie mit einem Schwangerschaftstest aus der Apotheke am Mittag bei mir vorbeikäme.
Ich legte auf und schüttelte den Kopf. Warum immer ich? Verraten vom Schicksal seufzte ich laut vor mich hin. Und wie sollte ich jetzt Matthias in die Augen schauen? Schal setzte sich der Gedanke an den gestrigen Kuß von Zayed auf meinen Lippen ab. Zayed! Was er wohl gerade tat? Ob er auch noch im Bett lag? Ob er auch jetzt an mich dachte? Die Gefühle schwappten über und beinahe hätte ich aus lauter Wut das Telefon an die Wand geschmissen. Wie konnte ich denn in solch einer vielleicht lebensverändernden Situation an Zayed denken? Wichtig war, daß ich die Nerven behielt.
Mehrmals atmete ich tief ein und aus, was zur Folge hatte, das mir schwindelig wurde. Ich stand vom Badewannenrand auf, öffnete die Tür und ging ins Wohnzimmer.
Ich schlürfte in die Küche und mich empfing der Anblick, Matthias sitzend hinter einer Zeitung vergraben. Schweigend setze ich mich zu ihm an den Tisch und goß mir einen Kaffee ein. Die Zeitung wurde umgeblättert. Mit den Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt flößte ich mir den Kaffee ein. Bäh, schmeckte der widerlich!, dachte ich und schüttete noch Milch hinzu. Ja, das konnte man trinken. Ich starrte auf die Zeitung.
„Hast du gut geschlafen?“, fragte mich die Zeitung.
„Ja und du?“, plapperte ich ohne Emotionen.
„Ging so.“, sagte die Zeitung kurz und knapp.
Ich starrte weiter auf die Zeitung und verdrehte die Augen so stark, das sie mir beinahe aus den Höhlen gerutscht wären. Ich langte über den Tisch und drückte die Zeitung in der Mitte unsanft herunter. Matthias verzog keine Miene und schaute mich nicht an. Oh, wie ich es liebte, einen Morgen so zu beginnen. Ich zog die Hand wieder zurück und nahm einen Schluck von meinem Kaffee.
„Meinst du nicht, so wäre es höflicher, mit mir zu reden?“, rügte ich ihn. Er raschelte mit der Zeitung, schlug sie in seinen Händen nach hinten, damit sie sich wieder in die Senkrechte stellte und las weiter. Ich glotzte ihn nur an. Nachdem die Zeitung wieder zwischen uns stand, streckte ich ihm die Zunge raus.
„Blödmann!“, murmelte ich in meine Tasse. Keine Reaktion. „Sturer Bock!“, murmelte ich zwischen zwei Schlücken. Keine Reaktion. Jetzt wurde es mir zuviel.
Es war nichts Schlimmes vorgefallen, aber meine Nerven waren gespannt wie Gitarrensaiten. Ich knallte die Tasse auf den Tisch und wartete. Die Zeitung senkte sich langsam und Matthias sah mich böse an. Wir blickten uns direkt in die Augen und jeder wartete auf den nächsten Schritt des anderen, um angreifen zu können.
Matthias schloß kurz die Augen, öffnete sie wieder, faltete die Zeitung, legte sie auf den Tisch und stand auf. Wortlos lief er an mir vorbei und ging in das Wohnzimmer. Stur wie eine Ziege am Strick blieb ich sitzen und trank meinen Kaffee aus. Plötzlich stand er neben mir, komplett angezogen, mit dem Schlüssel in der Hand. Erschrocken über seine Aktion, schaute ich zu ihm auf.
„Sara, beruhige dich erst einmal wieder und wenn es dann soweit ist, ruf mich an.“, sagte er, küßte mich auf die Stirn und war im gleichen Moment auch schon zur Haustür raus.
Wie hypnotisiert saß ich auf meinem Stuhl und wußte nicht, wie mir eben geschehen war. Das war doch nicht Matthias! So hatte er sich noch nie verhalten. Ach du arme Scheiße, dachte ich. War das unser erster richtiger großer Streit?
Ich fing an zu zittern. Nein, nicht jetzt. Nicht jetzt, wo ich schwanger war. Ich kam mir wie auf dem Rummelplatz vor. Kaum machte das Karussell eine Pause, ging auch schon die nächste Runde los. Ich drehte mich seit mehr als 40 Stunden nur im Kreis. Und ein Ende war nicht abzusehen.
Ich stand auf, ging in das Wohnzimmer und öffnete die Fenster. Um noch Öl in das auflodernde Feuer zu schütten, sah ich gerade noch Matthias auf seinem Fahrrad um die Ecke biegen. Er war wirklich gegangen! Abrupt drehte ich mich um, rannte auf mein Bett zu und schmiß mich mit einem Satz in die Kissen. Dort blieb ich eine ganze Weile liegen, ohne mich zu bewegen.
Irgendwann drehte ich mich auf den Rücken und legte meinen Unterarm auf meine Stirn. Sicher, das Leben ist ein Puzzle mit 1000 Teilen, die, wenn sich richtig gesetzt werden, irgendwann ein Bild ergeben. Aber was, wenn einem die Vorlage fehlt, die zur Orientierung dient? Und wenn einem vielleicht einige Teile fehlten, von denen man noch nichts weiß? Ja, dann wird es kompliziert. Matthias gehörte zu meinem Puzzle, aber an welchen Platz? War ich mir nicht immer sicher, in den Platz meines Herzens? Ich seufzte bei dieser Frage. Unbemerkt schlichen sich mein Gedanken zu Zayed. Langsam schlossen sich meine Augen und ich schlief ein.
Die Türklingel weckte mich. Anhand der Klingelart konnte ich erkennen, es handelte sich zweifelsfrei um Kim. Nur sie konnte so klingeln. Ihre Art war es, den Finger auf den Klingelknopf zu drücken und dann mit ihrem ganzen Gewicht nachzulegen. Das hatte den Effekt, daß die Klingel einen permanenten Ton von sich gab.
Ich stand auf, ging zur Haustür und betätigte den Türsummer. Eine Minute später stand Kim in der Tür. Küßchen links, Küßchen rechts auf die Wange. Ich ließ sie stehen und machte mich auf den Weg in die Küche. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, daß ich noch einmal vier Stunden geschlafen hatte. Wie gerädert schenkte ich mir eine Tasse Kaffee ein. Kim war mir gefolgt und setzte sich auf den Stuhl, auf dem heute morgen noch Matthias gesessen hatte. Bitter schluckte ich den Kaffee herunter.
„Nein, er ist nicht mehr hier.“, sagte ich gelangweilt zu Kim. Sie schaute mich ratlos an. „Wie, er ist nicht mehr hier?“
„Ach, erzähle ich dir später. Warum bist du denn hergekommen?“
Kim schüttelte den Kopf und hob eine kleine Tüte in ihrer Hand in die Höhe.
„Vergessen? Du hast mich aus dem Schlaf gerissen, damit ich dir den Test hole.“, sagte sie und wackelte ironisch grinsend mit der Tüte hin und her.
„Welcher Test denn?“, versuchte ich herauszufinden, während ich herzhaft gähnte.
„Um deine Schwangerschaft zu bestätigen.“, knallte sie mir die Antwort vor die Füße.
Mein Kiefer blieb offen stehen und das Gähnen riß schlagartig ab. Mir glitt das Blut aus meinem Gesicht und ich setzte mich hin. Kim stand derweilen auf und holte aus der kleinen Tüte einen Packung. Diese drehte sie in ihren Händen einige Male herum, drückte an der Seite die Einstanzung ein und holte den Inhalt heraus. Sie legte die Sachen auf den Tisch und laß sich dann die Anleitung interessiert durch. Mit ängstlichem Blick beobachte ich sie.
„Hast du das schon mal gemacht?“, fragte sie mich beiläufig und laß dabei weiter.
„Was gemacht?“
„Sara, bist du heute so blöde oder tust du nur so?“ Genervt blickte sie auf, ließ die Anleitung sinken, nahm den Tatstreifen in die Hand und hielt ihn in meine Richtung. „Na so ´nen Test.“
„Nein, hab ich noch nicht!“, fuhr ich sie an und riß ihr den Teststreifenund die Anleitung aus den Händen. „Aber so schwer kann es nicht sein. Ich geh und mach ich schnell. Wenn ich fertig bin, komme ich wieder und wir warten das Ergebnis ab. Und dann, dann kannst du zusehen, wie deine beste Freundin ihre Wohnung in Kleinholz verwandelt.“
Mit dem Teststreifen in der Hand ging ich auf die Toilette. Nachdem ich, wie in der Anleitung beschrieben, den Anweisungen gefolgt war, ging ich zurück in die Küche. Kim sagte kein Wort. Den Teststreifen legte ich zwischen uns auf den Tisch und starrten gebannt auf den Teststreifen.

Ich hielt es einfach nicht mehr aus, stand ruckartig auf, sodaß der Stuhl meinen Schwung zu spüren bekam und hinter mir krachend zu Boden ging. Kim zuckte zusammen, ließ sich aber nicht ablenken und glotze weiter auf den Teststreifen.
Fluchend hob ich den Stuhl auf und ging anschließend zum Küchenfenster herüber. Meine Nervosität stieg mit jeder verstreichenden Sekunde und meine Beine reagierten auf die Überflutung mit Adrenalin.
Ohne daß ich es wollte, setzten sie sich in Bewegung. Die Folge war ein auf und ab laufen vor dem Küchenfenster. Murmelnd kamen die Worte `Verdammt`, Bitte nicht`, `So`ne Scheiße` über meine Lippen. Da meine Beine die Überflutung durch das Adrenalin nicht mehr auffangen konnten, sendeten sie meinen Armen, daß sie Hilfe brauchten. Nun lief ich murmelnd und mich unentwegt über die Arme streichend in der Küche wie ein Tiger auf der Pirsch hin und her. Meine Hände waren feucht vor Schweiß.
„Sara?“ Ich hörte meinen Namen aus weiter Ferne, so sehr war ich mit mir beschäftigt und dem Gedanken, bald Mutter zu werden. Als sich mein Name den Weg in mein Innerstes gebannt hatte, stoppte mein Marsch augenblicklich.
„Sara, du bist…“, zögerte Kim das Ergebnis des Tests heraus. Sie hatte den Test keine Minute aus den Augen gelassen und war nun mit ihren Informationen auf dem aktuellsten Stand, was die Gründung einer Familie von Sara Wagner und Matthias Behrendt betraf. Nur, daß diese Gründung nicht beabsichtigt war.
„Was bin ich?“, gab ich mit zaghafter Stimme von mir. Kim grinste. „Du bist…“, kostete sie den Moment meiner Unwissenheit aus. Mit einem Satz sprang ich vom Küchenfenster aus zu ihr herüber. Nun wurde sie richtig fies. Sie griff nach dem Teststreifen, drehte sich auf ihren Stuhl, um meinen Angriff abzuwehren. Ich hatte keine Möglichkeit einen Blick auf das Ergebnis zu werfen. Ich war halb auf sie herauf gesprungen und angelte nach dem Teststreifen, den Kim währenddessen schräg von sich abgewandt lachend in die Luft hielt.
„Kim, du bist ein Biest! Gib mir sofort den Streifen!“, keuchte ich angestrengt zwischen unserem kleinen Machtkampf. Sie lachte weiter und reckte sich so gut sie konnte. Am liebsten hätte ich sie jetzt vom Stuhl gestoßen, da sie nur noch mit der Hälfte ihres Hinterns auf der Fläche saß. Dieser Schritt war allerdings noch nicht in meinem Racheplan enthalten. Vordergründig war jetzt nur das Ergebnis.
„Gib mir endlich den Streifen! Mir ist nicht nach lachen zumute.“, sagte ich nun leicht verärgert.
„Sara, du bist…“ Bevor sie den Satz beenden konnte, war ich stolze Besitzerin des Teststreifens, den ich ihr in einem Moment der Unachtsamkeit aus der Hand gerissen hatte.
Sie rappelte sich auf und giggelte vor sich hin. Ich nahm all meinen Mut zusammen, schloß die Augen, drückte den Teststreifen mit beiden Händen fest an meinen Brustkorb, holte tief Luft, schnaufte sie aus, öffnete die Augen und blickte dann ohne zu zögern auf den Teststreifen.
Ich starrte auf das verfärbte Ergebnisfeld, was zur Präsentation einen blauen Strich senkrecht am Rande des Ergebnisfelds anzeigte.
Wie paralysiert legte ich den Teststreifen auf den Tisch, schaute Kim an, die grinste und starrte dann ins Leere. In einem Bruchteil von Sekunden sah ich mich mit einer Schar schreiender Kinder umgeben. Eins fuhr Fahrrad, das andere war mit dem Tretroller unterwegs, das dritte hielt ich an der Hand, Nummer vier tollte mit Nummer fünf, das Jüngste sah mich mit verheulten Augen aus dem Kinderwagen an und das sich entwickelnde Kind in meinem Unterleib versetze mir einen Tritt in meine Magengrube. Mir wurde nach diesem Ausblick in meine Zukunft klar, daß Thema Kinder würde sich zu meinem persönlichen Horrorfilm entwickeln. Hatte ich mir denn schon einmal Gedanken über Kinder gemacht? Ja, Matthias und ich sprachen ab und an über Nachwuchs, aber der war noch lange nicht spruchreif.
Jetzt, wo das Ergebnis eines Teststreifens mir die Entscheidung knallhart abgenommen hatte, tauschte mein Körper meine Muskeln aus meinen Beinen gegen Pudding aus. Mit zitternden Knien folgte ich der Konsistenz, die Pudding nun mal an sich hatte. Ich sackte in mich zusammen und ließ mich an Ort und Stelle auf die Dielen der Küche nieder. Noch immer starrte ich ins Leere. Ich bemerkte nicht, daß sich Kim zu mir gesellte. Sie ließ sich ebenfalls auf den Dielen nieder und saß mir nun im Schneidersitz gegenüber. Damit nahm sie meinem Blick die Leere und ich suchte geistesabwesend ihre Augen. Bewegte sich nicht ihr Mund? Ich hörte kein Wort, so sehr war ich in meiner Welt gefangen. Diesmal brauchte mein Name länger sich durch den Dschungel der Gedanken zu bahnen, bis er mich Kim wahr werden ließ. Und Wundersamerweise konnte ich noch sprechen.
„Was mach ich denn nun?“, fragte ich Kim mit schwerer Zunge. Kim wich ein mit ihrem Gesicht ein wenig zurück und schaute mich mit schiefgelegtem Kopf an.
„Wie meinst du das?“, erkundigte sie sich, nicht sicher, was ich jetzt von ihr erwartete.
„Na ich meine mit dem Baby.“
„Welches Baby denn?“, forschte sie nach, mit dem Gesicht näherkommend.
Ich verdrehte die Augen und hob die Hände mit den Handflächen in betender Haltung Richtung Himmel. „Mit meinem Baby!“, seufzte ich und zeigte nun mit beiden Zeigefingern auf die untere Region meines Körpers. Unerwartet umklammerte Kim meine beiden Zeigefinger, führte sie sanft an meine Schläfen und klopfte einige Male an meine Schläfen. Völlig ratlos, was sie mir damit sagen wollte, gaffte ich sie an.
„Du Dummerchen! Der Test zeigte doch nur einen Streifen.“, lächelte sie und ließ meine Zeigefinger los.
„Sag ich doch, schwanger.“
„Sara, zwei Streifen heißt, du bist schwanger. Ein Streifen, du bist es nicht.“, klärte sie mich auf.
Gut, ich schaute in diesem Moment wohl wie jemand, der gerade einer Kuh beim tanzen zusieht. Der Gesichtsausdruck war dann auch bestimmt der Grund, daß sich Kim bauchhaltend und lachend nach hinten fallen ließ. Nachdem ich meinen Fehler begriffen hatte und Kim lachen sah, luden mich meine Lachmuskeln ein, der Situation eine komische Seite abzugewinnen. Nun lachte ich mit Kim und ließ gleichzeitig meinen Tränen der Erleichterung freien Lauf.

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