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Teil 15


 
 
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Lyrika
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L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag14.08.2010 23:55
Teil 15
von Lyrika
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Vivek ließ seinen Bruder sitzen und verließ die Küche.
„Ich bin mal ebend im Bad und werde dann ins Bett gehen.“, rief er ihm noch zu.
Zayed hörte die Badezimmertür klappen und dann das Rauschen des Wasserhahns. Er seufzte leise und drehte sein inzwischen leeres Glas auf dem Tisch hin und her. Wie hypnotisiert schaute er seinem eigenen Treiben zu und versank langsam in seine Gedanken.
Die Reise führte ihn zu dem Tag, der alles veränderte. Zu dem Tag, der aus Vivek einen anderen Menschen machte. Vivek hatte seine Liebe geheiratet. Es war ein schöner warmer Tag und die ganze Familie feierte ausgelassen. Er kannte Heike schon vor Vivek. Sie war eine Kommilitonin in einer seiner Vorlesungen zum Medizinstudium. Häufiger saßen sie im Vorlesungssaal zusammen und kamen ins Gespräch. Auf einer der Studentenpartys nahm er Vivek mit und stellte sie einander vor. Seit dieser Zeit waren sie unzertrennlich. Und nun hatten sie geheiratet. Zayed freute sich für seinen Bruder und sah in Heike mehr eine Schwester als eine Schwägerin. Ja, seine Eltern waren sehr stolz auf ihre Schwiegertochter und gaben beiden ihren Segen zu dieser Verbindung. Nach der Hochzeit wollten Vivek und Heike auf Reisen gehen, mußten diese aber verschieben, da Heike noch zwei Prüfungen zu bestehen hatte. Vivek kümmert sich rührend um seine Frau. Er richtet ihnen ein trautes Heim ein und ging seiner Arbeit nach für die Gründung einer Familie. Vivek liebte Kinder und wollte eine ganze Scharr um sich haben.
Ein paar Monate später traten sie ihre Hochzeitsreise nach Afrika an. Sie verlebten einen entspannten Urlaub, bis zu dem Tag, an dem Heike alleine mit einer Gruppe auf eine Bootstour ging. Vivek hatte nicht die rechte Lust und wünschte ihr viel Spaß. Er machte es sich mit einem Buch am Pool gemütlich. Die Stunden verstrichen, der Abend brach an und Vivek ging auf das Hotelzimmer.
Später stand in der Zeitung ein kleiner Artikel, daß eine deutsche Touristin von einer Bootstour nicht mehr zurückkehrte. Die eingesetzten Rettungseinheiten suchten weiträumig das Meer ohne Erfolg ab. Die Mitreisenden auf der Bootstour hatten auch nichts beobachtet und erst später das Fehlen von Heike bemerkt.
Wochenlang lief Vivek wie ferngesteuert herum. Zayed wich nicht eine Minuten von der Seite seines Bruders. Sie redeten viel und Zayed mußte ihn mehrmals überreden, etwas zu essen oder zu trinken. Er löste im Einverständnis ihre gemeinsame Wohnung auf. Um sich weiter um seinen Bruder kümmern zu können, zogen sie zusammen.
Vivek kam ganz langsam in das Leben zurück und veränderte sich. Er fing an, mit den Frauen zu spielen. In den folgenden Gesprächen zwischen den Brüdern eröffnete Vivek Zayed, daß er nie wieder Liebe empfinden könnte und wollte. Spaß und Abwechslung sollten ihm die Frauen bringen, mehr nicht. Zu mehr würde er sich nicht mehr hingeben. Zu tief saß der Schock über das Schicksal, was ihn ereilt hatte. Das alles war nun schon über fünf Jahre her und Zayed hatte öfter Frauen als ihm lieb war am Frühstückstisch kennengelernt. Und wenn diese Frauen nicht mehr auftauchten, dann wußte er, sie waren Vivek zu nahe gekommen. Manchmal war es ein Fluch, ein Zwilling zu sein. Den Eltern erzählte er nichts über den Lebenswandel ihres Erstgeborenen. Immer war alles in Ordnung mit Vivek. Sie waren in Indien zu weit weg, um ihnen unnötig Sorgen zu machen. Wie sollten Eltern, die mehr als 40 Jahre verheiratet waren, auch solch einen Zustand verstehen. Und nun sprach Vivek von einer Frau? Und nur von dieser Frau? Klirrend wurde er aus der Vergangenheit in die Gegenwart gerissen. Unbemerkt hatte er dem Glas zuviel Spiel erlaubt und es zu Boden gestoßen.
Zayed stand vorsichtig auf, um nicht in die Scherben zu treten und holte Handfeger und Müllschippe. Mit einigen kurzen Bewegungen hatte er das kaputte Glas aufgefegt und entsorgte es in den Mülleimer. Seine Helfer fanden den Weg zurück in den Schrank. Als er die Schranktür geschlossen hatte, lehnte er seine Stirn gegen die Tür. Er genoß die Kühle der Tür. Die Hitze in diesem Sommer war für europäische Verhältnisse unnormal.
Mit einem Schreck fuhr er herum. Die Hand seines Zwillingsbruders hatte sich auf seine Schulter gelegt. Sie schauten sich in die Augen. Keiner sprach ein Wort. Sie spürten, wenn die Seele des anderen schrie. Vivek zog seinen Bruder abrupt an sich und Zayed umarmte ihn fest. Vivek legte seinen Kopf auf die Schulter seines kleinen Bruders. Langsam wurde das T-Shirt von Zayed feucht. Es schnürte ihm die Kehle zu und er umarmte seinen Bruder fester. Die Tränen glitten weiter lautlos aus den Augen Viveks und zogen in das T-Shirt von Zayed ein.
„Ich habe Angst, Zayed, richtige Angst.“, flüsterte Vivek. „Ich auch, Vivek, ich auch.“ Die Umarmung blieb bestehen. Er bemerkte, wie Vivek leicht zitterte. Jetzt konnte er seine Tränen auch nicht mehr zurückhalten. So standen sie umarmt eine Weile in ihrer Küche und wußten nicht, was die Zukunft für sie bereit hielt. Zayed beendete die Umarmung und drückte seinen Bruder vorsichtig von sich. Sie schauen sich an. Vivek kochte noch eine Kanne Tee und Zayed setze sich zum zweiten Mal an diesem frühen Morgen an den Tisch. Wußte er doch, daß er nicht mehr zum schlafen kam.
Sein Bruder, auch wenn die Natur sie zu einem Zwilling verbunden hatte, war allein gestellt auf sich, wenn es um die Gedanken und Gefühle ging. Er konnte ihn nur begleiten, abnehmen konnte er sie ihm nicht. Minuten später saßen sie sich wieder gegenüber und tranken Tee.
„Zayed, sie ist anders. Ich weiß nicht wie, aber sie hat bei mir ein Gefühl ausgelöst, daß ich nie wieder spüren wollte. Und ich will es jetzt und in Zukunft auch nicht spüren. Aber es zerreißt mich, dieses Gefühl.“, sprach er leise, während er seinen Tee im Glas zuschaute. Zayed sog scharf die Luft ein, hielt sie eine Weile in seinen Lungen, ehe er sie geräuschvoll ausstieß. Mit den Händen rieb er sich über das Gesicht und schaute dann Vivek an. „Wie kann ich dir bloß helfen?“ Vivek zuckte mit den Schultern. „Ich darf sie nicht mehr sehen. Dann wird das aufkeimende Gefühl erst gar nicht genährt und kann nicht wachsen.“
Zayed stand auf, ging zum Fenster und blickte auf den Horizont, der mit der aufgehenden Sonne die Nacht beendete. „Die Chancen, sie nicht mehr wiederzusehen, stehen gut. Die Stadt ist groß. Du kannst in Zukunft die Disco meiden, in der sie arbeitet.“ Er sprach mehr für sich, als zu Vivek. „Ja, das werde ich auch tun müssen und das Gefühl ist noch klein. Ich schaffe es im Keim zu ersticken. Es braucht nur ein paar Tage und ich habe sie vergessen.“, antwortete Vivek seinem mit dem Rücken zu ihm gewandten Bruder.
„Bist du dir da ganz sicher, Vivek?“ Zayed wußte, es würde anders kommen. Und das gefiel ihm gar nicht, zum Mal er immer häufiger an Sara denken mußte.

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