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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag14.08.2010 23:38
Teil 01
von Lyrika
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„Verdammt, das ist doch jetzt nicht mehr wahr! Was ist das denn heute für ein Tag?“ brüllte ich mit kräftiger Stimme und rappelte mich hoch. Mit umständlichen Handbewegungen versuchte ich mein Fahrrad aufzustellen. Dies lag halb unter dem Auto, in das ich kurz vorher gerast war. Oder war es in mich gerast? Das interessierte mich in diesem Augenblick überhaupt nicht, da ich wußte, die Zeit sitz mir im Nacken. Wie immer hatte ich den Abgabetermin meiner Seminararbeit verpaßt und dem nicht genug, den der Bücher aus der Universitätsbibliothek ebenfalls. Als ich heute morgen aufgestanden war, freute ich mich über einen streßfreien Tag. Nur eine Vorlesung an der Uni und dann würde ich mich mit Matthias im Park treffen. Wir würden uns die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, miteinander kuscheln und es uns so richtig gemütlich machen. Bei dem Gedanken schlenderte ich mit meiner Tasse Kaffee in der Hand durch meine kleine Studentenbude, die ein großes Zimmer ausmachte, aber vollgestopft war, sodaß ich fünf Zimmer hätte ausstatten können. Ich gestand mir ein, daß ich mit Ordentlichkeit nicht gestraft war. Jeder Tag der verstrich beschlich mich das Gefühl, daß ich auch mit Organisation und Pünktlichkeit nicht so einen guten Griff gemacht hatte. Aber was soll es, murmelte ich vor mich hin und durchwühlte gedankenlos mit der freien Hand den Stapel Papiere auf meinem hoffnungslos überfüllten Schreibtisch. Das eine oder andere Blatt beschwor mich, es doch endlich einmal wegzuheften. Unbeeindruckt dessen, blätterte ich weiter und stockte in der Mitte des Stapels. Was war denn das? schoß es mir durch den Kopf. Ich stellte den Kaffee ab, der Gefahr lief, sich meiner steigenden Erregung auf dem Papierstapel zu entleeren. Nein, nein, murmelte ich immer lauter und hektisch blätternder.
„Das darf nicht wahr sein!“ sagte ich laut zu meinem stumm stehenden Mobiliar. Antwort von der Seite war nicht zu erwarten, dafür der Schock, daß ich wieder einmal den Abgabetermin meiner Seminararbeit verpaßt hatte. Ich riß die losen Blätter aus dem Stapel, der sich dankend meiner Handlung zur Seite in Richtung Kaffee machte und ihn dabei freundlichst einlud mit ihm zu Boden zu gehen.
„Das glaub ich jetzt nicht!“ unterhielt ich weiter das Mobiliar und starrte auf die Bescherung, die daraus bestand, daß sich der Kaffee mit den restlichen Papieren vereinte.
„So eine Scheiße!“ keifte ich und überließ den beiden ihre ungewöhnliche Hochzeit. Mit einem Blick auf die Uhr wurde mir klar, daß schaffst du nie. Ich mußte mich anziehen, auf das Fahrrad schwingen und in Windeseile zu meinem Professor rasen, der bestimmt wieder die alte Leiher zum Besten gab. Ich hörte ihn schon sagen:
„Also Frau Kramer, ich habe da so meine Zweifel, ob ein Studium das Richtige für sie ist.“
Halt doch die Klappe, kommentierte ich imaginär seine Worte und schwang mich in meine Kleidung. Schnell noch die Haare zusammengebunden, Schlüssel in die Hand, die Treppen im Eiltempo herunter und rauf auf das Fahrrad. Stutzig, aber lächelnd stellte ich fest, daß ich am Tag zuvor die Bücher in meinen Fahrradkorb gelegt hatte. Aber war heute nicht Mittwoch? Und macht da die Bibliothek nicht schon um 12.00 Uhr zu? Zu meinem Unglück war heute Mittwoch und es war 11.30 Uhr. Ich brauchte zirka 25 Minuten zur Universität. Der Befehl, schneller in die Pedalen zu treten wurde von meinem Kopf registriert und in die Tat umgesetzt. Die Umgebung rauschte an mir vorbei und ich hatte nur die Zeit im Kopf. Es gab ein Quietschen, einen Knall und ich fand mich auf dem Gehweg wieder. Ich benutzte immer den Gehweg, auch wenn es nicht erlaubt war. Nun lag ich neben meinem Fahrrad. Wo war denn das Auto hergekommen? Meine Augen blieben an einer Toreinfahrt hängen, aus der der Wagen hervorgerollt war.
Es war eindeutig, daß ich von diesem Auto in meiner Handlung gestoppt worden war. Ungläubig glotze ich von der Toreinfahrt auf die Motorhaube, auf der sich ein Teil meiner Seminararbeit befand. Die losen Blätter machten sich langsam mit dem Wind auf und davon. Unfähig nur irgend etwas zu tun, blieb ich weiter auf dem Gehweg liegen und versuchte das Geschehene zu verarbeiten. In Sekundenschnelle entstand folgende Reihenfolge in meinem Kopf: Ich gegen das Auto, liege auf dem Gehweg, Fahrrad neben mir, Seminararbeit entflieht in die Freiheit und die Bücher…Ja, wo waren eigentlich die Bücher? Der Schreck fuhr mir in die Knochen, da ich ja wußte, wie teuer diese wertvolle Literatur war. Ich als Studentin könnte diesen Verlust keinesfalls bezahlen. Bei diesem Gedanken stand ich mit einem Satz auf meinen Beinen und suchte hektisch den Gehweg nach den Büchern ab. Wenn ich nur wüßte, wieviel es waren. Ich drehte mich mehrmals mit gesenktem Kopf um meine eigene Achse. Ok, Sara, bleib ruhig, redete ich mir Mut zu. Ich sah zwei Bücher, die in meinem Fahrradkorb lagen. Es waren mehrere, erinnerte ich mich und ging instinktiv auf die Knie, um unter dem Auto nachzuschauen. Ich bemerkte nicht, wie die Autotür geöffnet wurde und erst der eine Fuß, dann der zweite erschien, die sicher zu Boden geführt wurden. Jetzt versperrten sie mir die Sicht unter das Auto. Erbost über diese Unterbrechung stand ich auf und wetterte sogleich los:
„Was fällt Ihnen eigentlich ein? Haben Sie denn Tomaten auf den Augen? Sie hätten mich beinahe ins Jenseits befördert! Sie haben Ihren Führerschein wohl…“ Weiter kam ich nicht. Ich schaute meinem Gegenüber während meiner Schimpfarie ins Gesicht. Seine Augen waren von einer Sonnenbrille bedeckt, die er mit einem leichten Lächeln und einer lockeren Handbewegung langsam von seiner Nase nahm und mich anschaute. Mir stockte der Atem, als ich in zwei tiefschwarze Augen blickte. Er überragte mich um einen Kopf und wirkte sehr elegant in seiner Bluejeans und einem weißen Leinenhemd. Durch das Hemd konnte ich einen gut trainierten Körper erkennen, der nach frischer Seife roch. Ich sog diesen Geruch ein. Er strahlte eine Männlichkeit aus, die verboten gehörte, dachte ich, und neigte dazu, ihm zu verzeihen. Mit der Sonnenbrille in der Hand lehnte er sich gegen die geöffnete Autotür und betrachte mich. Ich wurde unsicher, so wie er mich anschaute. Er nahm den Bügel der Sonnenbrille in den Mund und kaute leicht darauf herum. Dann nahm er ihn wieder weg und deutete mit dem Bügel auf mein Fahrrad.
„Ich habe zwar kein Wort verstanden, aber so wie Sie meckern, können Sie sich nicht allzuviel getan haben.“ sprach er mich in einem ruhigen englisch an, daß einen leichten Akzent aufwies. Wie gut, daß Englisch nicht nur eines meiner Unifächer war. Mein Großvater lebte eine zeitlang in England und als er wieder in seine Heimat zog, machte es ihm Spaß mich von kleinauf mit englischen Vokabeln zu füttern. Nicht nur seine Worte, auch die Art wie er es sagte, brachten das Faß zum überlaufen. Ich trat einen Schritt auf ihn zu und kniff die Augen zusammen.
„Ok, dann für Sie zum mitschreiben. Wenn Sie denken, daß ich Sie nicht verstanden habe, Irrtum, mein lieber. Was bilden Sie sich eigentlich ein? Fahren mich über den Haufen und werden dann noch unverschämt. Ich weiß zwar nicht, wo Sie herkommen, aber hier hilft man den Leuten, die man gerade angefahren hat. Wegen Ihnen schaffe ich es nicht mehr, rechtzeitig meine Seminararbeit abzugeben. Und dann muß ich mir noch doof kommen lassen.“ Er hörte sich in aller Ruhe mein Gefluche an, wartete bis ich geendet hatte, lächelte dann und sagte:
„Sie haben recht! Ich habe mich zu entschuldigen. Haben Sie sich wehgetan?“ Sein Blick wurde besorgt und ich bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen, ihn so angeschnauzt zu haben.
„Nein, geht schon.“ gab ich kleinlaut von mir und schaute an ihm vorbei auf die Motorhaube. Er folgte meinem Blick.

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