Alice Eisprinzessin wandelt auf düsteren Pfaden

[Rosanna]

Alice Eisprinzessins schwarze Stilettos zerteilten das brackige Pfützenwasser. Eine Hand bewahrte die Tunnelwand vor dem Einsturz,die andere umklammerte ein silbernes Täschchen. Rotgeränderte Augen suchten oberhalb einer schneebestäubten Nasenspitze nach Halt.

Der weiße Hase lächelt im Schatten.Er streichelte sanft seine Sanduhr.

Alice war inzwischen entlang des mit Graffiti besprayten Betons nach unten gerutscht. Sein erstes Wort stach Löcher in den Schleier von Müdigkeit vor ihrer Stirn.
Alice, flüsterten die buntbeklecksten Wände. Alice, es eilt.
Ein neongelbes „Fuck Off“ wand sich und züngelte Obsssszönitäten.
Aus einer dunklen Ecke heraus erhob sich etwas weißes, großes. Sandkörner perlten wie Champagnertropfen über ihr Gesicht. Ihre Stimmbänder transportierten ein Stöhnen. Das Tuch der Stille zerriss endgültig und schleuderte sie in die Nacht hinaus.

Alice Eisprinzessins Träume waren erstarrt, als sie den Pulverschnee in ihr Leben ließ. Also war es auch ihr Wunderland.
Alice Hände waren das Erste, das Bekanntschaft mit dem englischen Cricketrasen ihrer Majestät schloss, und das auf äußerst bohrende, schmerzhafte Weise,auf rasiermesserscharfen, smaragdgrüne Kristallhalmen.
Die weiße Königin besah sich lächelnd ihr neues, blutrotes Kleid. Sie strich dem Mädchen über die gegelten Stoppeln. "Ein feiner Igel bist du", summte sie und hob die skelettierten Überreste eines Vogelhalses zum Schlag, "und so viel widerstandsfähiger als Flamingos."

Alice Eisprinzessin war mit einem Schlag kopf- oder vielmehr, Alicens Kopf war mit einem Schlag körperlos. Letzterer landete mit einem dröhnenden Rums auf einem Feld, das mit staubgrauen Marmorfliesen bedeckt war.
Man könnte sagen, Alice hatte Glück auf diesem Schachfriedhof. Ein umherirrender Bauernrumpf fand und adoptierte das Kind, das nun unter zerborstenen Steinleichen und Zeitungsfetzen das Zentrum des scheinbaren Chaos entdeckte: zwischen D4 und E5 thronte ein floureszierend grüner Apfel.
Alice/der Bauer humpelten unbeholfen darauf zu.
Der Apfel lag unschuldig leuchtend auf der äußersten Ecke der Platte.
Alice hielt ihn sich prüfend vors Gesicht.
Die behaarte Hand des roten Königs wand sich von hinten um ihre Kehle. "Friss, Biest,", stöhnte er, "sonst wirst du geköpft!" und stopfte ihr die Frucht in den vor Schreck geöffneten Mund.
Alice biss, schmatzte, kaute und keuchte um ihr Leben, dass Spucke und Apfelstückchen flogen, doch die Luft wurde knapper, ein Kern rutschte ihr in die Kehle- da, ein junger Stamm schlängelte sich biegsam wie Weidenruten zwischen ihren Lippen hervor, kräftige Wurzeln durchbrach ihren Nacken; und ihr Kopf fiel, fiel in einen dunklen, gurgelnden Schacht. In der Ferne huschte etwas Große, Weißes pfeilschnell davon, dann verengte sich der Tunnel zum Trichter und alles Licht war fort.

Man fand Alice drei Tage später, unweit der mallorcinischen Diskothek, in der sie ihre Volljährigkeit gefeiert hatte.
Die BILD titelte wenige Stunden später: „Geschändet und im Gulli entsorgt: Wer hat die hübsche Deutsche auf dem Gewissen?“

Mein Name ist Hase. Ich weiß von nichts.

[The Brain]

Das hat mich echt beeindruckt! Klasse!

[Lejonina]

Hallo unbekannte(r) AutorIn!

Ok, ich versuche mich mal an einer Interpretation (gehört nicht unbedingt zu meinen Stärken):

Alice nimmt Drogen, der weiße Hase symbolisiert den Tod (gab es nicht bei Alice im Wunderland einen weißen Hasen?), da hört es auch schon auf.
* Worum handelt es sich bei dem englischen Cricketrasen mit rasiermesserscharfen Kristallhalmen?
* Wer ist die weiße Königin?
* Wer ist der rote König?

Ach, das ist echt schwer für mich. Gibt es überhaupt eine Bedeutung?
Zum Glück erfahre ich ja zum Schluss, dass Alice geschändet und ermordet wurde. Also soll der Text wahrscheinlich zeigen, wie Alice das ganze im Drogenrausch mitbekommt, oder?

Tut mir leid, ich finde keinen Zugang zu diesem Krimi. Im Vergleich zu den anderen Beiträgen deshalb auch nur eine Bewertung im unteren Drittel.

LG, Lejo

[_narrative]

Genial. Einfach genial.

Habe nichts daran auszusetzen. Der Aufbau des Textes ist perfekt.

Gefällt mir ausgesprochen gut.

[Alogius]

Hi,

ich beschränke mich ob der Textmenge auf kurze Kommentare. Falls notwendig, kann ich später detaillierter werden.

Dass am Ende die doofe BILD bemüht wird, hat etwas Lakonisches. Der letzte Satz ist klasse.
Dazwischen herrscht zuweilen (gewollte?) Verwirrung. Super Idee, solide umgesetzt, hier und da holpert es aber.

Gruß,
Tom

[MadameMimm]

Hallo,

dieser Trip hat mich gnadenlos gefesselt. Du verwendest dem Anlass entsprechend verstörende, starke Bilder. Ich konnte mich in die panische, kalte und surreale Stimmung sehr gut einfühlen. Einmal springst du in der Zeit:

[BlueNote]

Zwar surreal und recht ansprechend geschrieben, die Geschichte hört sich für mich aber so an, als dass sie nur geschrieben wurde, weil sie geschrieben werden musste (innerhalb eines Wettbewerbs). Es ist also keine Notwendigkeit erkennbar, dass diese Geschichte überhaupt erzählt werden müsste. Der Wunsch, originell zu wirken, konnte nicht immer gut umgesetzt werden. Morde, die so teilnahmslos geschildert werden, gefallen mir nicht. Ein Mord ist immer noch ein Mord und nicht lediglich ein gewollter "Kick" wie eine Nase Schnee beispielsweise.

[Gast]

Hallo liebe(r) Postkartenprosaist(in),

bei meiner Bewertung habe ich folgende Kriterien berücksichtigt:

Stil und Sprache: Nicht schlecht geschrieben, aber auch nicht so gut, dass es den Gesamteindruck nach oben pusht. Siehe Idee.

Idee: Ich mag keine Geschichten, die ich nicht verstehe. Und diese hier verstehe ich nicht. Alice im Wunderland, Mädel im Drogenrausch, das nach Discobesuch gemeuchelt wird? So hätte ich das jetzt interpretiert, sicher bin ich aber nicht. Mir also zu abgedreht, um mich zu überzeugen. Grundsätzlich finde ich die "Alice im Wunderland"-Idee eigentlich cool, der Schlusssatz ist klasse und das "Obsssszönitäten" ziemlich grandios. Aber unterm Strich bleibt bei mir trotzdem irgendwie ein: Häh?

Bezug zur Themenvorgabe: Ja, am Rande.

Fazit: Ein eigentlich interessanter Ansatz, der mir aber zu irreal ist, um als Krimi durchzugehen. Und um von mir verstanden zu werden. Schade ...


LG,

Soraya

[Pütchen]

Hallo

Gefällt mir sehr gut die Geschichte, spannend und eingehend erzählt.

Mich bringen jedoch die Perspektiven hier immer etwas aus dem Konzept und das hindert mich daran, die Geschichte so zu würdigen, wie sie es eigentlich verdient.

Die Idee mit Alice im Wunderland finde ich absolut gut

Viele Grüße, Pütchen

[Old]

Der Vorhang öffnet sich. Der Lärm beginnt abzuflachen.
Ich trete mit einem vierköpfigen Team auf die Bühne. Wir nehmen an den vor uns stehenden Tischen platz. Hin und wieder ein räuspern aus dem Publikum, so dass ich mich gezwungen sehe, einen stechenden Blick hinunter zu schicken. Befriedigend nehme ich zur Kenntnis, dass der letzte Räusper, verschreckt im Hals stecken geblieben ist.  

Darf ich vorstellen, das Bewertungs-Komitee.
Zu meiner Rechten, Frau Schlauberger.
Daneben, Herr Besserwisser.  
Zu meiner Linken, Frau Dr. Prosa
Und Herr Schund

Wenn ich kurz die Kriterien erläutern darf. Jeder Kandidat bekommt grundsätzlich 3 Punkte, es denn, beim Lesen der Kurzgeschichten wird einem vom Bewertungs-Komitee so übel, das er oder sie, einen unnatürlichen Farbton annimmt.
Außer Bewertung steht vorab das Zählen der Wörter. Dafür ist Hilfsbewerter Nihil zuständig. Später wird dann, unabhängig, der Klasse des Textes, über eine Disqualifizierung entschieden.

Wieder ein räuspern, wieder ein entschiedener Blick der sofort für Ruhe sorgt.

Weitere Punkte gibt es für den Begriff „Urlaub“, im weitesten Sinn.
Für die Bezugnahme auf das vorgegebene Bild.
Für das Szenario Verbrechen
Für Spannung, oder Witz.
Für die Idee.
Für Logik und Glaubwürdigkeit
Maximal sind somit 9 Punkte zu erreichen.

Wir fahren fort mit: „Alice Eisprinzessin wandelt auf düsteren Pfaden“

Begriff „Urlaub“, im weitesten Sinn. – 1,0 Punkte
Bezugnahme auf das vorgegebene Bild. - 0,0 Punkte
Szenario Verbrechen. - 0,7 Punkte
Spannung, oder Witz. - 0,6 Punkte
Idee. - 0,8 Punkte
Logik und Glaubwürdigkeit. - 0,7 Punkte   ->   3,8 + 3 = 6,8

Der Komitee-Leiter erhebt sich und gibt eine kurze Bemerkung ab:

Ich gebe zu, auch wir waren bei der Geschichte etwas Kopflos. Wir vermuten mal, dass die Gute durch die Einnahme einer Überdosis Schnupftabak Halluzinationen bekommen hat und sich dadurch wie Alice im Wunderland gefühlt hat.
Korrigiere, nach nochmaligen Lesen erkenne auch ich die „schneebestäubten Nasenspitze“. Hatten wir zuerst den Halluzinationen zugeschrieben.
Wenn ich mir welches einziehe, dann aber alles. Da bleibt nichts an der Nase hängen.

Der Saal jubelt, das Komitee erhebt sich. Kurze Pause.

[EdgarAllanPoe]

Hallo Autor,

sehr surreal, sehr wirr, aber wahnsinnig interessant. (Ich meine, dass Rosanna hinter diesem sehr abgedrehten Text stecken könnte - ihre Fantasie würde dazu passen.)
Es scheint wohl nicht nur von Mord, sondern auch von Drogen die Rede zu sein. Darauf deuten die sprachlichen Bilder hin. Wie ein schlechter Trip. Aber durchaus spannend und originell zu lesen. Aus dem - vermeintlich - abgedroschenen Thema des Sexualmords hast du hier, mit der Verbindung zu "Alice im Wunderland", eine schöne Verbindung zur Fantasyliteratur aufgebaut. Das ist originell, ich werde es dementsprechend in meine Wertung einfließen lassen.
Zwar sind die Folgen, in denen diese Bilder aufeinander folgen, unregelmäßig und schwer zu durchschauen. Aber sie bieten allemal Neues.
Einige kleinere (Zeichensetzungs-)Fehler stören jedoch das Bild.
Sechs Federn.

Liebe Grüße,

Eddie

[andrea jutta]

Hallo,

der Leser merkt, dass dir das Spiel mit der Sprache Spaß macht. Gefällt mir. Der Text ist ziemlich makaber. Für einen Thriller muss  das natürlich so sein. Für meinen Geschmack ein bisschen zu makaber. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Andere sehen das sicher anders. Meine Bewertung für den Text: 4.

[Liesette]

Böse, böse, böse... Zu viel "White Rabbit"?
Dein Text gefällt mir sehr, die Sprache ist lebendig, die Bilder stimmig. Es fehlt zwar der Täter, aber hier hats mich ausnahmsweise nicht gestört. Sehr gelungen auch der gallige Schlußsatz, für mich eine der oberen Stories hier.

[gepuzzelt]

Das Ende lässt vermuten, dass es sich hier eher um einen Scherz als um einen ernstgemeinten Beitrag handelt. Sehe ich das richtig? Zumindest erscheint es mir so...

[*Gast*]

So ungewöhnlich, wie der Text daher kommt, könnte er mir gefallen. Eine Drogenphantasie, verknüpft mit Alice im Wunderland, endend mit dem Tod. Könnte, weil die Geschichte auch schlampig daher kommt, nicht nur reich an Bildern, sondern auch an Fehlern. Schade, etwas mehr Sorgfalt, die Bilder vielleicht etwas deutlicher, oder konzentrierter,  und der Text gefiele mir um einiges besser.

LG
Sabine

[Leene]

Hehe. Sehr hübsch, lieber Victor. Völlig absurde Groteske. Stilistisch hinreichend lässig. Ein klassischer Krimi? Wohl nicht. Ein Verbrechen und seine Verfolgung? Ja. Ich habe sogar die Vorgabe „Urlaub“ entdeckt. Was tun? Teeren und federn.  

[Gast3]

Liebe/r Autor/in,

ich bin jetzt ganz ehrlich, als ich den Text das erste Mal gelesen habe, dachte ich, meine Güte, was soll das denn. Hab ihn dann  noch ein paar Mal gelesen und mit jedem Mal gefiel er mir besser. Sehr routiniert geschrieben, tolle Bilder, richtig psychedelisch.

Lieben Gruß
schneestern

[Jocelyn]

Das habe ich nicht verstanden.
Sehr ausgefallen.
Eine Feder für die Fantasie.

3 Federn

[anuphti]

Liebe/r Inkognito,

Da ich weder ein Krimiexperte, noch Germanist, oder Literaturkritiker bin, ist dieses Schema völlig subjektiv und genügt lediglich meinen eigenen Ansprüchen an Grammatik, Stil und Rechtschreibung, sowie meinen mageren Kenntnissen über Spannungsbögen und Logik.

Ich werte von 1 bis 8 Federn, eine zusätzliche Feder gibt es, wenn die Vorgabe „Urlaub“ umgesetzt wurde,  wenn die Knochen von dem Foto in irgendeiner Form eingebaut wurden, dann gibt es tendenziell die bessere Bewertung, wenn ich zwischen zwei Federnzahlen schwanke.

Wenn ich das Genre Krimi (so als unbedarfter Leser) gar nicht erkennen kann, gibt es nur eine Feder.

Die A-Note bezieht sich auf die „Theorie“ der Geschichte, also Grammatik und Co., bei einem so kurzen Text erwarte ich mir einen weitgehend fehlerfreien Text (Irrtümer vorbehalten, bin auch nicht so fit mit der neuen deutschen Rechtschreibung ...)
Die B-Note  beschreibt die „Praxis“, also wie korrekt, gut recherchiert und logisch die Geschichte umgesetzt wurde.
Und die total subjektive C-Note beschreibt die schwer fassbare Kreativität, also ungewöhnliche Idee (Titel), überraschende Umsetzung, sowie den Humorfaktor und Spannung, ohne den ich (Banause) Krimis gar nicht lesen würde.

A-Note 7
B-Note 7
C-Note 7
 
Gesamt 7

Plus Urlaubsfeder macht 8
Knochen? auch

Also, wenn ich raten dürfte, würde ich sagen, dieser Text ist von Rosanna (???)

Ich vermute mal eine lyrische Seele hinter diesem Text, mit einer enormen Phantasie, tolle Bilder, die Assoziationen mi dem Schnee und dem Kokain, diese Beschreibung des Rausches mit den Halluzinationen, und das lapidare Ende ..

Richtig gut!

Liebe Grüße
Nuff

[Gast]

Liebe/r Autor/in,

das ist endlich mal was ganz anderes. Mir hat Dein surrealistischer Krimi gefallen.

Liebe Grüße
Monika

[Dienstwerk]

Boah, was hast Du geraucht???  

LG, Ana

[Maria Magdalena]

Sehr verwirrende Geschichte, erst am Schluss stellt sich die Idee eines Krimis ein.

Sollte das die Darstellung eines LSD-Tripps sein?

Stilistisch einige komplizierte Wendungen, jedoch zum Teil gute Ansätze.