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Bukowski war auch son Arsch (Romanauszug)


 
 
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overtillt
Geschlecht:männlichGänsefüßchen


Beiträge: 35



Beitrag01.08.2010 18:38
Bukowski war auch son Arsch (Romanauszug)
von overtillt
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Bukowski war auch son Arsch

Es musste ja so kommen, orakelte meine Mutter, und behielt zu hundertfünfzigtausend Prozent Recht -, hat immerhin zwei Weltkriege und ihren Mann überlebt ... Klar, und wenn die das sagte, dann war das nicht so ’n Nuttentratsch, wie das Gequatsche von meiner Ex mit ihren Freundinnen über mich -, lang ist’s her, und beinahe hätte ich gesagt: Gott habe sie selig! Doch nix da, tote Hose, Alter.
 
Was soll’s, es bleibt doch jeder Tag egal, und ob ich die knotigen Äderchen in meiner blauroten Visage beobachte oder nicht, meine triefenden Augen sich auf die eitrigen Krater meiner Nase richten - ich schiele dabei immer saumäßig, echt, hab’s vorm Spiegel gesehen. Oder meine Stimmbänder nicht in der Lage sind sich mit den Ohren verständigen zu können, weil nämlich meine Sprache weniger hörbar ist als ein Damenfurz im Cafe Einstein, oder, wenn ich ein früher gern gesungenes Lied anstimme, und es kommt dann son scheiß Blues dabei raus, dann weiß ich, ich habe zum zigsten Mal in meinem Leben versagt.

Ohnehin geht alles was ich denke, sehe und tue den Bach runter; ist altes Säufergesetz - wie der Spruch in meiner Kneipe: angeschrieben wird nur Achtzigjährigen in Begleitung ihrer Eltern!
Echt, ich bin zum Wrack geworden.

... hatte mal ’ne schöne Singstimme, - nur so zum Beispiel; war Sopran, im Kirchenchor, und Mutter stolz auf mich. Bis ihre Welt einstürzte, kurz vor Weihnachten, damals, als sie mich erstmals aus der Ausnüchterungszelle dieser vermuckten Polizeidienstelle in der Müllerstraße abholen musste. Mich, der ich im Stimmbruch war und dreizehn, zwischen all den Pennern. Und das ab da immer öfter.

Na und, sagte mir damals Gott (auch heute noch ..., aber ich quatsch ihn deswegen eigentlich nicht mehr an), du hast es doch selber so gewollt -, und Singen im Kirchenchor ist nicht das Leben, also sülz hier nicht so blöd rum, du Vollidiot.

Ja, sagte ich dem, ja, hab ich -, gewollt -, sag ich dem, - echt, dass ich nicht lache, Idiot -, du hast mich doch ’angeblich’ nach deinem Ebenbild geschaffen und so weiter, ... doch was weißt du schon vom Singen, von Wichtigkeiten, von meinem Leben, von Vätern und Müttern, Frauen!, vom Saufen ..., ach du, - halt endlich mal die Schnauze, Alter, sonst vergesse ich mich.
 
Es ist das Verlangen, weißt du. Ein einmal gewecktes Verlangen, das einen wie ein Krampfanfall heimsucht - dessen Ursachen in den Genen zu suchen sind, erklärt man heute -, das einen mit Kopf, Körper, Psyche in den Alkohol drückt wie den Arsch in die Scheiße, bis man endlich voller als voll ist, wie ein kilometerdicker brauner Scheißschwamm, bis nichts mehr an Sprit auch nur irgendwo hineinpasst - ein komplett abgefüllter Fromms, so! Und, dass man Liter auskotzt, um neuen Platz zu schaffen. Und das ein paar mal hintereinander, denn eher lässt es einen nicht los ..., weil immer noch einer reinpasst, glaubt man, falls man noch in der Lage ist zu glauben.

Ehrlich, ich war seit diversen Auseinandersetzungen mit Gott nie mehr in der Lage zu glauben, oder so, nicht mal mehr mir und an mich. Mein Leben wurde immer weniger, wie das Salz auf meiner Haut, - das Blut in den Adern dünner, die Grütze in der Birne verschwand. Vom Schwanz gar nicht zu reden. Doch was hilft es, - danach ist immer davor, weiß du.
Und bei mir war und ist es wie bei einem der großen Waldbrände in Kanada, bei dem hundert oder mehr Feuerwehrleute zur Hilfe eilen, aus Flugzeugen springen, mit Löschfahrzeugen gefahren kommen - ihre Leben riskierend - um den Flächenbrand zu löschen, der nie zu löschen ist. Weil er unter der Asche weiterglimmt, nur einige Zeit schläft, oder so tut. Einer verarscht den anderen, weißt du.
Dieser Scheiß Brand, der für immer in mir ist, so elend tief in den Kaldaunen der Seele versteckt, wo ihn niemand vermutet -, nur ich hab so was wie ’ne vage Ahnung davon. Und so ist das jedes Jahr, geht es jeden Monat, passiert einmal die Woche, will ich es zweimal am Tag, jede Stunde. Ach, was weiß ich.

Obschon, ich kenne natürlich die Retter meiner Stunde längst mit Namen, diese Flaschen. Manche von denen Russen -, heißen wie ehemalige Präsidenten, die sie auch trinken, die getrunken werden. Teufelszeichen, sagen manche - und es ist egal wie sie heißen, wenn der Stoff nur vernünftig genug verrückt macht und es knallt und blitzt in der Birne, damit man das Gestern und die Welt vergisst, weil das nämlich mein heute ist und dein morgen, unser aller Scheiße, - echt, Alter!

Dann wieder ist es so was von egal - wer und was es ist, denn kaum drehen die Helfer der unter der Asche schwelenden Glut den Arsch, geht’s da oder dort nämlich wieder von vorne los -, diese gnadenlos bepissten scheiß Rückfalle. Ich hasse die, habe sie aber laufend - und komme gerade daher. Da, - von dort drüben, Alter: Entzugsklinik!
Stehe nun am Tresen einer Kneipe - und stecke meine Augen in eine Tulpe voller Bier, statt den Finger in den Hintern. Wäre nämlich besser - mit dem Finger ... Und? Leer! Die Tulpe ist - schon - wieder - leer?
 
Nur eine, weißt du, sagte ich mir bei der Bestellung - wegen des Durstes - und damit du mal merkst, wie so was sich anfühlt, damit du nicht den Kontakt verlierst.
Wie, - was sich anfühlt? Und - welcher Kontakt? Na, wenn man gesittet trinkt, du Arsch - und es auch kann, nach so langer Zeit trocken ... Und wer kann einem solchen Angebot schon widerstehen, - nach dieser Zeit im absoluten Scheißeimer, zeig ihn mir. Ich jedenfalls nicht.
 
Ach, lass mal die Tulpe stecken, Alte, sag ich der Bedienung, bring mir lieber gleich ’nen halben mit Kompott.
Einen Klaren, als Kompott?, sie.
Doppelt, sag ich, es muss zwischen den Ohren schließlich mal wieder ordentlich klingeln.
Mann, du Idiot, sagt Gott.
Eh, Alter, was verstehst du schon davon, sag ich, gerade du ..., hau ja ab!
 
Kommst du von da drüben?, fragt die Kellnerin.
Sehe ich so aus?
Ja, irgendwie bist du so - so vertrocknet.
Komisch, früher hab ich bei vertrocknet an altes Brot - oder ’ne olle Möse gedacht, - nun bin ich scheinbar die. Und schwups, schon war er da, dieser harte, depressiv machende Seelenkater, - dieses kack Gefühl als hätte ich Wochen durchgesoffen. War Schuld da -, und dieses Frieren, wie von Aufenthalten in frostigen Wintern unter Brücken, auf den Treppen der U-Bahneingängen, deren Schächte bei hundert Grad minus geöffnet und als soziale Tat beklatscht, damit Penner wie ich nicht erfrieren -, wenn einem vor Kälte und Wind die Fresse brennt, Lippen platzen, die Füße absterben, die Eier auf Pickelgröße schrumpeln. Wenn man nicht so viel trinken kann wie man braucht, um endlich abzukratzen ... Seelisch, verstehst du: Seelisch!
... denn im Winter ist nicht nur das Wetter scheiße, nee, man erbt beim Betteln auch kaum ’ne Mark. Und das Trinken, falls man hat, kann die Leere in Hirn und Magen auch nie ausfüllen, - und diese Achtlosigkeit, die einem die Leute einbrennen wie ’ne glühende Zigarette - wenn sie an einem vorbeistürmen, wie auf der Flucht. Hände in den Taschen, Zeitung unterm Arm, Blick gesenkt - Penner murmelnd. Ja!

He - Penner, geh gefälligst arbeiten - du Penner; wie hingekotzt hört sich das an, Alter. Aber es ist die Wirklichkeit. Ist Montag bis Freitag so. Und die restlichen Tage und Nächte ist es auch nicht anders: Penner! Der Säufer bleibt Penner. Und ich bin einer.
 
Ey, ich werd noch einen schlucken, Süße, sag ich der Arschgeige am Zapfhahn.
OK - den noch, sagt die, der geht aufs Haus, und dann verpisst du dich, Alter - OK?
... Penner, musst du zu mir sagen, rate ich der, dann weiß ich wenigstens wo ich hingehöre. Sag Penner ..., Süße.
Hau ab, Mann, du stinkst!
 
 
© michael köhn
aus ’Werthers Räuber im Schillerpark’

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Fao
wie Vendetta

Alter: 33
Beiträge: 1994



Beitrag05.08.2010 18:05

von Fao
Antworten mit Zitat

Hallo overtillt,

Dein Text über das Leben eines Mannes, der zum Alkoholiker wird und durch seine Sucht alles verliert, sich selbst aufgibt und obdachlos(?) wird,
ist überaus gelungen! Authentisch, ergreifend, oiriginell...
Obwohl es ein ganz schöner Batzen Text ist, den man auch hätte aufteilen können, und ich mich mit Lesen am PC sowiso immer schwer tue, konnte ich nicht anders, als alles am Stück zu lesen.
Ich werde es auch noch ein zweites Mal lesen.
Wirklcih sehr toll.

Einzig der Satz
Zitat:
Manche von denen Russen -, heißen wie ehemalige Präsidenten, die sie auch trinken, die getrunken werden. Teufelszeichen, sagen manche

Den finde ich etwas seltsam, also das fette hätte ich weggelassen.

Ansonsten nix zu mäckeln,

LG
Fao


_________________
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Auguste Rodin - Die Kunst.
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overtillt
Geschlecht:männlichGänsefüßchen


Beiträge: 35



Beitrag05.08.2010 18:51

von overtillt
pdf-Datei Antworten mit Zitat

stimmt, Fao, ist n harter brocken text
und auch mit dem teil 'die getrunken werden' hast du recht
kommt redundant rüber
ich werde das im original streichen

ja
der typ hat alles verloren
auch seine bude und und...


thx fürs anmerken und fürs lesen
das es dir gefallen hat

es grüßt dich
M.
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MadameMimm
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 50
Beiträge: 575
Wohnort: Schwabenland


Beitrag10.08.2010 21:45

von MadameMimm
Antworten mit Zitat

Hallo Michael,

hab neulich schon mal nen Auszug aus deinem Roman gelesen und jetzt das hier.
Es hat mich sehr berührt, mich tief hineingezogen in die Scheißsituation ohne Ausweg. Du erschaffst ein verstörendes Bild, das einen zwingt immer weiter zu lesen. Dabei fühlt man sich wie ein Voyeur, der dem Prot. beim Sterben zusieht. Das ist gleichzeitig spannend und weckt ein Schamgefühl. Ich denke so: "Geht mich doch gar nix an", und dann wieder "Wie gehts weiter mit dem Penner?"
Es ist das erste Mal, dass ich mich in die Gefühlswelt eines Trinkers hinein versetzen kann.
Starker Tobak, aber klasse!


_________________
Hexliche Grüße von Tanja
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overtillt
Geschlecht:männlichGänsefüßchen


Beiträge: 35



Beitrag11.08.2010 07:56

von overtillt
pdf-Datei Antworten mit Zitat

"Es ist das erste Mal, dass ich mich in die Gefühlswelt eines Trinkers hinein versetzen kann. "

!ganz herzlichen dank für das schöne lob
MadameMimm

ja
ich versuche immer authentisch zu bleiben/schreiben
anders kann ich auch nicht als nahe beim stoff zu sein
dem jeweiligen protagonisten
denn mein gelebtes bad-leben hängt mir nach

klar
lieber würde ich (aber) die welt schreiben
die ich mir wünsche
so ist es auch in meinem roman 'Werther...'
der als junger mensch einer welt entwächst
die er nur mit betäubung aushält
und darüber tagebuchartig schreibt
 Idea eventuell wäre der heute ein rapper?

l.gr.
M.
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