Lethe

[Liluye]

Warum bist so schweigsam du und dunkel?
Heute soll, wer sonst alleine
ist, sich reich mit kühlem Weine
tränken und die ganze, reine
Leichtigkeit des Lebens schmecken.
Lass die Sehnsucht von der Leine,
trübes Nass die Geister lecken
und beseelen – deine, meine,
jede Seele blutet dunkel
tiefe Lust, stürzt sich in leisen
Zügen in den Schaumkelch.
Also -
warum weinen?
Abendglut im sinkenden Gefunkel...

[SylviaB]

  Gefällt mir richtig gut!

Ich hab da nur eine Stolperstelle, die ich irgendwie nicht überlesen kann. hm...

[Liluye]

Freut mich, dass es dir gefällt!
Ich habe gerade mal ein wenig rumprobiert, aber beim Lesen stolpere ich nur dann, wenn ich irgendwas ändere ... "Schaumkelch" passt perfekt in den Rhythmus, vor allem soll ein nahtloser Übergang zum "Also" stattfinden, bevor der Bruch kommt. Dein Vorschlag würde die Zäsur früher setzen, ich komme in's Stocken und der Fluss geht verloren.
Ich bin eigentlich zufrieden mit dem Vers, eher habe ich mit dem Schluss gehadert. Wirkt der letzte Vers nicht "angehangen"?
Das Gedicht bildet übrigens optisch einen Kelch, wenn man es zentriert. Nur so als kleines Schmankerl nebenher, es war gar nicht meine Absicht.  

Grüße,
L.

[SylviaB]

[jim-knopf]

guten abend

das problem des schaumkelchs liegt - denke ich - daran, dass du alle restlichen Verse mit einer unbetonten Silbe enden lässt. Nur der Schaumwein ist betont am ende und klingt dadurch ziemlich hart, was mich auch ein bisschen rausgeworfen hat.

Eventuell könnte man es so umstellen. Nur als Vorschlag freilich:

Zügen in den Schaumkelch. Also -
warum weinen?
Abendglut im sinkenden Gefunkel...

Gruß
Roman

[Liluye]

Das also ist des Pudels Kern! Jetzt geht mir auch auf, wieso ihr an der Stelle aus dem Metrum geworfen worden seid, ich habe das "Also", ganz wie Roman es jetzt vorgeschlagen hat, einfach hinten angeschlossen - "Schaumkelch" betont man nach dieser Leseweise auf der ersten Silbe und alles passt wunderbar. Ein unnötiges Missverständnis, ich habe das Gedicht in diesem Punkt wohl unklug aufgebaut. Vielen Dank für eure Meinungen und Vorschläge, ich hoffe, dass der Lesegenuss dadurch nicht allzusehr getrübt wurde!

Grüße,
L.

[EdgarAllanPoe]

Hallo Liluye!

Weißt du was? Das erinnert mich an dieses Gedicht von Charles Baudelaire. Die Frau, die Liebe, die den Geliebten vergessen lässt - das hast du hier auch schön eingefangen, melodisch, vielleicht sogar mit etwas Liedcharakter - jedoch vergisst dein Lyrisches Ich (oder sonst jedweder perspektivische Standpunkt) in deinem Gedicht die Gefahr, die von "Hörigkeit" und damit dem Vergessen der Welt ausgeht.
Dein Gedicht gefällt mir sehr.

Liebe Grüße,

Eddie