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Mein erstes Märchen hier ...


 
 
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Mronda
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
M


Beiträge: 17



M
Beitrag18.02.2011 20:11
Mein erstes Märchen hier ...
von Mronda
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Wer möchte, kann sich mal mein erstes Märchen durchlesen :

Die Idee war mir während eines Zirkusbesuches gekommen, denn direkt vor mir sass ein halbwüchsiges Mädchen, hübsch wie ein blasser Engel, welches diese Darbietungen wie ein Bestrafung erlebte - jedenfalls sah es so in ihrem Gesicht aus ...

Die Geschichte von der Prinzessin, die nie lachte.

Ouahid war einer der unzähligen obdachlosen Jungen aus Damaskus, der weder etwas über seine Eltern noch seinen Geburtstag wusste. Selbst seinen Namen hatte er sich selbst gewählt. Eines Tages hatte er eine reiche Frau auf dem Marktplatz nach ihrem Sohn rufen hören. Damals war ein noch ein kleines Kind gewesen, und der prächtig gekleidete Junge, welcher auf diesen Namen gehört hatte, war ihm sehr groß und schön erschienen. Von diesem Tage an hatte er sich genauso nennen lassen, wenn ihn jemand nach seinem Namen fragte, war es zu seiner Angewohnheit geworden, stolz seine magere Brust nach vorn zu strecken und zu antworten:“Mein Name ist Ouahid, Ouahid aus Damaskus!“ Wenn er damit auch mehr als einmal spottendes Lachen geerntet hatte, genoss er es, seinen geborgten Namen laut auszusprechen.

In Damaskus wimmelte es von Straßenjungen wie Sand am Meer. Ouahid hatte sich dessen nie geschämt, zu ihnen zu gehören, doch mittlerweile war er zu einem jungen Mann heran gewachsen und entschloss sich, auf andere Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen als wie ein aussätziger Hund in den engen Gassen herumzurennen und sich seine Lebensmittel und Klamotten zu klauen. Er wusste genau, dass es unmöglich für ihn sein würde, bei einem Kaufmann oder einem Handwerker eine Stelle zu finden, weil es keinen Anwohner in dieser Stadt gab, der ihn empfehlen könnte.
Für einen Kutscher wollte er nicht arbeiten. Einige seiner Freunde hatten das schon mal versucht, einem waren bei einer Schlägerei um einen Kunden zwei Zähne verloren gegangen, ein anderer war nach seiner ersten Reise nie wieder aufgetaucht…

Möglich war dass sein Freund sich in einer anderen Stadt niedergelassen hatte, aber Ouahid mochte die grimmigen Gesichter der unverfrorenen Kutscher nicht.
Beim heimlichen Belauschen eines Gesprächs zweier Händler hatte Ouahid zur Kenntnis genommen, dass sich seit einigen Tagen am Stadtrand ein prächtiger Zirkus aufhielt. Ouahid hatte zwar nicht die geringste Ahnung, was er sich darunter vorstellen sollte, aber er hatte aus den Worten entnommen, dass er dort Künstler, Jongleure, Akrobaten und wundervolle Tiere finden würde. Seit seiner frühsten Kindheit mochte er gerne die mutigen Menschen beobachtet, welche auf dem Marktplatz mit Feuer spuckten oder bunter Bälle durch die Luft wirbeln ließen. Außerdem hatte er Tiere gern und wusste, dass dort wo Vieh gehalten wurde, immer eine fleißige Hand gebraucht wurde.
Noch am selben Tag verließ er die Stadt, ging mutig auf die bunten Zelte zu und lernte den Direktor Salim kennen. Ein großer Mann mit einem mächtigen Bauch und einem dunklen Vollbart musterte ihn mit kritischen Augen. Ouahids Schultern waren schmal für sein Alter, doch Salim bemerkte die Unerschrockenheit in den Augen des Straßenjungen, mit einem Kopfnicken des Direktors wurde seine neue Einstellung im Zirkus als Helfer besiegelt.

Faris, der Löwendompteur war verantwortlich für den Neuling in der Gemeinschaft und wies ihn ein, zeigte ihm alles, was er von morgens früh bis spät in den Abend erledigen musste. Ouahid war es nicht gewohnt, so hart zu arbeiten und fiel jede Nacht erschöpft in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Aber er war glücklich über seine Entscheidung und sein neues Leben. Er half beim Füttern und Putzen der schönen Pferde, reichte dem mürrischen Koch die von ihm gesäuberten Pfannen und Kessel, putzte die Schuhe des Direktors blank, räumte die Utensilien der Jongleure ordentlich auf und wurde bald von Faris angehalten, ihm beim Füttern der Löwen behilflich zu sein.
In wenigen Tagen hatte Ouahid es geschafft, sich einen richtigen Platz zwischen den unterschiedlichen Menschen aus der kleinen Zirkuswelt zu erarbeiten. Zweimal am Tag nahm er rasch eine einfache, aber sättigende Mahlzeit mit ihnen ein und lauschte ihren Geschichten und Erzählungen, wobei sein Blick immer wieder auf die junge Seiltänzerin Zaide fiel. Still und freundlich saß sie mit gesenkten Augenlidern zwischen ihren Gefährten und aß wie ein Vögelchen. Ihre Haut war weiß wie wertvoller Alabaster und zart wie kostbare Seide, sie hielt ihren Körper stets aufrecht mit natürlicher Würde und jede ihrer Bewegungen war langsam und bedacht. Das Herz des jungen Mannes schien vor Freude zerspringen zu wollen, wenn er einmal einen scheuen Blick in ihre schwarzen Augen erhaschte, umrahmt von dunklen Wimpern waren Zaides Augen von unbeschreiblicher Tiefe, dass er alles gegeben hätte, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Allerdings wusste er sehr gut, dass er nichts besaß und beschränkte sich auf seine Existenz als stiller Verehrer.
Es störte auch niemanden weiter, wenn er ab und zu bei Zaides zaghaften Übungen zuschaute, sie setzte geschmeidig wie eine Katze ihre feinen Füße auf das Seil, doch Ouahid hatte sofort begriffen, dass sie noch viel lernen musste, um eines Tages in der Arena zwischen all den atemberaubenden Darbietungen der Künstler auftreten wollte. Ihm war ebenfalls bald aufgefallen, dass sie nie ein Wort sprach obwohl es geschehen konnte, dass sie aus vollem Herzen lachte und ihre Stimme dabei wie ein klarer Bach klang. Ouahid hatte in seinem Leben solche Gewässer wohl noch nie mit eigenen Augen gesehen, aber davon in Geschichten und Erzählungen gehört.

Der strenge aber gutmütige Direktor Salim hatte eine weise Entscheidung getroffen, den Straßenjungen in seine Truppe als Helfer aufzunehmen, denn bald war von ihm beschlossen worden, die Stadt Damaskus zu verlassen und eine lange Reise mit seinem Zirkus anzutreten.
Am Abend vor der Abreise wärmte er seinen dicken Bauch an einem angenehmen Feuer und wartete auf den Pfefferminztee, welchen Ouahid ihm zubereitete. Er genoss das süße, anregende Getränk welches der Junge ihm in einem schönen Glas gereicht hatte und spürte, dass Ouahid mindestens eine Frage auf der Zunge brannte.
Ouahid war keine schüchterne Natur und fragte Salim mit aller Höflichkeit:“ Wie kommt es, dass die Seiltänzerin Zaide nie ein Wort spricht? Außerdem nehmt Ihr sie in Eurer Truppe mit, obwohl sie noch lange nicht so weit ist, um mit Euren Künstlern in die Arena zu treten – aber ich denke, sie verfügt über ein großes Talent …“
Salim nickte langsam und nahm sich schlürfend einen Schluck von dem dampfenden Tee.
„Du hast Recht, mein Junge, die junge Zaide verfügt wahrhaftig über eine außerordentliche Gabe. Ich bin im Zirkus aufgewachsen und habe die besten Künstler aus der ganzen Welt gesehen. Glaube mir, ich kann erkennen, wenn etwas in einem Menschen steckt, denn um in die Arena zu treten braucht man nicht nur viel Talent, sondern auch Mut und Fleiß. Eines Tages wird Zaide ihre Nummer vor ihrem Publikum ausführen und einen tosenden Applaus ernten, daraufhin wird sich das schönste Lächeln auf ihr Gesicht zaubern, was sich ein Mensch auf dieser Welt vorstellen kann.“
Ouahid hob überrascht die Augenbrauen, denn er hatte nicht erwartet, Salim auf diese Art von der geheimnisvollen Zaide reden zu hören. Er hockte sich neben das Feuer, umschlang seine langen, dünnen Beine mit den Armen und wartete ab, bis Salim sein Glas ausgetrunken hatte. Fürsorglich schenkte er ihn aus der kleinen, silbernen Kanne nach und hoffte, der Direktor würde mehr von Zaide erzählen.
Salim nahm dankbar den Tee entgegen, trank einen kleinen Schluck davon und wischte sich mit dem flachen Handrücken über den Mund.
„Wenn du wissen willst, warum Zaide kein Wort spricht, werde ich dir eine Geschichte erzählen, wenn du dafür nicht zu müde bist.“, schlug er seinem Gehilfen vor, woraufhin Ouahid rasch den Kopf schüttelte, und dankbar Augen und Ohren aufsperrte.
Salim setzte sich bequem auf seinem breiten Kissen zurecht, räusperte sich und begann:

„Es war einmal ein mächtiger Sultan, namens Agib von Damaskus, der sich alles in seinem Leben leisten konnte, was er sich nur wünschte. Mit seiner Weisheit und Güte war es dem mächtigen Herrscher gelungen, der Stadt und seinem Land Frieden und Reichtum zu erhalten, er wurde von seinen Untertanen und Nachbarn hoch geschätzt und verehrt. Sein Palast war von unbeschreiblicher Schönheit und seine Gärten eine Augenweide für jeden, der sich darin aufhalten durfte. Er hatte eine wunderschöne Tochter, die Prinzessin Dinarzade, welche er über alle Kostbarkeiten dieser Welt liebte und sich so um sie sorgte, wie jeder andere liebende Vater. Agib konnte in seiner Weitsicht und Klugheit jeden Wunsch aus Dinarzades Augen lesen, bevor sie diesen auch äußern brauchte. Kein Stoff war zu kostbar für ihre Kleider, kein Edelstein zu selten, um ihr eine Freude zu bereiten. In seinen traumhaften Gärten hatte er außerordentliche Springbrunnen angelegt und jeden Abend um neun Uhr ließ er die prächtigsten Wasserspiele ablaufen, welche die Menschheit je zu Gesicht bekommen hatte. Er kaufte die schönsten Vögel aus entfernten Ländern und exotische Tiere, um seiner Tochter ein Lächeln zu entlocken. Denn das war der einzige Schatten im Leben des mächtigen Sultans Agib, seine Tochter lachte nie.
Sie war mit ihrer ernsten, stillen Schönheit geboren worden, gehorsam und klug eine Freude für die besten Lehrer im Königreich gewesen, aber sie hatte noch nie in ihrem Leben gelacht. Selbst als kleines Mädchen war ihr kein Lachen entschlüpft, man stelle sich vor, wie traurig und kalt der wunderbare Palast erscheinen konnte, wenn dort nie ein Kindelachen zu hören war.

Die Jahre verstrichen und die bedrückende Stille gehörte zum Leben des Sultans und seinem Hof dazu. Dinarzade war von sehr angenehmer Unterhaltung und kannte die Dichter und Philosophen des Landes. Sie war zu einer höflichen, gut erzogenen jungen Frau herangewachsen und füllte ihre Rolle als Prinzessen bis zur Perfektion aus.
Nie entschlüpfte ihr ein zorniges Wort ihren Dienern und Kammerzofen gegenüber aus, doch Agib hätte sich gewünscht, seine Tochter sei doch ein klein wenig liederlicher, wenn sie nur ab und zu lachen würde.

Agib von Damaskus war gealtert und wusste, dass er sich endlich um die Hochzeit seiner Tochter kümmern müsste. Mit ihrer strengen Schönheit würde sie eine kluge Frau am Hofe sein, denn jeder Wesir schätzte ihre Meinung.
So kam Agib in seiner Verzweiflung als besorgter Vater zu einer merkwürdigen Entscheidung. Er beschloss im gesamten Königreich verkünden zu lassen, dass der Mann seine Tochter heiraten würde, welcher sie wenigstens einmal zum Lachen bringen würde. Selbst wenn dieser Mensch nach Agibs Tod Sultan von Damaskus werden sollte. Allerdings war diese Angebot nicht ohne Gefahr für die zukünftigen Freier, denn jeder, der die Prinzessin Dinarzade verärgern oder gar langweilen sollte, würde dafür mit seinem Leben bezahlen.
Es schien als würden sich die friedlichen Jahre in Damaskus und in ganz Syrien zum Ende neigen, denn eine solche Entscheidung ähnelte gar nicht dem sonst so gütigen und weisen Sultan.
Agib wich aber nicht davon ab und ließ einen mutigen Mann nach dem anderen vorsprechen. Gaukler, Dichter, Sänger, Schauspieler und Musikanten standen über Tage und Wochen Schlange vor dem Palast, um eingelassen zu werden und ihr Glück zu versuchen.
Dinarzade wusste nichts von der Entscheidung ihres Vaters und wollte nicht mehr als drei Darbietungen am Tag sehen. Sie hörte aufmerksam zu, doch langweilte sich wie sonst auch in ihrem Leben. Niemand konnte vom lang erwarteten Lachen der Prinzessin auch nur träumen.

Die Verzweiflung des großen Sultans war nur noch größer geworden, denn er empfand die Morde der unschuldigen, begabten Männer selbst als ungerecht und wünschte sich umso dringender das Lachen seiner Tochter, um dem Abschlachten ein Ende bereiten zu können.
An einem Tag kam sein höchstangesehener Wesir, um mit dem Sultan zu sprechen, denn er wollte ihm jemanden vorstellen. Er hatte die Bekanntschaft mit Mehdi, dem reichsten Händler aus Damaskus gemacht. Mehdi hatte sein Leben lang hart gearbeitet und besaß unzählige Karawanen und Reichtümer. Auch dieser Mann hatte von den Freiern der Prinzessin gehört und wollte dem Sultan etwas vorschlagen.
„Soll ich richtig verstehen, dass der alte Mehdi um die Hand meiner Tochter anhalten möchte?“, brummte der Sultan unzufrieden, doch sein Wesir hob beschwichtigend die Hand.
„Eure Majestät, wir sollten uns doch seinen Vorschlag anhören, denn offenbar hat Mehdi einen Plan. Wer kann sich schon vorstellen, dass so ein Händler die Prinzessin zum Lachen bringen kann? Vielleicht mag ihm sein Plan gelingen und wir brauchen keine unschuldigen Träumer mehr zu köpfen.“, sprach der Wesir mit sanfter Stimme und Agib überlegte. Mit einem müden Seufzer willigte der Sultan ein, sich anzuhören, was Mehdi ihm vorzuschlagen habe.

Der Händler Mehdi hatte sich prächtig gekleidet, was seinen krummen Rücken und seine hagere Gestalt nicht verbergen konnte. Selbst sein aufwendiger Turban täuschte kaum über seine unschönen Narben im Gesicht hinweg. Stolz und unbeirrbar schritt Mehdi durch den Palast, um mit dem Sultan zu sprechen. Agib war entsetzt als er Mehdi schließlich zu Gesicht bekam, denn so hatte er sich nicht den zukünftigen Ehemann für seine Tochter vorgestellt.
Offenbar war sich Mehdi seine Erscheinung durchaus bewusst, denn er sprach offen und direkt aus, was er dem großen Herrscher zu unterbreiten hatte.  Kaum hatte er sich von seiner tiefen Verbeugung wieder aufgerichtet, begann er zu sprechen:“Eure Majestät, ich habe es versäumt, im Laufe meines miserablen Lebens mich um Frau und Kinder zu kümmern. Die Geschäfte haben mich durch die verschiedensten Länder geführt und ich weiß Eure Weisheit und Güte zu Eurem Königreich zu schätzen. Bis heute ist es keinem Mann gelungen, Eurer bezaubernden Tochter ein Lachen zu entlocken also möchte ich mein Glück versuchen. Dabei werde ich mich so diskret wie nur denkbar verhalten. Lasst Dinarzade wissen, dass ein Zirkus nur für sie seine Darbietungen vorführen möchte.“
„Ein Zirkus?“, fragte Agib und richtete sich auf seinem unbequemen Thron auf. „Was ist denn ein Zirkus?“ Mehdi lächelte mit falscher Bescheidenheit und erklärte:
„Eure Majestät, ein Zirkus ist eine Sammlung der besten Künstler, Akrobaten und Dresseure von wilden Tieren auf der ganzen Welt. Hier handelt es sich nicht nur um irgendwelche Straßengaukler, sondern ein Spektakel von atemberaubenden Darbietungen. Außerdem werden ihre Kunststücke von Musikanten und Tänzerinnen begleitet.
Werter, allmächtiger Sultan, ich  bin kaum jünger als Ihr selbst, mein Leben ist mir nicht mehr viel wert. Nehmt mein Angebot ruhig an, ihr werdet einen unvergesslichen Abend verbringen und wenn die Prinzessin nicht lachen sollte, werde ich mit Freude und Würde in den Tod gehen.“
Agib blickte seinen Wesir fragend an, welcher zustimmend und zurückhaltend die Augen senkte.
„Meine Tochter soll also nicht wissen, von wem sie diese Darbietung geschenkt bekam?“, wollte der Sultan wissen.
„Nein, Eure Majestät.“
„Dinarzade wird diesen Abend an meiner Seite verbringen und du wirst aus einem Versteck beobachten, ob dein Zirkus ihr ein Lachen schenken wird oder nicht.“
„So ist es, Eure Majestät.“
„Nun denn, lasst Euren Zirkus kommen …“
Mehdi verbeugte sich so tief, dass sein Turban fast den Boden berührt und trippelte aufgeregten Schrittes aus dem königlichen Empfangssaal.
„Majestät, Ihr habt eine sehr weise Entscheidung getroffen.“, murmelte sein Wesir, doch Agib winkte besorgt mit seiner Hand, damit man ihn in Ruhe ließe.

Dinarzade folgte am nächsten Abend ihrem Vater in den Garten, wo sich der Zirkus ausgebreitet hatte. Eine kreisrunde Piste mit einem geräumigen Käfig, bunte Fahnen wehten im Abendwind, Fackeln spendeten geheimnisvolles Licht und die Musik erfüllte die warme Luft.
Kaum hatte die Prinzessin, der Sultan und der Wesir Platz genommen, wurden riesige Tiger in den Käfig eingelassen, gefolgt von prächtigen Löwen, ein mutiger Mann mit stählernen Blick trat in den Käfig und befahl den wundervollen Raubkatzen, durch brennende Reifen zu springen, sich auf die Hinterbeine zu stellen und ihr beeindruckenden Zähne zu zeigen. Dinarzade war beeindruckt, sogar ein wenig beängstig von dieser ungewöhnlichen Darbietung und sie griff nach der Hand ihres Vaters.
Als die Vorstellung der Raubkatzen beendet war, wurde der Käfig unter Begleitung von lustiger Musik, anmutigen Tänzerinnen und wilden Jongleuren abgebaut. Anschließend folgten die ungehaltenen Reiter aus den fernen Steppen mit ihren prächtigen Pferden. Der Prinzessin Dinarzade blieb der Atem stocken, denn sie hatte dergleichen noch nie gesehen.“

„Aber Salim! Das waren die Nummern aus Eurem Zirkus!“, platzte Ouahid plötzlich ungehalten in die Erzählung des Direktors und senkte augenblicklich beschämt seinen Blick, denn wer durfte es sich erlauben, so eine Erzählung zu unterbrechen Sofort beeilte er sich, Salim etwas von dem heißen Tee nachzuschenken.
„Verzeiht, werter Salim, wie geht es weiter? Hat die Prinzessin gelacht?“, murmelte Ouahid und hockte sich wieder an seinen Platz. Salim rückte seinen dicken Bauch zurecht und machte es sich erneut auf seinem Kissen bequem.
„Ja, mein Junge, das hört sich ganz so an als seien es die Künstler aus meinem Zirkus. Und was folgt den Reitern der Steppe?“, fuhr Salim fort.
„Die Zwillinge!“, rief Ouahid freudig.
„Die beiden Männer, Ali und Ali, die so kräftig sind, das sie allein mit ihren Körpern und ihrem akrobatischen Können die erstaunlichsten Formen darstellen können.“
Salim nickte zufrieden und nahm seine Geschichte wieder auf:

„In Damaskus schickte es sich natürlich nicht, einer jungen Frau wie der Prinzessin Dinarzade die Körper der Zwillinge Ali und Ali darzubieten und ihr Vater, der Sultan war sehr überrascht. Seine Tochter allerdings beobachtete mit größtem Interesse die zauberhafte Nummer der zwei jungen Männer. Ihr Gesicht entspannte sich allmählich und sie hob ihre zarten Hände, um zu applaudieren als die Nummer beendet war. Die Akrobaten Ali und Ali wurden von den Elefanten abgelöst, welche elegant und mächtig ihre Kunststücke vorführten, gefolgt von Dromedaren, Lamas und sogar Zebras. Die Jongleure und die Akrobaten wurden von Dinarzade mit eifrigem Applaus belohnt. Allein der Anblick der possierlichen Tiere hatte ein Lächeln auf ihre Lippen gezaubert. Als endlich die Spaßmacher ihre Darbietung mit den Wassereimern vorführten, einer war tollpatschiger als der andere und scheinbar wollte keinem von ihnen ein Streich gelingen, bis sie sich vereint entschlossen, mit einem gefüllten Eimer in die Richtung des Sultans und der Prinzessin zu rennen, um ihn über sie zu ergießen. Ein überraschter Schrei entfuhr Agib und Dinarzade, denn mit so etwas konnten sie nicht rechnen. Doch der Eimer war nicht mit Wasser sondern mit bunten Federn und funkelnden Pailletten gefüllt. Unter dem bunten Regen dieser sanften Überraschung mussten der Sultan Agib und seine Tochter mit einem Mal laut loslachen. Agib konnte seinen Augen und seinen Ohren kaum trauen, er nahm seine lachende Tochter in die Arme, Tränen der Freude rollten über seine Wangen und war erleichtert wie lange nicht mehr in seinem Leben.

Mit einer großen Parade und wundervoller Musik tanzten anschließend die Künstler durcheinander durch die Arena, verneigten sich vor dem Sultan und seiner Tochter bevor sie sich verabschiedeten.
Dinarzade sprang begeistert auf, lachte und klatschte in die Hände als ihr der betrübte Blick ihres Vaters auffiel. Denn es war dem alten Mehdi gelungen, die Prinzessin zum Lachen zu bringen.
Noch am folgenden Tag sollte die bevorstehende Hochzeit in der Stadt angekündigt werden.

Dinarzade konnte die Worte ihres Vaters nicht glauben als sie hören musste, was es mit all den aufheiternden Darbietungen der talentierten Männer und dem Zirkus auf sich hatte. Sie wurde bleich als sie die Bekanntschaft ihres zukünftigen Ehemannes machen musste, aber die Entscheidung des Sultans war gefallen und als seine Tochter und Prinzessin von Damaskus musste sie sich den Gesetzen und Anordnungen seine Majestät fügen.
Eine Woche war die ganze Stadt mit den Vorbereitungen der Hochzeit von Mehdi und Dinarzade beschäftigt. Der zukünftige Gebieter der Prinzessin sollte in Prunk und Pracht dem Volk präsentiert werden.
Am Tag der Hochzeit zog sich eine unvorstellbar lange Parade zu Ehren Mehdis durch die Stadt, geschmückte Rösser mit stolzen Allüren, imposante Elefanten, fein geputzte Kamele, Musikanten, Tänzerinnen und Feuerspucker folgten einander, um den reichsten Händler und den zukünftigen Gatten der Prinzessin ins richtige Licht zu stellen. Das Volk war von der amüsanten Abwechslung begeistert und jubelte dem alten Händler zu. Niemand störte sich mehr an seinem krummen Rücken und jeder fühlte sich geehrt, wenn er die Hand zum Gruß der frohlockenden Menge hob.
Im Palast wurden nur die feinsten Speisen serviert, in jeden Saal spielten Musikanten und tanzten bezaubernde Tänzerinnen, um über die Trauer des Sultans hinweg zu täuschen.
Um Mitternacht erleuchtete ein gigantisches Feuerwerk den Himmel über Damaskus und Mehdi konnte sich endlich von seinen Gästen verabschieden, um das Hochzeitszimmer und seine junge Braut aufzusuchen, doch da musste er seine größte Enttäuschung seit eh erleben, denn das Zimmer war leer. Niemand war anwesend, Dinarzade war entschwunden.
Wutentbrannt und zornig wie ein verletzter Tiger ordnete der gekränkte Mehdi mit der Unterstützung des besorgten Sultans den Soldaten des Palastes an, die verlorene Braut zu finden.“

Diese Geschichte hatte Ouahid völlig in den Bann gerissen und er brauchte eine kleine Weile, um seine eigenen Worte wiederzufinden, als Salim‘s Erzählung beendet war. Sein drittes Glas Tee war leer und sein Blick verlor sich in den Flammen.
„Werter Salim, warum habt Ihr mir die Geschichte von der verdorbenen Hochzeit des reichen Händlers erzählt als ich Euch fragte, warum Zaide nie ein Wort sprach, obwohl sie so eine schöne Stimme hat…?“, wagte sich Ouahid mit vorsichtigen Worten zu fragen.
„Nun, es war Mehdi, der mir das nötige Geld gegeben hat, womit ich meinem Zirkus erlauben kann, durch ganz Syrien zu reisen. Es bleibt uns noch genug, damit wir uns bis in die Türkei wagen können. Mein junger Freund, du hast noch soviel vom Rest der Welt zu sehen.“
Salim nahm einen Stock zur Hilfe, um in der Glut des kleiner werdenden Feuers herumzustochern, dass die Funken stoben. Augenblicklich erhob sich Ouahid und legte wortlos etwas Holz nach.
„Wer hat dir deinen Namen gegeben, mein Junge?“, fragte Salim schließlich als gäbe es nichts zu seiner Geschichte hinzu zu fügen. Enttäuscht zuckte Ouahid mit den Schultern und antwortete gehorsam:“ Niemand, geehrter Salim, ich habe ihn mir selbst ausgesucht …“
Salim nickte schmunzelnd und sprach:“Das dachte ich mir – für Zaide ist es nicht anders. Wenige Tage nach unserer Aufführung im Palast des großen Sultans Agib stand die unbekannte Schönheit namens Zaide in unserem Lager und wollte sich als Seiltänzerin unserer Truppe anschließen. Wir haben in ihre die Prinzessin Dinarzade erkannt, aber jeder respektiert ihren Wunsch, sich bei uns vor den Soldaten des Sultans zu verbergen.“
Der junge Mann kratzte sich nachdenklich am Kopf, denn er hatte seine Bedenken, ob Zaide wirklich so gut zwischen den Zirkusleuten versteckt sei, aber offensichtlich machte sich Salim deshalb keine Sorgen.
„Eines ist sicher, mit ihrem Talent wird sie eine ganz besondere Seiltänzerin werden. Der Applaus des Publikum wird sie zum Lachen bringen und das wird eine neue Geschichte…“

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