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Neubeginn


 
 
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wallenstein
Eselsohr
W

Alter: 61
Beiträge: 331
Wohnort: Duisburg


W
Beitrag07.05.2010 13:17
Neubeginn
von wallenstein
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Hallo ihr,

nach einem Jahr (ein Jahr geht schnell vorüber!) habe ich mit dem eBay-Krimi neu angefangen.
Ihr erinnert euch an die Diskussion?
Wenn nicht, ist auch nicht schlimm.
Was ist in einem Jahr passiert?

Ich habe versucht mit Hilfe der Poetik von der Erzählung weg zur feineren Prosa zu finden. Das klingt arg schwülstig, ich weiß, und für mein Empfinden ist der Text auch schwülstiger geworden, aber mir gefällt der neue Stil ausgesprochen.

Bleibt zu hoffen, dass er euch auch gefällt.
Über euer Feedback freue ich mich Smile


Zitat:
Der Schlüssel passte nicht. Oder er passte nicht richtig.
Hinter der Haustür im Innern waren Stimmen zu hören, die Stimme einer Frau und die eines Kindes. Sie zankten: „Scheiße, dass du nicht einmal hören kannst!“ Das Kind lachte und die Stimme der Frau wurde böse. „Ich habe gesagt, pass auf deine Jacke auf. Aber was machst du? Verlierst sie auf dem Spielplatz!“ Dann war es still. Peer drehte wieder den Schlüssel, ruckelte am Schloss, halb hinein, halb heraus zog er den Schlüssel und wandte den Kopf nach hinten.
Sein Hals war steif, verdammt steif. Ich komme nur so weit, dass ich den Oberarm sehe, die Schultern sehe ich nicht. Ich muss mit Chewbakker reden, sagte er sich, im nächsten Moment schob er die Idee fort: Ich bin nicht länger nur Körper. Er hob den Arm, klopfte gegen das Glas der Türscheibe. Ins Halbdunkel jenseits des Glases schaute er. Ich schaue, sagte er, ich kann schauen, ich bin dem gewachsen, ich – oh, mitten in die Gedanken platze die Stimme der Frau, noch lauter, noch böser: „Die Scheiß Kamera ist kaputt gegangen, die kostet mindestens zweitausend Euro, weißt du das?“
Peer ließ den Arm sinken, zwang seinen Kopf über die Dehnung des Halses weit nach hinten, noch weiter, noch weiter.
Die verdrehten Augen stoppten vor den Stufen, dem Hausaufgang und der Holzrampe, auf der Chewbakker ihn nach oben gebracht hatte. Vergiss es, sagte er sich, und nun, nachdem er den Weg nach vorne angetreten war, wandte er den Kopf wieder zur Haustür. Er sah zur Klingel und entdeckte seinen Namen zuunterst. Ich wohne hier, he, alter Knabe, ich wohne hier! Er legte den Finger auf den runden Knopf, erregt, und ... Idiot. Wer soll dir wohl aufmachen? Wut überkam ihn, er drückte die Knöpfe gleichzeitig, alle, von unten nach oben und so beherzt, dass die Stimmen jenseits der Tür verstummten.
Was jetzt? Wo waren sie jetzt? Warum rannte das Kind nicht zur Tür?
Peer rieb sich die Brauen, ein Klack war zu hören, ein Klack, dann: „Kannst du mal drücken, du da außen?“ – Was? Er hatte Recht gehabt, das Kind stand auf der anderen Seite und öffnete, die schwere Tür stemmte es gegen den Körper.
Er schob sich hinein, schnell, und versuchte alles mit einem einzigen kurzen Blick zu erfassen. Gegenüber war der Treppenhausaufgang, dahinter ein dunkler Gang und zur rechten und zur linken je eine Wohnungstür. Das Kind schoss hinter ihm hervor, die Tür fiel ins Schloss. Er machte einen Satz und es herrschte Stille.
„Wer ist da?“
Mein Gott, hast du erwartet, dass jemand dir die Zimmer deiner Wohnung vorführt, dass jemand dir sagt, wo du deine Wäsche einsortierst und dir zeigt, wie die Klospülung funktioniert? Sie haben dir die Rampe hingesetzt, Chewbakker hat dich hochgebracht, jetzt bist du hier, zuhause. Willkommen alter Knabe. Willkommen in der Welt außerhalb der Anstalt.
Doch Angst kam hoch. Die Halswirbel schmerzten. Er blickte gegen die Wand des Treppenhauses, sie war mit khakifarbener Ölfarbe getüncht, weiter oben bildete ein dottergelber Saum den Rand des Farbabsatzes und ein weißes Loch starrte ihn an. Feiner Putz rieselte heraus, auf die blanken schmutzigen Holzbohlen. Er hob den Blick zur Decke, sah auf verstaubte Spinnweben. Komisch, dachte er, komisch, dass man ausgerechnet mir – im selben Moment schossen zwei Gedanken gleichzeitig durch seinen Kopf. Eine Putzfrau müsste man haben, ja, und der andere Gedanke war weitaus bedrückender: bei all dem Dreck wird der Geruch von Urin und Kot nicht weiter auffallen.
„Sergio, oh mein Gott, oh, oh, bin ich froh, dass es nicht mein Mann ist“, kam die Frauenstimme an sein Ohr und endlich sah er sie.
Sie war groß. Groß, meine Güte, er grinste. Waren sie seit dem 17. April nicht alle groß? Er musste die Augen senken, weil er ihr genau auf den Schritt sah und sein Blick wanderte hinab, den Wollrock hinunter zu den Fußknöcheln, zu hochhackigen Stiefeletten, dann von den Beinen wieder hinauf. Die Bluse, ein feiner Stoff, stellte er fest, sorgsam gebügelt, chic und warm, und die Haare der Frau waren kurz, elegant und von teurer Hand geschnitten. Ihre Wangen streifte – wie sie mit geneigtem Kopf auf ihn herabsah – ein goldglänzender Reif, vom Ohr bis zur Schulter und ein feiner Duft von Chanel oder Chider, was auch immer es war, es belegte den Muff des kalten Treppenhauses, aufdringlich und zugleich beschwichtigend. Als er guten Tag sagte, ruhten seine Augen wieder genau auf der Stelle, an der der Zwickel ihrer Strumpfhose sich zeigte – so kurz war der Rock.
„Wer bist du?“ fragte sie.
Er hob langsam den Blick. Die Arme des Jungen umklammerten das Bein seiner Mutter, als müsse er sie vor dem Fremden beschützen.
„Ich, ich“ stammelte er, er drehte sich, brachte Oberkörper und Hals genau dorthin, wo die Schulter ihn nicht weiter ließ und verdrehte die Augen auf die Wohnungstür gegenüber. „Ich bin Ihr neuer Nachbar.“

„Okay“, sagte sie. Sie zog das Okay so in die Länge, dass es klang, als wäre überhaupt nichts okay. „Also gut!“ Sie sah ihn forsch an. „Ich heiße Janina.“ Doch anstatt ihm die Hand hinzustrecken, verschränkte sie die Arme vor der Brust.
Das Kind löste sich von ihrer Seite, hüpfte an das Fensterchen, auf Zehenspitzen blickte es zur Haustür hinaus.
Peer hielt noch immer den Schlüssel in der Hand und betrachtete ihn. „Nun, ich will dann mal in meine Wohnung“, sagte er.
„Oh ja“, ereiferte Janina sich, „letzte Woche war hier ein Trubel, sie kamen mit Umzugskisten, es war eine Spedition, drei Männer trugen Möbel und Kartons in die Wohnung. Ich habe mich schon gefragt, wer da einzieht, aber ich konnte nicht ahnen, dass da ein ...“
„Was? Dass ein Behinderter einzieht?“ Er drehte den Rolli.
„Nein, warte!“
Er hielt inne, sie zögerte. „Was ich sagen will, wenn du Hilfe brauchst, ich meine, wollen wir nicht du sagen?
„Ich komme schon zurecht.“ Er legte die Hand auf die Griffreifen und drehte sich mit einem Ruck weg. „Da ist noch eine Kleinigkeit“, sagte er und machte eine Pause, damit sie wusste, dass er nicht zu sich, sondern mit ihr sprach.
„Ja?“, fragte sie.
„Der Schlüssel der Haustür, warum passt er nicht?“
„Oh, ja –“ sie eilte zu dem Fensterchen und nahm ihr Kind an die Hand. „Das hatte ich vergessen. Meiner steckt von innen. Wenn der Schlüssel von innen steckt, kann man von außen nicht aufschließen, so einfach ist das.“ Sie schwieg, Peer spürte, dass sie nervös war. – „Ich konnte nicht ahnen, außerdem hatte ich Angst, dass Sergio, mein Mann –“
Peer hob den Schlüssel und brachte ihn gegen das Schloss seiner Tür. Das Kind sprang herbei. „Ich helfe dir, ich zeig dir, wie das geht.“ Es quetschte sich zwischen Rollstuhl und Tür, fingerte und ruckelte an dem Schlüssel. Die Tür öffnete sich.
Peer blickte auf. Ja, die Türrahmen sind breit genug, stellte er fest.


(wer vergleichen will, die alte Prosa findet sich hier)

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Gast







Beitrag12.05.2010 10:21

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo Elke,

schient, als würde sich niemand an deine Arbeit heran trauen, also werde ich mich deiner Zeilen mal annehmen. Vorab, dein Erzählstil während des ersten Versuchs war geschmeidig und völlig in Ordnung. Lediglich die damals an den Tag gelegte Detailverliebtheit hätte ein bisschen zurück gefahren werden müssen, schon hätte es gepasst. Dein Experiment hat dem Stück m.E. lschon sehr geschadet. Zur Analyse reichen die ersten Absätze.

Bevor es zur Technik geht, schau dir bitte mal die farbig gepaarten Worte des ersten Absatzes an. Sie sprechen für sich. Zusätzlich habe ich sie durch Letter hervor gehoben:

Zitat:
Der Schlüssel PASSTE NICHT. Oder er PASSTE NICHT richtig.
Hinter der Haustür im Innern waren STIMMEN zu hören, die STIMME einer FRAU und die eines KINDES. Sie zankten: „Scheiße, dass du nicht einmal hören kannst!“ Das KIND lachte und die Stimme der FRAU wurde böse. „Ich habe gesagt, pass auf deine Jacke auf. Aber was machst du? Verlierst sie auf dem Spielplatz!“ Dann war es still. Peer drehte wieder den SCHLÜSSEL, ruckelte am Schloss, HALB hinein, HALB heraus zog er den SCHLÜSSEL und wandte den Kopf nach hinten.
Sein Hals war STEIF, verdammt STEIF. ICH komme nur so weit, dass ICH den Oberarm SEHE, die Schultern SEHE ICH nicht. ICH muss mit Chewbakker reden, sagte er sich, im nächsten Moment schob er die Idee fort: ICH bin nicht länger nur Körper. Er hob den Arm, klopfte gegen das GLAS der Türscheibe. Ins Halbdunkel jenseits des GLASES SCHAUTE er. Ich SCHAUE, sagte er, [color=darkblue]ICH[/color] kann SCHAUEN, ICH bin dem gewachsen, ICH – oh, mitten in die Gedanken platze die STIMME der FRAU, noch lauter, noch böser: „Die Scheiß Kamera ist kaputt gegangen, die kostet mindestens zweitausend Euro, weißt du das?“
Peer ließ den Arm sinken, zwang seinen Kopf über die Dehnung des Halses WEIT nach hinten, NOCH WEITER, NOCH WEITER.



Die Wiederholungen sind schlicht unschön und halten die gefühlte Zeit an. Auch technisch und inhaltlich finden sich im ersten Abschnitt einige Problemchen. Noch mal denselben Abschnitt, ohne Hervorhebungen.


Zitat:
Der Schlüssel passte nicht. Oder er passte nicht richtig.



hier setzt du zu spät an. Scheint, als wäre der Prota zum ersten Mal außerhalb der Klinik. Somit dürften seine Ängste schon vorher aufgestiegen sein. Ich bekam kein Bild, also keine rechte Vorstellung davon, in welche Art Haus er möchte.

Zitat:
Hinter der Haustür im Innern waren Stimmen zu hören, die Stimme einer Frau und die eines Kindes. Sie zankten: „Scheiße, dass du nicht einmal hören kannst!“ Das Kind lachte und die Stimme der Frau wurde böse. „Ich habe gesagt, pass auf deine Jacke auf. Aber was machst du? Verlierst sie auf dem Spielplatz!“ Dann war es still.


Direkt hinter der Tür? Die, wie später zu lesen, mit Glas gefüllt scheint. Demnach bestünde (auch im Fall des wahrscheinlichen Butzenglases) ein indirekter Sichtkontakt zwischen Peer und den Kontrahenten. Er ruckelt und klappert am Schloss herum. In solcher Situation und Nähe bleibt er unbemerkt?

Du hast die Stimme der Frau personifiziert. Eine Stimme kann anschwellen oder auch zorniger klingen. Zorniger werden, kann sie nicht, wohl aber die Frau.
„Das Kind“ als Neutrum, keine gute Wahl. Präziser, Bub oder Mädel.


Zitat:
Peer drehte wieder den Schlüssel, ruckelte am Schloss, halb hinein, halb heraus zog er den Schlüssel und wandte den Kopf nach hinten.


Er schiebt den Schlüssel halb hinein und zieht ihn halb (also die Hälfte der Hälfte) wieder raus? Der Schlüssel will halt nichts ins Schloss. Warum so verdreht und detailliert? Der Leser hat doch bereits zweifach serviert bekommen, dass er nicht passt. Warum er den Kopf drehte, erschließt sich mir nicht. Dazu wären ein paar Worte hilfreich gewesen. Sei es, weil er vorwärts nicht nahe genug an die Tür kommt?

Zitat:
Sein Hals war steif, verdammt steif. Ich komme nur so weit, dass ich den Oberarm sehe, die Schultern sehe ich nicht. Ich muss mit Chewbakker reden, sagte er sich, im nächsten Moment schob er die Idee fort: Ich bin nicht länger nur Körper. Er hob den Arm, klopfte gegen das Glas der Türscheibe. Ins Halbdunkel jenseits des Glases schaute er. Ich schaue, sagte er, ich kann schauen, ich bin dem gewachsen, ich – oh, mitten in die Gedanken platze die Stimme der Frau, noch lauter, noch böser: „Die Scheiß Kamera ist kaputt gegangen, die kostet mindestens zweitausend Euro, weißt du das?“
Peer ließ den Arm sinken, zwang seinen Kopf über die Dehnung des Halses weit nach hinten, noch weiter, noch weiter.


Was darf der Leser erwarten? Das der Hals bricht? Der Kopf abfällt? Warum ist der steife Hals so wichtig? Er erzielt keine Wirkung. Soll er das, sollte er von der Handlung los gelöst erwähnt werden. Insofern, dass er halt gerade unter der zusätzlichen Erschwernis leidet.

Der weitere obere Text erschüttert deinen Erzählerstandort. Du erweckst den Eindruck zur Erzählung in der ersten Person geschwenkt zu sein, dem „Ich-Erzähler“. Verursacht hast du das durch die fehlende, ordnungsgemäße Interpunktierung. die Komponenten: Handlung, Bericht und narrative Zusammenfassung verschmelzen unheilvoll und man könnte jedes beliebige Wort VOR dem „sagte er“ zum Dialog oder Gedanken hinzu rechnen. Zum Ende des Abschnitts, noch mal der Hals. Die Situation, und somit das Bild, ist dennoch nicht klar aufgekommen und die gefühlte Zeit kommt nicht auf.




Zitat:
Die verdrehten Augen stoppten vor den Stufen, dem Hausaufgang und der Holzrampe, auf der Chewbakker ihn nach oben gebracht hatte. Vergiss es, sagte er sich, und nun, nachdem er den Weg nach vorne angetreten war, wandte er den Kopf wieder zur Haustür. Er sah zur Klingel und entdeckte seinen Namen zuunterst. Ich wohne hier, he, alter Knabe, ich wohne hier! Er legte den Finger auf den runden Knopf, erregt, und ... Idiot. Wer soll dir wohl aufmachen? Wut überkam ihn, er drückte die Knöpfe gleichzeitig, alle, von unten nach oben und so beherzt, dass die Stimmen jenseits der Tür verstummten.



Hier agieren die Augen des Mannes selbstständig? Örtlich bin ich verwirrt. Stand er nicht vor einer Wohnungstür? Da gäbe es aber kaum viele Klingeln. Demnach stritten die Personen im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses? Die Holzrampe wirft Fragen auf. War es schon immer ein barrierefreies Haus oder wurde die Rampe für ihn aufgestellt? Interessant ist diese Frage, weil die Frau später offenbar vom Zuzug eines Behinderten überrascht wird. Insgesamt bringt Peers Monolog nichts rüber, als das Erstarren der Zeit. Mir scheint, du willst zu viel in zu kurzer Strecke unter bringen. Die Leser müssen nicht nach nur drei Absätzen ein vollkommenes Bild von Peers Situation bekommen. Meinem Gefühl nach, wäre es authentischer rüber gekommen, wenn du seinen „ersten“ Heimweg, nach der Klinik, nebst einiger Ängste eingebracht hättest.


Meine Vorschläge:

Werde präziser, fahre die Details ein Stück weit zurück.

Beispiel:

nicht gut: Peer hebt den Arm und schob den Schlüssel ins Schloss.

besser: Peer bekam den Schlüssel nur halb ins Schloss ...
 / dass er dabei den Arm hob oder streckte, versteht sich von selbst.

nicht gut: Peer hob langsam den Blick, um irgendwo hin zu schauen.

Sie war aufregend gekleidet und er hätte gern geschaut, traute sich aber nicht? Finde eine Möglichkeit den Konflikt ohne Erklärung rüber zu  bringen. Je nach Intention: z.B. könnte ihm bewusst werden, auf was er künftig ggf. verzichten muss. Der reizvolle Anblick im Augenwinkel könnte z.B. die Konzentration auf das Gegenüber stören.

Achte auf deinen Erzählerstandort. Auch später, während des Dialoges mit der Frau, kam in mir das Gefühl auf, du würdest von Satz zu Satz mal hinter ihr, mal hinter ihm stehen. Verzichte auf Einzelgesten, sofern ihnen keine Bedeutungen  zu kommen. Das kann in Krimis bedeutsam werden. Deshalb, und des Zeitenflusses wegen, wäre es besser den inflationären Gebrauch zu meiden.

Wiederholungen vermitteln dem Leser rasch das Gefühl unterschätzt zu werden, und halten leider auch die Zeit an. Wie Anfangs erwähnt, war dein Erzählstil m.E. völlig in Ordnung. Nur die Detailverliebtheit und unnötige Gesten zurück fahren, schon hätte es gepasst. Nun geht mir die Zeit aus. Vielleicht hilft dir das ein Stück weit.

Grüße
Bobbi
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wallenstein
Eselsohr
W

Alter: 61
Beiträge: 331
Wohnort: Duisburg


W
Beitrag12.05.2010 11:54

von wallenstein
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Hallo Bobbi,

besten Dank für deine Arbeit an meine Text Smile

Momentan bin ich verunsichert, wohin der Stil sich entwickeln soll. Mir waren auf einmal Action-Plots und dieses zwanghafte Geschichten-Erzählen-Müssen zuwider. Natürlich will ich auch schon erzählen, aber nicht unter diesem spürbaren Vorsatz.

Die Idee ist, einen Protagonisten zu schaffen, der aus einem eingeengten Blickfeld wahrnimmt und erzählt. Ich dachte, dazu gehören die Wortwiederholungen, weil sein Blick aufs eine, dann aufs andere schweift und an den Details haften bleibt.

Nun will ich auf keinen Fall die Leser abturnen oder unterschätzen, wie du schreibst. Sie sollen ja nicht mit ihm in die Behinderung gezogen waren!

Einerseits ...

Ich interpretiere deine Analyse als den Wunsch, ich solle mehr Erzählpragmatismus an den Tag legen, aber eben diesen wollte ich auch zurückfahren. Hm ... das heißt, ich werde deine Anregungen erst einmal überprüfen und schauen, wohin sie mich bringen. Auf ein paar Details lässt sich wirklich verzichten und, ja, du hast recht: den Schlüssel ins Schloss stecken impliziert das Armanheben.

In Zukunft möchte ich weniger personal erzählen -- also lieber (wie du empfohlen hast) Janinas wörtliche Rede als subjektiv von ihm empfunden darstellen. ich dachte, dies wäre bereits im Ansatz gelungen, aber wenn der Dialog noch wie ein personales Pingpongspiel daherkommt, will ich das wohl ändern!

Was meinst du mit "Mir scheint, du willst zu viel in zu kurzer Strecke unter bringen" auf der einen Seite und weiter unten mit "Sie war aufregend gekleidet und er hätte gern geschaut, traute sich aber nicht? Finde eine Möglichkeit ..."? Hier rätst du oben, weniger auf der kurzen Strecke unterbringen zu wollen, willst dann aber weiter unten einen Konflikt mehr ausgeleuchtet wissen? Demnach stimmt die Gewichtung nicht?

ich überlege, die ganze Geschichte aus Peers (Innen)sicht vorzutragen, aber das wird vielleicht zu klaustrophobisch eng und, wer weiß, vielleicht nerven dann diese oder jene Details.

Hach, schwierig, das Sad

Danke für deine Anmerkungen, sie sind auf jeden Fall hilfreich und ich werde sie beim Überarbeiten mit berücksichtigen.

Herzliche Grüße,
von Elke
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Murmel
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Beitrag12.05.2010 14:27

von Murmel
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Du hast mich mal als Techniker abgetan, daher weiß ich gar nicht so recht, wie ich dir helfen soll.

Mehr Emotionen machen den Unterschied zwischen dieser und der vorherigen Version aus. Was du aber dabei vergessen hast, ist, dass sich Leser zuerst zurecht finden muss, bevor er sich in die Prosa engagieren kann. Er möchte wissen, wessen Geschichte er in dieser Szene erzählt bekommt.

Du fängst mit einem merkwürdigen Satzgebilde an, der verwirrt. Im zweiten Satz schwenkst du sofort auf die Charakterisierung der Janina, obwohl wir vom Erzähler Zero wissen, wir wissen nicht, wer er ist, wo er ist, und was mit ihm los ist, werden aber sofort mit dieser schrecklichen Janina beworfen. Peter weiß, das aber alles und du enthältst uns sein Wissen vor.

Stell dir einen Film vor. Deine Worte müssen die Augen des Lesers ersetzen, nicht nur seine Ohren und seinen Mund. Die Möglichkeit Gedanken zu zeigen ist der Vorteil des Buches, aber das Sehen ist und bleibt der Hauptsinn des Menschen.

Rhetorische Elemente sind hervorragend geeignet, um Emotionen zu erhöhen, aber vorher muss der Leser eine Chance haben, zu wissen woran er ist.

Murmels Meinung


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Gast







Beitrag12.05.2010 15:48

von Gast
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Hallo Elke,

ich rolle das Feld mal von hinten auf, weil sich aus der Richtung unser Konsens eher abzeichnet, und weil ich diese Hinweise zwar im Sinn hatte, aber aus zeitlichen Gründen nicht unter bekommen habe.

Die Idee, Peers Geschichte intern zu erzählen, ist so schlecht nicht, wenn du sein Inneres nach Außen krempeln möchtest. Wäre ich unter Umständen auch so angegangen. Allerdings erzählst du eh aus schon aus interner Perspektive, nur halt in dritter Person. Zu bedenken wäre, ob du die Geschichte nicht eventuell zu arg emotional belastest. Die Charakterentwicklung könnte dennoch stärker werden.

Mit zu viel, auf zu kurzer Strecke, meine ich: in mir entstand der Eindruck, als hättest du versucht Peer innerhalb der wenigen Zeilen näher zu bringen, als es möglich wäre -, ohne jedoch den Schlenker über die Entlassung aus der Klinik aufzugreifen. Selbstverständlich vorausgesetzt, dass sie zeitnah stattgefunden hat. Es könnte interessant werden, zu erfahren, wie sich ein Mensch fühlt, der verunfallt eingeliefert und mit dieser Behinderung entlassen wird. Der Moment, in dem er zum ersten Mal allein auf die nun veränderte Welt losgelassen wird. Allerdings schließt sich hier der Kreis in sofern, als dass die Gefahr bestehen könnte, dass du zu hart hin langst. Also zu sehr in sein Inneres abtauchst und die tragende Handlung ins Hintertreffen gerät. Es ist ohne weiteres möglich sein Zustand, seine Gefühle in Form von Reaktionen auf sein Umfeld dar zu stellen.

Im übrigen könnte die erst kürzlich verlorene Mobilität ein prima Bindeglied für die Entscheidung zum E-Bay-Handel sein. Wer viel sitzt (sitzen muss) ist vor dem PC gut aufgehoben. In diesem Sinne meine ich das. Ein Grund mehr, die Geschichte an einem markanten Punkt aufzugreifen. Da böte sich das Ende eines Patient-Psychologen Gesprächs, wenige Minuten vor der Entlassung geradezu an. Aber halt nur der Teil, wo der Doktor ihm ein letztes Mal Mut zu spricht. Dieses Vorgehen erspart dir eine Menge Erklärungen und die Geschichte kann dahin fließen.

Was meine Aufforderung angeht, einen Weg zu finden, seinen inneren Konflikt anders darzustellen, bezog sich einzig auf die Situation im Treppenhaus (?), wo er der aufreizend gekleideten Frau gegenüber steht. Es gibt so viele Möglichkeiten verstohlene Blicke hervor zu heben. Dazu braucht es aber das Wissen über seinen inneren Zustand. Und den kennst nur du.

Innere Monologe sollten nicht zu lang und nicht zu schwermütig sein. Sie belasten den Textfluss und engen die Möglichkeiten, den inneren Konflikt auszuarbeiten, stark ein. zig Seiten Jammerei geht beim besten Willen nicht, wohl aber die Reaktionen aus der Situation heraus. Ein Mann in den besten Jahren, gerade im Rollstuhl gelandet, bietet reichlich Munition, um seinen inneren Konflikt darzustellen, ohne ihn direkt aufzugreifen. Reagiert er z.B. aggressiv, könnte ihn ein alter Bekannter auf die Veränderung ansprechen, oder gar harsch angehen. Sinnvoll ist dafür das Clustern. Was konnte er vor dem Unfall, was jetzt nicht mehr geht? Schon entsteht ein schlüssiges Verhaltensmuster. Maßstab bist du. Im Zweifel besorge dir eine Rolli und versuche eine Weile so klar zu kommen. Dann wirst du schnell drauf kommen, wie er sich fühlen dürfte.

Was die Erzählpragmatik angeht, halte ich den Begriff für unpassend. Jeder wird sich irgendwann entscheiden müssen, ob er für andere schreibt, oder für sich. Schreibt er für andere, wird er das rechte Maß an Infos finden müssen, um ein unbelastetes, flüssiges Kopfkino zu ermöglichen. Jedes Abschweifen, jeder Widerspruch und jedes unklare Bild belastet das Lesevergnügen. Ganz vorne weg die Widersprüche und das Abschweifen. Beides produzierte parallele Gedankengänge und zieht so Aufmerksamkeit der Leserschaft ab. Krimiautoren wissen das. Es gehört zu jenen Stilmitteln, deren Nutzung einiges an Geschick und Erfahrung benötigt. Kurzum, jeder nach seinem Gutdünken. Es gibt nichts dagegen zu sagen, wenn jemand einen experimentellen Weg vor zieht, um was auch immer zu finden. Es braucht nur etwas Willen und eine hohe Frustgrenze. Vor allem, wenn man die experimentelle Phase mit einem Projekt verbindet, das einem am Herzen liegt. Es könnte dabei auf der Strecke bleiben. Dennoch, ich drücke dir die Daumen…  Daumen hoch

Grüße
Bobbi
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