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Nemo Klammeraffe
Alter: 38 Beiträge: 963 Wohnort: Dresden
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03.05.2010 19:17 Des Flusses fünftes Kind von Nemo
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Als der Vater durch den Flur brauste, glaubte Til, ein Sturmwind sei ins Haus eingebrochen. Und weil der Wind alles wusste, und vor seinen Augen alles zitterte, Äste, Katzenfelle, Hüte und Röcke, weil man sich festhalten musste, um nicht fortgerissen zu werden, umklammerte der Junge das Bein des Küchentischs. Vater weiß, dass ich im großen Fluss geschwommen bin. Vater ist der Sturmwind. Eine Hand donnerte auf Til nieder. „Weißt du, wie viele Kinder ertrunken sind im großen Fluss?! Eins, zwei, drei, vier!“ Und jedes Kind brannte auf Tils Ohren, der große Fluss aus seinen Augen. „Der Ungehorsam ist dir wohl ein toller Spaß!“, brüllte der Wind. Dabei war’s das Schwimmen, das Til Freude machte. Alles kann Vater sehen, nur nicht den Unterschied.
Der Sturm verflog. Til blieb rot und aufgewühlt zurück. Endlich ließ er das Tischbein los und taumelte aus dem Haus. Die Mutter zog im Garten Maulwurfsfallen aus Rasenlöchern. Wie Erdklumpen klemmten die Tiere mit gebrochenem Genick in den Zangen. Til rannte zum Ufer, wo er Steine in den Fluss schleuderte: einen für jedes Kind. „Eins, zwei, drei, vier!“ Dann spuckte er hinein und hoffte, die toten Kinder zu treffen, deren wegen er nicht schwimmen durfte, den Fluss, der sie ertränkt hatte, und den Vater, den wütenden Sturm.
Da sah Til in der Dampfer-Fahrtrinne ein rotes Kleidchen, das zur Julisonne empor schrie. Zwei Arme spritzten Glitzer auf, ein Kopf wippte, ein Rachen gurgelte. Til überlegte, ob er hineinspringen sollte. Doch auf seinen Wangen glühten noch Vaters Hände, der ganze Kopf schwoll ihm von diesem Glühen, sodass ihm schwindelig wurde. Er kniete sich hin, drückte die Hände in das Kieselufer, als halte er sich daran fest. Keinen Anlass sollte der Sturmwind bekommen, ihn fünfmal zu treffen. Bald darauf fiel die Sonne und platze auf der Kirchturmspitze.
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*Gast* Klammeraffe
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Beiträge: 504 Wohnort: Rheinland-Pfalz
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* 03.05.2010 22:12
von *Gast*
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Fiese Geschichte, sehr gut geschrieben. Der letzte Satz mit der Sonne, der behagt mir nicht so ganz. Aber sonst klasse!
LG
Sabine
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BlueNote Stimme der Vernunft
Beiträge: 7304 Wohnort: NBY
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03.05.2010 23:33
von BlueNote
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Faszinierend!
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anuphti Trostkeks
Alter: 58 Beiträge: 4320 Wohnort: Isarstrand
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03.05.2010 23:57
von anuphti
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hmm, zwiespältige Gefühle gegenüber diesem Text.
Sprachlich interessant.....
Aber trotzdem packt es mich irgendwie nicht, obwohl ich nicht fest machen kann, warum nicht.
5 Federn
_________________ Pronomen: sie/ihr
Learn from the mistakes of others. You don´t live long enough to make all of them yourself. (Eleanor Roosevelt)
You don´t have to fight to live as you wish; live as you wish and pay whatever price is required. (Richard Bach) |
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gepuzzelt Eselsohr
G
Beiträge: 289 Wohnort: Australien
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G 04.05.2010 00:01
von gepuzzelt
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Diese Geschichte gefällt mir ausnehmend.
Großartig: "Alles kann Vater sehen, nur nicht den Unterschied. "
Die Beschreibungen sind plastisch und lassen ungewöhnliche Bilder im Kopf entstehen.
Schön geschrieben.
puzz
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Dienstwerk Reißwolf
Alter: 55 Beiträge: 1254 Wohnort: Gera/Markkleeberg
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04.05.2010 00:47
von Dienstwerk
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Grandios!!!
Woher ich diesen Schreibstil wohl kenne?
Ich werde es sicher bald erfahren.
LG, Ana
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Alogius Kinnbeber
Alter: 47 Beiträge: 3206
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04.05.2010 10:30
von Alogius
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Hallo,
sehr interessant, sehr ungewöhnlich. Kann nur sagen: gefällt!
Lg
Tom
(Ich werte, weil Wettbewerb, etwas strenger als sonst. Der Kommentar ist relativ kurz gehalten, und meine Federung setzt sich zusammen aus: Sprache und Stil, Inhalt, Umsetzung der Aufgabe, eventuelle Fehler. Falls später Fragen sind, kommentiere ich gern ausführlicher.)
_________________ Aus einem Traum:
Entsetzter Gartenzwerg: Es gibt immer noch ein nullteres Fußballfeld. Wir werden viele Evolutionen verpassen.
Busfahrer: Tröste dich. Mit etwas Glück sehen wir den Tentakel des Yankeespielers, wie er den Ereignishorizont des Schwarzen Loches verlässt. |
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Andrea F. Leseratte
A
Beiträge: 154 Wohnort: München
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A 04.05.2010 19:26
von Andrea F.
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Gefällt mir im Prinzip sehr gut, toller Stil, muss aber gestehen, dass ich mit dem Schluss nicht zurecht komme. Aus dem Titel würde ich schließen, dass das fünfte Kind auch ein Opfer des Flusses wird, auch daraus, dass Til die Hände ins Kieselufer drückt, um sich festzuhalten.
Dieser Satz verwirrt mich dann aber.
Keinen Anlass sollte der Sturmwind bekommen, ihn fünfmal zu treffen.Damit Til aber das nächste Mal nicht fünf Ohrfeigen bekommt, müsste er das Mädchen aber doch retten.
Sorry, aber da komme ich jetzt grad nicht weiter.
LG
Andrea
_________________ Lesen ist in einer immer schneller lebenden Welt die einzige Methode der Verlangsamung. |
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Gabi Reißwolf
Alter: 53 Beiträge: 1216 Wohnort: Köln
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04.05.2010 19:41
von Gabi
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Das Unverständnis des Kindes gegenüber der Sorge des Vaters ist in dieser Geschichte sehr schön heraus gearbeitet worden. Auch der Vergleich mit dem Sturmwind gefällt mir.
Ich hätte ein wenig die wörtliche Rede herausgesetzt, aber ansonsten gefällt es mir.
L.G.
Gabi
_________________ "Das hier ist mein Dach und mein Tag!" (Oma Thea macht die Fliege) |
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pripri Eselsohr
Alter: 51 Beiträge: 281 Wohnort: Schweiz (Zürich)
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04.05.2010 22:08
von pripri
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Wow! Mehr fällt mir dazu echt nicht ein.
Sehr gerne gelesen!!
lg pripri
_________________ -Das Herz des Sternenbringers - März 2014 (Thienemann)
-Die Herrscher von Dhaleth/Der Feueropal - August 2014 (Thienemann)
-TBN - Frühjahr 2017 (Droemer/Knaur) |
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Gast
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04.05.2010 23:16
von Gast
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Hallo lieber Wettbewerbsteilnehmer,
aus Gründen der Übersichtlichkeit gibt's von mir dieses Mal auch ein Bewertungsschema, allerdings ohne Angabe der Federnanzahl - die ändere ich erfahrungsgemäß garantiert noch ein paarmal...
Stil und Sprache: Gefällt mir gut. NUr an einer Stelle bin ich unsicher: "deren wegen"... Passt das wirklich? Ich hätte "derentwegen" verwendet, da spukt mir Duden dann "wegen deren" als Synonym aus... Lässt mich auf jeden Fall stolpern, diese Formulierung.
Idee: Gefällt mir eigentlich uneingeschränkt, allerdings komme ich mit dem letzten Satz nicht klar. Versteh' ich nicht und bitte um Aufklärung.
Fazit: Insgesamt sehr gut, auch wenn ich durch den letzten Satz mal wieder glaube, nicht komplett dahinterzusteigen...
LG,
Soraya
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Dienstwerk Reißwolf
Alter: 55 Beiträge: 1254 Wohnort: Gera/Markkleeberg
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05.05.2010 00:38
von Dienstwerk
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Ich nochmal!
Nachdem ich all meine Favoriten wiederholt gelesen, gegeneinander abgewägt und miteinander verglichen habe, bleibe ich bei meiner anfänglichen Überzeugung, das dies für mich der beste und kraftvollste Text des ganzen Wettbewerbs ist und die Höchstpunktzahl verdient hat.
Ja gut, sprachlich gibt es kleine Ungereimtheiten (da sind andere Texte geringfügig besser), einige Wiederholung könnte man noch ausmerzen, ein paar Adjektive austauschen und dem Schlusssatz einen Tick mehr Bezug verleihen, aber in der Quintessenz hat diese kleine Geschichte eine rundum stimmige Dramatik bis hin zum Höhepunkt und eine Aussagekraft, die mich in geballter Form gepackt hat.
Bravo!
Ich hoffe, die KG kommt ganz weit nach oben.
LG, Ana
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Sir Charles Blackwood Gast
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05.05.2010 07:12
von Sir Charles Blackwood
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Gut, flüssig und dramatisch geschrieben. Kann ich nur loben!
Viele Grüße
Sir Charles Blackwood
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lupus Bücherwurm
Alter: 56 Beiträge: 3913 Wohnort: wien
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05.05.2010 16:17
von lupus
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Zitat: | Dann spuckte er hinein und hoffte, die toten Kinder zu treffen, deren wegen er nicht schwimmen durfte, den Fluss, der sie ertränkt hatte, und den Vater, den wütenden Sturm. |
da fehlt irgendwie der bezug oder er will den Fluss treffen uind den VAter. Wobei: treffen (Begegnen oder mit der Spucke treffen?)
Der Satz holpert.
ansonsten: sehr schön erzählt, aber es springt keine Funke über. Alle Beteiligten bleiben leblos, farblos (selbst der rote Til). Zero feeling.
der letzte Satz gefällt mir gar nicht.. Der Zusammenhang will mir nicht klar werden. Wenn die fallende Sonne irgendwas versinnbildlichen soll --> was? Wenn es einfach nur zeigen soll, das sie untergeht (??) zu dick aufgetragen. Das 'platzen' find ich nicht schön, zum Rest würde sprachlich eher 'bersten' passen.
_________________ lg Wolfgang
gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben
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"Ich bin leicht zu verführen. Da muss nur ein fremder Mann herkommen, mir eine Eiskugel kaufen und schon liebe ich ihn, da bin ich recht naiv. " (c) by Hubi |
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Scritoressa Graue Hexe
Alter: 29 Beiträge: 686
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05.05.2010 16:32
von Scritoressa
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hm ja...
hallo anonym.
ich finde den TExt eigentlich gut, aber das mit dem gurgelnden Rachen und der fallenden und platzenden Sonne gefällt mir nicht. Das Ende ist krass aber irgendwie passend. Für eine REttungsaktion wäre auch nicht genug Platz gewesen...
_________________ Better to have loved and lost but to have never loved at all. |
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mondblume Reißwolf
Alter: 45 Beiträge: 1138 Wohnort: Costa Brava
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05.05.2010 21:54
von mondblume
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Sprache 1A, die Metapher mit dem Sturmwind sehr schön - ich seh ihn richtig vor mir, den Vater, wie er durch das Haus braust. Dass Til dem ertrinkenden Kind nicht hilft, um sich nicht wieder dem Zorn des Vaters auszusetzen, zeigt, wie sehr er sich vor ihm fürchtet.
Zitat: | Bald darauf fiel die Sonne und platzte auf der Kirchturmspitze. |
Der letzte Satz wirkt auf mich fehl am Platz.
Der Bezug zum Thema ist mir nicht ganz klar. Das Bild scheint ziemlich eindeutig ein stehendes Gewässer zu zeigen, keinen Fluss.
_________________ Die Frau des Spatzen
Die Spanien-Saga:
Wir sind für die Ewigkeit - Hoffnung
Wir sind für die Ewigkeit - Erinnerung
Wir sind für die Ewigkeit - Berührung
Dort, wo die Feuer brennen (Tolino Media Newcomerpreis 2022) |
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Bananenfischin Show-don't-Tellefant
Moderatorin
Beiträge: 5333 Wohnort: NRW
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06.05.2010 10:18
von Bananenfischin
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Toll. Wunderbare Sätze, wie z.B.:
Zitat: | Und jedes Kind brannte auf Tils Ohren |
Zitat: | Alles kann Vater sehen, nur nicht den Unterschied. |
Zitat: | Bald darauf fiel die Sonne und platze auf der Kirchturmspitze. |
Kritikpunkt auf hohem Niveau:
Zitat: | Dann spuckte er hinein und hoffte, die toten Kinder zu treffen, deren wegen er nicht schwimmen durfte, den Fluss, der sie ertränkt hatte, und den Vater, den wütenden Sturm. |
Der Fluss und die Kinder können tatsächlich - letztere zumindest in der Vorstellung des Jungen - getroffen werden, der Vater, der eigentlich gemeint ist, nur symbolisch. Darum hätte ich den Teil mit dem Vater vom Rest abgesetzt bzw. anders formuliert.
Trotzdem mein Favorit.
_________________ Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge
Aktuelles Buch: Geliebte Orlando. Virginia Woolf und Vita Sackville-West: Eine Leidenschaft
I assure you, all my novels were first rate before they were written. (Virginia Woolf) |
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derSibirier Reißwolf
D
Beiträge: 1250
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D 06.05.2010 17:18
von derSibirier
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Handwerklich sehr gut. Inhalt gut. Thema gut umgesetzt.
derSibirier
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Aknaib Klammeraffe
Alter: 64 Beiträge: 740 Wohnort: Dresden
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08.05.2010 12:09
von Aknaib
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Hallo Autor,
für ein umfassendes Kommentieren sind es zu viele Geschichten.
Entscheidend ist für mich: Erkenne ich eine Bezug zum Thema? Ist der Text für mich verständlich? Ich möchte auf eine klare oder subtile Weise unterhalten werden. Ist das Ende offen und der Autor hat es damit geschafft, meiner Phantasie freien Raum zu geben umso besser.
Konnte ich keinen Bezug zum Thema erkennen, habe ich von vornherein nur ein oder zwei Punkte vergeben. Insgesamt habe ich zwischen 1 bis 8 Punkten verteilt. Wobei ich 7 und 8 Punkte jeweils ein einziges Mal vergeben habe.
Zu deinem Text:
Der Bezug zum Thema ist für mich vorhanden.
Die Idee und deren Umsetzung gefallen mir. Die sprachliche Gestaltung ist sehr bildlich gelungen.
Was mich einzig stört ist:
Wozu die Mutter mit den Maulwürfen? Was für sich skurril- böse wirkt, jedoch für mich keinen Bezug zum Rest der Handlung darstellt.
Statt des letzten Satzes, eine Brücke zu den Maulwürfen zu schlagen, würde mehr Sinn machen.
Grüße von Bianka
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Nihil { }
Moderator Alter: 34 Beiträge: 6039
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08.05.2010 13:01
von Nihil
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Liebe/r Autor/in von „Des Flusses fünftes Kind“,
dies waren die Kriterien, die meine Bewertung beeinflusst haben:
1) Umgang mit dem vorgegebenen Thema
(Einfallsreichtum, Bedeutung für die Geschichte, Einbindung in den Kontext)
2) Dramaturgie
(ansprechender und sinnvoller Titel, Organisation der Handlung, Spannung)
3) Form und Sprache
(Rechtschreib- und Grammatikfehler, Wortschatz, stringenter Stil, Perspektive)
4) Fazit
(Vergleich mit anderen Einsendungen, persönliche Meinung)
Ganz sicher weiß ich nicht, was in deiner Geschichte passiert. Am Anfang wird Til von seinem Vater geschlagen, weil er trotz des Verbotes im Fluss geschwommen ist. Danach kehrt Til an den See zurück und sieht ein weiteres Kind ertrinken. Er überlegt, ob er es retten soll, lässt es aber aus Angst vor weiteren Schlägen sterben. Wenn das der richtige Ablauf ist, bin ich von der Idee zwiegespalten. Einerseits finde ich sie gut, weil wohl alle Eltern Angst haben, dass ihre Kinder ertrinken, vor allem bei einem etwas wilderen Fluss. Dass Til dann jedoch zufällig ein weiteres Kind ertrinken sieht, das anscheinend völlig allein, also ohne Freunde und Familie, dort war und dann auch noch nichts unternimmt, um es zu retten, wirkt auf mich erzwungen spannend und tragisch. Der arme Junge im Dilemma zwischen weiteren Schlägen und seinem schlechten Gewissen. Er hätte doch auch einfach losrennen und z.B. seinem Vater Bescheid sagen können. Kein Kind ist so abgebrüht, dass es in einer solchen Situation einfach am Ufer stehen bleiben würde.
Allerdings zeigst du sehr deutlichen Themenbezug, was ein Pluspunkt ist, da man deutlich erkennt, dass deine Geschichte aus dem Bild heraus entwickelt wurde. Deshalb wirkt das Thema See in deiner Geschichte natürlich sehr stimmig und nicht einfach nur eingebaut, weil es die Vorgabe war.
Als ich deinen Titel zuerst gelesen habe, hätte ich eine Art Märchen oder Mythos erwartet. Das liegt zum Einen an der Metapher „Kind des Flusses“, was mich an Nymphen und Ähnliches hat denken lassen, zum anderen an der Genitiv-Umstellung, die man aus Grimmschen Zeiten gewöhnt ist. Es folgt jedoch ein schon ziemlich kalter und grausamer Text, der aber, wie ich wegen der Sprache vermute, vielleicht doch als etwas Ähnliches geplant war. Mit einem Märchen hat es jedoch trotzden nichts zu tun. Deshalb lenkt der Titel auf eine falsche Fährte, was mir weniger gefallen hat, obwohl ich ihn anfangs spannend fand.
Am Anfang der Geschichte inszenierst du den Vater als schrecklichen Richter, der seinen Sohn verprügelt, weil dieser im Fluss geschwommen ist. Man erfährt hier gleich die Informationen, die man braucht, um Tils Zwiespalt am Ende (annähernd) zu verstehen. Im zweiten Teil läuft Til zum Fluss und wünscht sich, den toten Kindern zu begegnen. Die Beweggründe kann man nur erahnen, vermutlich will er sich an ihnen für seine Strafe rächen. Dass er trotz des Verbotes gleich wieder zum See läuft, wo er doch vorher noch solche Angst hatte, dass er sich ans Tischbein klammern musste, finde ich nicht logisch. Wahrscheinlicher wäre doch, dass Til sich erstmal auf sein Zimmer verzieht und den See meidet. Dann erkennt er dort aber tatsächlich ein weiteres Kind, das anscheinend im Begriff ist unterzugehen. Plötzlich spürt er den Schmerz in seinen Wangen so sehr, dass er nahezu ohnmächtig wird. Hier frage ich mich, warum diese Reaktion so verzögert kommt. Hätte er nicht schon am Anfang zusammenbrechen müssen, wenn der Vater ihn so brutal schlägt? Dass ihn allein die Erinnerung an die Schmerzen in die Knie zwingen könnte, halte ich für unwahrscheinlich. Ebenso wie seine Entscheidung, still am Ufer zu bleiben und das Kind ertrinken zu lassen. Deine Plot-Punkte reihen sich für meinen Geschmack leider etwas erzwungen und plakativ aneinander und sorgen eher für Unverständnis als für Spannung.
Deine Sprache erscheint mir, wie oben schon erwähnt, an Märchen und alte Sagen angelehnt. Leider triffst du keinen typischen Märchenerzählerton, sondern verwendest einen gekünstelten, uneigenen Stil. Hinzu kommen teilweise Ungenauigkeiten, die mich stören:
Zitat: | Til blieb rot und aufgewühlt zurück. |
Die Beschreibung „Til war rot“ kann sich auf seine Kleidung, seine geröteten Wangen, sein blutendes Gesicht und sogar auf seine Haarfarbe beziehen. Im Kontext wird zwar klar, was nicht gemeint sein kann, aber ob er blutet oder nicht, hätte ich gerne genauer gewusst.
Zitat: | Eine Hand donnerte auf Til nieder. |
Weil Til am Boden kniet, hatte ich hier das Bild vor Augen, dass der Vater ihn mit der flachen Hand auf den Kopf schlägt, eben wegen des Höhenunterschieds und weil Til am Tischbein klammert.
Zitat: | Und jedes Kind brannte auf Tils Ohren, der große Fluss aus seinen Augen. |
Das ist so eine typische Stelle, die aufgesetzt sprachgewaltig klingt. Man weiß zwar, dass die Kinder eine Metapher für die Schläge sein sollen, aber dass die Kinder in seinem Gesicht brannten, klingt sehr, sehr seltsam. Ob der Vater wirklich auf die Ohren geschlagen hat, kann natürlich sein, aber auch eine Ohrfeige trifft eigentlich die Wange. Dass der große Fluss, den Til so liebt, aus seinen Augen fließt, finde ich als ironische Bemerkung sehr nett. Aber gleichzeitig schwingt darin ein unangenehmer Pathos mit und außerdem ist das sprachlich ungenau, denn der Fluss brannte ja aus seinen Augen. Da wäre strömen oder fließen besser gewesen.
Diese „Unechtheit“ deiner Sprache zieht sich leider durch den ganzen Text.
Zitat: | „Der Ungehorsam ist dir wohl ein toller Spaß!“, brüllte der Wind. |
Die wörtliche Rede des Vaters ist von authentischer Sprache leider sehr weit entfernt. Ich habe oben schon angemerkt, dass ich in dieser Geschichte kein Märchen sehe. Und selbst wenn es eines wäre, würde ich diese Stelle wegen ihrer Künstlichkeit bemängeln. Außerdem treibst du die Windmetapher ein bisschen zu weit, dafür dass sie relativ nahe liegt.
Trotzdem gibt es auch ein paar Stellen, die mir sprachlich gefallen haben, wie etwa:
Zitat: | Und weil der Wind alles wusste, und vor seinen Augen alles zitterte, Äste, Katzenfelle, Hüte und Röcke, weil man sich festhalten musste, um nicht fortgerissen zu werden, umklammerte der Junge das Bein des Küchentischs. |
Vor allem die Verbindung mit
Zitat: | Alles kann Vater sehen, nur nicht den Unterschied. |
finde ich das stark.
Dein Text ist gewissermaßen ein Anti-Märchen, das dennoch versucht, sich einer altertümlichen Sprache zu bedienen. Ich mag zwar düstere Texte, aber deine Handlung kann ich so nicht nachvollziehen, mir fehlt an den wichtigen Stellen die Motivation. Im Vergleich zu anderen Texten ist dieser hier leider einer der schlechteren. Es tut mir Leid, aber durchschnittlich gut ist er in meinen Augen nicht mehr.
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4295
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08.05.2010 14:03
von hobbes
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Hui, die Geschichte trifft mich. So real und glaubwürdig und entsetzlich. Der arme Kerl.
Und der Titel ist auch gut. Lockte mich erst mal auf die falsche Fährte.
Einzig die Passage mit der Mutter find ich unnötig. Dass es in der Familie mit der (friedlichen) Liebe nicht weit her ist, habe ich auch so mitbekommen.
_________________ Don't play what's there, play what's not there.
Miles Davis |
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Tamar Leseratte
Beiträge: 123
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08.05.2010 17:27
von Tamar
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Wow, sehr gute, eindrucks volle Geschichte. Der letzte Satz ist für mich überflüssig. Der Höhepunkt ist im Satz vorher drin
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