|
|
Autor |
Nachricht |
Nitsirk Idrav Gänsefüßchen
Beiträge: 42 Wohnort: Wien
|
10.04.2010 14:46 Rock Button Motel von Nitsirk Idrav
|
|
|
Francois erkannte „Wenn es immer nur Sonnenschein gäbe, könnten wir das Gute nicht vom Faden unterscheiden.“ Ich entgegnete „Naja, wir haben die Nacht um zu unterscheiden.“ - „Die Nacht trennt nur die Schlafenden von den Wachen“ - „Also?“ -“Also, ich will wissen, wann meine Erinnerung beginnt und wo sie aufhört. Sonst werde ich noch verrückt.“ sagte Francois. Wir saßen nebeneinander auf einer Mauer und schwangen unsere Beine hin und her. Ich versuchte seinen Rhythmus zu finden, aber sobald wir im Gleichklang waren, störte Francois und schwang seine Beine gegen meine. „Ich versuche mit dir eine Harmonie herzustellen aber du bist immer auf Konfrontation aus!“ Er gab zu „Stimmt. Das stimmt. Es tut mir leid.“ - „Schau, eines Tages, wenn ich richtig alt bin, werde ich sagen ´keine Entschuldigungen mehr!´. Ich werde das zu jedem sagen, der mir mit Entschuldigungen kommt. Zunächst werden sie mich dumm nennen, verrückt oder einfach zu alt. Aber irgendwann wird ein Automatismus in ihrem Kopf beginnen. Das ist, was ich will. Jedes Mal wenn sie sich vor sich selbst entschuldigen, erscheint dann meine Stimme in ihrem Kopf. Und dann beginnen sie nachzudenken, bevor sie handeln und dann wird es hier fortan weniger Kränkungen geben.“
Francois fragte „Wie alt willst du sein, wenn du damit beginnst?“ „Ich denke, wenn ich siebzig bin.“ Francois überlegte „und was machen wir bis dahin? Wir können nicht die ganze Zeit rauchen und trinken. Die Leute würden es Zeitverschwendung nennen. Sogar ich würde es eine Zeitverschwendung nennen.“ „Ja, rauchen und trinken allein schafft noch keine Erinnerung. Erinnerung... Das ist es, worum es im Leben eigentlich geht, richtig? Wenn es am Ende keine Erinnerung gibt, gab es kein Leben.“ - „Stimmt, ich sehe ständig Leute, die ihr Leben aus Trägheit schonen. Ich mache das selbst oft, wenn ich faul bin.“ dachte Francois laut. Ich gab zu Bedenken „Ein träges Leben kann sehr alt werden“ und Francois schrie „ein träges Leben bringt dich um! Welchen Wert hat das denn? Ein träges langes Leben! Ich bin nicht mehr daran interessiert, du kannst es haben!“ - „Was soll ich damit, Idiot! Lass uns leben, von jetzt an und bis zum Schluss!“ Und dann lachten wir und trommelten uns gegenseitig mit den Fäusten auf die Rücken.
Sonntags trafen sich hier die Menschen unter den Sonnenschirmen des Cafés und erzählten einander über die vergangene Woche. Francois bedauerte mit so vielen Frauen geschlafen zu haben und dann schlief er an meiner Schulter ein. Wir saßen nebeneinander auf der Bank am Fenster des Cafés, wir hatten Kakao bestellt und viel Wasser. Er schlief mit seinen Armen um meinen Oberkörper geschlungen, ich hatte ihm meine Mütze aufgesetzt. Wir waren gebräunt, verbrannt viel mehr, und wir waren wahnsinnig übermüdet. Ich roch nach Schweiß, an seinem Hemd fehlte wieder ein Knopf. An seinen Sachen fehlte immer ein Knopf oder es war irgendwo ein Loch drin. Der fehlende Knopf war jetzt egal. Es war auch egal, wie ich roch. Wir waren so weit gefahren. Vier Tage ohne Pause. Sie fragen immer, ob man in guten und in schlechten Zeiten zueinander halten würde. Vier schlaflose Tage waren eine schlechte Zeit und wir hielten noch immer zueinander. Das war es, was es zu beweisen galt. Ich hatte uns vom Parkplatz gestern früh um halb acht bis eben hier in das Café gebracht, nachdem Francois mehrfach auf die Mitte der Fahrbahn gefahren war. Dann musste ich ihn mit dem Arm stoßen und ihm auf die Brust schlagen. Francois wachte endlich auf und sagte „Ich mache doch nur Quatsch!“. Er wollte nicht, dass ich fuhr, seit meine Brille einen Bügel verloren hatte und mir ständig von der Nase glitt. Francois hatte Angst, aber er war schließlich so müde, dass es genügte ihm zu versprechen, einfach auf der richtigen Seite der Fahrbahn zu bleiben.
Nun saßen wir auf der weichen Bank des Kleinstadtcafés und hatten Sonnenbrand, rechts an meiner Schulter spürte ich das Gewicht Francois´ und links an mir lehnte ein alter Texaner. Der alte Mann hielt ein Telefon in seiner Hand, auch er schlief. Ich saß eingequetscht zwischen beiden und fühlte mich behaglich in der Enge. Ich war stolz auf Francois und legte meine Jacke über ihn. Als Francois aufwachte, sagte er, „Lass uns alles für Passover einkaufen! Ich habe Lust, es dieses Jahr ganz traditionell zu machen.“ Wir schlichen behäbig durch das Städtchen und suchten einen Supermarkt. Dort liefen wir langsam durch die einzelnen Abteilungen und nahmen all die Dinge aus den Regalen, die wir vielversprechend fanden. Es gab keine Eier. Nirgends. Ohne salzige Eier konnten wir kein richtiges Passover feiern. Also kauften wir ein Brot, Peanut Butter, Brownies, Spaghetti, ein Glas Pastasauce mit Vodkageschmack und eine Photographie vom Grand Canyon. Mit der Sonnenbrille die er gestohlen hatte, sah Francois aus wie Bob Dylan in dem berühmten Interview, in dem man ihn aufforderte, seine Brille in den Mund zu nehmen.
Als wir an der Kasse warteten, sagte ich „Komm, lass uns noch eine Schere mitnehmen und deinen Bart abschneiden.“ Wir nahmen eine Schere mit und außerdem noch einen billigen Photoapparat. Mit dem Apparat schossen wir nachher wahllos in alle Richtungen. In der Kleinstadt fielen wir auf. Es war uns nicht unangenehm. Francois sagte „schau, wie sie uns ansehen!“ - „Ja, wir erinnern sie an Filme“ sagte ich und hob eine Augenbraue. Francois lachte. Dann summte er eine Melodie und ich fragte, was das für eine Melodie war. Statt zu antworten, sagte er „Liebe allein erklärt nicht, was ich für dich fühle. Ich denke über ein neues Wort nach.“ Francois trug eine Bananenschale in der Hand. Er würde Abfall niemals einfach fallen lassen, er trug immer alles was er übrig hatte zu Abfalleimern. Andererseits zog er, bevor er zu Bett ging, alles was er am Körper trug aus und ließ es bis zum nächsten Morgen auf dem Boden im Staub liegen. Ich wunderte mich jedes Mal, wie er sich die eine und die andere Marotte angewöhnt hatte.
Am Abend in einer Badewanne irgendwo Texas lasen wir uns aus der Kinderbibel vor, die wir mitgenommen hatten. „Du schämst dich einfach nie“ warf er ein „das finde ich großartig! Ich weiß nicht, wie ich das nennen soll. Wie auch immer, du bist die Beste!“ Dann fragte er mich etwas und dann sangen wir. Wir hatten unsere Lieder die wir immer zusammen sangen. Ich dachte „Nachts trifft man für gewöhnlich Entscheidungen, die man zum Frühstück nie unterschreiben würde. Die Entscheidungen die Francois und ich Nachts treffen allerdings, haben auch am Morgen noch volle Gültigkeit.“ Ich willigte also ein, ihn zu heiraten.
In Seattle waren wir losgefahren, in Cincinnati trafen wir einen Verwandten von Ezra Pound, in Memphis schliefen wir bei einem alten Ehepaar, das sich am nächsten Morgen nicht mehr an uns erinnerte und in Louisiana aßen wir den besten Pancake aller Zeiten, in Florida hatten wir uns verbrannt, als uns das Benzin ausging und wir bis zur nächsten Tankstation laufen mussten. Seit dem Beginn unserer Reise waren drei Wochen vergangen. Jetzt waren wir fast in Mexiko. Es war Abend, Schlafenszeit. In einem Motel mit dem Namen „Rock Button“ blieben wir über Nacht.
Francois wachte am nächsten Morgen auf, während ich einen Sender im Radio suchte. Francois schwieg den ganzen Vormittag über. Ich ließ ihn schweigen. Dann ging ich Zigaretten kaufen. Als ich zurück kam, fand ich einen Zettel: „Rose, das hat nichts mit dem Leben zu tun. Wir gehen noch viel nachlässiger mit der Zeit um als unsere Nachbarn in Seattle, wir belügen uns selbst, wir stehlen, wir verschwenden die Tage und denken, das sei das Leben.“
Ich musste lachen. Ich dachte, sonst ist es doch immer anders herum. Der Mann geht Zigaretten kaufen und kommt nie mehr zurück. Ich setzte mich hin und rauchte. Ich dachte an die Hochzeit, an all die Versprechen und Liebesbeweise Francois´, an die Nacht in der wir uns Namen für die Babies ausdachten, ich dachte an die Worte auf der Mauer, mit denen unsere Reise begann. Ich dachte an unser erstes Gespräch vor sechs Jahren, als wir uns in der Eisbar begegnet waren, in der ich eigentlich mit meiner Großmutter verabredet war, die sich jedoch im Wochentag vertan hatte und mich sitzen gelassen hatte. Francois saß damals am Tisch mit Eiscreme in einer Waffel, er hielt die Waffel mit dem Eis fest, ohne daran zu schlecken. Das Eis lief bereits langsam an seiner Hand hinab und drohte, auf sein Notizbuch zu tropfen, in das er irgendetwas zeichnete. Ich musste darüber sehr lachen, er schaute auf und fragte, was los sei. Er betrachtete die Waffel und dann lachte auch er. Ich fragte ihn nach den Zeichnungen und er erklärte, dass er eine Geschichte über einen Frosch im Sinn hätte, dass ihm aber nur Bilder und keine Worte einfielen. Also gab er mir seine Zeichnungen mit und ich schrieb zu den Bildern über Nacht eine Geschichte. Als ich sie ihm am nächsten Tag zusammen mit den Zeichnungen zurück gab, las er sie sofort und im stehen durch. Und dann sagte er, „Aha, ja, das verstehe ich“
Ich saß noch immer vor unserem Eingang im „Rock Button“ Motel mit dem Zettel in der Hand. Nach einer Stunde kam Francois zurück mit dem Auto und rief schon von der Straße aus dem Fenster des Autos „Hast du das wirklich geglaubt?“ Ich schrie „Niemals!“ Francois stoppte das Auto, rannte mit seinen großen Schuhen und mit vielen roten und weißen Blumen im Arm über die Wiese während er glückselig und frei schrie „Das ist meine Frau! Das ist meine Frau!“
Weitere Werke von Nitsirk Idrav:
|
|
Nach oben |
|
|
ono Eselsohr
O
Beiträge: 347
|
O 10.04.2010 15:31
von ono
|
|
|
das ist so ziemlich das schönste, was ich je in einem literaturforum gelesen habe, lilith. es ist zeitlos, und es ist süß und traurig zugleich...*sigh*...
eine winzige anmerkung aber doch: mach aus Zitat: | "...könnten wir das Gute nicht vom Faden unterscheiden" | etwas, wo man nicht zuallererst an einen wollfaden denken muss und dann dauernd darüber nachdenkt, ob man dir sagen soll, dass das gegenteil von fad nicht gut, sondern süß oder salzig ist.
liebe grüße aus currytopf
ono
|
|
Nach oben |
|
|
*Gast* Klammeraffe
*
Beiträge: 504 Wohnort: Rheinland-Pfalz
|
* 10.04.2010 20:21
von *Gast*
|
|
|
Hallo Lilith,
ein ganz nachhaltiges Lächeln bleibt, wenn man Deine Geschichte liest. Wunderschön.
Ein paar klitzekleine Erbsen hätt ich dennoch für Dich, wenn Du magst:
Zitat: | Ich versuche mit dir eine Harmonie herzustellen (Komma) aber du bist immer auf Konfrontation aus!“ |
Leid
Zitat: | Jedes Mal (Komma) wenn sie sich vor sich selbst entschuldigen, |
Zitat: | Wenn es am Ende keine Erinnerung gibt, gab es kein Leben. | Ein sehr schöner Gedanke.
Zitat: | Und dann lachten wir und trommelten uns gegenseitig mit den Fäusten auf die Rücken. | Eher auf den Rücken, jeder auf einen, gegenseitig eben.
Zitat: | Ich roch nach Schweiß, an seinem Hemd fehlte wieder ein Knopf. An seinen Sachen fehlte immer ein Knopf oder es war irgendwo ein Loch drin. | Schön, liebevoll zwischen den Zeilen.
Zitat: | Francois sagte (Doppelpunkt und nach den Anführungszeichen groß weiter, war weiter oben schon mal) „schau, wie sie uns ansehen!“ |
Zitat: | Die Entscheidungen (Komma) die Francois und ich Nachts (nachts) treffen allerdings, haben auch am Morgen noch volle Gültigkeit
| Abgesehen von den Erbsen ein wunderschöner Absatz, sehr schön verpackt.
Zitat: | Ich dachte an unser erstes Gespräch vor sechs Jahren, als wir uns in der Eisbar begegnet waren, in der ich eigentlich mit meiner Großmutter verabredet war, die sich jedoch im Wochentag vertan hatte und mich sitzen gelassen hatte. Francois saß damals am Tisch mit Eiscreme in einer Waffel, er hielt die Waffel mit dem Eis fest, ohne daran zu schlecken. Das Eis lief bereits langsam an seiner Hand hinab und drohte, auf sein Notizbuch zu tropfen, in das er irgendetwas zeichnete. | Diese Art von liebevollen, detaillierten Beschreibungen macht Deine Geschichte zu einer ganz besonderen.
Zitat: | las er sie sofort und im stehen durch. | Stehen
Zitat: | Ich schrie (Doppelpunkt) „Niemals!“ |
Am Bildschirm lassen sich Texte leichter lesen, wenn jede wörtliche Rede extra in einer Zeile steht, das heißt zwischen den Sprechern jeweils ein Zeilenumbruch eingefügt wird. Zum Drucken brauchts das aber nicht unbedingt.
Sehr, sehr gerne gelesen.
Lieben Gruß
Sabine
|
|
Nach oben |
|
|
Noelia Pippi
Alter: 39 Beiträge: 1298 Wohnort: Villa Kunterbunt
|
10.04.2010 23:56
von Noelia
|
|
|
Danke für die Meldung Sabine!
Hallo Lillith!
Toll! Mir fällt mehr fast nicht ein. Ich beneide dich um diesen Schreibstil.
Ich finde den Text unheimlich gut und das ist sicher das Beste, was ich hier im Forum in der letzten Zeit gelesen habe.
Sabine hat ja schon einige Fehler korrigiert. Einen habe ich noch:
Zitat: | Am Abend in einer Badewanne irgendwo in Texas lasen wir uns aus der Kinderbibel vor, die wir mitgenommen hatten. |
Da ist dir ein Wörtchen verloren gegangen.
Ansonsten 1a!
*neidisch*
Das ist ein Text der im Gedächtnis bleibt.
Zartfühlend und fesselnd geschrieben.
Sabine hat schon angemerkt, Dialoge oder wörtliche Reden lassen sich einfacher lesen, wenn sie eine eigene Zeile bekommen.
Ich habe den text in die Belletristik verschoben. Ich denke er hat es mehr als verdient.
Ist nominiert! EDIT: Zweimal nominiert!
Grüße
Fan-Pippi
|
|
Nach oben |
|
|
MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18344
|
11.04.2010 21:04
von MosesBob
|
|
|
Hey Lilith!
Da bist du ja wieder. Das bist du! In dieser Geschichte hast du wieder alles untergebracht, was dich auszeichnet: Den Erzählstil mit dem beneidenswerten Sog und die liebevollen Details und schönen wörtlichen Reden – angesiedelt irgendwo zwischen Philosophie und Plauderei –, die Charaktere deutlicher zeichnen, als 1000 Worte. Ich bin beeindruckt. Mal wieder.
Sehr, sehr, sehr gerne gelesen. Volle Punktzahl. Und nominiert.
Liebe Grüße,
Martin
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
|
Nach oben |
|
|
Pencake Exposéadler
Alter: 55 Beiträge: 2364 Wohnort: Hamburg
|
12.04.2010 08:23
von Pencake
|
|
|
Moin Lilith.
Mit so ner Geschichte morgens aus den
Startlöchern kommen - großartig! Danke-
schön.
HG, Niko
|
|
Nach oben |
|
|
Nitsirk Idrav Gänsefüßchen
Beiträge: 42 Wohnort: Wien
|
12.04.2010 12:35
von Nitsirk Idrav
|
|
|
Ich bin sehr sehr gluecklcih ueber eure freundlichen Nachrichten!
Vielen Dank!
Und was bedeutet das, nominiert?
Werde ich jetzt beruehmt?
|
|
Nach oben |
|
|
MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18344
|
12.04.2010 12:55
von MosesBob
|
|
|
Nominiert für ihn hier: *klick*
Lilith Katz hat Folgendes geschrieben: | Werde ich jetzt beruehmt? |
Jetzt nicht. Aber lange kann es nicht mehr dauern. Dein Name wird in den Bestsellerlisten stehen - direkt unter meinem. Dein Name wird in einem Atemzug mit anderen großartigen Autoren genannt werden - zum Beispiel mit meinem. Und dein ... Augenblick, mein Psychiater sagt gerade, ich drehe am Rad. Ganz schön mutig, der Bonzen.
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
|
Nach oben |
|
|
Murmel Schlichter und Stänker
Alter: 68 Beiträge: 6380 Wohnort: USA
|
13.04.2010 20:03
von Murmel
|
|
|
Ach herrje, jetzt habe ich ein Problem, denn es gefällt mir nicht so gut.
Erstens ist das Format nicht lesefreundlich, zweitens kann ich mit dem Titel nichts anfangen (dazu kann ich nix, eine Gehirnhälfte denkte English und da macht's einfach keinen Sinn) und drittens fliesst alles ins nächste, und so liest sich der Text, einfach dahin, wie ein plätschernder Bach, der nicht weiss, wohin er in der Wiese fliessen will und sich daher mal hier mal dort hinwendet bis er endlich aus dem Gesichtsfeld fällt.
Bitte keine Tomaten werfen. Höchstens frische.
_________________
|
|
Nach oben |
|
|
MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18344
|
13.04.2010 20:18
von MosesBob
|
|
|
Murmel hat Folgendes geschrieben: | Bitte keine Tomaten werfen. Höchstens Fische. |
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
|
Nach oben |
|
|
Murmel Schlichter und Stänker
Alter: 68 Beiträge: 6380 Wohnort: USA
|
13.04.2010 22:19
von Murmel
|
|
|
MosesBob hat Folgendes geschrieben: | Murmel hat Folgendes geschrieben: | Bitte keine Tomaten werfen. Höchstens Fische. |
|
Aber nur wenn's frische sind!
_________________
|
|
Nach oben |
|
|
Mr. Curiosity Exposéadler
Alter: 35 Beiträge: 2545 Wohnort: Köln
|
13.04.2010 23:29
von Mr. Curiosity
|
|
|
Was diese Kurzgeschichte für mich so gelungen macht, sind diese Kleinigkeiten, mit denen du die Figuren charakterisierst.
Zitat: | Francois saß damals am Tisch mit Eiscreme in einer Waffel, er hielt die Waffel mit dem Eis fest, ohne daran zu schlecken. Das Eis lief bereits langsam an seiner Hand hinab und drohte, auf sein Notizbuch zu tropfen, in das er irgendetwas zeichnete |
Zitat: | Wir saßen nebeneinander auf einer Mauer und schwangen unsere Beine hin und her. Ich versuchte seinen Rhythmus zu finden, aber sobald wir im Gleichklang waren, störte Francois und schwang seine Beine gegen meine |
Zitat: | An seinen Sachen fehlte immer ein Knopf oder es war irgendwo ein Loch drin. |
Zitat: | Francois trug eine Bananenschale in der Hand. Er würde Abfall niemals einfach fallen lassen, er trug immer alles was er übrig hatte zu Abfalleimern. Andererseits zog er, bevor er zu Bett ging, alles was er am Körper trug aus und ließ es bis zum nächsten Morgen auf dem Boden im Staub liegen. |
Das sind so Dinge, die man gerne überliest, die meiner Ansicht nach aber viel ausmachen. Du erklärst nicht, du zeigst. Auch daran sieht man deine Erfahrung.
Ich hätte den Figuren vielleicht noch ein paar Ecken und Kanten gegeben, denn so sehen sie doch dem üblichen Bild von Rebellen, die unter dem Carpe diem Motto leben, sehr ähnlich. Das mag bei so einer kurzen Geschichte aber auch schwierig sein.
Die Geschichte selbst hat natürlich keinen besonders spektakulären Plot. Der Fokus liegt auf den Figuren und dem Lebensgefühl das sie verkörpern und mit dem sich bestimmt viele Menschen identifizieren können. Gut eingesetzt ist auch dieser kurze Spannungsmoment am Ende.
Ich schließe mich demnach den postiven Kritiken an.
LG David
_________________
"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."
(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris") |
|
Nach oben |
|
|
Murmel Schlichter und Stänker
Alter: 68 Beiträge: 6380 Wohnort: USA
|
14.04.2010 14:17
von Murmel
|
|
|
Ich habe mal versucht, zu analysieren, warum ich nicht so wie die anderen over the top begeistert bin, und meine, es liegt an der Erzählweise. Fast alles ist erzählend erzählt und nicht erlebt erzählt - der Unterschied zwischen show und tell.
Gerade dieses Beispiel zeigt es sehr deutlich:
Zitat: | Francois trug eine Bananenschale in der Hand. Er würde Abfall niemals einfach fallen lassen, er trug immer alles was er übrig hatte zu Abfalleimern. Andererseits zog er, bevor er zu Bett ging, alles was er am Körper trug aus und ließ es bis zum nächsten Morgen auf dem Boden im Staub liegen. |
Das blaue ist show = zeigend, der Rest ist expository = erklärend, Zusatzinformationen, info dump.
Das mag für eine Kurzgeschichte angehen, in einem Roman sind derartig lange Passagen Spannungskiller sondergleichen. In einem Roman kann man auch expository einweben, aber die Passagen dürfen nicht zu lange sein, sonst verliert man den Leser. Alte Weisheit.
Daher meine ich, da steckt noch Potential drin.
_________________
|
|
Nach oben |
|
|
MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18344
|
14.04.2010 15:00
von MosesBob
|
|
|
Kuckuck!
Murmel hat Folgendes geschrieben: | Ich habe mal versucht, zu analysieren, warum ich nicht so wie die anderen over the top begeistert bin, und meine, es liegt an der Erzählweise. Fast alles ist erzählend erzählt und nicht erlebt erzählt - der Unterschied zwischen show und tell.
Gerade dieses Beispiel zeigt es sehr deutlich:
Zitat: | Francois trug eine Bananenschale in der Hand. Er würde Abfall niemals einfach fallen lassen, er trug immer alles was er übrig hatte zu Abfalleimern. Andererseits zog er, bevor er zu Bett ging, alles was er am Körper trug aus und ließ es bis zum nächsten Morgen auf dem Boden im Staub liegen. |
Das blaue ist show = zeigend, der Rest ist expository = erklärend, Zusatzinformationen, info dump. |
Na, das ist ja mal eine hammerharte show/tell-Ausgelung.
Gerade das, was für dich hier info dump ist, zeichnet den Charakter Francois' meiner Meinung nach sehr schön nach. Für mich ist das eine liebevoll beobachtete Marotte. Übertragen auf den ganzen Text finde ich, dass gerade dieser Erzählstil die Geschichte nicht nur erzählt macht, sondern vor allem auch erlebt. Auf mich wirkt diese Geschichte erlebt.
Tss. Sachen gibt's.
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
|
Nach oben |
|
|
Murmel Schlichter und Stänker
Alter: 68 Beiträge: 6380 Wohnort: USA
|
14.04.2010 16:18
von Murmel
|
|
|
Aber was stünde dem entgegen zu sagen:
Er trug die Schale der Frühstücksbanane zum Abfalleimer und balancierte über seine Anziehsachen, die er gestern Abend achtlos auf dem Boden verstreut hatte.
Dieselbe Charakterisierung. Derselbe Konflikt. Nur wird's dem Leser nicht aufs Butterbrot geschmiert, sondern der Leser kann seine eigenen Schlüsse ziehen. Darum geht's im show nämlich, den Leser miterleben lassen und ihm Intelligenz zusprechen.
Oder nicht?
_________________
|
|
Nach oben |
|
|
Pencake Exposéadler
Alter: 55 Beiträge: 2364 Wohnort: Hamburg
|
14.04.2010 16:24
von Pencake
|
|
|
Hey Murmel,
ich versteh deinen Einwand.
Aber - du schreibst es ja selbst - auf
dieser Erzählstrecke kann man sich
bestens auf diesen erklärenden
Ton einlassen. Oder auch: man muss
sich von vornherein drauf einlassen,
sonst geht einem die Stimme schnell auf die
Nerven.
Bei mir hat genau dieser Ton sofort
angedockt und das Stück hat die richtige
Länge, damit das bis zum Ende so bleibt.
HG, Niko
|
|
Nach oben |
|
|
MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18344
|
14.04.2010 16:30
von MosesBob
|
|
|
Murmel hat Folgendes geschrieben: | Aber was stünde dem entgegen zu sagen:
Er trug die Schale der Frühstücksbanane zum Abfalleimer und balancierte über seine Anziehsachen, die er gestern Abend achtlos auf dem Boden verstreut hatte. |
Aber er ist doch gar nicht in seinem Zimmer.
Ich verstehe, was du meinst, aber im Gegensatz zum Original fehlt mir hier das Auge fürs Detail. Dein Vorschlag wirkt steril, fast sogar ein bisschen oberflächlich. Liliths Variante klingt persönlicher, privater, intimer.
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
|
Nach oben |
|
|
Nordlicht Waldschrätin
Beiträge: 3761
|
14.04.2010 16:51
von Nordlicht
|
|
|
Ist letztendlich auch einfach eine Frage des persönlichen Geschmacks, denke ich.
Mich hat der Text auch nicht SO begeistert; das so vor sich hin erzählen geht irgendwann an meinem leserischen Ohr vorbei.
Es können ja nicht alle das gleiche mögen. Sonst gäb's auch immer nur einen Bestseller und alle andern Schreiber hätten nie eine Chance
_________________ If I waited for perfection, I would never write a word - Margaret Atwood |
|
Nach oben |
|
|
Maria Evolutionsbremse
Alter: 52 Beiträge: 6000
|
14.04.2010 16:52
von Maria
|
|
|
für mich wäre es zudem nicht diesselbe Aussage:
Liliths Version zeigt mir einen Charakter (eine subtile Beschreibung), einen Typen, der ist, wie er eben ist. Für mich gehts hier garnicht konkret um eine Hose auf dem Boden. Es ist mir auch ein Symbol für andere ähnliche Macken (die ich mir dazu ausdenke).
Murmels Version zeigt mir einen Kerl, der gestern seine Hose auf den Boden geworfen hat.
Aber eben nicht, dass diese Nachlässigkeit Teil seines Wesens ist.
Lilith, daumen hoch dafür, sehr fein gewoben, ein echtes Schmankerl. Wenn ich mich schon einmisch hier...
_________________ Give me sweet lies, and keep your bitter truths.
Tyrion Lannister |
|
Nach oben |
|
|
Murmel Schlichter und Stänker
Alter: 68 Beiträge: 6380 Wohnort: USA
|
14.04.2010 19:18
von Murmel
|
|
|
Nordlicht hat Folgendes geschrieben: |
Es können ja nicht alle das gleiche mögen. Sonst gäb's auch immer nur einen Bestseller und alle andern Schreiber hätten nie eine Chance |
So ist's.
Aber wenn ihr schon dabei seid... wer wirft mir mal 'ne Kartoffel rüber? Passat gut zum Fisch.
_________________
|
|
Nach oben |
|
|
MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18344
|
14.04.2010 19:45
von MosesBob
|
|
|
Murmel hat Folgendes geschrieben: | Aber wenn ihr schon dabei seid... wer wirft mir mal 'ne Kartoffel rüber? Passat gut zum Fisch. |
Passat gut zum Fisch? Oder meinst du:
Golf gut zum Fisch?
Sharan gut zum Fisch?
Oder gar ... Scirocco gut zum Fisch?
Vielleicht bin ich aber auch voll auf dem Holzweg, und du meintest:
Omega gut zum Fisch?
Oder vielleicht ... Astra gut zum Fisch? Ja, das wird's sein. Bier und Fisch, das passt. Auch wenn Astra schmeckt wie Kuh ganz hinten.
So, wer schlägt mich jetzt für diesen Kalauer, der sich zog und zog und dann verpuffte?
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
|
Nach oben |
|
|
Murmel Schlichter und Stänker
Alter: 68 Beiträge: 6380 Wohnort: USA
|
14.04.2010 20:45
von Murmel
|
|
|
MosesBob hat Folgendes geschrieben: | Murmel hat Folgendes geschrieben: | Aber wenn ihr schon dabei seid... wer wirft mir mal 'ne Kartoffel rüber? Passat gut zum Fisch. |
Passat gut zum Fisch? Oder meinst du:
So, wer schlägt mich jetzt für diesen Kalauer, der sich zog und zog und dann verpuffte? |
Ich. Komm her, wenn du dich traust. Hätte mir gleich denken können, dass du keinen bayrischen Konjunktiv verstehst, Saupreiss, du japanischer.
_________________
|
|
Nach oben |
|
|
|
|
Seite 1 von 2 |
Gehe zu Seite 1, 2 |
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben. Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten. Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten. Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen. Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen. In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
|
Buch | Buch | Empfehlung | Empfehlung | Empfehlung | Buch | Empfehlung | Empfehlung | Buch | Empfehlung |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|