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Toter Mann kommt (Königskinder 2)


 
 
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Teutoni62
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 237
Wohnort: Cottbus


Beitrag02.01.2010 22:12
Toter Mann kommt (Königskinder 2)
von Teutoni62
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe Leser,
zunächst möchte ich Euch ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2010 wünschen. Weiterhin wünsche ich Euch ein wenig Kurzweil bei meiner neuen Geschichte und hoffe erneut auf die eine oder andere konstruktive Kritik bzw. auf den einen oder anderen sachdienlichen Hinweis bei der Ermittlung von evtl. Fehlerteufelchen.
Also dann wünsche ich ein wenig Vergnügen beim lesen und bedanke mich schon mal im Voraus für den einen oder anderen Beitrag und der damit verbundenen Mühe.



Liebe Grüße, Frank Laughing





Toter Mann kommt (Königskinder 2)

Ich saß im Zug, abgeerntete Felder flogen vorbei - Friedhöfe mit Millionen strohgelber Grabsteine. Kalter Novemberwind wehte graue Wolken, der Dämmerung entgegen. Erinnerungssequenzen der vergangenen Stunden blitzten auf; meine Geburtstagsrunde auf Arbeit und die Monotonie des Akkords. Dann die Heimkehr und der Brief. Eine fremde Schrift, eine schwarzumrandete Zeitungsannonce und die Worte: Aufrichtiges Beileid. Maike hatte es nicht geschafft. Wochenlanges Koma, wochenlanges warten und hoffen - es war vorbei. Maike, war nur noch ein Wort auf schwarzumrandetem Papier.

   Das stählerne Schreien des bremsenden Zuges weckte mich. Endstation Berlin. Per S-Bahn ab zum Alex. Die Weltzeituhr wies auf Mitternacht. Ich trottete über den Alexanderplatz. Hinter mir reckte sich der Fernsehturm in das Dunkel. Auf Westberliner Seite stiegen Raketen auf und tauchten die Nacht in buntes Licht. Die ballerten ja sogar im November, wunderte ich mich. Meine Schritte starteten den letzten Countdown: Tipp, Tapp, Tipp, Tapp … Gedanken führten wirre Dialoge, wisperten: Death Man Walking. Ja der tote Mann kam. Ich kam zu meinem letzten Rendezvous mit Maike. Dann sah ich unsere Bank, unser letztes Liebesnest im Sommer. Sie war nass, ich setzte mich trotzdem und schloss die Augen. Das Video der Erinnerungen startete an einem Tag vor fünf Monaten.

   9. Juni 89, es war heiß, sehr heiß – denn Maike kuschelte sich an mich. Wieder einmal hatten wir eine kleine Chance, ihre Klassenfahrt nach Berlin, genutzt um uns nah zu sein. Acht Stunden Nähe und Zärtlichkeiten lagen vor uns, dreizehn Jahre aufeinander Warten hinter uns. Erdbeereis zum Frühstück, Erdbeermund bis Nachmittag und stundenlanges, süßes quälen auf dieser Bank. Die Zeit verrann gnadenlos. Der Abschied kam am Grenzübergang Friedrichstrasse. Ein letzter Kuss, ein letztes Streicheln, dann ging sie rüber in ihre Welt. Ich schleppte mich zurück in die meinige, um auf unser nächstes Wiedersehen zu warten. Nun war das Warten vorbei.

  Ich griff in meine Manteltasche und zog eine kleine Glasflasche hervor. Backaroma Rum stand in weißer Schrift darauf. Die farblose Flüssigkeit schimmerte honiggelb im Laternenlicht, sein Name: Nikotin. Ich, als Nichtraucher, amüsierte mich bei dem Gedanken, dass dies mein letzter Begleiter sein würde. Ich war meinem flüssigen Fluchthelfer dankbar, denn ich wollte nicht mehr. Maike, war mein Traum auf ein Leben zu zweit gewesen - war ein geplatzter Traum auf ein Leben jenseits der Mauer; aber ohne Träume stirbt die Seele – wird es Zeit zu gehen.
 
   Behutsam entfernte ich den Plastikstöpsel. Vorsichtig führte ich die Glasöffnung der Ampulle in die Nase ein, schob sie immer tiefer rein. Scharfer Tabakgeruch stieg auf. Den Kopf aufrecht haltend legte ich mich langsam auf die Bank. Ein letztes „Maike“, entfloh in die Nacht, dann schloss ich die Augen und warf den Kopf ruckartig nach hinten. Glühende Messer bohrten sich in mein Hirn, zerstückelten die Synapsen. Letzte Reflexe rissen Lippen und Lider auf, schüttelten meinen Körper, dann wurden die Pupillen weit. Meine gebrochenen Augen starrten auf bunte Lichterpunkte am Himmel, die zerplatzten und als vielfarbiger Sternenregen niederprasselten. Irgendwo jubelten Menschen, das Echo meines letzten Schreies nieder. Es war auf einmal alles so leicht, ich war so unendlich leicht. Die Bank versank unter mir. Eine Gestalt, mit weit aufgerissenen Augen, lag darauf. Ruhig betrachtete ich den Körper, der langsam immer kleiner wurde und verschwand. Auch die Straßenlaternen vergingen im Dunkel unter mir. Dann zog die silberfarbene Kugel des Fernsehturms vorbei. Menschen schauten aus den Fenstern in die Nacht, starrten auf Feuerbälle die weit entfernt explodierten und bunte Funkengarben spieen. Die Lichter der Stadt wurden kleiner und verloschen. Stille.

   Die Dunkelnacht umarmte mich. Eisbrillanten aus Sternenstaub funkelten mich an, kreiselten um ein großes schwarzes Loch. Es zog mich in seinen dunklen Schlund. Ich glitt in einen Tunnel und sah an seinem Ende, ein rosafarbenes Licht. Langsam schwebte ich ihm entgegen. Es wurde größer und ein Punkt pulsierte darin aufgeregt hin und her. Warmer Erdbeerduft wehte mir entgegen. Und dann erklang ein Schrei, ein Schrei länger als die Nacht:

Falk hieeer.



_________________
"Die Fantasie ist eine gewaltige Kraft. Manchmal hilft sie sogar zu überleben."

Henning Mankell
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Gast







Beitrag07.01.2010 20:21

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo Frank,

du bist über das Leben eines geliebten Menschen hinweg gerauscht, wie Raubvogel über die Felder. Nüchtern und auf der Suche, ohne zu wissen, ob was bei raus kommt. Schwer wiegt m.E. das fehlende Verharren an den richtigen Punkten und dem falschen Fokus.

Unabhängig davon, dass du den Novemberwind im Zug selbst bei geöffnetem Fenster nicht hättest wahr nehmen können (Fahrtwind), spielt er auch für die Geschichte keine Rolle. Dass reduziert ihn und den Schrei, der länger als die Nacht war, zum kratzenden Versuch lyrisch rüber zu kommen. Erdbeereis, Erdbeermund und der Duft der Erdbeere. Was sie Obsthändlerin oder ist die Erdbeere deine Lieblingsfrucht? Die übermäßige Verwendung wirkt kitschig.

Was macht eine solche Geschichte aus? Emotionen in Abhängigkeit von der Zeit. Was fühle ich wann, wie nehme ich mein Umfeld, die Menschen usw. wahr? Solche Dinge füllen die Stopps, dazwischen kommen die Stepps. Recht komisch kommt auch das völlig verunglücke Metaphern-Feuerwerk zum Ende rüber, das uns der sterbende Ich-Erzähler über den Tod hinaus präsentiert. Nun gut, auch beim Schreiben ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Versuche die Momente so nahe wie möglich einzufangen, sortiere die Worte und prüfe, ob ihre Aussage deinen Gedanken wirklich gerecht werden.

Grüße
Bobbi
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