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Annie-Petit Erklärbär
Alter: 35 Beiträge: 3 Wohnort: Thüringen
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23.12.2009 13:03 Nur ein Tier? von Annie-Petit
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Ich bin mir unsicher wegen der Einordnung, da ich noch neu bin Außerdem liegt diese Erzählung schon mehrere Jahre hier bei mir rum.
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Es dämmert schon und die Sonne taucht den Himmel in ein dunkles rot. Cathy sitzt auf dem Stroh und lässt sich die Geschehnisse des Tages noch einmal durch den Kopf gehen. Ein Junge war da gewesen. Er nannte sie eine Missgeburt. Auch ein kleines Mädchen war unter den Leuten gewesen. Es hatte seine Mutter gefragt, ob es auch so ein Haustier haben könne. Für Cathy gibt es nur drei Gruppen von diesen Individuen, die sich selbst als Menschen bezeichnen. Zum einen sind da die, die Cathy erstaunt und neugierig anschauen. Dann diejenigen, die sie als eine Art Monster ansehen. Am meisten jedoch hasst sie die, die sie wie ein Tier ansehen, wie ein Wesen mit dem sie alles machen können. – Und es gibt noch Dean! Der Einzige, der Cathy versteht.
All diese Gesichter, all diese Stimmen treiben ihr Tränen in die Augen. Sie zieht ihre Beine an sich und legt ihren Kopf auf die verschränkten Arme auf ihren Knien. Sie starrt ihre Füße an, die eher Pfoten ähneln. Auch ihre Hände sehen so aus. Sie sind von rot-braunem Fell überzogen und haben Krallen. Ihre ebenso rot-braunen Katzenohren hängen traurig herab, genauso wie ihr Katzenschwanz an dessen Ende ein silberner Ring hängt. Woher sie ihn hat und woher sie eigentlich kommt, weiß sie nicht. Sie erinnert sich nur an einen Wald, in dem sie aufwachte und kurze Zeit später von Zirkusleuten gefangen wurde.
Sie hört ein Knarren und sieht zur Käfigtür. Es ist Dean! Er ist sechzehn, genau wie sie und arbeitet im Zirkus. Er versorgt und pflegt die Tiere und ist viel netter zu ihnen als alle anderen. “Hallo Cathy. Ich bringe dir dein Essen. Heute gibt es Fisch. – Wie immer.”, sagt er und fügt flüsternd hinzu: “Ich hab’ auch noch einen Stück Kuchen übrig, wenn du willst.” Dann stellt er ihr eine Schüssel hin, schaut sich draußen um, holt Besteck aus seiner Hosentasche und legt es ihr hin. Er geht wieder raus und macht die große Klappe vor den Gitterstäben zu. “Weinst du etwa schon wieder?”, fragt er, schließt auch noch die andere Tür und macht eine Gaslampe an, die er auf den Boden stellt. Cathy wischt sich die Tränen ab und lächelt ihm zu. “Ist schon wieder gut, ehrlich.” Dean schaut sie ungläubig an, während er sich neben sie setzt. “Wie hältst du das nur aus? Bist die ganze Zeit hier eingesperrt. Macht dich das nicht verrückt?” Sie schüttelt den Kopf, während sie sich ein großes Stück Fisch in den Mund stopft. “Ich bin doch nur ein Tier. Wieso sollte es mich stören, dass mich die Leute angaffen? Wieso sollte ich mit Besteck essen, so primitiv, wie ich bin? Wieso sollte ich in Freiheit leben dürfen? Ich bin doch nur ein Tier.” Er streicht über ihr rot-braunes Haar und seufzt. “Ach Cathy. Ich glaube nicht, dass du nur ein Tier bist. Ich würde sagen du bist ein Mensch.” Er krault sie hinterm Ohr. Er weiß, dass sie das mag und sie schnurrt zufrieden. Eine Weile sitzen sie so da, dann schiebt Cathy ihre leere Schüssel beiseite. Sie legt ihren Kopf auf seine Brust und rollt sich ein. “Ab wann ist man eigentlich ein Mensch?”, fragt sie ihn. Für kurze Zeit ist nur das Zirpen der Grillen draußen zu hören, dann sagt er: “Ich glaube ein Mensch ist man, wenn man Gefühle hat.” Da wirft Cathy ein: “Aber Tiere fühlen doch auch. Sie spüren Schmerz, Einsamkeit und Zuneigung.” Dean überlegt. “Das stimmt. Der Direktor würde sagen: Mensch ist man, wenn man intelligenter ist, als alles andere! Ja, das würde er wahrscheinlich sagen.” Cathy hebt ihren Kopf zu ihm hoch und lacht. “Das passt zu ihm. Dann würde ich ihm sagen: Mensch ist man, wenn man sich für intelligenter hält, als alles andere!” Er steht auf, zieht einen Schokoriegel aus seiner Tasche und gibt ihn ihr. Dann sammelt er Schüssel, Besteck und Taschenlampe auf und geht zur Tür. Bevor er verschwindet, dreht er sich noch einmal um und sagt: “Ich glaube, Mensch ist man, wenn es eine geliebte Person zu dir sagt!” Er lächelt Cathy zu und geht. Sie schließt die Augen und hört seinen Schritte, die sich entfernen. Dann schaut sie auf und bemerkt, dass er die Tür offen gelassen hat. Sie schaut in den glitzernden Sternenhimmel. Tränen vor Glück und Dankbarkeit tröpfeln an ihren Wangen hinunter.
Weitere Werke von Annie-Petit:
_________________ Ich bin ein Mondenkind, geboren aus der Mutter Hekates Schoß. |
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