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Dieses Werk wurde für den kleinen Literaten nominiert Nur eine Frage der Zeit


 
 
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Andrea F.
Leseratte
A


Beiträge: 154
Wohnort: München


A
Beitrag03.12.2009 22:40
Nur eine Frage der Zeit
von Andrea F.
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Nur eine Frage der Zeit

Draußen wird es langsam hell. Der Bäume sind bevölkert von munter zwitschernden Vögeln. Bernd kann es kaum ertragen. Was fällt diesen Mistviechern ein, tagein, tagaus vor sich hin zu pfeifen, als ob nichts geschehen wäre?
Er schaltet den Fernseher, der bei ihm Tag und Nacht läuft, lauter, um den Gesang zu übertönen. Eine junge Frau mit dümmlichem Gesichtsausdruck versucht gerade, ihn für ein Gewinnspiel zu begeistern. Er muss nur einen Vornamen mit demselben Anfangs- und Endbuchstaben finden, und schon gehören ihm 2000,- Euro. Wie konnte sich Kathi darüber immer aufregen. Für sie waren solche Sendungen, wie auch die diversen Talkshows am Nachmittag, Zeichen des sozialen Niedergangs. Volksverdummung, schimpfte sie. Trotzdem lässt Bernd die Dame weiterplappern.

Er verlässt für einen Augenblick die Couch, auf die sich sein Lebensraum quasi reduziert hat, und schlurft ins Bad. Im Vorbeigehen schließt er die Vorhänge. Es wird nicht mehr lange dauern, und die Sonne taucht den Vorgarten samt der unzähligen Rosenköpfe in strahlendes Licht und leuchtende Farben - Kathis ganzer Stolz. Sozusagen ihr Kinderersatz. Am liebsten würde er einen nach dem anderen herausreißen und verbrennen. In Flammen aufgehen lassen, wie er es schon mit all den Bildern, die Kathi über die Jahre bei verschiedenen Feierlichkeiten oder im Urlaub gezeigt haben, gemacht hat.
Da Kathi und er über die letzten Jahre sehr zurückgezogen gelebt haben, muss er diese Aktion auch gegenüber niemandem rechtfertigen. Er weiß, das hätte verständnislose, ja schockierende Reaktionen ausgelöst, vor allem, da wohl jeder der Meinung war, einzig die schönen Erinnerungen seien die Quelle, aus der er jetzt Kraft und Trost schöpfen könnte.
Ausgemachter Blödsinn. Genauso wie das dumme Gerede, die Zeit würde alle Wunden heilen. Tut sie nicht. Warum versteht keiner, dass das Schlimme am Tod nicht die Tatsache ist, dass er uns einen geliebten Menschen nimmt, sondern vielmehr, dass er uns mit unseren Erinnerungen allein lässt? Jede Erinnerung reißt eine neue Wunde. Was soll auch tröstlich daran sein, sich an besonders schöne Momente eines jahrzehntelangen, gemeinsamen Lebens zu erinnern, in dem Bewusstsein, keinen davon zurückholen zu können?
Für ihn ist es eine ausgesprochene Qual, sich zu erinnern, wie Kathi beispielsweise im Garten an ihren geliebten Rosen herumzupfte, mit welcher Hingabe sie jedes einzelne vertrocknete Blatt entfernte. Oder an ihr strahlendes Lachen, wenn sie die Kinder auf dem Spielplatz gegenüber beobachte, und von deren Lebensfreude augenblicklich angesteckt wurde. Oder an ihren spöttischen Blick, wenn sie dachte, sie hätte ihn erwischt, wie er dem Dekolleté einer anderen Frau einen Tick zu viel Aufmerksamkeit widmete, dabei vorgab, nicht eifersüchtig zu sein, es aber doch war. - Als ob er je Interesse an einer anderen Frau gehabt hätte.

Er registriert den muffigen Geruch aus der Küche, durchsetzt mit einer leicht säuerlichen Note. Kommt bestimmt von den gefüllten Paprika, die in der Küche vor sich hingammeln. Egal. War ja nett von der Nachbarin, ihn zu bekochen, aber völlig unnötig. Er hat keinen Hunger, will nichts essen, braucht auch nichts.
Zurück im Wohnzimmer, nimmt Bernd seinen Platz auf der Couch wieder ein. Hier sitzt er und wartet darauf, dass die Zeit vergeht. Hier schläft er auch. Unerträglich der Gedanke, alleine in dem großen Bett schlafen zu müssen. Wie sollte er das auch können, ohne den Schock, den Kathis kalte Füße ihm Nacht für Nacht versetzten, wenn sie diese Eiszapfen zu ihm unter die Decke schob?

Obwohl es früh am Morgen ist, spürt Bernd eine bleierne Müdigkeit auf ihm lasten. Gut so. Ein deutliches Zeichen, dass er schwächer wird und auf dem richtigen Weg ist. Einem Weg, der ihn mit jedem Atemzug seiner Kathi ein Stückchen näher bringt.



_________________
Lesen ist in einer immer schneller lebenden Welt die einzige Methode der Verlangsamung.
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*Gast*
Klammeraffe
*


Beiträge: 504
Wohnort: Rheinland-Pfalz


*
Beitrag04.12.2009 18:24

von *Gast*
Antworten mit Zitat

Hallo Andrea,

von der Geschichte bin ich hin- und hergerissen. Du hast vieles hineingepackt, was ich ähnlich sehe. Aber so richtig werde ich mit dem Protagonisten nicht warm. Woran das liegt, weiß ich selbst nicht genau. Ich geh mal durch und guck:

Zitat:
Der Bäume sind bevölkert von munter zwitschernden Vögeln. Bernd kann es kaum ertragen. Was fällt diesen Mistviechern ein, tagein, tagaus vor sich hin zu pfeifen, als ob nichts geschehen wäre?
Hier wird zwar klar, dass etwas geschehen ist, was nicht zu Vogelzwitschern passt, aber die Sprache bleibt an der Oberfläche, geht im letzten Satz beinah ins Witzige. Mein Versuch ins Blaue: "Das Zwitschern der Vögel kratzt in Bernds Ohren wie eine falsch aufgelegte Plattennadel. Wie können die Tiere nur weiter pfeifen, als ob nichts geschehen wäre?" Die Mistviecher", das "munter", "tagein, tagaus", sind alles Begriffe, die dem ernsten Inhalt entgegen stehen. Für mich wenigstens.


Zitat:
Eine junge Frau mit dümmlichem Gesichtsausdruck versucht gerade, ihn für ein Gewinnspiel zu begeistern.
Hier stört mich der "dümmliche Gesichtsausdruck". Er trauert, nimmt er den Ausdruck überhaupt wahr?

Zitat:
Trotzdem lässt Bernd die Dame weiterplappern.
"Dame" und "plappern". Besser wäre es, neutraler im Ausdruck zu bleiben.

Zitat:
auf die sich sein Lebensraum quasi reduziert hat
das "quasi" würde ich ersetzen oder einfach streichen.

Zitat:
Er weiß, das hätte verständnislose, ja schockierende Reaktionen ausgelöst, vor allem, da wohl jeder der Meinung war, einzig die schönen Erinnerungen seien die Quelle, aus der er jetzt Kraft und Trost schöpfen könnte.
Wie wäre es, einfacher anzufangen: Das hätte verständnislose Reaktionen ausgelöst, da jeder der ...

Zitat:
Was soll auch tröstlich daran sein
"auch" würde ich streichen

Zitat:
wie Kathi beispielsweise im Garten an ihren geliebten Rosen herumzupfte, mit welcher Hingabe sie jedes einzelne vertrocknete Blatt entfernte.
"beispielsweise" schwächt die Aussage des sehr schönen Satzes ab.

Zitat:
Obwohl es früh am Morgen ist, spürt Bernd eine bleierne Müdigkeit auf ihm lasten.
sich

Im Grunde eine traurige Geschichte. Auch gut erzählt. Die Stellen, an denen es bei mir gehakelt hat, kennst Du jetzt. Es waren mal Füllwörter und mal ironische Überbetonungen, die mir nicht zum Thema zu passen scheinen. Vielleicht kannst Du ja etwas damit anfangen.

Gern gelesen.

Lieben Gruß
Sabine
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hobbes
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Beitrag04.12.2009 23:17

von hobbes
Antworten mit Zitat

Hallo Andrea,

so ganz überzeugt mich Deine Geschichte nicht. Schwer zu sagen, warum. Vielleicht fehlt mir die Glaubwürdigkeit. Bernd will nix mehr, tut nix mehr, wartet nur auf's Ende. Warum hat er dann die Nachbarin in die Wohnung gelassen? Und warum wollte Kathi mit ihm zusammen sein? Liest sich nämlich so, als wäre sie von jeher die Aktive, Frohe, Lebendige gewesen und Bernd derjenige vor dem Fernseher. Sogar auf den Fotos war nur Kathi zu sehen (zumindest liest sich das für mich so). Was wollte sie also von dem Langweiler? Bis zu dem Satz
Zitat:
dass das Schlimme am Tod nicht die Tatsache ist
habe ich fest damit gerechnet, dass sie ihn verlassen hat (also verlassen im Sinne von: sie schaut sich nach einem anderen um).

Gern gelesen hab ich die Geschichte trotzdem. Liest sich gut, aber irgendwas fehlt noch (für mich).

Darüber bin ich gestolpert:
Zitat:
auf die sich sein Lebensraum quasi reduziert hat

Da würde ich auch das quasi weglassen.

Zitat:
das hätte verständnislose, ja schockierende Reaktionen ausgelöst

Müsste das nicht schockierte heißen?

Zitat:
- Als ob er je Interesse an einer anderen Frau gehabt hätte.

Wozu der Gedankenstrich?

Liebe Grüße,
hobbes
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hobbes
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Beiträge: 4294

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Beitrag05.12.2009 09:14
Mir ist noch etwas eingefallen...
von hobbes
Antworten mit Zitat

... warum mir etwas fehlt:

Am Ende der Geschichte denke ich "das ist traurig, wenn jemand keinen Sinn mehr im Leben sieht und sich umbringen will, weil der Partner nicht mehr lebt". Aber mit Bernd kommt bei mir kein Mitleid auf, mit ihm kann ich mich nicht identifizieren und er hat auch so gar nichts sympathisches an sich. Außer, dass er Kathi geliebt hat und ihr treu war. Aber das reicht nicht, sie ist ja nicht mehr da.

Was mir jetzt gerade noch einfällt, das hier
Zitat:
Sozusagen ihr Kinderersatz.

finde ich nicht notwendig. Das ist irgendwie so ein Aufhänger, der einem von der Geschichte ablenkt, die doch gar nichts mit Kindern zu tun hat. Oder doch?

Jetzt hör ich aber auf, Deine Geschichte auseinanderzudröseln...

Die Rosenköpfe gefallen mir übrigens gut. Und auch die Idee, dass er die Fotos vernichtet, weil er nicht an Kathi erinnert werden möchte.
(Vielleicht ist das ja etwas, was mir Bernd doch noch sympathisch macht - dass er anders reagiert, als man das erwarten würde.)
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