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Kurzgeschichtenversuch *noch namenlos*


 
 
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Acura
Geschlecht:weiblichErklärbär
A


Beiträge: 1



A
Beitrag22.11.2009 18:35
Kurzgeschichtenversuch *noch namenlos*
von Acura
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo, ich wollte auch mal eine meiner Kurzgeschichten zu lesen geben. Ich hoffe auf reichlich konstruktive Kritik!  Wink



Leise klingt „Stille Nacht“ aus dem Radio. Die Stimmen des Chores und das Spiel der leise begleitenden Geige tragen besinnliche Stimmung durch das ganze Haus. Der Tannenbaum steht in der gleichen Ecke wie jedes Jahr, an der Wand neben der Kommode. Die unterschiedlich großen, goldenen Kugeln funkeln, brennende, elfenbeinfarbene Kerzen spenden ein warmes Licht und eine Christbaumspitze, auf der ein goldener Stern balanciert, komplettiert das Bild. Die Tanne ist geschmückt wie jedes Jahr, mit dem Schmuck den er mir in unserem ersten gemeinsamen Dezember auf einem Weihnachtsmarkt gekauft hat.
Unter dem Baum liegen die Geschenke, fein säuberlich gestapelt und mit Goldpapier umwickelt. Wie jedes Jahr... Ich wecke mich aus der nachdenklichen Betrachtung, in die ich versunken bin, und gehe durch den offenen Holzrahmen ins Esszimmer. Auch dort schmücken Girlanden aus Tannenzweigen die Wände und funkelnde Engel lächeln pausbäckig auf mich herab. In der Mitte des Raumes, auf dem Esstisch aus dunklem Holz, steht ein großer Kerzenleuchter, links und rechts neben dem Tisch zwei Stühle vor zwei Gestecken aus meinem besten Porzellan. Das, was wir zu unserer Hochzeit von meinen Eltern bekommen haben. Auf dem Tisch stehen mehrere dampfende Schüsseln. Erbsen, Kartoffeln, Soße und die traditionelle Weihnachtsgans auf einer Platte warten darauf, warm verspeist zu werden. Ihr Duft erfüllt das ganze Zimmer und lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Und doch wird niemand davon essen. Denn er ist nicht da.
Langsam schreite ich zurück ins Wohnzimmer und lasse mich auf einem der roten Sessel nieder. Dieser hier, von dem aus man genau in Richtung Weihnachtsbaum schauen kann, war sein Lieblingsplatz. Vor dem warmen Kamin. Gedankenschwer lege ich meinen Kopf auf die Lehne und rolle mich ganz klein zusammen, die Arme fest um die Knie geschlungen.
Da drüben liegen seine Geschenke und warten auf ihn. Doch niemand wird sie auspacken. Denn er ist nicht da. Niemand wird mich umarmen, sanft auf den Mund küssen und mir für die Geschenke danken. Er wird nie das Papier von den Bildbändern wickeln, die er sich so gewünscht hatte, nie die CDs von seinem Lieblingssänger auspacken. Der Teller mit Zimtsternen, die er am liebsten aß, steht umsonst auf der Kommode. Denn niemand wird vor dem prasselnden Feuer davon naschen. Er ist nicht mehr da.
Ich erhebe mich abermals und wandele in die Küche. Sanft streiche ich über mein scharfes, langes Küchenmesser. Er ist nicht mehr da.
Das ganze Haus scheint den Atem anzuhalten, wartet auf ihn. Darauf, dass er wie das letzte Jahr in den Flur gestürmt kommt, gefolgt von einem Schwall kalter Lust, und sich lachend den halb geschmolzenen Schnee aus den Haaren schüttelt. Darauf, dass wir uns küssen, während er seinen feuchten Mantel auszieht, wir uns an den gedeckten Tisch setzen und er lächelnd verkündet, das sei das beste, was er jemals gegessen habe.
Doch das Haus wartet umsonst, und ich mit ihm. Denn er ist weg, und er kommt nie wieder. Gegangen, könnte man sagen. Aber es war nicht seine Entscheidung. Er wurde eher aus dem Leben gerissen. Gewaltsam, brutal, und niemand hatte es geahnt. Von einem Tag auf den anderen war er nicht mehr, der Mittelpunkt meines Lebens, er, der mich aufrecht hielt, wenn alles mich zu Boden zu drücken schien, der immer für mich da war. Das Leben erschien uns wie eine Ewigkeit, ein weiter Weg, der noch vor uns lag, und wir dachten, wir hätten alle Zeit der Welt zusammen. Doch eines Tages war es vorbei, ohne Vorwarnung.
Und jetzt liegt der weite Weg alleine vor mir. Mir fehlt meine Stütze, mein Mut, meine Kraft… bis zu diesem Weihnachten habe ich durchgehalten, fast ein Jahr. Doch ich würde den Tag nicht ertragen, an dem er starb. Sylvester, der neue Anfang eines neuen Jahres, aber für uns das Ende. Ich kann nicht mehr. Dieses Weihnachten wird das letzte ohne ihn sein, und das letzte überhaupt. Und dieser Nacht voller Erinnerungen wird kein neuer Morgen mehr folgen. Es ist Zeit, dass ich ihm nachfolge auf dem Pfad ohne Rückweg



_________________
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TintenFisch
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 30
Beiträge: 202
Wohnort: München


Beitrag22.11.2009 22:12

von TintenFisch
Antworten mit Zitat

Hallo Acura,

willkommen im Forum!  Very Happy
Auch wenn ich nicht viel Zeit habe, nehme ich mir deinen Text kurz mal vor.
Du bringst eine sehr eindringliche Stimmung rüber, beschreibst so, dass man sich alles sehr bildhaft vorstellen kann. An einigen Stellen könnte er allerdings noch gestrafft werden.

Der Anfang war trotz schöner Formulierungen ein bisschen schleppender zu lesen als der Rest, da du nur beschreibst und der Leser sich irgendwann zu fragen beginnt, was an dieser Weihnachtsidylle denn so außergewöhnlich ist, dass du so ausführlich darauf eingehst. Das könntest ein wenig kürzen oder dem Leser schon früher deutlich machen, dass diesem Weihnachtsfest etwas entscheidenes fehlt.

Als du auf den fehlenden Mann eingehst, wird für den Leser nachvollziehbarer, was deine Protagonistin bewegt. An einigen Stellen wiederholst du dich sehr, sodass ich beinahe den Eindruck habe, das wäre Absicht. Allerdings ist das dann doch nicht so offensichtlich, sodass es sich eher wie eine ungewollte Wiederholung liest.

Ich gehe mal etwas detaillierter darauf ein:

Zitat:
Die unterschiedlich großen, goldenen Kugeln funkeln, brennende, elfenbeinfarbene Kerzen spenden ein warmes Licht und eine Christbaumspitze, auf der ein goldener Stern balanciert, komplettiert das Bild.


Das Wort "komplettieren" habe ich bisher selten in Kurzgeschichten gelesen. Meiner Meinung nach hört es sich etwas sehr sachlich an, eher passend zu einem trockenen Bericht. Da findest du sicherlich ein weniger hölzerne Alternative...

Zitat:
Die Tanne ist geschmückt wie jedes Jahr, mit dem Schmuck den er mir in unserem ersten gemeinsamen Dezember auf einem Weihnachtsmarkt gekauft hat.


Da du den Christbaumschmuck bereits ausführlichst beschrieben hast, klingt diese überflüssige Zusammenfassung beinahe komisch.
Eine kleine Umformulierung wie beispielsweise: "Den Schmuck hat er mir in unserem ersten gemeinsamen Dezember auf einem Weihnachtsmarkt gekauft." würde diese Wiederholung vermeiden...

Zitat:
Ich wecke mich aus der nachdenklichen Betrachtung, in die ich versunken bin, und gehe durch den offenen Holzrahmen ins Esszimmer.


Meinst du damit den Türrahmen? Mich hat das im ersten Moment verwirrt, vor allem, da die Erwähnung einer Tür nicht dazu beiträgt, dass man sich die Szene besser vorstellen kann. Lass deine Ich-Erzählerin einfach ins Esszimmer gehen, da kommt die Assoziation einer Tür von ganz allein.

Zitat:
Und doch wird niemand davon essen. Denn er ist nicht da.
Langsam schreite ich zurück ins Wohnzimmer und lasse mich auf einem der roten Sessel nieder. Dieser hier, von dem aus man genau in Richtung Weihnachtsbaum schauen kann, war sein Lieblingsplatz. Vor dem warmen Kamin. Gedankenschwer lege ich meinen Kopf auf die Lehne und rolle mich ganz klein zusammen, die Arme fest um die Knie geschlungen.
Da drüben liegen seine Geschenke und warten auf ihn. Doch niemand wird sie auspacken. Denn er ist nicht da. Niemand wird mich umarmen, sanft auf den Mund küssen und mir für die Geschenke danken. Er wird nie das Papier von den Bildbändern wickeln, die er sich so gewünscht hatte, nie die CDs von seinem Lieblingssänger auspacken. Der Teller mit Zimtsternen, die er am liebsten aß, steht umsonst auf der Kommode. Denn niemand wird vor dem prasselnden Feuer davon naschen. Er ist nicht mehr da.
Ich erhebe mich abermals und wandele in die Küche. Sanft streiche ich über mein scharfes, langes Küchenmesser. Er ist nicht mehr da.


Vor allem in diesem Abschnitt fällt die Wiederholung sehr auf, wie oft du sagst, dass er nicht mehr da ist. Ansonsten beschreibst du diesen Verlust detailliert, alles, was er nicht mehr in der Lage ist zu tun. Dieses "er ist nicht mehr da" hat der Leser schon sehr genau verstanden und interessiert sich nun eher dafür, wie es deiner Ich-Erzählerin dadurch geht. Sie sollte sich eher ins Detail steigern und nicht immer wieder so an die Oberfläche zurückkehren, was nur die Dramatik aus der Szene nimmt.

Zitat:
Denn er ist weg, und er kommt nie wieder. Gegangen, könnte man sagen. Aber es war nicht seine Entscheidung. Er wurde eher aus dem Leben gerissen. Gewaltsam, brutal, und niemand hatte es geahnt. Von einem Tag auf den anderen war er nicht mehr, der Mittelpunkt meines Lebens, er, der mich aufrecht hielt, wenn alles mich zu Boden zu drücken schien, der immer für mich da war. Das Leben erschien uns wie eine Ewigkeit, ein weiter Weg, der noch vor uns lag, und wir dachten, wir hätten alle Zeit der Welt zusammen. Doch eines Tages war es vorbei, ohne Vorwarnung.


Der letzte Satz fasst ziemlich viel von dem Rest dieses Ausschnittes zusammen, da könnte sehr gekürzt werden...


Aber sonst hat mir deine Geschichte sehr gefallen. Der Schluss war zwar nicht mehr so überraschend, weil du schon das Messer erwähnt hast, aber dennoch schön anschaulich geschrieben.

Für mehr Kritik habe ich leider keine Zeit. Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen helfen.

Ich bin sicher, von dir bekommen wir hier noch so einiges gutes zu lesen...

Liebe Grüße
Sophia


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