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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6340 Wohnort: 50189 Elsdorf
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03.01.2008 22:00 Charlene in Cannes von Ralphie
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Hier mal wieder etwas aus Onkel Ralphies Schatztruhe, veröffentlicht vor etwa 126 Millionen Jahren.
Am anderen Vormittag flogen sie mit einer zweimotorigen Cessna weiter zur Côte d’Azur. Auf dem Flughafen von Cannes badete Jolanthe in dem lange entbehrten Blitzlichtgewitter der Fotokameras und bewies in einem Interview mit einem privaten Fernsehsender ihre exquisiten Französischkenntnisse. Nach einem Empfang im Rathaus und dem obligatorischen Eintrag in das Goldene Buch der Stadt hatten Charlene und Jolanthe den Rest des Tages für sich. Im Rahmenprogramm des Filmfestivals liefen in diesem Jahr zwei Retrospektiven – eine über die Filme von François Truffaut und eine mit den zehn besten Western aller Zeiten, ausgewählt von europäischen, nicht amerikanischen Filmjournalisten. Der Terminplan sah vor, daß Jolanthe die letzte Retrospektive eröffnen sollte.
Charlene platzte vor Neugier, welche Filme die Europäer ausgewählt hatten. Als Amerikanerin und Patriotin liebte sie Wildwestfilme – vor allem natürlich die schönen, alten Filme von John Ford und Howard Hawks. Der schwarze Falke stand in ihrem Hochglanzprogrammheft an allererster Stelle, dazu Johnny Guitar, Rio Bravo, Red River, Das eiserne Pferd, Zwölf Uhr mittags, Der Mann der Liberty Valance erschoß und Spiel mir das Lied vom Tod, aber auch so unerträgliche anti-amerikanische Machwerke wie Das Tor zum Himmel und Little Big Man.
»Wie kann man diese beiden Filme zu den besten Western aller Zeiten zählen!« beschwerte sie sich in der Lounge des Darlton. bei Jolanthe. »Der Teufelshauptmann fehlt und Höllenfahrt nach Santa Fé und Mein großer Freund Shane!«
»Die Europäer haben einen anderen Geschmack als wir«, beschied ihr Jolanthe in ihrer affektierten Art, »und was die Indianer betrifft, haben wir uns wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert, Schätzchen!«
Die Eröffnung der Western-Retrospektive fand in einem Filmpalast an der weltberühmten Croisette statt. Jolanthe trug ein ebenso tief dekolletiertes wie eng anliegendes Abendkleid mit aufgestickten Smaragden rund um den U-Bootförmigen Ausschnitt und stand mit ihren großen, halbnackten Brüsten und ihrer noch immer betörenden Figur im Mittelpunkt des Interesses. Natürlich wußte sie als ehemaliger Hollywoodstar genau, wie sie vor den Kameras der Paparazzi am wirkungsvollsten posieren mußte. Sie ließ ihre schneeweißen Zähne blitzen, wechselte unablässig von einem Standbein auf das andere, um ihre Hüften zur Geltung zu bringen, und verließ sich ansonsten auf ihr abgrundtief hinunterreichendes Dekolleté, das an beiden Seiten so gerade noch ihre Brustwarzen bedeckte.
An diesem ersten Abend wurde Der schwarze Falke in einer restaurierten Fassung gezeigt. Der Saal platzte aus allen Nähten. Der Präsident der französischen Filmakademie war gekommen, und mehrere noch lebende Darsteller dieses uralten Technicolorstreifens standen auf der Ehrengästeliste der Festivaldirektion. Charlene sehnte das Ende des Films herbei. Der Tag war anstrengend gewesen. Sie schlug sich noch immer mit dem Jetlag herum und wollte nur noch in ihr Bett.
Ein einziges Mal provozierte jemand während der Vorstellung ihre Aufmerksamkeit. Der Film handelt von zwei Männern (John Wayne und Jeffrey Hunter), die auf der Suche nach einem von Indianern entführten Mädchen sind, das von Natalie Wood gespielt wird. Im ganzen Film wird wieder und immer wieder angedeutet, daß Wayne die entführte Debbie nicht retten, sondern töten will, weil sie keine Weiße mehr sei, sondern längst eine Indiandersquaw. Charlene hatte den Film schon mehr als ein halbes Dutzend Mal gesehen und kämpfte mit ihren schweren Augenlidern. Doch dann kam diese legendäre Sequenz, in der John Wayne hinter Natalie Wood herreitet, um sie ganz offensichtlich zu erschießen, dann aber geläutert und zu der dramatischen Klängen von Max Steiners unvergeßlicher Musik aus dem Sattel springt und seine Nichte in die Arme schließt. Einer der französischen Kritiker, ein Cineast, schnellte aus seinem unbequemen Klappsessel, klatschte frenetisch in die Hände und schrie mit Tränen in den Augen: »Jaaa, die gute, alte Zeit!«, woraufhin auch der Rest des Publikums aufstand und pietätvoll zu applaudieren begann.
Wie schrieb Jean-Luc Godard, der Regisseur und große Erneuerer des französischen Films: »Es ist unmöglich, John Wayne nicht zu hassen, wenn er für einen Mann wie Barry Goldwater eintritt, und es ist unmöglich, ihn nicht zu lieben, wenn er im vorletzten Akt des Schwarzen Falken plötzlich Natalie Wood in seine Arme nimmt.«
Weitere Werke von Ralphie:
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MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18344
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04.01.2008 16:07
von MosesBob
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Hallöchen Ralphie!
Schön, wie einfach und flüssig deine Sätze ineinandergreifen. Wie zwei verliebte Welpen unter einer Bettdecke ... Da stört es auch nicht weiter, dass ich mich nicht die Bohne für Western begeistern kann.
Deinen Lieblingswestern hast du übrigens vergessen aufzuzählen.
Anerkennende Grüße,
Martin
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
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MT Reißwolf
Alter: 52 Beiträge: 1090 Wohnort: Im Süden (Niedersachsens)
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04.01.2008 16:15
von MT
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Ich will auch so schreiben können...
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6340 Wohnort: 50189 Elsdorf
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04.01.2008 19:13
von Ralphie
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@ MT ..., Danke schön.
@ MosesBob ..., du bringst dich noch um meine Dessous-Sammlung!
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Gabi Reißwolf
Alter: 53 Beiträge: 1216 Wohnort: Köln
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04.01.2008 19:30
von Gabi
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Hallo Wilfried!
Grandiös, wie immer.
L.G.
Gabi
_________________ "Das hier ist mein Dach und mein Tag!" (Oma Thea macht die Fliege) |
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6340 Wohnort: 50189 Elsdorf
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04.01.2008 23:01
von Ralphie
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MosesBob hat Folgendes geschrieben: | Hallöchen Ralphie!
Deinen Lieblingswestern hast du übrigens vergessen aufzuzählen.
Martin |
Der Film ist zwar nicht mein Lieblingswestern, aber ich habe ihn auf DVD.
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MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18344
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06.01.2008 09:37
von MosesBob
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Ralphie hat Folgendes geschrieben: | MosesBob hat Folgendes geschrieben: | Hallöchen Ralphie!
Deinen Lieblingswestern hast du übrigens vergessen aufzuzählen.
Martin |
Der Film ist zwar nicht mein Lieblingswestern, aber ich habe ihn auf DVD. |
Ich hätte ihn mir sogar mal fast ausgeliehen, konnte der Versuchung dann aber doch widerstehen.
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(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
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Gewaexhausgewaex Wortedrechsler
Alter: 38 Beiträge: 86 Wohnort: Jena
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24.11.2009 22:37
von Gewaexhausgewaex
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Schon der Titel hat mich, beim schöckern hier, neugierig gemacht.
Eine nette Geschichte. So scheinbar oberflächlich, wie "Eden" von Hemminway. Eine feine Unterhaltungsstory zum sinnfreien Liegen auf der Couch. Und eben gut geschrieben.
Zitat: | Jolanthe trug ein ebenso tief dekolletiertes wie eng anliegendes Abendkleid mit aufgestickten Smaragden rund um den U-Bootförmigen Ausschnitt und stand mit ihren großen, halbnackten Brüsten und ihrer noch immer betörenden Figur im Mittelpunkt des Interesses. [...] Sie ließ ihre schneeweißen Zähne blitzen, wechselte unablässig von einem Standbein auf das andere, um ihre Hüften zur Geltung zu bringen, und verließ sich ansonsten auf ihr abgrundtief hinunterreichendes Dekolleté, das an beiden Seiten so gerade noch ihre Brustwarzen bedeckte. |
Es gefällt mir, wie du hier ein wenig mit dem Klischee des It-Girls spielst.
Grüße, GHG
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